Titel: Zwei Leben
Serie: Star Trek – TOS
Autor: Lady Charena /
Dezember 2001
Charaktere: Captain Kirk, Gary Mitchell, Spock
Pairing: Kirk/Spock angedeutet
Rating: AU, pg12 slash
Worte: 1770
Beta: T‘Len
Summe: Mit sichtlichem Stolz sah sich der frischgebackene Captain des
Föderationsschiffes USS Enterprise auf der Brücke um. Sein erstes Kommando. Er
hatte es geschafft.
Disclaimer: Star Trek gehört Paramount/Viacom. Bei dieser Story handelt sich um
nicht-kommerzielle Fanfiction, es wird keine Verletzung von Urheberrechten
beabsichtigt.
Mit sichtlichem Stolz sah sich der frischgebackene Captain des
Föderationsschiffes USS Enterprise auf der Brücke um. Sein erstes Kommando. Er hatte es geschafft.
Eine herrliche Aufregung kribbelte durch seinen Körper und er hatte Mühe, still
sitzen zu bleiben, während um ihn herum die Startvorbereitungen so kontrolliert
abliefen, als wäre es nicht das erste Mal. Ihr Auftrag bestand zwar nur aus
einem simplen Versorgungsflug zu einer Forschungsstation, sollte ihnen aber
Zeit und Gelegenheit bieten, sich mit dem Schiff und untereinander vertraut zu
machen. Da waren einige wenige bekannte Gesichter, wie Gary Mitchell, mit dem
er die Akademie besucht hatte und viele unbekannte Gesichter, die nur darauf
warteten, kennengelernt zu werden.
"Captain Kirk?“
Er wandte sich zur wissenschaftlichen Station um. Dort
wartete jemand ganz besonders interessantes darauf, kennengelernt zu werden.
Zumindest, wenn man den
Captain fragte...
Er räusperte sich. "Ja,
Mr. Spock?"
Der Wissenschaftsoffizier blickte ihn ungerührt an, als wäre es für ihn
alltäglich, seinen Captain dabei zu ertappen, wie dieser Tagträumen nachhing.
"Alle Computersysteme sind überprüft, Sir, wie angeordnet. Auch der Check
der Sensorbänke ist abgeschlossen." Er reichte dem Captain seinen Bericht.
"Wenn meine Anwesenheit auf der Brücke nicht dringend erforderlich ist,
würde ich gerne eine Überprüfung der neuen Laboreinrichtungen vornehmen."
"Ja, natürlich, Mr. Spock", erwiderte Kirk und lächelte den Vulkanier freundlich an. "Überprüfen Sie nur."
Spock verabschiedete sich mit einem knappen Nicken.
Kirks Blick folgte ihm bis zum Lift.
Ein Räuspern schreckte den Captain auf. Gary Mitchell, seines Zeichens Erster
Offizier der Enterprise, betrachtete ihn amüsiert.
"Ja, Mr. Mitchell?"
Das spöttische Funkeln in Garys Augen verstärkte sich noch. "Wir haben
Startfreigabe, Captain. In 30 Minuten werden wir pünktlich das Raumdock verlassen." Dann beugte er sich vor.
"Schon Feuer gefangen, was?", setzte er so leise hinzu, dass nur Kirk
ihn hören konnte. "Verbrenn' dir nur nicht die Finger an ihm." Er
richtete sich erneut auf.
"Es freut mich ungeheuer, das zu hören, Mr. Mitchell", erwiderte Kirk
trocken.
* * *
"Captain Kirk?"
Kirk stoppte und wandte sich lächelnd zu seinem wissenschaftlichen Offizier um.
"Guten Abend, Mr. Spock. Was kann ich für Sie tun?"
Der Vulkanier verzog keine Miene. "Ich sehe mich leider gezwungen, unser
gemeinsames Schachspiel für 2200 im Erholungsraum abzusagen, Sir. Es ist eine
Unregelmäßigkeit bei der Datenspeicherung im Bibliothekscomputer aufgetreten,
die ich untersuchen muss."
Kirk seufzte leise. "Natürlich, Mr. Spock, das hat Vorrang. Halten Sie
mich über Ihre Untersuchungen bitte auf dem Laufenden - ich werde in meiner
Kabine sein."
"Selbstverständlich, Captain. Sie erhalten meinen Bericht nach Abschluss
der Reparaturen." Mit einem knappen Nicken verabschiedete sich der
Vulkanier.
Kirk blickte ihm nach.
"Seltsam", ertönte es hinter ihm spottend. "Immer, wenn wir uns
treffen, sehe ich dich diesem Vulkanier nachstarren.
Woran fasziniert dich nur so an ihm? Sein Hintern? Oder doch eher diese
exotischen spitzen Ohren? Was hat er, was ich nicht habe?"
Kirk drehte sich um. "Mehr Respekt", erwiderte er scharf.
