Zeit der Erkenntnis
T’Len
2008-10
Fandom: SK Kölsch
Charaktere: Jupp
Schatz/Klaus Taube
Kategorie: NC-17
Feedback: tlen2@freenet.de
Summe: Oft weiß man erst,
was man an Jemanden hat, wenn man ihn verliert.
Disclaimer: Die Rechte der in
dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen und Figuren liegen bei den
jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt nicht in der Absicht, damit Geld zu
verdienen oder diese Inhaberrechte zu verletzen. Vielen
Dank an Lady Charena fürs Beta.
„Sie haben was nicht?“ Jupp
Schatz starrte die junge Frau hinter der Rezeption wütend an.
„Es tut mir sehr Leid, Herr Schatz.“ Die
Blondine in der adretten Uniform lächelte entschuldigend. „Ihr Name steht tatsächlich auf der Liste der Seminarteilnehmer.“ Sie schob
ihm zum Beweis einen Zettel über den Tresen. „Aber irgendwie ist vergessen
worden, für Sie auch ein Zimmer zu reservieren.“
„Es tut mir wirklich sehr Leid“,
wiederholte sie noch einmal.
„Schon gut, geben Sie mir einfach
irgendein Zimmer“, sagte Jupp. „Ich bin nicht wählerisch.“
„Es tut mir wirklich sehr L...“, begann
die Rezeptionistin erneut. Als ihr bewusst wurde, dass sie
sich schon wieder wiederholte, unterbrach sie sich.
Entschuldigend lächelte sie Jupp an. „Wir sind ausgebucht.“
„Dann suchen Sie mir halt ein Hotel in
der Nähe“, erwiderte Jupp ungehalten. Was für eine Schlamperei war das denn
hier?
Die Rezeptionistin schüttelte bedauernd den Kopf. „Es ist Hannover-Messe. Sie werden in der ganzen Stadt kein freies Zimmer
finden, fürchte ich.“
„Na prima, schlaf ich halt auf der
Parkbank“, meinte Jupp sarkastisch. Er hatte es ja gewusst,
dass dieses Seminar nur im Desaster enden konnte. Wer fuhr schon ausgerechnet nach Hannover zur Weiterbildung? Als
könnten die Provinzler hier ihm noch etwas beibringen. Aber die Westpfahl hatte
darauf bestanden, dass er teilnahm. „Erweitern
Sie doch mal Ihren Horizont, Herr Schatz“, sagte sie, als sie ihm die
Unterlagen auf den Schreibtisch warf. Und leider war kein Fall
aufgetaucht, der es notwendig machte, dass er in Köln blieb. Wie immer, wenn man dringend einen brauchte, war keiner da, aber wenn man
eigentlich keine Zeit hatte, dann natürlich...
„Können Sie denn nicht mit einem Ihrer
Kollegen das Zimmer teilen?“, fragte die Rezeptionistin.
„Sie sind gut, ich kenne ja keinen von
denen“, erwiderte Jupp.
„Du kannst bei mir schlafen, Jupp.“
Jupp fuhr herum, als plötzlich hinter ihm eine Stimme
erklang. Er kannte sie genau, doch sie war die
letzte, die er erwartet hatte, hier und jetzt zu hören.
„Klaus!“, rief er erfreut. Wann
hatte er Taube das letzte Mal gesehen? Als er Köln
verließ, fiel Jupp ein. War es wirklich schon so lange
her? Wo war die Zeit geblieben? Und nun stand Klaus da vor ihm, als wäre er nie
weggewesen. Lächelnd und noch immer diese
langweiligen Anzüge...
Ohne sich Gedanken, um die
Rezeptionistin oder andere Hotelgäste zu machen, welche die Lobby durchquerten,
umarmte er Klaus herzlich.
„Was machst du denn hier?“, fragte er,
um gleich darauf zu ergänzen. „Das Seminar natürlich.“
Klaus nickte. „Ich habe ein
Doppelzimmer. Herr Schatz kann gern bei mir schlafen“, wandte er sich an die
Frau hinterm Tresen.
„Wenn du möchtest natürlich“, ergänzte
er mit Blick auf Jupp.
Schatz nickte. „Gern.“
„Das ist von sehr nett von Ihnen,
Herr“, sie zögerte kurz. „Taube, nicht wahr?“
„Ja“, bestätigte Klaus. „Zimmer 503.“
„Das ist sehr nett von Ihnen“,
wiederholte sie und lächelte beiden zu. „Ich werde mit der Direktion sprechen,
dass Sie Ihnen die Kosten erlässt“, sagte sie.
„Die zahlt doch eh das Präsidium“,
erwiderte Jupp.
