2006
Fandom:
Inspektor Jury
Kategorie: G, Humor
Feedback: tlen11@freenet.de
Summe:
Tante Agatha sorgt mal wieder für Wirbel vor dem Fest.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu verletzen. Vielen Dank an Lady Charena fürs Beta.
„Was ist denn hier los?“, schwungvoll und wenig
lordschaftlich vornehm stürmte Melrose Plant, noch im Morgenmantel, den
Speiseraum von Ardry End.
„Es tut mir sehr Leid, Mylord“, entschuldigte sich Ruthven, sein Diener,
sofort, eilte dann hinaus, um die Tür zu öffnen, an der es gerade geläutet
hatte.
„Ich wollte gerade den Weihnachtsbaum schmücken“, erklärte
Martha, Ruthvens Frau und die Köchin des Hauses. „Mit dem alten goldenen und
silbernen Schmuck Ihrer seligen Frau Mutter. Aber Lady Ardry hat es mir verboten.“ Martha tupfte sich mit
der Spitze ihrer Schürze bezeichnend die Augen.
„Meine Tante hat Ihnen gar nichts zu befehlen, Martha“,
erwiderte Melrose. „Sie schmücken den Baum so wie immer.“ Martha strahlte
zufrieden und wie es Melrose schien etwas schadenfroh. Auch bei seinem Personal
erfreute sich seine angeheiratete Tante keiner großen Beliebtheit. Er konnte es
ihnen nicht verdenken.
Melrose wandte sich Agatha zu, die wieder einmal zu
morgendlicher Stunde – zumindest empfand er es so, wenn er vor 12 Uhr geweckt
wurde – sein Haus gestürmt hatte. Und wieder einmal hatte sie für ein solches
Spektakel gesorgt, dass der Lärm bis zu seinem Schlafzimmer vorgedrungen war.
Dabei hasste er nichts mehr, als in seiner Ruhe gestört zu werden. Gerade im
Winter, wenn draußen alles kalt und zugeschneit war, gab es doch nichts
Schöneres als sich in die weichen Kissen zu kuscheln, selbst wenn man – leider
- allein dabei war.
„Das ist mein Haus“, erklärte er kategorisch und in einem
Ton, der deutlich machen sollte, dass er keinen Widerspruch duldete. „Also wird
der Baum geschmückt, wie ich es will.“
Erwartungsgemäß scherte sich Agatha aber nicht darum. „Ich
wollte nur etwas Stil herein bringen und so wird es einem gedankt“, beklagte
sie sich lautstark. „Dabei weiß doch jeder, wie altbacken dieses Gold- und
Silberzeugs ist. Pink ist dieses Jahr in, mein lieber Plant. Wer etwas auf sich
hält, schmückt seinen Baum in Pink.“
„Du kannst deinen Baum ja gern in Pink schmücken, meiner
bleibt in Gold und Silber“, erklärte Melrose.
„Pink ist doch so was von megaout“, ertönte da die etwas
näselnde Stimme von Marshall Trueblood, den Ruthven gerade in den Speisesaal
führte. „Liest du denn nicht die Vogue, Schätzchen, Türkis ist dieses Jahr der
letzte Schrei.“
„Erzähl keinen Blödsinn, Marshall“, mischte sich Diane
Demorney, die gemeinsam mit dem Antiquitätenhändler gekommen war, ein. „Lila
ist in den Staaten der Hit.“
„Nein Pink“, beharrte Agatha.
„Türkis“, betonte Marshall und zündete sich eine passende Sobranie
an.
„Lila“, brachte Diane ihre Lieblingsfarbe wieder ins
Gespräch.
„Ihr habt doch keine Ahnung, ihr Bürgerlichen, was überhaupt
Stil ist“, ereiferte sich Agatha. Sie befingerte derweil einen silbernen
Kerzenständer und ließ ihn dann unauffällig – wie sie glaubte, Melrose hatte
sie jedoch genau dabei beobachtet –in ihre Handtasche gleiten. „Ich sage, der
Baum wird Pink und basta.“
„Als ob du Geschmack hättest“, gab Marshall bissig zurück.
