Titel: Tage und Stunden
(Apr. 05)
Autor: Lady Charena
Fandom: Kung
Fu - Im Zeichen des Drachen
Codes: pre-series, Caine/Theresa, het, Drama, Romance, PG
Archiv:
TOSTwins, ffp
Summe:
Während seiner fünfzehnjährigen Wanderung lebte Caine einige Zeit mit einer
Malerin namens Theresa zusammen. Doch trotz der Gefühle, die sie füreinander
entwickelt haben, wird Theresa langsam klar, dass Caine sie verlassen wird -
eines Tages, bald... oder
vielleicht
auch schon am nächsten Morgen.
Disclaimer:
Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen und Figuren
liegen bei den jeweiligen Inhabern.
Eine
Kennzeichnung unterbleibt nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder
diese Inhaberrechte zu verletzen. Songtexte stammen von Xavier Naidoo (Tage und
Stunden) und Oli P. (Flugzeuge im Bauch)
* * // * * =
Ort-/Zeitwechsel, Erinnerungen
* * * * * * * * * * * *
* * * * * * * * * * * *
Nun sitz ich hier und
weiß nicht was ich tu
Schaue dauernd auf die
Uhr
komme einfach nicht zur
Ruh
(Xavier Naidoo feat. Bintia)
* * * * * * * * * * * *
* * * * * * * * * * * *
Langsam versickerte der
Tag in der Abenddämmerung, die Luft war empfindlich kühl geworden. Theresa zog
fröstelnd das Umschlagtuch enger um ihre Schultern, als sie auf die Veranda
ihres Hauses trat und in das trüber werdende Zwielicht starrte. Da war nichts -
niemand - nur die welken Blätter, die der Herbstwind zwischen den zusehends
kahler werdenden Bäumen zusammen- oder auseinander trieb, gerade so, wie es ihm
gefiel. Der Rasen vor dem Haus verfärbte sich stellenweise gelb. Die Blüten der
letzten, späten Rosen färbten sich braun oder fielen ab. Die Luft trug Rauch in
sich, Nässe und Moos. Oben am See hielt sich der Frühnebel bereits bis weit in
den Vormittag hinein. Bald würden Tage kommen, in denen die Welt wie in Watte
gepackt aussah. Drastischer als hier konnte es einem die Natur nicht klar
machen, dass der Herbst vorbei war.
Theresa lehnte sich
gegen das Geländer der Veranda. Sie vermisste die Sonne, die Farbenpracht des
Herbstes, das satte, weiche Licht, auch wenn ihr die morgendliche Kälte die
Finger steif hatte werden lassen, so dass es ihr schwer fiel, den Pinsel zu
halten. Heute morgen war sie zum letzten Mal mit ihrer Staffelei am See gewesen,
doch sie hatte nicht einen Pinselstrich auf die Leinwand gebracht. Statt dessen
hatte sie sich selbst dabei ertappt, wie sie sich suchend
umsah und lauschte - in
der Hoffnung, das Spiel einer Flöte zu hören, in der Erwartung, Caine aus dem
Morgennebel auftauchen zu sehen, wie damals, als sie sich hier zum ersten Mal
begegnet waren.
Die Begegnung mit dem
Shaolinpriester hatte ihr Leben verändert. Es war mehr als das Gefühl von
Sicherheit, das ihr seine Anwesenheit gab, auch wenn sie zuvor mit dem Gedanken
gespielt hatte, in die Stadt und ganz aus der Gegend wegzuziehen, das einsam
gelegene Haus zu verlassen. Es war mehr als die langen Gespräche, die sie
führten und in denen er sie immer wieder mit seinem Verständnis und seiner Weisheit
überraschte.
Es waren seine
Berührungen, sanft und zugleich kraftvoll, doch niemals forderte er etwas für
sich. Mehr als alles andere waren es jedoch seine Augen, die sie fesselten.
Manchmal konnte sie nichts in seinen Augen lesen, außer Ruhe und Gelassenheit.
Aber dann gab es da Tage, in denen sein Blick von einer so tiefen, umfassenden Traurigkeit
erfüllt war, dass sie sich davon überwältigt fühlte und mit den Tränen kämpfte.
