Titel: Der beste Espresso der Stadt
Autor: Lady Charena (August 2013)
Fandom: Torchwood 50 Ways
Episode: ---
Wörter: 4512
Charaktere: Jack Harkness, Ianto Jones, Gwen, Owen, Tosh, OCs
Pairing: Jack/Ianto
Rating: A/R, pg12, slash
Summe: Jack und Ianto haben endlich die Chance auf
ein Date – doch der Abend endet anders als geplant.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story
verwendeten geschützten Namen und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern.
Eine Kennzeichnung unterbleibt nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen
oder diese Inhaberrechte zu verletzen.
„Oh nein, da muss ich dir definitiv wiedersprechen.“ Ianto
beugte sich lachend vor, beide Hände abwehrend erhoben. „Es genügt nicht, Salz
und Essig auf ein paar Salatblätter zu schütten und es Salat zu nennen. Das
Essen war einfach grässlich, gib es zu.“
„Die Suppe war gut“, verteidigte Jack die Auswahl seines Restaurants für ihr
Date. „Die Gemüsesuppe als Vorspeise.“
„Auf der Karte stand, es war Fischsuppe“, hielt der jüngere Mann triumphierend
entgegen. „Du konntest es also auch nicht unterscheiden.“
Soweit es Jack betraf, hätte es auch pures Leitungswasser sein können.
Zugegeben hatte er nur Augen für den jungen Waliser gehabt und vom Essen nicht
viel mitbekommen. Dieser Abend – den sie sich schwer verdient hatten – sollte
etwas Besonderes werden. Da war noch immer ein Bruch zwischen ihnen – sein
Verschwinden mit dem Doctor, Iantos
Beteiligung an der „Meuterei“ gegen ihn – den zu kitten sie seit einiger Zeit
ernsthafte Anstrengungen unternahmen.
Ianto lehnte sich zurück und knöpfte sein Jackett
auf. „Ich hätte mich nie von dir überreden lassen sollen, Wein zu trinken.“ Er
löste seine Krawatte und fächelte sich Luft zu. „Mir ist richtig heiß.“
Er trank selten Alkohol. Mal ein Bier mit den anderen im Pub oder wenn sie
Take-out mit nach Hause brachten. Gelegentlich was immer an Feuerwasser sich in
dem Dekanter in Jacks Büro befand, und er seinen Boss
und Freund nicht alleine brüten lassen wollte. Sie bestellten das Tagesmenü und
es wurde mit einer Flasche Wein serviert. Jack hatte ein Glas getrunken und war
dann auf Wasser umgestiegen, sich zum Fahrer für den Abend erklärend. Ianto hatte zwei… oder vielleicht auch zweieinhalb oder
drei?... Gläser getrunken, hauptsächlich um den
Salz-Essig-Geschmack aus dem Mund zu spülen. Er war nicht unbedingt ein großer
Weinexperte, aber besser als das Essen war der Rotwein allemal gewesen.
„Warum ziehst du dann nicht ein paar Sachen aus und machst es dir bequem?“,
entgegnete Jack mit einem Augenzwinkern.
Der junge Waliser lachte wieder und Jack genoss es, ihn so zu sehen. „Ich denke
ich halte es noch aus, bis wir in meiner Wohnung sind.“ Trotzdem löste er den Sicherheitsgurt, zog sein Jackett aus, faltete
es ordentlich zusammen und legte es auf den Rücksitz. „Aber das auf meinem
Teller war hundertprozentig kein Lamm gewesen. Eher ein ausgewachsenes Schaf.
Und ich denke es ist nach einem langen, erfüllten Leben und viel Bewegung an Altersschwäche
gestorben.“
„Okay, ich verstehe den Hinweis. Du suchst in Zukunft die Restaurants für
unsere Dates aus“, gab Jack lachend nach. „Aber zu meiner Verteidigung, als ich
das letzten Mal dort gewesen bin, war das Essen besser.“
„Und wann war das?“, neckte ihn Ianto. „In diesem
Jahrtausend oder dem letzten?“
„Frechdachs!“ Jack gab ihm einen Klaps auf den Oberschenkel.
„Beide Hände ans Steuer, alter Mann“, fuhr Ianto
lachend fort. „Wenn du mir einen Kratzer oder eine Beule rein machst, muss ich
dich leider töten. Ich liebe dieses Auto.“
„Mehr als mich?“ Die Worte waren kaum über seine Lippen, als Jack sie auch
schon bereute. Aber er konnte sie nicht mehr zurücknehmen.
