Titel: Eine Ewigkeit lang – und darüber hinaus
Autor: Lady Charena (Juni 2017)
Fandom: Torchwood
Storysammlung: 50 Ways I’ll be your
Lover
Episode: --
Wörter: 3627
Charaktere: Jack Harkness, Ianto Jones, Toshiko Sato,
Owen Harper, Gwen Cooper-Williams
Pairing: Jack/Ianto
Rating: ab12, slash, hurt/comfort,
AU
Summe: Es ist an der Zeit, Gwen reinen Wein über Ianto
einzuschenken.
Hinweis: Vorgängerstorys
dieser Reihe sind: „The Phantom Archivist & Other Ghost Storys”, “The Ghost Position”, “My Heart is a Ghosttown”, “The Ghost Protocol”, “Ghost Fire”, “Ghost in a
Window”, “The Ghost Touch”, “The Ghost Holiday”, “Jacks Ghost”, “A Ghostly
Christmas” und “Kindermund”.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten
geschützten Namen und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine
Kennzeichnung unterbleibt nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder
diese Inhaberrechte zu verletzen.
„Irgendetwas stimmt mit uns nicht. Und das sage ich als Arzt.“ Owen gähnte, als
sich seine Freunde zu ihm umdrehten. Die beiden beschäftigten sich seit Stunden
nur mit einer geöffneten Computertastatur und ignorierten ihn.
„Wirklich? Was stimmt denn deiner Meinung nach nicht mit uns“?,
erbarmte sich Tosh seiner. Sie hielt eine hauchdünne
Sonde zwischen den Fingern und war so auf ihre Arbeit konzentriert, dass sie
überhaupt nicht bemerkte, dass sie einige Zentimeter über dem Boden schwebte.
„Wir sind gestorben, für Torchwood - nicht zu
vergessen, ich sogar 2x, wenn stimmt, was ich von Jack gehört habe - und
trotzdem hängen wir weiter hier herum.“ Harper starrte missmutig auf seine
Füße. Oder dorthin, wo er mal welche hatte. Unterhalb der Knie wurden seine
Beine immer durchsichtiger und endeten dann im Nichts. Absolut entnervend.
Owen war so aufgewacht, als Ianto in die Ruinen des
Hubs schneite, um mit Tosh zu tuscheln. Er sollte
einfach aufhören, hin zu sehen. Aber er konnte den Blick nicht abwenden.
Während seines Studiums hatte sich niemand mit den Problemen halb-stofflicher
Wesen beschäftigt… Owen schnitt eine Grimasse und hob den Kopf. Er verschränkte
die Arme vor der Brust, lehnte sich gegen die geborstene Säule zurück, die sich
hinter ihm befand und beobachtete lieber, wie Toshs
Pferdeschwanz bei jeder Bewegung wippte. „Wollt ihr noch lange an dem Ding
herumfummeln? Was soll das überhaupt bringen?“
„Niemand zwingt dich uns zuzusehen, Owen.“ Ianto
beugte sich wieder über die Tastatur. „Und wenn es dir hier nicht mehr gefällt,
ich bin sicher, wir finden ein nettes Plätzchen für dich in einem Krankenhaus,
da kannst du dich den ganzen Tag über unfähige Ärzte und Schwestern amüsieren.“
Tosh schüttelte den Kopf. Sie legte die Sonde auf den
Tisch und drehte sich um. Natürlich verstand sie, dass Owen frustriert war.
Große Teile der Archive waren bei der Explosion beschädigt, aber nicht zerstört
worden. Sie unternahm mit Ianto Exkursionen dort, wo
niemand außer ihnen hingehen konnte und Ianto nahm
Artefakte mit, die er gefahrlos zum neuen Torchwood-Hauptquartier
befördern konnte. Er sammelte sie in einer Kiste in einem der noch stabilen
Tunnel, über den man nach draußen gelangen konnte. Jack hatte ihn freiräumen lassen, doch niemandem außer ihm selbst war es
erlaubt, ihn zu betreten. Wenn die Kiste voll war, nahm Jack sie mit und
ließ sie im neuen Lagerhaus ordnungsgemäß archivieren. Gwen wusste davon, auch
wenn sie nicht darüber begeistert war, dass Jack sich in den instabilen Ruinen
ihres ehemaligen Hauptquartiers herumtrieb. Was sie nicht wusste, war dass Ianto strikt darauf achtete,
wie man dort mit den Dingen umging.