Sie hatte ihn nie weinen sehen. Sie fragte sich, ob sein Schmerz zu groß war...
Caine hatte nur wenig über das gesprochen, was ihn dazu trieb, ohne erkennbares
Ziel umherzuwandern. Sie wusste, dass er in China geboren und aufgewachsen war,
bis er als Teenager zusammen mit seinem Vater in die USA floh, in das
Heimatland seines Vaters. Sie wusste, dass er verheiratet gewesen und dass er seine
Frau sehr geliebt hatte, bis sie viel zu früh starb. Eines Nachts hatte er ihr
sogar von seinem Sohn erzählt.
* * // * *
Seit ihrer ersten
Begegnung, seit Caine das Angebot, bei Theresa zu wohnen, angenommen hatte,
waren fast sieben Tage vergangen. Sie waren noch spät wachgewesen, beide
unwillig den Abend zu beenden. Die Kerzen auf dem Esstisch waren längst
heruntergebrannt, nur noch zwei Lampen spendeten ihr milchiges Licht. Theresa
hatte es sich mit ihrer Lieblingsdecke auf dem Sofa bequem gemacht, den Kopf in
die Handfläche gestützt, beobachtete sie Caine. Der Shaolin saß mit untergeschlagenen
Beinen auf dem Boden, direkt vor dem offenen Kamin, in dem - ein Zugeständnis
an den Herbst - ein Feuer flackerte. Sie konnte nur die eine Seite seines
Gesichtes sehen, die andere lag im Schatten und fragte sich, was er in den
Flammen sah, was seinen Blick so bannte. Gleichzeitig fühlte sie, dass sie
nicht das Recht hatte, ihn danach zu fragen. Zuerst fiel ihr die Veränderung
seiner Gesichtszüge nicht so auf, wohl getäuscht durch die flackernden Schatten.
Dann nahm sie alles gleichzeitig wahr, das Entsetzen in seinem Gesicht, seine schreckensgeweiteten
Augen, sein Oberkörper der nach vorne taumelte, seine Hand, die nach etwas in
den Flammen griff, dass nur er sehen konnte. Theresa sprang auf, verhedderte
sich in die Decke, stieß an den Tisch. Sie bemerkte kaum, wie die Teekanne
ihrer Großmutter umfiel, über die Tischkante stürzte und auf den Fußboden landete.
Dann kniete sie neben
Caine, der verwirrt und entsetzt zugleich auf seine rußgeschwärzten Finger
starrte. "Zu spät..."
"Bist du
verletzt?", fragte sie aufgeregt und wollte nach seiner Hand greifen, um
sie ins Licht zu drehen - doch Caine entzog sich ihr. "Caine?!"
Er stand auf und trat
von ihr weg, in die Schatten, die den Raum dort erfüllten, wohin das Licht der
Lampen nicht mehr kam. "Es... ist nichts. Ich bin nicht verletzt."
Sie blieb auf den Knien
vor dem Kamin, drehte sich zu ihm. Sein Gesicht war nicht zu erkennen. "Du
sahst so merkwürdig aus. Wieso... wieso hast du das gemacht?", fragte sie
zögernd und noch bevor die Worte ganz über ihre Lippen gekommen waren, bereute
sie es schon. Sie erwartete keine Antwort - und sie erhielt auch keine.
Caine wandte sich ab,
sein Blick heftete sich auf die Dunkelheit draußen, die vor den Fenstern
lauerte.
Langsam kam Theresa auf
die Beine und sammelte die Teekanne auf. Ihr stiegen Tränen in die Augen, als
sie sah, dass die Tülle abgebrochen war. Wie stolz war ihre Großmutter darauf
gewesen, in einer Zeit, in der sich die meisten nur eine Blechkanne leisten
konnten, eine Teekanne aus echtem Porzellan zu besitzen. Und jetzt war sie
kaputt. Behutsam stellte sie die beschädigte Kanne auf den Tisch und setzte sich
wieder auf die Couch. Ihr war plötzlich sehr kalt und sie schlang die Arme um
die hochgezogenen Knie, lehnte den Kopf dagegen. Als Caine sprach, war seine
Stimme so leise und so weit weg, dass sie zuerst dachte, sie hätte es sich nur
eingebildet.