Einen Moment lang schwieg Ianto und kaute auf seiner
Unterlippe, den Blick auf die Straße vor ihnen gerichtet. Dann sprach er
weiter, als hätte Jack nie etwas gesagt. „Das gehört alles zu deinem Plan,
nicht? Du hast mich betrunken gemacht, nur damit ich dich endlich damit fahren
lasse.“
„Ich gestehe.“ Jack fand plötzlich mehr Interesse an den Verkehrszeichen als
zuvor. „Alles was du willst.“ Er konnte selbst den gezwungen fröhlichen Ton in
seiner Stimme hören. „Es tut mir leid, dass der Abend ein Reinfall war.“
Ianto streckte die Hand aus und legte sie auf Jacks
Arm. „Das wollte ich nicht damit sagen. Es war kein Reinfall. Die Gesellschaft
war nämlich ausgezeichnet.“ Seine Finger wanderten von Jacks Ellbogen zu seinem
Handgelenk, zeichneten einen Kreis auf seinen Handrücken. „Und er ist noch
nicht vorbei, oder? Das Dessert gibt es bei mir. Und dazu den besten Espresso
der Stadt. Ich habe im Internet unglaubliche Bohnen gefunden, so etwas hast du
noch nie getrunken.“
Jack akzeptierte den Themenwechsel mit einiger Erleichterung. „Oh, wirklich?
Der beste der Stadt?“ Er musste wegen einer roten Ampel an einer Kreuzung
stoppen und wandte den Kopf, um den jungen Waliser anzusehen. „Ich hoffe du
kannst beweisen was du versprichst.“
Lächelnd setzte Ianto zu einer Antwort an – in diesem
Moment explodierte die Welt in metallisches Kreischen, grelles Licht,
unaussprechlichen Schmerz und einem Regen aus Glas.
###
Jack zog seinen Mantel enger um die Schultern. Regenwasser sickerte in seinen
Kragen, klatschte seine Haare gegen den Kopf. Es musste schon eine Weile
nieseln, denn er stand in einer Pfütze, die nicht dagewesen war, als er aufs
Dach kam. Ein unangenehmer Wind war aufgekommen und ließ seine Finger kalt und
steif werden.
Gwen war irgendwann hier gewesen. Sie hatte ihm seinen Mantel gebracht, den er
auf den Rücksitz geworfen hatte, als sie das Restaurant verließen und einen
Becher Automatenkaffee, den er nicht angerührt hatte.
Er starrte auf den Becher, auf dem sich eine ölige schimmernde Schicht gebildet
hatte und kippte seinen Inhalt auf den Boden. Iantos
Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf und er hörte ihn lachen. „Der beste
Espresso der Stadt“, flüsterte Jack. Er ließ den Kaffeebecher fallen und fuhr
sich durch die Haare, dann rieb er sich mit der Handfläche übers Gesicht.
Der Wind erfasste das leichte Plastikteil und wirbelte es übers Dach, bis es
sich an der Betonfassung einer Antenne verfing.
Gwen hatte gesagt, dass es ein Unfall gewesen war. Als sie an der Ampel
standen, hatte sie ein anderes Auto beinahe ungebremst gerammt. Das CCTV hatte
alles aufgezeichnet. Der Fahrer war betrunken gewesen und möglicherweise
abgelenkt, hatte vielleicht telefoniert, als er auf der Fahrerseite in Iantos Audi krachte. Er war noch nicht ansprechbar laut
Gwen. Eine Angelegenheit für die Heddlu, nicht Torchwood.
Jack erinnerte sich nicht daran. Er war auf der Straße liegend zu sich
gekommen, als ihm ein älterer Mann mit Brille und der reflektierenden Jacke
eines Notarztes mit einer Taschenlampe in die Augen leuchtete.
Benommen vom Blutverlust und seinen immer noch heilenden Verletzungen dauerte
es eine Weile, bis er in der Lage war, seinen Ausweis zu suchen und jede
weitere ärztliche Behandlung abzulehnen.
Er hoffte, dass der Arzt nicht so viel mitbekommen hatte, dass eine Behandlung
mit Retcon notwendig war. Gwen würde sich darum und
um die Polizisten kümmern müssen, es war ihr Job.