"Spionierst du mir neuerdings nach?"
"Oh, ich bitte vielmals um Verzeihung, mein Captain", Gary verbeugte
sich grinsend. "Verzeiht eurem Diener großzügigst."
Er fiel auf die Knie, die Arme ausgestreckt.
Gegen seinen Willen erwiderte Kirk sein breites Grinsen. "Du bist ein
miserabler Schauspieler, Gary", erwiderte er. "Los, steh' auf, bevor
dich noch jemand sieht."
Mitchell stand auf. "Du fürchtest wohl, jemand könnte das falsch
verstehen? Oder am Ende... sogar denken, wir hätten etwas miteinander?",
flüsterte er übertrieben laut.
Der Captain schüttelte den Kopf. "Lass' den Quatsch, Gary. Kann man mit
dir nicht einmal ernsthaft reden? Komm' mit in meine Kabine."
* * *
"Also, was gibt's?", fragte Gary, als er es sich ein paar Minuten
später auf dem Bett des Captains bequem machte. "Liebeskummer? Oder bist
du nach knapp vier Monaten bereits des Kommandos überdrüssig? Ich erlöse dich
mit Freuden von dieser schweren Last. Gib' Komack
einfach meine Nummer und schlage mich als deinen Nachfolger vor..."
"Gary!", unterbrach ihn Kirk. "Halt' einfach für einen Moment
deine Klappe und hör' mir zu. Ist das vielleicht möglich?"
Mitchell hob beide Hände und schnitt eine Grimasse. "Bitte, ich bin ganz
Ohr."
Kirk lehnte sich gegen den Raumteiler und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Was weißt du über Spock?"
"Du meinst außer der Tatsache, dass er dich seit neuestem ansieht, wie ein
Verhungernder ein Fünf-Gänge-Menü und mich, als wäre ich die Schnecke in seinem
Salat?", fragte Gary spöttelnd. "Kaum mehr als du, mon capitaine,
nehme ich an." Er grinste breit, als Kirk ein wenig rot wurde.
"Eines Tages wird dich dein Lästermaul in ganz große Schwierigkeiten
bringen, Gary Mitchell."
"Oh, nein, bitte. Hör' auf. Du klingst ja schon wie meine selige
Mama", jammerte Gary und rang flehentlich die Hände, bevor er über sein
eigenes Theater in Gelächter ausbrach.
"Ich frage mich, warum ich mich eigentlich noch mit dir abgebe",
meinte Kirk, als Gary sich nach Luft japsend die Lachtränen aus den
Augenwinkeln wischte.
"Wo ist dein Humor geblieben?", entgegnete Gary. "Ich erinnere
mich da einen gewissen Kadetten Kirk, der sich für keinen Streich zu schade
war."
"Das ist eine Ewigkeit her, werd'
endlich erwachsen, Gary." Kirk wandte sich von ihm ab und verließ den
Schlafbereich. "Ich hätte wissen müssen, dass es keinen Zweck hat, mit dir
reden zu wollen."
Mitchell folgte ihm. "Hey, warte mal. Okay, ich versuche diesmal ernst zu
bleiben. Was ist los?"
Er klang tatsächlich, als ob er es auch so meinte. Kirk schob einen Stapel mit
Datenträgern zur Seite und ließ sich auf der Schreibtischkante nieder.
"Seit ein paar Wochen habe ich immer wieder den gleichen, seltsamen
Traum", meinte er. "Spock kommt darin vor."
Er blickte Gary an, der den Mund öffnete - vermutlich um eine spöttische
Bemerkung loszuwerden - doch Kirk kam ihm zuvor. "Nicht das, was du nun
wieder denkst", fiel er ihm ins Wort.
Gary riss erstaunt die Augen auf. "Ich dachte, Telepathie wäre Spocks
Fach?", flachste er.
"Halt einfach die Klappe und lass' mich ausreden. Das wird doch nicht so
schwer sein. Stell' dir einfach vor, deine Mutter ist hier. Okay, Gary?",
erwiderte Kirk liebenswürdig.
Mitchell verzog den Mund, schwieg jedoch.
Kirk rutschte von der Schreibtischkante und begann, vor dem Möbel auf und ab zu
gehen. "Es ist nicht Spock allein. Ich träume von ihm und... meinem
Bruder. Ich kann sie Seite an Seite sehen. Mein Bruder ist hier auf der Enterprise, er
ist ihr Captain.“ Er stoppte und blickte seinen Freund an.
Gary runzelte nur die Stirn und bedeutete ihm stumm, weiter zu sprechen.
Doch Kirk schüttelte den Kopf und schwieg.
