Titel: Die Weisheit des Alters
Autor: Lady Charena (August 2007)
Fandom: Kung Fu TLC
Charaktere: Kwai Chang Caine, Lo Si
100-ff-Challenge-Thema: # 075. Schatten
Worte:
Rating: gen, pg
Anmerkung des Autoren: Vielen Dank an T’Len fürs Beta
lesen.
Summe/Hintergrund: Nach Caines dreimonatigem Verschwinden und anschließendem
Wiederauftauchen als sein Alter Ego „Rocky Dalton“, scheint die Beziehung
zwischen Vater und Sohn zurück auf Anfang. Was Lo Si
am meisten Sorgen macht, ist die Reichweite dessen, was Caine bereit ist zu
tun, um Peter zu schützen.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen
und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern (Warner, Michael Sloan). Eine
Kennzeichnung unterbleibt nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder
diese Inhaberrechte zu verletzen.
Ich besitze die
Weisheit des Alters! (Lo Si Episode: „An Ancient Lottery“)
Ein paar Sorgenfalten mehr drängten sich auf Lo Sis verwittertem
Gesicht, als er den Raum voll Schatten betrat und feststellen musste, dass der
am Fenster stehende Mann ihn nicht gehört, ja noch nicht einmal seine
Anwesenheit gespürt hatte.
Er faltete seine knorrigen Finger und räusperte sich. „Mein Freund“, sagte er
leise.
Kwai Chang Caine zuckte zusammen – und drehte sich
dann langsam um. Einen Moment lang zeigte sich Schock in seinen Zügen, dann
verschwand wieder jeglicher Ausdruck vom Gesicht des Priesters, das von
Schatten halb verborgen lag. Er verbeugte sich höflich. „Was verschafft mir die
Ehre deines Besuches, Ehrwürdiger?“
Lo Si lächelte, doch es war ein grimmiges Lächeln.
„Ich denke es ist an der Zeit, dass wir offen miteinander sprechen, Kwai Chang Caine.“
Der jüngere Shaolin versteifte sich sichtlich. „Über welches Thema?“,
erkundigte er sich.
Lo Si ließ sich von dem neutralen Tonfall seiner Stimme nicht täuschen. Er
kannte Caine zu lange, um das Aufblitzen von Ärger in den dunkelbraunen Augen
übersehen zu haben. Doch es war nicht Neugier, sondern Besorgnis, die ihn in
die Wohnung seines alten Freundes geführt hatte. „Das Thema ist Kwai Chang Caine“, entgegnete er schlicht.
Caine verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bitte um Erklärung“, erwiderte
er steif.
„Verzeihung. Ich habe mich wohl unklar ausgedrückt.“ Lo Si neigte kurz den
Kopf, doch ohne das spöttische Funkeln in seinen Augen zu verbergen. „Ich
möchte mit dir über deine Handlungen während der vergangenen drei Monate
sprechen.“ Vielleicht täuschte er sich, doch es schien fast, als entspanne sich
der jüngere Mann etwas, als habe er ein anderes Thema erwartet. Lo Si
unterdrückte ein weiteres, ebenfalls grimmiges Lächeln. Caine beklagte sich so
oft über die Starrköpfigkeit seines Sohnes, dass er nur zu gerne vergaß, von
wem Peter diese Eigenschaft geerbt hatte.
„Ich glaube, dass was ich getan habe, richtig war. Es war die einzige
Möglichkeit, die ich erkennen konnte, um den Tod meines Sohnes und seiner
Freunde zu verhindern.“ Caine wartete auf eine Antwort, die nicht kam. „Peter
ist Polizist“, fuhr er fort, sich zu verteidigen. „Er vertraut Fakten mehr als
meinen... Visionen. Wenn ich ihm von dem geplanten Raub im Casino berichtet
hätte, dann...“ Irgendetwas im Gesicht des anderen Shaolin ließ ihn verstummen.
Mit genau den gleichen Worten hatte er einige Tage zuvor versucht, Peter und
Captain Simms zu erklären, warum es für ihn notwendig gewesen war, über einen
so langen Zeitraum Rocky Daltons Persönlichkeit anzunehmen. Und in dieser
Eigenschaft seinen Sohn und dessen Freunde abzuweisen und zu täuschen.
Karen Simms schien sich mit seiner Erklärung zufrieden zu geben, doch Peter...
Obwohl er nach außen hin vorgab, die Beweggründe seines Vaters zu verstehen,
wirkte er noch immer tief verstört. Caine bedauerte, dass er Peter solchen Schmerz
hatte zufügen müssen, doch er hatte keinen anderen Weg gefunden, seinen Sohn zu
retten.