„Dann laden wir Sie heute Abend zu
einem Fünf-Gänge-Menü in unser Restaurant ein“, schlug sie vor. „Als kleine
Entschuldigung für unser Versehen.“
„Das ist sehr nett von Ihnen“, sagte
nun Klaus, als sie Jupp seine Key-Card aushändigte. „Wir nehmen gern an.“
///
„Mensch, ich freu mich, dich wieder zu
sehen“, sagte Jupp als sie zum Lift gingen. „Wie lange haben wir uns nicht
gesehen? Zwei Jahre?“
„Wohl eher drei“, antwortete Klaus. „Du
folgst ja meiner Einladung nach Brüssel nie.“
Jupp machte eine entschuldigende Geste. „Tut mir Leid, aber du weißt ja, wie das ist. Irgendwas kommt immer
dazwischen.“
Er blickte Klaus von der Seite an. „Du bist aber auch nicht mal wieder nach Köln gekommen.“
„Du hast ja Recht“, erwiderte Klaus.
„Irgendwas kommt einem immer dazwischen.“ Sie beide hatten ihre Kontakte trotz
aller gegenteiliger Beteuerungen bei seinem Abschied aus Köln auf gelegentliche
Anrufe, die obligatorischen guten Wünsche zum Geburtstag und zu Weihnachten
sowie ein paar Geschenke, die Taube für Flo schickte, beschränkt und selbst das
war im Laufe der Jahre alles weniger geworden.
///
„Oh“, Jupp blickte überrascht auf das
Doppelbett, als sie das Zimmer betraten. Irgendwie
hatte er doch zwei getrennte Betten erwartet.
Klaus, dem der Blick nicht entgangen war, lächelte. „Keine Angst, ich falle nicht über dich her, Jupp.“
„Kein Problem“, antwortete Jupp sofort
und er stellte fest, dass er es absolut auch so meinte. „Welche Seite ist
deine?“
„Egal“, sagte Klaus. „Such dir eine
aus.“
Jupp warf seine Tasche auf die linke Seite des Bettes
und öffnete sie. Klaus setzte sich auf die andere Seite. Seine Sachen hatte er
bereits ordentlich im Schrank verstaut.
„Hast dich gar nicht verändert“, sagte
Jupp, nachdem er die Schranktür geöffnet hatte und gleich drei Anzüge, ähnlich
dem, den Klaus trug, darin hängen sah. Er
lächelte. „Immer noch die gleichen langweiligen
Anzüge.“
„Du hast dich auch nicht verändert“,
erwiderte Klaus mit bezeichnendem Blick auf Jupps FC-Shirt.
Jupp begann, seine unordentlich in die Tasche
gestopften Sachen herauszunehmen und wahllos in den Schrank zu werfen. Klaus schüttelte den Kopf, stand auf und begann nun seinerseits die Sachen
ordentlich zusammen zu legen. Jupp quittierte das mit einem Grinsen. “Noch
immer die perfekte Hausfrau?“, neckte er.
„Wie geht es Flo und Bertha?“, fragte
Klaus statt einer Antwort.
„Flo ist seit fast sechs Monaten in
München im Fußball-Internat“, antwortete Jupp. „Er kommt nur noch alle paar
Wochen mal für ein Wochenende nach Hause.“ Er
seufzte. „Leider.“
„Er wird erwachsen, Jupp“, sagte Klaus.
„So ist nun mal der Lauf der Welt.“
„Ich weiß“, erwiderte Jupp. „Aber er
fehlt mir trotzdem verdammt. Und Bertha ist vor vier Wochen
ausgezogen. Sie hat jemanden kennen gelernt“, fuhr
Jupp fort. „Ich gönn’s ihr ja von Herzen, aber...“
„Sie fehlt dir auch“, stellte Klaus
fest.
Jupp grinste. „Verrats ihr
bloß nicht. Sonst ziehen die noch zu zweit bei mir ein.“
Klaus schüttelte lächelnd den Kopf –
irgendwie hatte er ihre Wortgeplänkel doch sehr vermisst - und schloss die Tür
des Schranks. Er drehte sich um, lehnte sich dagegen und blickte Jupp fragend
an. „Und du? Hast du auch wieder jemanden?“
„Wie denn? Bei unserem Job?“, fragte
Jupp zurück. Er hatte sich noch nie so einsam gefühlt wie in den
letzten Wochen, nicht mal nach Ellens Tod. Damals hatte er wenigstens Flo
gehabt - und Klaus. Doch Flo ging mittlerweile seine eigenen Wege und Klaus war
weit weg in Brüssel. Gut, so weit weg war das eigentlich gar nicht, aber
trotzdem hatte er Klaus seit dessen Weggang zu Interpol kaum noch gesprochen,
geschweige denn gesehen. Aus den Augen, aus dem Sinn –
gewissermaßen. Erst jetzt merkte er, wie sehr er den Freund eigentlich in den
letzten drei Jahren vermisst hatte.