„Aber dein Bruder ist gestorben, als er zwölf war, Sam“, brach Mitchell
schließlich das Schweigen. „Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals
freiwillig über ihn gesprochen hättest. Wenn wir nicht als Nachbarn
aufgewachsen wären, hätte ich vermutlich nie gewusst, dass du überhaupt jemals
einen Bruder hattest. Warum träumst du jetzt nach all den Jahren wieder von
ihm?“
Sam Kirk glättete seinen Schnurrbart, ein sicheres Anzeichen von Nervosität.
„Ich weiß es nicht“, gestand er ein. „Ich sehe ihn als erwachsenen Mann. Wie er
als erwachsener Mann hätte aussehen können. Ich sehe ihn hier auf diesem
Schiff.“ Er stoppte vor dem Spiegel. „Er könnte jetzt ungefähr so aussehen wie
ich. Wir sahen uns schon als Kinder sehr ähnlich.“
Er spürte Garys Hand auf der Schulter.
„Aber dein Bruder ist tot, Sam. Könnte es sein...“, Gary zögerte kurz, „...
deine Mutter hat mir einmal erzählt, dass Jim derjenige von euch beiden war,
der bereits als kleiner Junge davon träumte, Captain eines Starships
zu werden. Kann es sein, dass du dich – jetzt, da du
dieses Ziel erreicht hast – irgendwie... schuldig fühlst?“
Sam wandte sich vom Spiegel ab und Mitchell zu. „Ich dachte, du hättest die
Psychologie-Vorlesungen an der Akademie immer geschwänzt, Gary“, meinte er mit
einem schiefen Lächeln.
„Du weißt vieles über mich nicht, Sammy-Boy“, erwiderte Gary grinsend. „Na,
habe ich recht?“
„Ich weiß es nicht.“
„Hör‘ mal, wenn dich die Träume wirklich so stören, solltest du vielleicht mal
mit deinem Chefarzt darüber sprechen“, schlug Mitchell vor.
„Nein, das will ich nicht.“ Kirk wandte sich von ihm ab und ließ sich auf sein
Bett fallen. „Vielleicht gehen sie von selbst wieder weg.“ Es klang nicht sehr
überzeugt.
„Du könntest auch mit Spock sprechen. Ich denke, er kann gut zuhören.“ Gary
folgte ihm und zuckte mit den Schultern. „Vielleicht findet er auch eine
logische Erklärung für deine Träume, auf die du und ich in tausend Jahren nicht
kommen würden. Aber ich an deiner Stelle würde mir den Kopf darüber nicht zu
sehr zerbrechen. Dein Bruder ist tot. Wie oft hast du in den letzten zehn
Jahren überhaupt an Jim gedacht? Sam – du hast dir das alles hier...“ - seine
Geste schloss das ganze Schiff ein - „...hart erarbeitet. Es ist dein Leben. Du
hast es niemandem weggenommen. Und schon gar nicht Jim. Du kannst nicht wissen,
wie er heute leben und was er tun würde...“
Das Summen des Interkoms unterbrach ihn.
Kirk griff nach dem Schalter am Bettende. „Kirk hier.“
„Captain. Ich habe die Überprüfung des Bibliothekscomputers früher als geplant
abgeschlossen. Der Bericht ist an Ihr Terminal weitergeleitet worden. Ich
stände für unser geplantes Schachturnier im Erholungsraum demnach doch zur
Verfügung.“
Sam Kirk grinste. Gary, der schamlos mitgehört hatte, grinste zurück. „Gerne,
Mr. Spock“, erwiderte Sam. „Wir sehen uns dann um 2200. Ich freue mich.“ Er
unterbrach die Verbindung.
„Was wirst du jetzt tun?“, forschte Mitchell nach.
„Ich werden meinem Wissenschaftsoffizier vorschlagen, mich doch Sam zu nennen.“
„Und was ist mit deinen Träumen?“, fragte Gary, als Sam aufsprang, das Oberteil
seiner Uniform abwarf und im Schrank nach einem frischen kramte.
„Du hast selbst gesagt, es ist mein Leben. Ich kann nicht zwei Leben führen –
meines und das, welches Jim vielleicht geführt hätte.“
Er wandte sich Gary zu. „Und ich hoffe, dass sie ganz wegbleiben, wenn ich erst
einmal neben Spock schlafe.“
„Hey!“, protestierte Gary lachend. „Du bist dir deiner Sache ja sehr sicher.“
„Natürlich. Denkst du wirklich, er könnte mir widerstehen? Ich bekomme immer,
was ich will.“ Kirk grinste und zog eine frische Tunika über.
„Na dann.“ Gary verbeugte sich. „Waidmanns Heil“, meinte er ironisch. „An
deinem mangelnden Selbstbewusstsein wird es sicherlich nicht scheitern. Weißt
du, er tut mir fast schon leid...“
Kirk warf ihm das gebrauchte Oberteil an den Kopf. Der Schatten seines Bruders,
der ihm seit einiger Zeit verfolgt zu haben schien, verschwand, als die beiden
Männer in Gelächter ausbrachen.
Ende