Ein junger Polizist hatte ihn auf dem Weg zum Auto aufgehalten und wieder
musste er seinen Ausweis zücken und erklären, dass Torchwood
die Kontrolle über die Unfallstelle übernahm. Wiederwillig räumten die
Feuerwehr, die Polizisten und Sanitäter das Feld.
Der Audi war kaum wiederzuerkennen. Verbogenes Metall, Glasscherben, nun unidentifizierbare Kunststoffteile. So viele Glassplitter,
dass die Straße im Licht der Laternen wie Diamantschmuck glitzerte.
Es war zu dunkel, um das Blut zu sehen.
Der Constable, der versucht hatte ihn aufzuhalten, trat neben ihn.
„Wo ist…“ Er spürte ein Brennen in der Brust, dass sich durch seinen ganzen
Körper ausbreitete. „Da war außer mir noch jemand im Auto.“
„Er ist bereits im Krankenhaus. Der andere Fahrer auch.“ Der Polizist sah ihn
von der Seite an. „Soll ich jemand anrufen?“
„Das mache ich selbst.“ Er griff in die Tasche, aber da war kein Handy.
Richtig. Er hatte es im Hub gelassen. Absichtlich. Um Ianto
zu zeigen, dass er es ernst meinte. Und wenn es wirklich einen Notfall geben
sollte, wusste Tosh, wie sie ihn über seinen Vortex Manipulator alarmieren konnte. „Ich…“
„Hier.“ Der Constable reichte ihm sein Handy. „Ich sehe zu, ob ich Kaffee für
Sie auftreiben kann, okay, Captain?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, ging er.
Er war in der Nacht verschwunden, bevor Jack etwas sagen konnte. Vielleicht
hätte er ihm sonst einen Job angeboten.
Danach musste er Gwen angerufen haben, aber auch an dieses Gespräch erinnerte
er sich nicht mehr. Alles was er tat, war da zu stehen als wäre er angewurzelt.
Er hätte keinen Schritt gehen können, selbst wenn sein Leben davon abhängig
gewesen wäre.
Owen war vor ihr eingetroffen, hatte einen Blick auf das Wrack geworfen, geflucht
und sich an die nach wie vor wartenden Helfer gewandt, um zu erfahren in
welches Krankenhaus Ianto gebracht worden war und wie
es ihm ging.
Tosh und Gwen kamen fast gleichzeitig an. Gwen
bestürmte ihn mit Fragen, auf die er keine Antworten wusste, also schwieg er. Tosh stand still neben ihm, ihre Haut fast durchsichtig im
Licht der Straßenlampen, eine Hand auf den Mund gepresst. Dann berührte sie
seine Schulter, und nahm Gwens Arm, um sie beide zur Seite zu ziehen.
Er nahm an, dass die beiden sich um alles weitere gekümmert hatten. Owen kam
zurück und sie fuhren ins Krankenhaus.
„Jack?“
Zuerst dachte er, die Stimme wäre wie alle anderen nur in seinem Kopf, aber
schließlich drang Gwen zu ihm durch und er sah sie an. „Ist er…?“
„Nein. Nein, Jack.“ Gwen lächelte und drückte seine Hände. „Ianto
ist aus der Narkose aufgewacht. Der Arzt sagt, er darf für ein paar Minuten
Besuch bekommen und das er wieder ganz gesund wird. Ich bin so schnell
hergelaufen wie ich konnte. Jack, du musst von diesem Dach runter. Deine Finger
sind die reinsten Eisklumpen. Tosh und Owen warten
auf uns.“
Für einen Moment verlangsamte sich die Zeit, erstarrte und setzte sich dann mit
normaler Geschwindigkeit weiter in Bewegung. Und mit ihr sein Gehirn.
Jack löste seine Hände aus Gwens Griff und straffte die Schultern. „Okay. Das
ist gut, oder? Er wird… Gwen, du musst mir einen Gefallen tun. Zwei, um genau
zu sein.“
„Natürlich.“ Gwen musste fast rennen, um mit seinen weiten Schritten mithalten
zu können. Ihre Stiefelsohlen rutschten auf dem nassen Dach. „Was brauchst du
von mir?“
„Nimm bitte Tosh mit in Iantos
Wohnung und packt eine Tasche mit allem, was er brauchen könnte. Tosh war schon häufiger bei ihm, sie kennt sich aus. Sie
kann die Sachen morgen vorbei bringen. Und dann möchte ich, dass du die Adresse
von Iantos Schwester raussuchst und morgen früh zu
ihr fährst. Sie muss wissen, was passiert ist.“ Jack öffnete die Tür zum
Treppenhaus. „Und Gwen – sie weiß nichts von ihm und mir. Bitte pass auf, was
du ihr erzählst, okay?“
Es war Gwen anzusehen, dass ihr eine Bemerkung auf der Zunge lag. Aber sie
nickte nur und folgte Jack die Treppen hinab.