Tosh beschäftigte sich mit den Artefakten,
analysierte sie, erkundete ihre Funktion, das Design – machte all das, wozu ihr
früher kaum Zeit geblieben war.
Owen hingegen… Nun, er half ihr bei ihren Analysen, so gut er konnte, aber er
war keineswegs so mobil wie sie oder gar Ianto und
vermochte weniger seine Hände, als nur seinen Verstand einzusetzen.
„Das du kein Problem mit unserem Zustand hast, ist mir klar. Teaboy hat es wieder mal von allen am besten. Zurück in
Jacks liebenden Armen.“ Den letzten Satz sprach Harper in einem
ätzend-süßlichen Tonfall. „Und auch fast wieder ein "richtiger"
Junge, während der Rest von uns aufpassen muss, nicht in einer Fußbodenspalte
zu verschwinden.“
„Ich habe mir das nicht ausgesucht, Owen und mir hat - genauso wenig wie dir -
niemand die Wahl gelassen so zu sein, wie ich bin.“ Ianto
fokussierte einen Moment und aus dem blauen Overall, den er getragen hatte, um
zwischen den Trümmern nach etwas Brauchbarem zu suchen, wurden Jeans und ein warmer
Pullover. Es war kalt und feucht hier unten. „Ich sollte gehen. Jack wird sich
über die Briefe freuen.“ Er nahm die zusammengefalteten Blätter. So eine
einfache Idee, aber es hatte so lange gedauert, bis jemand darauf gekommen war,
zu versuchen, auf diese Weise mit Jack zu kommunizieren, anstatt Ianto mündliche Botschaften übermitteln zu lassen.
Neben Tosh war es zur Überraschung Alex Hopkins - der
frühere Leiter von Torchwood Drei und ein alter
Freund von Jack - gewesen, dem es als Erstem gelang, einen Bleistift zu
kontrollieren. Inzwischen vertrieb er sich nicht nur mit dem Schreiben seiner
Biographie die Zeit, wofür Ianto ihn regelmäßig mit
Notizbüchern und Stiften versorgte, sondern auch mit Briefen an Jack und damit
Schachfiguren über das Brett zu dirigieren, ohne sie anzufassen.
Ianto umarmte Tosh zum
Abschied und beobachtete nachdenklich, wie sich ein goldener Schimmer zwischen
ihnen aufbaute und Tosh umhüllte. Lag es daran, dass
er die ganze Nacht in stetem Kontakt mit Jack verbracht hatte? Seinen Rücken
gegen die Brust des anderen Mannes geschmiegt, Jacks Arme um seine Mitte? Hatte
er sich mit Jacks endloser Lebensenergie vollgesogen wie ein Blutegel und gab
jetzt etwas davon ab, wie eine überladene Batterie? Er konnte die feinen
Härchen in ihrem Nacken sehen, die sich bewegten, als wäre die Luft statisch
aufgeladen.
Was immer es war, dem Ausdruck auf Toshs Gesicht
nach, war es alles andere als unangenehm. Ianto
fragte sich, ob er genauso aussah, wenn Jack ihn berührte, als er Tosh auf die Wange küsste, bevor er sie losließ.
„Vergiss nicht, Jack auszurichten, dass Owen sich für die medizinischen
Fachzeitschriften bedankt, die er für ihn besorgt hat“, meinte Tosh mit sanfter Spitze in Richtung des Arztes.
Owen knurrte. Und zuckte zurück, als Ianto
unvermittelt neben ihn kniete und ihn umarmte. Der Arzt schnappte nach Luft.
Seine Augen weiteten sich fast unmöglich weit, während sich seine Pupillen
golden verfärbten. Die Schockstarre hielt an, bis Ianto
ihn nach ein, vielleicht auch zwei, Minuten losließ und sich auf die Fersen
zurücksetzte. Konzentriert musterte Ianto ihn.
