Titel: Blicke
Autor: Lady Charena (Januar 2012)
Fandom: Torchwood
Episode: vor-Serie
Wörter: 2055
Charaktere: Jack Harkness, Ianto Jones, Team
Pairing: --
Rating: pre-series, pg
Beta: T‘Len
Summe: Ianto teilt Jack seine Entscheidung mit. (
A/N: Die Story ist im gleichen Universum wie meine Story “The Way Back Home”
angesiedelt, und folgt in zeitlicher Hinsicht auf „Mädchen für alles“ und
„Entscheidungen“.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen
und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt
nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu
verletzen.
„Also habe ich zu ihm gesagt, wenn er jetzt die Handschellen rausholen wolle,
wäre ich sein Mann“, erklang Jacks lachende Stimme als die Tür von draußen
aufschwang.
Ianto wandte sich um, einen Stapel Prospekte in der Hand. Sie waren
stellenweise vergilbt, mit einer Staubschicht überzogen und – am
unverzeihlichsten in dieser Branche – bewarben Veranstaltungen, die schon vor
vier oder mehr Jahren stattgefunden hatten.
Jack sah über die Schulter, um die Reaktionen seines Publikums auf die Pointe
abzuschätzen.
Tosh lachte mit geröteten Wangen, eine Hand höflich vor dem Mund, in der
anderen ihren schweren Instrumentenkoffer.
Hinter ihr drängelte sich Owen durch die Tür, fluchend, seine Bewegungen
ungeschickt, weil er versuchte den mit einer schwarzen Abdeckplane versehenen
Transportkäfig, den er balancierte, nicht in Toshs Rücken zu rammen, als sie
stoppte.
Suzie fuhr den Wagen in die Garage und brachte die Exemplare der kleinen,
nager-ähnlichen Spezies, die nicht überlebt hatten, in die MedBay, wo Owen sie
später obduzieren würde.
Aus dem Käfig drangen leise Zirp-Zirp-Laute, auch wenn äußerlich die Geschöpfe eher
irdischen Hamstern als Zikaden glichen. Abgesehen von den sechs Beinen, die in
krallenbesetzte Zehen endeten. Und dem zweiten Paar Augen auf der Rückseite
ihres Kopfes, den sie fast in alle Richtungen drehen konnten, und das von etwas
verdeckt wurde, das wie Ohren aussah. So viel hatte Owen bereits festgestellt. Sie
hatten überhaupt keine Ohren und auch nichts, das wie ein inneres Gehör aussah.
Dafür schienen sie auf Vibrationen zu reagieren. Es war unmöglich gewesen, sie
einfach so zu fangen.
Aufgrund der vier Augen gab es keinen toten Winkel, aus dem man sich ihnen
nähern konnte, und sie waren auf ihren sechs Beinen blitzschnell. Schließlich
sammelten sie sich um den Van des ursprünglich von der Hausbesitzerin gerufenen
Ungeziefervernichters, der Dank des Beruhigungsmittels im Retcon (das ihm Suzie
aufgelöst in einer Cola angeboten hatte, als sie beinahe gleichzeitig vor Ort
ankamen) dort seelenruhig schlief und beratschlagten sich. Schließlich fuhr
Suzie los und kaufte in einer Bäckerei Brot, während Owen in der von Ianto
inzwischen voll ausgestatteten Mini-Apotheke in ihrem Kofferraum kramte und ein
Betäubungsmittel zusammenmischte. Jack und Tosh erkundeten mit Scannern, die
nach Wärme- und anderen Lebenssignalen suchten, das ganze Gebäude. Zu ihrem
Glück fanden sich die Nager – irgendjemand sollte mit einem Namen für sie
aufkommen – nur im Keller. Als Suzie zurückkehrte, tränkten sie Brotstücke mit
der Betäubungsmittelmischung, streuten sie im Keller aus und warteten.