"Ich glaubte Peter
in den Flammen zu sehen."
"Wer ist
Peter?", fragte Theresa leise, als er nicht weitersprach.
Caine senkte den Kopf.
"Mein Sohn."
Überrascht richtete die
Malerin sich auf. "Ich wusste nicht, dass du Kinder hast."
"Nur dieses eine,
nur diesen einen Sohn." Seine Stimme klang belegt.
"Wo ist er jetzt?
Bei seiner Mutter?"
Der Shaolin schüttelte
den Kopf. "Seine Mutter ist tot. Und Peter ist... ist auch..." Er
stockte. "Peter wurde mir genommen."
Der Schmerz in seiner
Stimme trieb sie vom Sofa. Theresa trat neben Caine, doch er wandte den Blick
ab. "Das ist schrecklich", sagte sie hilflos. "Was ist
passiert?" Sie legte die Hand auf seine Schulter, zog sie aber zurück, als
sie spürte, wie er sich unter ihrer Berührung versteifte.
"Er... er kam vor
fast fünf Jahren bei einem Brand ums Leben. Und ich... ich konnte ihn nicht
retten."
Stumm, fassungslos,
stand Theresa neben ihm und lauschte seinen zögernden Worten, als er von dem
Überfall auf den Tempel berichtete, in dem er mit seinem Sohn lebte, von den
Menschen, die getötet worden waren und schließlich von den Sprengsätzen und dem
Feuer, das ihm sein Kind genommen hatte. Sie bemerkte kaum, dass sie begonnen
hatte,
zu weinen - entsetzte,
mitleidige Tränen, die lautlos über ihre Wangen rannen.
Sie blickte erst auf,
als Caine nichts mehr sagte. Als sie ihn anblickte, wandte er sich ihr zu, hob
die Hand und berührte mit den Fingerspitzen die feuchten Spuren auf ihrer
Wange. Sie sah die Frage in seinem Blick und versuchte sich an einem Lächeln,
das kläglich genug ausfiel. "Es tut mir so leid", flüsterte sie. Der
Priester schüttelte nur den Kopf und zog sie an sich. Das Gesicht in sein ausgeblichenes
Hemd vergraben, begann sie zu weinen.
Ein Teil von ihr fragte
sich verwirrt, warum sie das tat. Es war nicht ihr Schmerz. Und doch spürte sie
den Verlust so deutlich, als hätte sie selbst ein Kind verloren.
Caine sagte nichts, er
hielt sie nur fest und strich ihr von Zeit zu Zeit übers Haar.
Als sie sich müde und
leer geweint hatte, sah sie auf. Caines Augen blickten an ihr vorbei, hinaus in
die Dunkelheit, stumm und trocken, undurchlässig wie Spiegel. Ihre Hände
glitten von seinen Schultern, seine Arme entlang, lösten seinen Griff. Und er
ließ sie los, wandte sich ihr zu. Sein Blick veränderte sich, es schien, als
reflektierten seine Augen das wenige Licht im Raum, wurden lebendig. Zögernd,
fast unsicher, wirkte Caine, als er die Hände hob und ihr Gesicht sanft umschloss.
Theresa hielt den Atem an, erzitterte innerlich. Vom ersten Moment an hatte sie
gehofft... doch Caines höfliche Zurückhaltung hatte diese Hoffnung erstickt.
Bis zu diesem Augenblick...
Er beugte sich vor, doch
seine Lippen streiften ihre nur, dann wich er erneut zurück. Enttäuschung quoll
in ihr auf. Sie wandte den Kopf ab, löste sich dadurch aus seinem Griff und
trat um ihn herum. Theresa kehrte zum Sofa zurück und setzte sich, den Blick
auf ihre ineinander verkrampften Hände gerichtet. Was trieb sie da eigentlich? Es
war doch klar, dass Caine nicht der Typ Mann war, der ein flüchtiges Abenteuer
suchte...
Sie sah auf, als er sich
neben sie setzte. Sie wandte sich ihm zu und sein Blick nahm sie erneut gefangen.
Caines Augen ließen sie nicht mehr los, als sie sich liebten.