###
Es war irgendwann in den frühen Morgenstunden, als Ianto
die Augen öffnete. Er war wach gewesen, als Jack das erste Mal zu ihm durfte,
aber kurz darauf eingeschlafen. Schläuche und Kabel umgaben ihn wie ein
Gespinst. Ianto würde es hassen.
Eine Schwester hatte ihn nach ein paar Minuten aus dem Raum gescheucht, ihm
aber zugestanden, dass er auf einem Stuhl davor warten durfte. Sie brachte ihm
auch mehr von dem Kaffee, den er nicht trank.
Owen tauchte auf und warf sich auf den Stuhl neben ihn. Er erklärte, dass die
meisten von Iantos Verletzungen davon kamen, dass er
nicht angeschnallt gewesen war und beim Aufprall durch den Wagen geschleudert
wurde. Das Gute war, seine Verletzungen waren nicht lebensbedrohlich. Dank der
Seitenairbags nur ein gebrochener Arm, ein gebrochenes Bein auf der
Körperseite, mit der er gegen die Tür geprallt war. Schnitte von der
geborstenen Windschutzscheibe. Prellungen. Platzwunden und eine schwere
Gehirnerschütterung. Trotzdem würde er einige Wochen, oder ein paar Monate
brauchen, um sich ganz davon zu erholen. Er schickte Owen nach Hause, als der
Arzt seinen Bericht abgeschlossen hatte.
Gwen und Tosh hatten das Krankenhaus bereits
verlassen, nachdem der Arzt keinen weiteren Besuch gestattete. Sie versprachen,
sich um den Hub und alles Weitere zu kümmern.
Später, als es still und dunkel war, schlich er sich zurück in Iantos Zimmer und nahm auf dem ans Bett geschobenen
Besucherstuhl Platz.
Wie oft schon hatte er diese Situation erlebt. Und jedes Mal verspürte er die
gleiche Hilflosigkeit. Die gleichen Schuldgefühle. Den Selbstekel. Er hatte
sich in der Besuchertoilette das Blut abgewaschen. Hatte wider besseren Wissens nach Wunden, Narben oder anderen Spuren des
Unfalls gesucht und natürlich keine gefunden. Der zugeknöpfte Mantel verbarg
größtenteils den Zustand seiner Kleidung, so dass niemand zu viele Fragen
stellte.
Warum hatte er nicht darauf bestanden, dass Ianto
sich wieder anschnallte, nachdem er das Jackett ausgezogen hatte?
„Ianto? Hey.“ Er beugte sich über den jungen Waliser,
damit er im schwachen Schein des Nachtlichts keine Regung übersah. Vorsichtig
legte Jack die Hand an die unverletzte Wange von Iantos
Gesicht. „Es wird alles gut. Du wirst wieder gesund.“
Der junge Waliser blinzelte einige Male. „Jack?“, fragte er.
„Hey. Weißt du, wo du bist?“
Iantos Blick glitt durch den Raum, bevor er zu ihm
zurückkehrte. „Krankenhaus“, sagte er mit einer Stimme, die klang als hätte er
mit Steinen gegurgelt. Er schnitt eine Grimasse. „Wir… ein Unfall, richtig?“
„Ja. Wir hatten einen Unfall. Ein betrunkener Fahrer.“ Es standen Wasser und
ein paar Plastikbecher auf dem Nachttisch bereit, also nahm er an, dass Ianto trinken durfte. Jack goss ein wenig Wasser in einen
Becher und hielt ihn Ianto hin, so dass er trinken
konnte. Es ging etwas daneben, aber Ianto schluckte
und presste dann die Lippen zusammen, um zu bedeuten, dass er genug hatte.
Jack nahm wieder auf der Bettkante Platz. „Kann ich irgendetwas für dich tun?
Brauchst du etwas?“
„Ich bin müde.“ Ianto sprach ein wenig undeutlich,
aber das war nicht ungewöhnlich, wenn er erschöpft war.