Als das goldene Schimmern verblasste, fand Owen seine Sprache wieder. „Bist du
von allen guten Geistern verlassen?“, platzte er heraus, offenbar ohne darauf
zu achten, was er sagte. „Spar‘ dir das für Harkness auf, du… du...“ Harper
blinzelte und starrte auf seine Füße, die wieder sichtbar waren, in schmutzigen
Turnschuhen steckend. „Teaboy.“ Es klang mehr wie
eine Frage, als nach einer Beleidigung.
Ianto lächelte und stand auf. „Gerne geschehen,
Owen.“ Bisher hatte er Jack nichts davon gesagt, dass er seine Lebensenergie an
seine Leidensgenossen weitergeben konnte und es ihnen half. Zum einen, weil er
keine vielleicht unberechtigten Hoffnungen wecken wollte. Zum anderen, weil er
wusste, dass es Jack beunruhigen würde; dass er denken würde, dass es Ianto schade.
Vielleicht war es an der Zeit. Und wenn sie Glück hatten, dann konnte Jack
Owen, Tosh und den anderen helfen, in dem er einfach etwas tat, das er ohnehin meisterhaft
beherrschte – sie zu berühren. Es sollte amüsant sein, zu hören, was Owen davon
hielt, von Jack geknuddelt zu werden…
Er steckte die Briefe unter seinen Pullover, winkte seinen Freunden zu und
machte sich an den etwas beschwerlichen Weg zum Ausgang.
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Jack stieß sich samt Stuhl vom Schreibtisch weg. Die Rollen schabten über den
Boden, deutlich zu hören, so still war es in dem Raum geworden, seit Gwen
aufgehört hatte, zu reden.
Vielleicht sollte er sich zuerst vergewissern, dass er nicht in einer Zeitschleife
gelandet war. Oder stritt sich Gwen tatsächlich schon wieder mit ihm darüber,
dass er zu viel Zeit in seinem Büro verbrachte, während sie selbst eigentlich
längst bei Mann und Kind sein sollte? Er erinnerte sich deutlich, dass sie sich
den Nachmittag hatte freinehmen wollen, um mit Rhys und Anwen
etwas zu unternehmen.
Er holte tief Luft, um sie darauf hin zu weisen, als sich hinter Gwen
geräuschlos die Tür öffnete und Ianto in den Raum
schlüpfte. Für einen Moment vergaß Jack, dass er nicht alleine war und lächelte
ihm zu.
Zu offensichtlich wohl, denn Gwen warf einen Blick über die Schulter, um gerade
noch zu sehen, wie die Tür sich schloss. Sie blinzelte. Nein, das musste eine
optische Täuschung gewesen sein. Oder sie hatte die Tür nicht ganz hinter sich
geschlossen und jemand hatte draußen auf dem Korridor eine andere Tür geöffnet,
einen Durchzug verursacht, der dazu geführt hatte, die dass die zu Jacks Büro
sich schloss. Andererseits sollte es in einem modernen Gebäude wie ihrem keinen
Durchzug geben, oder?
Ianto wich Gwen aus und schüttelte den Kopf, warnte
ihn mit einem Blick. Jack antwortete mit einem fast unmerklichen Nicken.
„So, Gwen, hattest du nicht eine Verabredung für heute Nachmittag?“, fuhr Jack
ablenkend fort.
Sofort wandte sie sich ihm wieder zu. „Das hat sich verschoben. Und im übrigen sprechen wir gerade von
dir. Komm wenigstens am Samstag zum Abendessen. Anwen
wird sich freuen und du kannst mir und Rhys helfen, ihren Geburtstag zu planen,
wenn sie im Bett ist.“
„Wegen Anwen… Gwen, was sie bei ihrem letzten Besuch
in meinem Schlafzimmer gesehen hat...“, begann er, sich Iantos
Blick bewusst.