* * // * *
Theresa seufzte. Als
ihre Gedanken ins Hier und Jetzt zurückkehrten, wurde ihr erst bewusst, wie
kalt es inzwischen geworden war. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der
erste Schnee fiel. Sie warf noch einen letzten Blick in die Dunkelheit, dann
kehrte sie ins Haus zurück.
Mit einer Tasse Kaffee
und ihrem Skizzenblock setzte sie sich an den Küchentisch. Doch das Papier
blieb unberührt, lediglich ihre Finger verfärbten sich leicht, als sie mit
einem Stück Zeichenkohle spielte.
Nach einer Weile stand
sie auf und trat ans Fenster, um erneut in die Dunkelheit hinaus zu blicken,
sie hatte geglaubt, draußen etwas gehört zu haben - doch es war nur Regen,
dessen schwere Tropfen gegen die Holzverkleidung hämmerten. Sie verschränkte
die Arme vor der Brust und fragte sich, wo Caine steckte. Es war nicht das
erste Mal, dass er sie für ein paar Tage alleine gelassen hatte. Theresa fragte
nicht, wohin er ging, warum er ging und was er tat, wenn er nicht bei ihr war -
nicht, weil es sie nicht interessierte, sondern weil sie spürte, dass er ihr
nicht antworten würde. Vielleicht auch, weil sie heimlich Angst hatte, er könne
eines Tages überhaupt nicht mehr zurückkommen...
Sie setzte sich wieder
an den Tisch, nahm einen Schluck von ihrem inzwischen kalt gewordenen Kaffee
und starrte ins Nichts.
"Theresa?"
Zuerst dachte sie, sie
bilde sich seine Stimme nur ein. Doch als sie den Blick hob, stand Caine vor
ihr, die Hand noch auf dem Türgriff der offenen Hintertür. Er war klatschnass.
Wasser tropfte aus seinem Haar, lief über sein Gesicht und fiel von seiner
verwitterten Jacke zu Boden. Sie sprang auf. "Caine!" Lachend umarmte
sie ihn und spürte erleichtert, dass er sie an sich drückte. Ihr Kleid wurde
feucht, doch das machte ihr nichts aus. Caine war wieder da.
* * * * * * * * * * * *
* * * * * * * * * * * *
Ich zähl die Tage und
die Stunden
bis du kommst und wieder
gehst
Vielleicht heilen meine
Wunden
wenn du dich zu mir
legst
(Xavier Naidoo feat. Bintia)
* * * * * * * * * * * *
* * * * * * * * * * * *
Dankbar sah er auf, als
sie ihm einen Becher mit Tee reichte. Während das Wasser heiß wurde, hatte sie
sich rasch umgezogen und als sie ins Wohnzimmer trat, hatte auch Caine trockene
Kleidung angezogen. Nur sein Haar, das jetzt länger als bei ihrer ersten
Begegnung war, klebte noch feucht an seinem Kopf. Caine kniete auf dem Boden
vor dem
Kamin, legte gerade Holz
nach. Er wischte die Hände an seiner Hose ab und nahm den Becher. Er trank
einen Schluck und stellte ihn dann beiseite.
Theresa setzte sich
neben ihn. Sie hätte ihn jetzt gerne berührt, doch etwas... vielleicht in
seinem Gesicht, vielleicht in der Steifheit seiner Schultern... hielt sie
zurück, sagte ihr, dass jetzt dafür nicht die richtige Zeit war.
"Theresa, ich muss
mit dir sprechen."
Sie sah ihn an und etwas
in ihr schrie auf, dass sie nicht hören wollte, was er zu sagen hatte. Doch sie
schwieg.
"Theresa... es ist
Zeit für mich, zu gehen."
Sie schloss die Augen,
als könne sie so seine Worte ungeschehen machen.
* * * * * * * * * * * *
* * * * * * * * * * * *
...gib mir mein Herz
zurück
bevor es auseinander
bricht.
Je eher, je eher du
gehst,
desto leichter
für mich... (Oli P.)
* * * * * * * * * * * *
* * * * * * * * * * * *
Theresa stand auf der
Veranda und sah ihm nach, wie er ging. An diesem letzten, sonnigen Herbstag.
Sie spürte noch den sanften Druck seiner Lippen gegen ihre. Nichts sonst. Nicht
einmal den Schmerz, ihn zu verlieren.
Ende