Memories
T’Len
2009
Fandom:
Torchwood
Charaktere: Ianto Jones, Jack Harkness
Kategorie: G
Hinweise: Folgen 1.4 Cyberwoman, 1.5 Aus dunkler Vorzeit
Feedback: tlen11@freenet.de
Summe: Ianto trauert noch immer um Lisa und findet von unerwarteter Seite Verständnis
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu verletzen. Vielen Dank an Lady Charena fürs Beta.
Er wischte ein paar nicht
vorhandene Staubkörner zur Seite, schob den Stapel Papiere zum dritten oder
vierten Mal zurecht, drehte den Bildschirm erst zur einen, dann zur anderen
Seite, nur um ihn am Ende wieder genau in seine Ausgangsstellung zu bringen. So
wie er es seit Stunden zigmal an jedem Arbeitsplatz getan hatte – und das alles
nur, um sich irgendwie zu beschäftigen, um seine ganze Konzentration auf seine
Hände zu richten, um nicht nachzudenken, nicht zu fühlen.
Doch sie war noch immer da,
diese Leere in seinem Inneren. Und der Schmerz. Und die Kälte. Er fühlte sie
mit jeder Faser seines Körpers. Er erfror. Innerlich. Jeden Tag ein kleines
Stückchen mehr. Bis da bald nur noch ein riesiger Eisberg sein würde
Lisa, Lisa, Lisa – immer
wieder hämmerten seine Gedanken nur einen Namen. Warum hatte er ihr nicht
helfen können? Er hatte versagt. Er hatte sie enttäuscht – und sich selbst. Die
Menschen sagten, die Zeit heile alle Wunden. Er hielt dies für eine glatte
Lüge. Und wer behauptete, es sei besser einmal richtig geliebt und dann
verloren statt nie geliebt zu haben, der hatte in seinen Augen nie geliebt und
verloren – sonst würde er nicht an diesen zynischen Spruch glauben.
Plötzlich legte sich eine
Hand auf seine Schulter. Ianto zuckte zusammen. Er wusste genau, wem die Hand
gehörte. Jack. Alle anderen waren schon vor Stunden gegangen. Nur Jack nicht.
Manchmal fragte sich Ianto, ob er überhaupt ein anderes Zuhause als das
Torchwood-Hauptquartier hatte. Wenn er am Morgen kam, war Jack schon da. Wenn
er am Abend ging, immer noch. Normalerweise spürte er, wenn Jack sich ihm
näherte, doch diesmal hatte er ihn überrascht. Ein sicheres Zeichen dafür, dass
er nicht wirklich Herr seiner Sinne war.
Ianto versuchte, sich
innerlich zu wappnen. Kam jetzt die Standpauke, die er seit Tagen erwartete und
fürchtete? Er hatte das Team verraten, belogen, hintergangen, indem er Lisa
heimlich im Keller der Basis versteckte. Er war Schuld am Tod zweier unschuldiger
Menschen, eines Gentleman, der ihm und Lisa doch nur hatte helfen wollen, und
eines unschuldigen Mädchens, dass nichts anderes als seinen Job tat und dadurch
zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Er hatte das Leben seiner
Kameraden, ja womöglich der ganzen Menschheit, aufs Spiel gesetzt. Und was das
allerschlimmste war: Er hatte Jacks Vertrauen missbraucht. Er war sicher, dass
dies niemand tat, ohne es irgendwann zu bereuen. Er selbst hatte eine
Bestrafung mehr als verdient.
Mehr als einmal wunderte er
sich in den letzten Tagen, dass Jack ihn nicht auf der Stelle hinausgeworfen
hatte. Vielleicht brauchte er einfach erst einen geeigneten Ersatz. Oder es lag
daran, dass ihr neuster Einsatz Jack zu sehr forderte. Spätestens nach dem Tod
der alten Lady mit Namen Estelle war der ganze Fall Jack sichtlich näher
gegangen, als er je zugeben würde. Auch wenn er sich alle Mühe gab, es
niemanden zu zeigen, Ianto hatte es bemerkt. Jack schien engagiert, ja
betroffen, wie über das Maß ihrer Pflicht hinaus. Gerade so, als hätte er ein
ganz spezielles persönliches Interesse an allem.
Aber dieses Kapitel war
abgeschlossen, zu den Akten gelegt, wohl verwahrt vor einer Welt, die noch
nicht reif war, solche Dinge zu akzeptieren, die nicht in ihr beschränktes
Weltbild passten. Womöglich war es nun soweit und er würde seine gerechte
Strafe empfangen. Wer wusste, vielleicht blieb es nicht bei einem harmlosen
Hinauswerfen. Torchwood war schließlich alles andere als eine normale
Organisation, sicher ging sie mit Verrätern auch alles andere als normal um.
Vielleicht waren ja manche der Leichen, die sie da unten so sicher verwahrten,
Verräter. Ihm wäre es egal gewesen.
Jacks Hand lag noch immer
auf seiner Schulter. „Du solltest schon längst zu Hause sein. Geh, mach Feierabend“,
sagte er und seine Stimme klang überraschend sanft.
Ianto schüttelte den Kopf.
Nur das nicht. Nicht seine leere Wohnung. Nicht eine weitere Nacht, in der er
erst keinen Schlaf fand und wenn er endlich doch in einen unruhigen Schlummer
fiel, von Lisas Schreien, die durch seine Träume hallten, mit klopfendem Herzen
und schweißgebadet aufwachte.