Doch Gwen winkte ab. „Sie hat eine lebhafte Fantasie. Ich habe mir ihr darüber
gesprochen. Offenbar hat sie da irgendetwas mit einem Foto verwechselt, das sie
gesehen hat.“
„Sie hat Ianto gesehen, richtig?“ Obwohl er den
Waliser nicht sehen konnte – Ianto stand hinter ihm –
konnte er dessen Überraschung spüren. Aber der Zeitpunkt war so gut wie jeder
andere.
Gwen riss erstaunt die Augen auf. „Woher weißt du das?“
Jack stand auf. Es fiel ihm immer leichter, zu denken, wenn er sich bewegte.
„Es gibt da etwas, dass du nicht weißt. Ianto ist...“
Das Plärren des Alarms unterbrach ihn. Einen Moment lang stieg Ärger in ihm
hoch – gefolgt von einer nicht zu leugnenden Erleichterung.
„Wir haben ein Riftereignis, Captain“, kam es aus dem
Lautsprecher – sie hatten nach dem Vorbild des Hubs ein Interkomsystem
eingerichtet, auch wenn das in der heutigen Zeit eher antiquiert wirkte.
Gwen tippte auf eine Taste auf Jacks Tastatur und rief den Riftmonitor
auf. „Das sieht nicht wie ein Fehlalarm aus“, meinte sie nach einem Moment.
Ianto zuckte mit den Schultern, ein amüsiertes
Lächeln auf den Lippen, als Jack sich förmlich einmal quer durch den Raum
katapultierte, zuerst seinen Mantel von einem Haken an der Wand holte und dann
zurück zum Schreibtisch musste, wo seine Webley lag.
Das spezielle Glimmen in Jacks Augen war nicht zu übersehen. Jack brauchte
diese Arbeit – brauchte Torchwood – wie die Luft, die
er atmete.
„Okay, Kinder. Trefft mich in 30 Sekunden in der Garage.“ Jack schob seine
Waffe in das Holster an seiner Hüfte. „Das ist keine
Übung.“ Er sah Gwen an. „Kommst du mit?“
Sie winkte ab. „Ich mache mich hier an die Arbeit“, meinte sie. „Wir können uns
später weiter unterhalten.“
Jack warf ihr ein Lächeln zu, das gleichsam Ianto
galt, und lief aus dem Büro, seinen Mantel wie einen Umhang um die Schultern
werfend.
Ianto setzte sich in den Stuhl, den Jack freigemacht
hatte und beobachtete Gwen, die etwas auf dem Monitor studierte, das er von
seinem Platz aus nicht sehen konnte. Er verspürte einen unerwartet heftigen
Stich… Neid. Bisher hatte Ianto es klanglos
hingenommen – wozu sich auch über etwas beklagen, das
niemand ändern konnte – ein Dasein im Abseits zu führen. Das änderte aber
nichts daran, dass er sich wünschte, jetzt an Jacks Seite sein zu können, sich
dem Unbekannten zu stellen, das Adrenalin zu spüren…
Er seufzte.
Gwen wandte plötzlich den Kopf und sah sich suchend um. Sie konnte ihn doch
nicht gehört haben?! Ihr Blick schien ihn förmlich aufzuspießen und obwohl Ianto wusste, dass sie ihn nicht sah, verharrte er
vollkommen reglos.
Er versuchte sich erfolglos damit zu beruhigen, dass sie vermutlich nur der
Stapel unbearbeiteter Akten betrachtete, der sich zwischen ihnen befand.
Nach einem sehr, sehr langen Moment runzelte sie die Stirn und wandte sich dann
wieder dem Monitor zu.
Ianto atmete erst auf, als Gwen einige Minuten später
den Raum verließ. Er sackte tiefer in Jacks Stuhl, streckte die Beine lang aus,
verschränkte die Arme über dem Bauch.
Hatte er nicht gerade noch gedacht, dass sein Leben zu wenig Aufregung bot?