„Okay. Dann schlaf.“ Ein genähter Schnitt zog sich quer über Iantos Schläfe, spaltete seine rechte Augenbraue. „Werd rasch gesund. Du hast mir den besten Espresso der
Stadt versprochen. Und ich kann es kaum erwarten.“ Jack küsste ihn auf die
Mitte der Stirn, auf die Wange - eine der wenigen unverletzten Stellen in
seinem Gesicht. „Hast du noch irgendeinen Wunsch?“
Ianto schloss einen Moment die Augen, öffnete sie
dann wieder. „Wirst du… könntest du…“ Er schluckte.
„Bleiben? Ob ich bleibe?“, beendete Jack den Satz für ihn. „Natürlich bleibe
ich hier. Du kannst ganz beruhigt schlafen.“ Er rieb mit der Fläche des Daumens
über Iantos Handrücken, sorgfältig darauf achtend,
dass er die Infusionsnadel nicht berührte, die daran befestigt war.
Der junge Waliser schloss die Lider. „Jack?“, murmelte er.
„Hier.“ Er spürte einen Knoten im Hals, als Iantos
Finger über seine glitten und sich um sie krümmten, der leichte Druck wie ein
Rettungsanker für ihn.
„Ich liebe dich mehr als das Auto.“
Jack beugte sich vor, darauf bedacht, dass er Iantos
Körper nicht berührte und legte sein Gesicht neben dem des jungen Mannes aufs
Kissen. Seine Wange streifte die leicht stoppelige von Ianto.
Seine Rückenmuskeln protestierten schon nach wenigen Sekunden gegen die
unbequeme Haltung, doch er ignorierte es. Er konnte Ianto
atmen hören, das leichte Röcheln am Ende des Ausatmens. Er nahm es mit in den
Schlaf.
###
„Jack? Hey, Zeit zum Aufwachen.“
Er schlug die Augen auf und fand sich Nase an Nase mit Ianto.
Einen Moment lang war es wie an jedem anderen Morgen, an dem er neben dem jungen
Waliser aufwachte – dann nahm er den Kopf zurück, den scharfen Schmerz in
seinem Nacken ignorierend und die Erinnerungen kamen mit der Wucht eines
Schlages zurück. Das Tageslicht brachte die Prellungen auf Iantos
blasser Haut deutlich zum Vorschein. Seine Unterlippe und die verletzte
Augenbraue waren verfärbt und angeschwollen.
Jack saß halb, lag halb, auf dem Bett, sein Kopf auf Iantos
Kissen, sein Oberkörper zur Seite gedreht, damit er Ianto
nicht unter sich erdrückte. Sein Körper fühlte sich kalt und taub an und es
schien ein Wunder, dass er nicht einfach irgendwann im Schlaf auf den Boden
gerutscht war.
Iantos Finger kämmten durch sein verklebtes Haar. „Du
siehst fürchterlich aus“, flüsterte der junge Mann heiser. „Sie wollten dich
rauswerfen, aber ich habe gesagt, dass ich eine Krankenhausphobie habe und
sonst nicht schlafen kann. Ich weiß nicht, ob sie mir geglaubt haben, aber die
Schwester meinte, du darfst bis zum Frühstück bleiben.“
Jack spürte, wie sich seine Lippen unwillkürlich zu einem Lächeln verzogen.
„Nun, du siehst großartig aus“, antwortete er.
Ianto versuchte zu lächeln, zuckte aber zusammen, als
der Riss in seiner Unterlippe schmerzte. „Lügner.“
„Wahrheit“, gab Jack im gleichen Ton zurück und küsste ihn auf die Nase. „Wie
geht es dir?“
„Als wäre ich in einem Unfall gewesen.“ Ianto drehte
den Kopf, sah an die Decke. „Eine Schwester hat mir die Infusion abgenommen und
versprochen, mir Haferschleim zum Frühstück zu bringen, also muss es mir besser
gehen.“
Die Stimmung kippte merklich, von einem Augenblick zum nächsten. Jack setzte
sich auf und presste eine Hand gegen seine krampfenden Rückenmuskeln. Dumpfer
Schmerz pochte hinter seinen Schläfen und er konnte riechen, dass er dringend
duschen und endlich die Kleider wechseln sollte. Er stand auf, starrte auf das
kompliziert aussehende Gerüst, in dem Iantos
gebrochenes Bein hing. Der gebrochene Arm lag schräg von seinem Körper
abgewinkelt auf einer Art Polster. Er schluckte. „Es tut mir leid.“
„Ich erinnere mich nicht an alles.“ Ianto sah ihn an.