„Ich muss das hier... muss
noch aufräumen“, antwortete er stockend und schob ein weiteres Mal den
Papierstapel zurecht. „Muss den Staub...“
„Das tust du schon seit
Stunden. Hier ist es mittlerweile steriler als in jedem Operationssaal“,
erwiderte Jack.
„Aber ich...“, begann Ianto,
panisch. Nicht nach Hause, bitte, flehte er innerlich. Hier waren wenigstens
Jack und sein „Haustier“, das irgendwo entfernt krächzte, und der Weevil in der
Zelle. Hier war Leben. Selbst die Leichen im Keller erschienen im noch
irgendwie tröstlich. Er kam nicht
weiter, weil ihm die Worte, um sein Hier Bleiben zu rechtfertigen, fehlten und
weil Jack ihn unterbrach.
„Es ist die Stille, nicht
wahr, die am unerträglichsten ist?“, sagte Jack sanft und Ianto hob überrascht
den Kopf. „Wenn du nach Hause kommst und da ist niemand der auf dich wartet,
der sich freut, dich zu sehen. Wenn da nur diese unheimliche Stille ist, die
dich empfängt. Du drehst das Radio so laut auf, dass deine Nachbarn empört an
die Wände klopfen. Du schaltest den Fernseher an, nur um menschliche Stimmen zu hören. Doch all die
Geräusche, sie können die Stille nicht übertönen. Sie ist da. Sie greift nach
dir, nagt an dir, bis du es nicht mehr aushältst, bis du denkst, du wirst
verrückt.“
„Woher weißt du?“, flüsterte
Ianto. Jacks Hand lag noch immer auf seiner Schulter. Es war die einzige Stelle
seines Körpers, die sich nicht eiskalt anfühlte.
„Ich war mehr als einmal in
dieser Situation, mehr als mir je lieb sein wird“, erwiderte Jack.
„Wird der Schmerz je
aufhören?“, fragte Ianto und hoffte auf ein Ja als Antwort. Er wünschte sich,
Jack würde irgendetwas sagen, tun, was den Schmerz, die Trauer, die
Verzweiflung von seiner Seele nahm. Er wünschte es sich so sehr.
Für einen Moment schien Jack
mit der Antwort zu zögern. „Nein“, sagte er schließlich. „Du wirst ihn
akzeptieren, zwangsweise. Du wirst lernen, mit ihm zu leben, ihn notfalls
verdrängen. Aber er wird immer da sein, tief in deinem Inneren, darauf wartend,
wieder hervor zu brechen und dich zu verschlingen. Die Zeit heilt keine Wunden,
auch wenn die Menschen das gern glauben wollen. Sie verdeckt sie nur. Mit einer
dünnen Schicht, die jederzeit wieder aufreißen kann, wenn du nicht aufpasst.“
„Es ist alles meine Schuld“,
sagte Ianto. Tränen schlichen sich in seine Stimme.
„Nein“, entgegnete Jack. „Du
konntest sie nicht retten. Sie ist vor Jahren gestorben, als die Cyberwesen sie
zu einer der ihren machten. Es gab kein Zurück mehr. Du musst das
Unvermeidliche akzeptieren. Nur so kannst du weiterleben. Glaube mir“
Ianto war sich nicht sicher,
ob diese Worte wirklich ihn meinten oder Jack eher zu sich selbst sprach – und
über sich selbst. „Ich wünschte, ich wäre mit ihr gestorben“, sprach Ianto aus,
was er sich seit Tagen wünschte. Tränen rannen über seine Wange.
Jack griff mit seiner
zweiten Hand nach Iantos Schulter, zwang ihn, sich herumzudrehen, ihn
anzusehen. „Nein“, sagte er und zum ersten Mal in ihrem Gespräch hatte seine
Stimme die gewohnte, durch lange Befehlsgewalt antrainierte Schärfe.
„Sag so etwas nie wieder!“,
befahl er. „Du wirst leben. Weil sie es so gewollt hätte. Weil du es im
Endeffekt auch willst. Weil für dich, wie für jeden normalen Menschen, sein
Leben das höchste Gut ist. Und weil das Team dich braucht.“ Er zögerte für
einen Moment, setzte dann sanft hinzu. „Weil ich dich brauche.“
Seine rechte Hand glitt von
Iantos Schulter zu seinem Gesicht, wischte mit einer zärtlichen Geste ein paar
Tränen weg, verharrte dann ruhig auf seiner Wange. Für einen langen Augenblick
verfingen sich die Blicke der beiden Männer ineinander, dann zog Jack seine
Hand hastig weg, so als hätte er sich verbrannt.
„Nimm dir ein Hotelzimmer,
wenn du nicht in deine Wohnung willst“, sagte er harsch. „Oder frag Owen, ob du
ein paar Tage bei ihm wohnen kannst. Oder wegen mir auch Tosh oder Gwen. Lass
dir von Owen ein Schlafmittel geben. Ich kann es mir nicht leisten, dass auch
nur ein Teammitglied unausgeschlafen und nicht voll bei der Sache ist.“
Ohne ein weiteres Wort
drehte er sich um, ging zur Treppe und stieg in die unteren Räume des
Hauptquartiers hinab. Ianto starrte ihm nach, auch als seine Gestalt schon
längst verschwunden war.
Seine Gedanken rasten, doch
zum ersten Mal seit Tagen drehten sie sich nicht um Lisa sondern um Jack.
Ende