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„Nun, wir konnten ihnen am Ende einreden, dass alles nur eine Halluzination
gewesen ist. Und der Grund dafür – ich wette, du hättest dir das auch nicht
besser ausdenken können – war verunreinigter, geschmuggelter Wodka.“ Jack
grinste und breitete die Arme aus, lehnte sich in seinem Stuhl zurück, seinen
Bericht abschließend. „Das sollte sie für eine Weile davon abhalten, billigen
Fusel zu trinken.“
Ianto gestand ihm gerne zu, dass gepanschter Alkohol
eine gute Erklärung abgab. In den letzten Wochen war geschmuggelter Wodka ein
Thema in den Medien gewesen, wenn auch bisher keine Fälle von Vergiftungen in
Cardiff aufgetreten waren.
Aber was sagte dass über ihre Zeugen, wenn sie sich
überzeugen ließen, dass der Kadaver, die auf dem Dach eines Busses gelandet war
und dort eine nicht unbeträchtliche Beule hinterlassen hatte, nur eine
Halluzination sei? Jack hatte ihm Fotos gezeigt, die er mit seinem Handy
geschossen hatte. Was immer der Rift da ausgespuckt hatte - nunmehr schwer zu
sagen, ob bereits tot oder lebendig – zeigte auf den ersten
Blick Ähnlichkeit mit einem rostfarbenen Lama. Allerdings mit sechs
Beinen und ohne erkennbaren Kopf. Seine Gedanken glitten weiter zu Owen, und
wie der Arzt es genießen würde, heraus zu finden, wie es im Innerem
des Alien aussah…
„Okay, deinem Schweigen entnehme ich, dass ich diese Geschichte in Zukunft
nicht mehr mit den Worten: „Mir ist da neulich etwas witziges passiert“
beginnen sollte“, meine Jack. „Du hast Recht. Eigentlich ist es nicht witzig,
ein totes Tier von einem Busdach zu kratzen...“
Ianto lächelte. „Nein, eher etwas makaber.“ Er beugte
sich vor – er saß wie so oft auf der Kante des Schreibtisches, in dem
umgekehrten V, das Jacks Beine bildeten - und legte die Hand auf Jacks Arm.
„Aber ich habe an etwas anderes gedacht… An Gwen.“
„Oh!“ Jack wackelte mit den Augenbrauen. „Muss ich mir Sorgen machen? Muss Rhys
sich Sorgen machen?“
„Idiot.“ Ianto knuffte ihn. „Nein. Ich habe daran
gedacht, wie sie reagieren wird, wenn du ihr die Wahrheit über mich sagst. Was,
wenn sie denkt, du halluzinierst? Dass ich ein Ergebnis von Trauer bin, von
Schuldgefühlen, von...“ Er zuckte unbehaglich mit den Schultern. „Du hast es
selbst lange geglaubt. Was hat dich am Ende überzeugt, dass ich tatsächlich
existiere?“
„Ich hatte keine andere Wahl“, erwiderte Jack nach einem Moment. Er nahm Iantos Hand in seine, drehte sie, wie um zu prüfen, ob sie
noch da war. „Entweder etwas unmögliches war geschehen und du warst zu mir zurück gekommen, oder...“ Jack stoppte und sah ihn an. „Oder
ich hatte den Verstand verloren. Und wenn es schon beängstigend ist, zu wissen,
dass man eine Ewigkeit vor sich hat… ist es unvorstellbar, die Ewigkeit
verrückt zu verbringen.“ Die letzten Worte sagte er sehr leise.
„Es tut mir leid, Jack, ich wollte nicht...“ Ianto brach ab. Was konnte er, was konnte irgendjemand dazu
sagen.
„Es ist okay.“ Jack presste einen Kuss in Iantos
Handfläche. „Auch eine Ewigkeit kann man nur einen Tag nach dem anderen
verbringen. Und ich hoffe, dass du noch viele davon mit mir verbringst.“ Er
rollte samt Stuhl näher, legte die Hände auf Iantos
Oberschenkel. „Und was Gwen betrifft… Ich bin mit ihr verabredet. Wir sind mit
ihr verabredet. Genau genommen sollte sie jeden Moment hier auftauchen. Ich
teile dich ungern...“ Er lächelte. „Aber ich denke, es ist an der Zeit.“
„Du willst, dass ich bleibe?“, fragte Ianto.