„Aber an die rote Ampel. Und das wir gewartet haben. Nicht deine Schuld. Nur…
Pech.“ Er blinzelte ein paar Mal. „Du musst… bist du…“
„Ich kann mich nicht erinnern. Vermutlich.“ Jack zuckte mit den Achseln. Er
konnte gut ohne die Erinnerung an einen weiteren Tod leben. „Ich habe Tosh gebeten, dir ein paar Sachen aus deiner Wohnung zu
holen. Und Gwen fährt später bei deiner Schwester vorbei, sie gibt ihr
persönlich Bescheid.“
Ein Ruck ging durch Ianto als ob er versuche, sich
aufzusetzen. „Meine Schwester?“, fragte er aufgebracht. „Was hat sie… Wieso
ziehst du meine Schwester da rein?“
Jack hob beschwichtigend die Hände. „Okay, Ianto
beruhige dich. Ich rufe Gwen an und sage ihr, dass sie es lassen soll.“ Einer
der Monitore über dem Bett piepste wie wild. „Ianto?
Beruhige dich bitte.“ Er beugte sich über ihn, rieb besänftigend Iantos Schulter, dort wo der Krankenhauskittel unter seine
Achsel gezogen war, da der Gipsarm nicht durch den
Ärmel passte. Das hektische Piepsen ging langsam auf ein normales Maß zurück.
„Entschuldige. Ich dachte, du würdest wollen, dass sie Bescheid weiß.“
„Es reicht, wenn sie davon erfährt, wenn ich wieder auf den Beinen bin.“ Ianto schloss die Augen. „Wir haben keinen… engen Kontakt.“
Ein frischer Schweißfilm hatte sich auf seiner Stirn gebildet und er atmete
flacher, hastiger als zuvor. Seine unverletzte Hand krallte sich ins Laken.
„Ich hole jemand. Du brauchst etwas gegen die Schmerzen.“
Jack stand auf. Er war fast an der Tür, als Ianto:
„Nein, ich halte das schon aus“, sagte.
„Unsinn.“
Er verließ das Zimmer und schnappte sich die erste Krankenschwester, die ihm
über den Weg lief. Sie versprach sofort nach Ianto zu
sehen und Jack ging weiter zur Schwesternstation am Ende des Flurs, wo er die
junge Inderin hinter dem Tresen darum bat, telefonieren zu dürfen. Sie lächelte
schüchtern und sagte, es wäre normalerweise nicht erlaubt, dafür gab es
Kartentelefone unten im Eingang. Aber sie machte eine Ausnahme und drehte das
Telefon auf seinem schwenkbaren Arm in seine Richtung.
Jack dankte ihr und rief Gwen an, die noch Zuhause war. Er schnitt ihre Fragen
nach Iantos Zustand kurz ab und bat sie, den Besuch
bei seiner Schwester zu unterlassen. Natürlich wollte sie wissen wieso, aber
sie akzeptierte seine Erklärung, dass Ianto das
selbst tun würde. Mit dem Versprechen, spätestens mittags im Hub zu sein,
beendete er das Gespräch. Er dankte der Schwester und ihre Wangen färbten sich
fast so rot wie der Punkt auf ihrer Stirn. Jack fand ein paar zerknitterte
Ein-Pfund-Noten in der Tasche und stopfte sie in eine Dose mit der Aufschrift
„Kaffeekasse“, die auf dem Tresen stand. Er zwinkerte ihr zu und ging zu Iantos Zimmer zurück.
Als er die Tür öffnete, scheuchte ihn die Krankenschwester, die er zu Ianto geschickt hatte, sofort wieder aus dem Raum. Im
Korridor wandte sie sich an ihn. „Ihr Freund schläft jetzt“, informierte sie
ihn. „Er braucht im Moment Ruhe mehr als Besucher.“
Jack notierte abwesend, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, weil sie
sonst bei ihrer Größe mit seinem Brustkorb gesprochen hätte. Durch ihre kurzen,
braunen Locken zogen sich graue Strähnen. „Ich werde ihn nicht stören, ich will
nur kurz nach ihm sehen.“
„Mister Jones schläft“, entgegnete die Schwester streng. „Sie können später
wieder kommen und ihn besuchen.“ Sie sah auf einen Blutfleck an seinem Ärmel
und ihre Stimme wurde milder. „Sie waren an dem Unfall beteiligt, nicht wahr?