Die blinkenden, auf Toshs Bildschirm wild hin und her wuselnden Lichtpunkte -
Daten die ein am Fuß der Treppe aufgestellter Scanner lieferte - versammelten
sich auch wunschgemäß auf einem Punkt. Und wurden nach und nach langsamer, bis
sich keiner von ihnen mehr bewegte. Es blieb noch die unangenehme Aufgabe, die
in Ritzen und Spalten gekrochenen Nager aufzusammeln, und etliche Stunden waren
vergangen, als Tosh ihnen mitteilte, dass der Wärme-Scanner außer ihren eigenen
Signalen keine weiteren mehr ausmachen konnte. Die meisten der Geschöpfe waren
tot, sehr zu Owens Ärger, der eigentlich auf Betäubung und nicht Ausrottung
gesetzt hatte. Aber ohne Daten über den Stoffwechsel der Tierchen hatte er die
Dosierung erraten müssen. Vielleicht wirkten die Bestandteile der Medikamente,
die er benutzt hatte, wie Gift auf sie. Ein paar Überlebende landeten in einem
kleinen Käfig (ebenfalls vorhanden Dank der Voraussicht eines gewissen jungen
Walisers) und erwachten auf der Rückfahrt, verwirrt zirpend.
Endlich hatte Owen den Käfig in den Raum bugsiert und folgte Tosh wortlos zur
Tür, die in den Lift führte – Ianto hatte hilfsbereit die inzwischen vor den
Durchgang montierte Wandverkleidung geöffnet.
Jack lehnte sich über den Tresen des Schreibtisches, die Unterarme auf das in
diesen Tagen wieder blankpolierte Holz gestützt. „Ianto Jones. Genau der Mann,
an den ich denke, wenn ich mich in die Sehenswürdigkeiten Cardiffs vertiefen
will“, meinte er mit einem Zwinkern.
„Ich fürchte mit diesen veralteten Unterlagen kann ich niemandem weiterhelfen,
Sir“, entgegnete Ianto mit absolut ernster Stimme.
Der Captain senkte den Blick auf das Papierbündel, das ihm der junge Waliser
unter die Nase hielt und nahm sie ihm aus der Hand, um es in Richtung des
Papierkorbs zu werfen. Die Blätter fächerten auseinander und verteilten sich
auf dem Boden.
„Ups. Das tut mir schrecklich leid“, meinte Jack ohne jede Spur Bedauern. Er
beobachtete Iantos Reaktion. Ein Verengen der Augen zeigte einen Anflug von
Ärger, als Iantos Blick über die verstreuten Blätter glitt; ein Straffen der
Schultern und ein Heben des Kinns schien anzudeuten, dass der jüngere Mann
ansetzte, ihn zu konfrontieren. Doch dann wandte sich Ianto ihm wieder voll zu
und seine Miene verriet nichts mehr von seinen Gedanken.
Jack mochte Rätsel. Er war sogar nicht wenig stolz auf seine Fähigkeit, sein
Gegenüber zu „lesen“ und seine Reaktionen zu erkennen. Aber Ianto war zu gut
darin, eine Maske zu tragen – etwas, für das er viel zu jung war. Welche
Erfahrungen konnte dieser Junge in seinem kurzen Leben schon gemacht haben,
dass er solche Kontrolle über seine Emotionen hatte? Und was würde wohl
geschehen, wenn er diese Kontrolle verlor… Das heraus zu finden, stellte eine
große Versuchung dar. Aber eine, von der es ziemlich sicher besser war, die
Finger zu lassen. Nach dem desaströsen Ende seiner Beziehung mit Lucia hatte er
sich geschworen, sich nicht mehr mit einem Teammitglied einzulassen. Schon gar
nicht mit einem, das offensichtlich emotionale Probleme hatte. Besonders, seit
ihm die Leitung von Torchwood oblag und er damit die direkte Verantwortung für
jeden einzelnen hatte.