„Melroses Hund hat mehr davon als du. Ganz zu schweigen davon, dass du keine
Adelige bist, meine Liebe. Nur eine angeheiratete.“
Diane kicherte, während Agatha giftige Blicke auf sie
schoss. „Ihr habt doch beide keinen Geschmack“, sagte sie noch einmal mit
Betonung. „Und ich habe im kleinen Finger mehr Stil.“
„Mir reicht es“, erklärte Melrose laut und zog damit die
Aufmerksamkeit aller wieder auf sich. „Mindy!“ Die Hündin, die sich vor dem
Gezänk in die hinterste Ecke am Kamin zurückgezogen hatte, kam für ihre
Verhältnisse ungewöhnlich schnell zu ihrem Herrn gelaufen. „Komm, wir gehen!“
Ohne die Anwesenden eines weiteren Wortes noch Blickes zu
würdigen, ging Melrose zur Tür.
„Wo willst du hin?“, rief Agatha ihm hinterher.
Er drehte sich langsam um. „Anziehen, packen, zum nächsten Zug. Ich verbringe
Weihnachten in London.“ Zwar hatte er den Entschluss soeben spontan gefasst,
aber er war sich sicher, Richard Jury würde sich auch über einen
unangekündigten Besuch freuen. Er hatte ihm gerade gestern mitgeteilt, dass er
dieses Jahr nicht wie sonst zu Weihnachten nach Long Piddleton würde kommen
können, denn Superintendent Racer hatte ihm zur Feiertagsbereitschaft
verdonnert. Zwar würde er die Tage nicht im Büro verbringen müssen, aber er
musste in der Stadt bleiben, falls ein Mord geschah und man ihn brauchte.
So könnte Melrose zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen,
Weihnachten doch noch mit seinem Freund verbringen und seiner nervenden Tante
entkommen. Dafür nahm er doch glatt eine ungemütliche Zugreise bei Kälte und
Schnee auf sich.
„Aber das kannst du nicht machen“, riefen Agatha, Marshall
und Diane wie aus einem Mund.
„Was wird dann aus unserem traditionellen Weihnachtsdinner“,
fügte seine Tante hinzu. „Alle haben doch schon unsere Einladung.“
„Du meinst wohl deine Einladung“, erwiderte Melrose. Er
selbst konnte gut und gern darauf verzichten, zu Weihnachten das halbe Dorf
durchzufüttern, eigentlich fast das ganze, wenn er es genau betrachtete. Nicht,
dass er geizig war oder die Leute allgemein nicht mochte, im Gegenteil. Er
hatte nur viel lieber seine Ruhe oder nur wenige, ausgewählte, wirklich gute
Freunde wie Richard um sich als stundenlangen Trubel im ganzen Haus. Aber seine
Tante bemühte sich immer aus dem Dinner das gesellschaftliche Ereignis des
Jahres in Long Piddleton, und wenn möglich noch darüber hinaus, zu machen, mit
ihr als unumstrittener Königen des Ganzen natürlich.
„Das kannst du halten, wo du willst, hier nicht“, betonte
Melrose. Er wandte sich an Martha und Ruthven. „Sie bekommen hiermit von mir
offiziell Urlaub für die Feiertage. Machen Sie es sich hier gemütlich oder
verreisen Sie auch, wie Sie wollen, aber lassen Sie sich auf keinen Fall, ich
betone auf keinen Fall, von irgendjemanden zur Arbeit verpflichten.“
Martha und Ruthven nickten. „Jawohl, Mylord“, sagte Ruthven
und Plant wusste, egal was seine Tante sagte der tat, er würde sich an seinen
Befehl halten.
Melrose drehte sich herum. Mindy folgte ihm. Beide
ignorierten die lauten Proteste von Agatha, Marshall und Diane. „Aber ich hab
mir extra ein neues Hemd besorgt, todschick, ganz in Türkis“, war Marshalls
Klage das Letzte, was Melrose hörte, als die Tür krachend hinter ihnen ins
Schloss fiel.
Er beugte sich herab und kraulte Mindy hinter den Ohren.
„Ich bin sicher, ich kann Richard überreden, die ganzen Feiertage gemütlich im
Bett zu verbringen“, sagte er und lächelte zufrieden.