Vielleicht sollten Sie sich ebenfalls ein wenig ausruhen.“
Jack kapitulierte. Sie hatte Recht. Er würde sich zwar nicht ausruhen, aber
endlich duschen und umziehen. „Okay. Gut, ich schätze das ist eine gute Idee.“
Jack zuckte mit den Schultern. „Falls Ianto in der
Zwischenzeit aufwacht, könnten Sie bitte dafür sorgen, dass er erfährt, dass
ich bald zurückkomme? Ich will nicht, dass er denkt, irgendetwas anderes wäre
wichtiger gewesen als er und dass ich ihn im Stich gelassen hätte.“
„Ich denke das kann ich einrichten.“ Ihr Gesichtsausdruck milderte sich zu
einem Lächeln. „Er ist hier in guten Händen. Meine Schicht geht bis mittags,
ich werde ab und zu nach Mister Jones sehen, Captain Harkness.“
Er war überrascht, dass sie seinen Namen wusste, aber vermutlich stand der in
den Unterlagen, die Owen ausgefüllt hatte. Immerhin kannte er als Teamarzt ihre
medizinischen Details am besten. „Danke. Schwester…“ Er griff suchend in seine
Taschen.
„Ann. Ann Scott“, erwiderte die Krankenschwester und tippte auf ein Namenschild
an ihrer Brusttasche, das er bisher noch nicht bemerkt hatte. Zweifellos war er
mit seinen Gedanken heute woanders, denn er kam nicht einmal auf die Idee, ein
wenig mit ihr zu flirten. „Und dafür bin ich da.“
Jack fand endlich eine Visitenkarte mit seiner Handynummer. Sie war neutral
gehalten, nur mit seinem Namen und der Telefonnummer bedruckt. Selbst eine
Geheimorganisation kam nicht immer ganz um den Austausch von Kontaktdaten
herum. Ianto stellte ganz nach Bedarf Visitenkarten
für das Team am Computer her. Dieses Exemplar reiste wohl schon eine ganze
Weile in seiner Tasche durch die Gegend, denn eine Ecke war abgeknickt, und ein
fettiger Fingerabdruck verschmierte das Ca von
Captain. Trotzdem reichte er sie an Schwester Ann weiter. „Danke. Ich bin unter
dieser Nummer immer zu erreichen.“
Sie nickte, steckte die Karte in eine kleine Tasche an der Seite ihres
Oberteils und sah ihm hinterher, als er ging. Vielleicht wollte sie sicher
sein, dass er sich nicht heimlich zurück in Iantos
Zimmer schlich.
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Drei Stunden später trat Jack wieder durch die Türen des Krankenhauses. Die
Geruchs- und Geräuschkulisse kam ihm jetzt schon vertraut vor.
Tosh hatte Iantos Sachen in
eine große Sporttasche gepackt und mit in den Hub gebracht, da sie nicht sicher
gewesen war, ob Ianto schon Besuch erhalten durfte.
Einfach auf der Station die Sachen abgeben, wollte sie aber auch nicht. Tosh kam in dem Moment in sein Büro, als er die Leiter aus
dem Bunker nach oben kletterte, sich die Haare trocken reibend.
Er ließ das Handtuch sinken und lächelte ihr zu. „Hey, Toshiko. Wie…“
Die Computerexpertin überraschte ihn damit, dass sie ihn wortlos umarmte. Er
drückte sie dankbar an sich, presste einen Kuss auf ihr Haar. „Er wird wieder
gesund, Tosh“, sagte er leise. „Er ist okay.“
Ungeduldig stand er neben einem jungen, dunkelhäutigen Mann im Rollstuhl im
Lift, der sich scheinbar nur mit extremem Schneckentempo in das nächste
Stockwerk bewegte. Endlich öffneten sich die Türen und er joggte fast den
Korridor entlang, schlängelte sich zwischen Patienten, Besuchern und
Krankenhauspersonal durch.
Ianto drehte den Kopf, als Jack in den Raum trat. Die
dunklen Schatten unter seinen Augen hatten die gleiche Färbung wie die
Prellungen, die auf seiner Haut zu sehen waren. Aber er wirkte wach und die
meisten der Kabel und Schläuche von letzter Nacht waren verschwunden. Der
Monitor war abgeschaltet.