„Ich kann das unmöglich ohne dich tun.“ Jack schien mehr sagen zu wollen, doch
in diesem Moment klopfte es an der Tür. Er wandte sich von Ianto
ab. „Du kannst reinkommen, Gwen.“
Gwen steckte den Kopf zur Tür herein. „Ich habe deine Stimme gehört und wollte
nicht stören, falls du Besuch hast.“ Sie sah sich um, trat ein und schloss die
Tür hinter sich. „Oder telefonierst.“
„Ich habe auf dich gewartet.“ Jack deutete auf den Stuhl auf der anderen Seite
des Schreibtisches. „Nimm Platz.“
„Ich stehe lieber.“ Gwen straffte die Schultern, doch das Herumnesteln an ihren
Haaren verriet Unbehagen. „Du wolltest mir etwas über Ianto
sagen? Hat es etwas damit zu tun, wie Anwen auf die
Idee gekommen ist, dass sie ihn in deinem Schlafzimmer gesehen hat? Es ist
keine Sexpuppe oder so etwas?“, fragte sie mit einem
nervösen Lachen.
„Nein!“ Jack wechselte einen Blick mit Ianto, der das
Gesicht in den Händen verbarg. So wie seine Schultern zuckten, versuchte der
Waliser krampfhaft das Lachen zu unterdrücken. „Wofür hältst du mich?“, setzte
er hinzu, innerlich amüsiert darüber, dass Gwen rot anlief. „Willst du dich
wirklich nicht hinsetzen?“
Gwen schüttelte den Kopf. „Ich vermisse ihn auch. Und Tosh
und Owen. Aber sie sind nicht mehr bei uns. Und du kannst nicht den Rest deines
Lebens einen Geist lieben.“
„Genau das ist, was ich dir zu sagen versuche – Ianto
ist… Er ist noch hier.“ Jack spürte Iantos Hände auf
seinen Schultern. Der Waliser stand jetzt hinter ihm. „Genau wie Tosh und Owen und ein paar andere Leute, die du nicht
kennst. Ja, sie sind gestorben. Aber ein Teil von ihnen ist noch hier.“
Jetzt ließ sich Gwen doch in den Besucherstuhl sinken. „Ich weiß nicht, von was
du redest. Willst du sagen, dass… dass es hier spukt? Das
es hier Geister gibt?“
„Sie sind im Hub. Und sie sind nicht direkt Geister. Eher Kopien.“ Jack sah sie
an. „Glaub mir, das ist ebenso schwer für mich zu erklären, wie für dich, es zu
verstehen. Es hat etwas mit einem Artefakt in den Archiven zu tun, und mit der
Explosion, die den Hub zerstört hat.“ Seine Stimme nahm einen weichen, fast
bittenden Tonfall an. „Gwen, nach allem, was wir erlebt haben – was du erlebt
hast, seit du für Torchwood arbeitest – ist das
wirklich so unmöglich zu glauben?“
Sie schüttelte langsam den Kopf. „Du… sagst also, dass Ianto
hier ist? In einer… was? Anderen Form? Und du kannst
ihn sehen?“
„Sehen, mit ihm sprechen und ihn berühren“, versicherte ihr Jack.
„Kann ich ihn auch sehen?“ Gwen schien nicht überzeugt, aber nahm vorerst wohl
seine Worte so hin.
„Er steht direkt hinter mir.“ Jack drehte den Kopf, sah Ianto
an, der auf seine Unterlippe biss. „Warum sagst du nicht etwas zu Gwen?“
Gwen starrte angestrengt über seine Schulter. „Ich kann nichts sehen. Und
nichts hören.“
„Ich habe auch noch überhaupt nichts gesagt“, bemerkte Ianto
trocken.