„Ich bin mir dessen bewusst. Und ich billige, welche Anstrengung du auf dich
genommen hast.“ Lo Si bekräftigte seine Worte mit einer knappen Geste.
„Anderenfalls hätte ich nicht Meister Kahn gebeten, Captain Simms aufzusuchen
und eine Erklärung für das Auftauchen dieses... von Rocky Dalton zu bieten.
Allerdings hätte ich es begrüßt, wenn du in dieser Sache meinen Rat eingeholt
hättest – bevor du etwas unternimmst.“
„Dazu war keine Zeit.“ Caine wusste selbst, dass dieses Argument bestenfalls
fadenscheinig war. Immerhin hatte er drei Monate gehabt, um einen anderen
Ausweg zu finden – oder um Rat und Hilfe zu bitten.
„Zeit ist ein gutes Stichwort“, entgegnete Lo Si sofort. „Selbst uns
Repräsentanten von Shamballah ist es normalerweise
nicht erlaubt, in den Ablauf der Geschichte auf diese Weise einzugreifen, Kwai Chang Caine.“ Er schüttelte den Kopf, las die Frage in
Caines Gesicht noch bevor der sie formuliert hatte. „Was geschehen ist, ist
geschehen. Niemand hat deine Entscheidungen in Frage stellen, noch ist es an
uns, die Handlungen eines anderen Shamballah-Meisters
zu kritisieren.“ Er straffte seine vom Alter gebeugte Gestalt. „Dennoch bin ich
zutiefst besorgt. Deine Beweggründe waren rein emotionaler Natur und deine
Handlungen unüberlegt.“
„Ich konnte doch nicht einfach dabei zusehen, wie Peter getötet wird.“ Caines
leise Stimme brach schließlich die Stille, die sich nach den letzten Worten des
alten Mannes über den von Schatten erfüllten Raum gesenkt hatte.
Lo Si seufzte. „Niemand würde das erwarten“, sagte er. „Aber die Risiken, die
du eingegangen bist, stehen in keinem Verhältnis. Deine Aufgabe ist noch nicht
erfüllt, Kwai Chang Caine. Du kannst nicht alles, was
noch vor dir liegt gefährden, um deinem Sohn zu helfen. Peter ist erwachsen.
Seine Ausbildung ist so gut wie beendet. Du musst ihn seine eigenen Kämpfe
ausfechten lassen.“
Der jüngere Mann verschränkte die Arme vor der Brust und wandte ihm den Rücken
zu. „Er ist mein Kind“, sagte er leise. „Und ich habe ihn schon einmal
verloren. Egal, welches Risiko ich eingehen muss, ich kann ihn nicht noch
einmal verlieren.“
Der alte Mann schüttelte langsam den Kopf. „Ich hoffe, du bist dir der
Konsequenzen deines Handelns bewusst, Kwai Chang
Caine.“
Ohne ein weiteres Wort verließ er die Wohnung. Er war hier, um sicher zu
stellen, dass Caine die Aufgabe erfüllte, die ihm seine Bestimmung
vorzeichnete.
Peter… seine emotionale Abhängigkeit, seine „Gabe“ sich in Schwierigkeiten zu
bringen, seine Weigerung diesen sogenannten Beruf aufzugeben und sich
stattdessen der Pflicht gegenüber seinen Vorfahren zuzuwenden… hinderten Caine,
sich diesem Ziel ganz zu verschreiben.
Wenn er Vater und Sohn ein zweites Mal trennen musste, dann würde er nicht
zögern und einen Weg finden, dies zu bewerkstelligen.
Lo Si betrat sein eigenes Apartment und zog eine Schublade des antiken
Apothekerschrankes auf. Er entnahm ihr einen Umschlag und diesem ein leicht
vergilbtes Foto, das er einen Moment lang nachdenklich betrachtete. Es zeigte
eine Frau mittleren Alters, mit rotblonden Haaren, aufgenommen vor Jahren in
einem Café in Frankreich. Sie wies verblüffende Ähnlichkeit mit Laura Caine
auf. Auf verschlungenen Umwegen war es in seine Hände geraten.
Dann schob er es in den Umschlag zurück. Noch war die Zeit nicht gekommen, um
dieses Ass auszuspielen, wie Rocky Dalton es sicherlich formuliert hatte.
Der Ehrwürdige legte den Umschlag in die Schublade zurück und verschloss sie
sorgfältig. Die Weisheit des Alters war gleichermaßen Segen wie Bürde...
Ende