„Hey.“ Jack stellte die Tasche auf den Besucherstuhl und setzte sich wieder auf
die Bettkante. „Du bist ja schon wieder wach.“ Er küsste ihn vorsichtig auf den
Mund, nicht zu viel Druck auf seine verletzte Unterlippe ausübend. Dann auf die
Stirn. Iantos Haut schmeckte nach Salz und
Desinfektionsmittel. „Tosh lässt dich schön grüßen.
Die anderen beiden vermutlich auch, aber die waren noch nicht da, als ich
gegangen bin.“
Der junge Waliser blinzelte zu ihm hoch. „Hast du mir diese Schwester Ann auf
den Hals gehetzt?“, fragte er. Seine unverletzte Hand landete auf Jacks Arm,
seine Finger glitten fast suchend über den Ärmel des Mantels. „Sie sieht alle
fünfzehn Minuten nach mir.“
„Warum? Sie ist doch nett.“ Erleichterung stieg in ihm auf. Ianto
klang wieder mehr wie er selbst. „Ich wollte nicht, dass du denkst, ich bin
wieder einmal einfach so ohne Abschied verschwunden.“
„Bevor du die Chance hattest, den besten Espresso der Stadt zu trinken?“,
erwiderte Ianto. „Das glaube ich nicht.“
„Du erinnerst dich daran?“ Jack umschloss Iantos
Finger, küsste seine Fingerspitzen. Auf seinem Handrücken hatte die
Infusionsnadel einen rotblau unterlaufenen Fleck hinterlassen.
„An das meiste.“ Ianto lächelte, nur ein leichtes
Zucken der Mundwinkel. „Daran, dass du die ganze Nacht geblieben bist, obwohl
es nicht erlaubt ist.“
„Ich bin nicht gut mit Regeln, das weißt du.“ Jack erwiderte das Lächeln. „Owen
meinte, du kannst in ein paar Tagen nach Hause. Unter der Voraussetzung, dass
sich jemand um dich kümmert.“ Ianto öffnete den Mund,
doch Jack legte rasch einen Finger über seine Lippen. „Du hast die Wahl
zwischen mir und Owen als deinen neuen, vorübergehenden Mitbewohner.“
„Bitte nicht Owen.“ Ianto verzog das Gesicht zu einer
entsetzten Grimasse. „Ich kann mit dem Gips kein Blut aufwischen, nachdem ich
ihn umgebracht habe.“
„Da ist die Antwort, die ich hören wollte“, grinste Jack. Er holte tief Luft.
„Vielleicht… wäre es okay… wenn ich länger bleibe? Auch wenn du wieder auf den
Beinen bist, meine ich.“ Er war nicht so mutig wie Ianto,
er konnte ihm noch nicht sagen, dass er ihn liebte… aber vielleicht konnte er
ihm so zeigen, dass er es ernst meinte.
„Ja. Das wäre sehr okay.“ Ianto drückte seine Finger.
„Mir gefällt die Idee bedient zu werden“, setzte er neckend hinzu.
„Hey, so haben wir nicht gewettet.“ Jack küsste ihn lachend auf die Stirn, auf
die Augenlider, die Nasenspitze. „Ich bin immer noch dein Boss.“
„Nicht in meiner Wohnung. Sir.“ Ianto sah zu ihm auf.
„Danke, dass du geblieben bist, Jack.“
Er strich ihm das Haar aus der Stirn zurück, rieb mit dem Daumen an der
Haarlinie entlang, als versuche er die Konturen von Iantos
Gesicht nachzuzeichnen. „Ich brauche dich. Also… das hier ist im Grunde mehr
für mich als für dich“, versuchte er zu flachsen, obwohl die Worte viel zu
ernst dafür klangen.
„Damit kann ich leben.“ Ianto sah ihn noch immer an.
„Ich bestehe trotzdem auf ein Date in einem Restaurant mit gutem Essen.“
„Ich suche dir das Beste in ganz Wales“, versprach Jack. “Sieh es als
besonderen Anreiz an, schnell gesund zu werden.“
Ianto nickte und schloss die Augen. „Ich fange sofort
damit an, gesund zu werden.“ Sein Atem wurde langsamer, tiefer und er schlief
ein.
„Gut“, erwiderte Jack leise. „Ich bleibe noch ein bisschen hier. Als
Inspiration.“ Und aus Dankbarkeit, dass er diesen ganz besonderen Menschen noch
nicht verloren hatte.
Ende