„Jack, ich versuche wirklich zu verstehen, was du mir sagen willst, aber...“
Gwen brach ab und stand auf. „Ich glaube, das macht keinen Sinn. Vielleicht
solltest du mit jemandem sprechen. Einem Arzt oder...“
„Es hat Monate gedauert, bis ich verstand, dass ich keine körperlose Stimme
höre und noch länger, bis ich Ianto das erste Mal
sehen konnte. Es ist keine Halluzination, Gwen.“ Jack stand ebenfalls auf,
umrundete den Tisch, trat zu ihr. „Ich bin nicht krank, ich habe nicht den
Verstand verloren. Ianto ist in diesem Raum, so real
wie du. Ich weiß nicht, wieso Anwen ihn sehen konnte
und du kannst es nicht, aber...“
„Nimm meine Hand“, sagte Ianto, der nun neben ihm
stand. „Nimm meine Hand“, wiederholte er und streckte sie Jack entgegen.
„Okay, was nun?“, fragte Jack, ihm zugewandt, was Gwen dazu brachte, ihn von
der Seite anzusehen.
„Frag sie, ob sie mich jetzt sehen kann“, meinte Ianto.
Gwen gab einen erstaunten Laut von sich. „Was war das?“, fragte sie. „Ich habe
irgendetwas gehört. Eine Stimme. Ganz schwach.“
Das Fenster in seiner Wohnung. Glas. Glas, das Ianto
reflektierte, wenn sie einander berührten... Jack folgte diesem Gedanken, zog Ianto in seine Arme und eng an sich. Bevor Ianto fragen konnte, küsste er ihn. Das inzwischen so
vertraute Prickeln, das schmerzlose Zerren in seinem Inneren und dann begann Ianto in seiner Umarmung golden zu schimmern.
„Oh. Mein. Gott.“ Gwen machte unwillkürlich einen Schritt rückwärts und
stolperte fast über den Stuhl, der hinter ihn stand. Einen Moment lang hatte es
so ausgesehen, als umarme Jack Luft, dann hatte sich plötzlich eine golden
schimmernde Aura um ihn gebildet – eine Aura, die die Umrisse eines Menschens hatte – und inmitten des Schimmerns konnte sie
ein Gesicht sehen. Ein schmerzhaft vertrautes Gesicht. Iantos
Gesicht. Mehr Details folgten, eine Schulter, Arme. Beine, die in Nadelstreifen
steckten?
„Sag Hallo zu Gwen“, wisperte Jack gegen Iantos
Lippen.
Ianto drehte den Kopf halb zur Seite, lehnte seine
Wange gegen Jacks. „Hallo Gwen“, sagte er mit einem schiefen Lächeln.
Gwens Reaktion überraschte sie beide – vielleicht alle drei – als sie auf sie
zu trat und mit der Hand vorsichtig nach Iantos
Schulter griff. Ihre ohnehin weit aufgerissenen Augen schienen sich noch mehr
zu weiten, als sie den glatten Stoff des Anzugjacketts spürte, darunter Muskeln
und Knochen, die dem Druck ihrer Hand standhielten. „Ianto?“,
flüsterte sie ungläubig. „Wie…?“
Ianto schüttelte den Kopf. „Das ist eine lange
Geschichte mit vielen Lücken, die ich nicht alle füllen kann. Aber ich bin
wirklich hier, Gwen. Ich… ich bin schon eine ganze Weile hier. Und ich…“ Er
flackerte etwas.
Jack löste einen Arm von Iantos Taille und griff nach
Gwen, schloss die Finger um ihren Arm. Zuerst schien gar nichts zu passieren,
dann schnappte Gwen nach Luft.
„Ianto. Oh mein Gott, Ianto,
ich kann dich so deutlich sehen.“ Sie berührte mit der anderen Hand seine
Wange, seinen Arm. „Du bist wirklich hier.“ Tränen glitten über ihre Wangen,
doch sie achtete nicht darauf. „Oh, Ianto. Du fehlst
uns so. Aber ich verstehe immer noch nicht, wie das sein kann.“
Der Waliser drückte ihre Finger. „Vielleicht werde ich einfach noch eine Weile
lang gebraucht, Gwen“, erwiderte er schlicht.
Jack küsste ihn auf die Schläfe. „Eine Ewigkeit lang“, korrigierte er ihn
zärtlich. „Und darüber hinaus.“
Ende (tbc)