„Kein Problem, Sir.“ Ianto schob ihm ein Klemmbrett und einen Kugelschreiber
zu. „Ich habe die Bestellung bereits ausgefüllt, du musst nur noch
unterschreiben.“
Wunderbar. Noch mehr Papierkram. Jack kritzelte schwungvoll seine Unterschrift
auf die mit einem dicken, roten Pfeil gekennzeichnete Linie und schob das mit
„Welsh Tourist Board“ beschriftete Formular zurück. Er klickte den
Kugelschreiber und steckte ihn in Iantos Brusttasche. Seine Finger machten
einen kleinen Umweg über die seegrüne Krawatte, die sich so glatt anfühlte, wie
sie aussah.
Ianto räusperte sich und widerstrebend erinnerte sich Jack an seine
Kein-Sex-mit-dem-Team-Regel und nahm die Hand weg. Zurück an die Arbeit. Er sah
sich um. „Es hat sich einiges hier verändert. Definitiv zum besseren.“
Ein flüchtiges Lächeln huschte um den Mund des Walisers. „Danke, Sir. Aber das
ist nicht alleine mein Verdienst. Miss Costello hat mir geholfen, sie hat die
zusätzlichen Regale in einem Lager entdeckt und aufgebaut. Miss Sato hat den
alten PC aufgerüstet, er sieht zwar noch immer ein wenig antik aus, aber ich
bin damit in die Hubsysteme voll integriert. Die Kameras werden wir in den
nächsten Tagen installieren.“
„Kameras, hmh.“ Jack zwinkerte ihm erneut zu. „Ich bin sehr dafür, alles
Wichtige im Blick zu behalten.“
Roter Schimmer zeigte sich an den Seiten von Iantos Hals. „Ich… uhm… werde
meine Kenntnisse über Cardiff auffrischen. Für den Fall, dass sich wirklich
Touristen zu uns verirren.“
Jack musterte ihn. „Lass‘ mich wissen, wenn du meine Hilfe brauchst. Ansonsten
hast du freie Hand mit dem Informationsbüro. Du gehörst jetzt zum Team.“
Ja, er hatte Jack seine Antwort gegeben. Wortlos, fast ohne es selbst zu
bemerken.
Es war vor ein paar Tagen gewesen. Er hatte sich wie üblich nützlich gemacht;
dafür gesorgt, dass Takeout auf das Team wartete, als sie zurückkamen. Owen
hatte über ein neues Restaurant gesprochen, und sich gefragt, ob das Essen dort
wirklich so gut war, wie die Kritiken behaupteten. Sie lieferten eigentlich
nicht, doch er konnte sie überreden, eine Ausnahme zu machen. Ianto sagte sich,
es hatte nichts damit zu tun, dass er geradezu absurd dankbar dafür gewesen
war, dass sie eine Polizeimeldung nach Swansea geführt hatte, so dass er den
Hub den größten Teil des Tages für sich alleine hatte. Der Zeitpunkt dafür
hätte nicht besser sein können.
Lisa ging es schlechter. Er hatte ihr eine Blutprobe abgenommen und eins von
Owens Analysegeräten damit gefüttert. Natürlich war er kein Arzt, aber mit
Hilfe einiger medizinischer Internetseiten und Owens Literatur konnte er die
Daten interpretieren. In ihrem Blut fand sich eine Konzentration einer
metallischen Komponente, die das Gerät nicht identifizieren konnte. Es war
nicht der erste Bluttest, den er heimlich machte, seit er in Cardiff war und
nicht das erste Mal, dass er das Metall in ihrem Blut zeigte. Aber die
Konzentration hatte sich seit dem letzten Test verdreifacht. Dort wo ihr Körper
mit den Cyberkomponenten verschmolz, mussten Metallpartikel in den Blutstrom
übergehen. Es vergiftete sie – quälend langsam, aber sicher.
Es war schwierig, heraus zu finden, was er dagegen tun konnte – ohne Owens
Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aber er verstand so viel, dass er ihren Zustand
zumindest stabilisieren konnte, wenn es ihm gelang, das Metall aus ihrem Blut
zu filtern. Er orderte online in Owens Namen Infusionen, die genau das bewirken
sollten und markierte die Bestellung als eilig. Sie würde innerhalb von 24
Stunden eintreffen.
Den Rest des Tages hatte er damit verbracht, mit ihr zu sprechen und die
zahllosen wunden Stellen an ihrem Körper zu versorgen. Er wusste, dass sie bei
Bewusstsein war – ihre Blicke folgten ihm überall hin und einige Male versuchte
sie etwas zu sagen, doch die Maschine, die es ihr ermöglichte, zu atmen,
hinderte sie daran, zu sprechen. Als er das letzte Mal einkaufen gewesen war,
hatte er silberfarbenes Make-up entdeckt und wusste, dass sie die Ironie zu
schätzen wissen würde, als er ihre Nägel feilte und lackierte, bevor er
sorgfältig silbern glitzernden Lidschatten auftrug. Wie oft hatten sie
gemeinsam darüber gelacht, wenn er seine Krawatten mit dem Hemd abstimmte und
sie den Nagellack zur Farbe ihrer Schuhe kombinierte.
Owen ignorierte ihn - und platzierte fast seinen Ellbogen im Essen, als Ianto
ihm seine Portion hinstellte. Suzie sah einen Moment irritiert auf den Teller,
der vor ihr erschien, zuckte dann mit den Schultern und nahm ihn, als sie
entschied, dass sie mochte, was sie sah. Tosh lächelte und dankte ihm leise,
als er ihr einen Teller reichte und deutete dann einladend auf den Stuhl neben
sich. Zwischen ihr und Harkness, der am Kopfende des Tisches saß, war ein Platz
frei.
Die ganze Zeit über war er sich des Blickes des Captains bewusst, der ihm
überall hin zu folgen schien. Er holte tief Luft, bevor er die letzten beiden
Teller nahm und einen davon vor Jack stellte, bevor er zögerlich Platz nahm. Für
einen Moment war es still - eine normale Gesprächspause, sicherlich. Oder?
Nicht, weil er am Tisch saß, ohne dass Jack ihm förmlich damit drohen musste,
ihn an den Stuhl zu binden? Dann sagte Suzie etwas zu Owen, und erhielt eine
hitzige Antwort von dem Arzt. Jack warf einen Kommentar ein und Tosh einen
beinahe sehnsüchtigen Blick in Richtung ihres Laptops, der zugeklappt auf dem
freien Stuhl zu ihrer anderen Seite lag.
Er beschränkte sich darauf zuzuhören - aber vielleicht zum ersten Mal tat er es
wirklich, nicht nur um sicher zu stellen, dass sie nicht seine Pläne
durchkreuzten.
Die Teller waren fast leer, als Ianto die Augen vom Essen hob und direkt in die
des Captains blickte. Er war zu überrascht, um vorzugeben, dass er den
erwartungsvollen Ausdruck nicht zu deuten wusste. Er spielte einen Moment mit
der Gabel, dann nickte er. Für eine Sekunde glaubte er so etwas wie Bedauern
aufblitzen zu sehen, doch dann lächelte Jack - nicht das übliche, breite
Grinsen - und beugte sich vor, um eine Hand auf seinen Arm zu legen. Ianto
unterdrückte ein instinktives Zurückzucken.
"Willkommen im Team", sagte Jack leise, fast so, als teilten sie nun
ein Geheimnis.
Genau auf die gleiche Weise sah ihn Jack nun wieder an und Ianto schluckte,
nickte erneut.
„Wenn du möchtest, können wir uns intensiver über deine Pläne mit dem
Tourismusbüro unterhalten“, schlug Jack vor. „In meinem Büro? Wenn die anderen
nach Hause gegangen sind?“ Er lächelte. „Ich bin aber nicht auf dieses Thema
festgelegt.“ Jack griff hinter den Tresen und drückte den Knopf, der die
Wandverkleidung zurückgleiten ließ. Er winkte ihm zu, bevor er in den Lift
verschwand.
Verborgen unter einem hastig darüber geworfenen Putzlappen lag ein kleines
Fläschchen mit silberfarbenem Nagellack, das Ianto nun in seiner Hosentasche
verstaute.
Ende