Klaus nickte verstehend. Ihm ging es nicht anders als Jupp im Moment. Ihm war zwar immer bewusst
gewesen, dass er Köln, die früheren Kollegen und vor allem Jupp vermisste, doch
wie sehr, dass hatte er eigentlich erst gemerkt, als er Jupps Namen auf der
Teilnehmerliste des Seminars las und dies viele Erinnerungen weckte. Nicht alle
unbedingt willkommen.
„Und du, einen schnuckeligen Belgier
aufgerissen?“, fragte Jupp in Klaus´ Gedanken hinein.
„Mir geht es wie dir“, erwiderte er.
„Keine Zeit, keine Gelegenheit.“ Dass es noch einen anderen Grund gab, warum er
keinen neuen Partner fand - finden wollte - würde er Jupp nie erzählen. Auch
nicht, das er deshalb wohl zumindest unbewusst ein Wiedersehen bis zum heutigen
Tag vermieden hatte.
Er schob den Gedanken von sich und
wechselte rasch das Thema. „Was hältst davon, wenn wir uns unser
Fünf-Gänge-Menü abholen? Ich habe Hunger.“
///
„Du würdest die Truppe nicht mehr
wiedererkennen“, erzählte Jupp, als sie im vornehmen Restaurant des Hotels beim
Essen saßen. Dessen Qualität hatte ihn für den Ärger mit seiner
verlorenen Anmeldung mehr als entschädigt. Seit seine Mutter nicht mehr privat
für ihn kochte, blieb ihm nur noch ihr Kantinenessen. Selbst seinem wenig
verwöhnten Gaumen war das auf Dauer zu wenig.
„Haupt hat vor einem halben Jahr
aufgehört, als seine Ex-Flamme mit seinem Sohn wieder aufgetaucht ist“, fuhr
Jupp fort. „Und Gino ist mit seiner Freundin nach Italien gegangen. Nur Achim
ist noch da, eifriger Aktenlurchie, wie immer.“
Er seufzte. „Früher, mit
uns, da war es schöner.“
„Dinge und Menschen ändern sich nun
mal, Jupp“, erwiderte Klaus. „Da kannst du nichts dagegen machen.“
„Am schlimmsten ist die Westphal“,
erzählte Jupp weiter. „Haupts Nachfolgerin. Mischt
sich in alles ein, weiß alles besser und ist kalt wie ein Eisberg. Bei der Schnepfe muss jeder Mann schwul werden.“
Er grinste, als er Klaus’ belustigten
Blick auf sich spürte. „Anderseits manche Dinge ändern sich doch nie, Jupp“,
meinte der trocken.
„Entschuldigung“, sagte Jupp.
„Schon gut“, winkte Klaus ab. „Warum
hast du dich nicht für die Leitung der Abteilung beworben?“, wollte er dann
wissen.
„Hab ich doch“, antwortete Jupp. „Aber
offensichtlich bin ich ein paar Leuten zuviel im Laufe der Jahre auf die Füße
getreten und sie haben mir lieber diese bayrische Tussi vor die Nase gesetzt.“
„Das tut mir Leid“, sagte Klaus. „Ich
bin sicher, du wärst ein guter Chef geworden.“
Jupp zuckte mit den Schultern. „Sag das
denen da oben“, meinte er. „Es ist jedenfalls nicht mehr so schön wie früher.
Mir hat mein Job schon mehr Spaß gemacht.“
„Und wie kommst du mit meinem
Nachfolger klar?“, wollte Klaus wissen. In seinen Augen funkelte für einen
Augenblick der Schalk.
„Gut“, erwiderte Jupp. „Er ist übrigens
auch schwul.“
„Ich weiß“, sagte Klaus ruhig und griff
nach seinem Weinglas.
Jupp blickte ihn überrascht an. „Du
kennst Falk?“, fragte er.
“Ja“, antwortete Klaus, nachdem er einen Schluck getrunken und das Glas wieder
abgestellt hatte.
“Woher das denn?“, wollte Jupp wissen.
Ein Kellner kam und räumte die letzten
Teller vom Tisch. Klaus bestellte sich noch ein Glas Wein, während Jupp lieber
beim Bier blieb.
„Aus Wiesbaden, vom BKA“, antwortete
Taube.
„Ihr hattet mal was mit einander“,
sagte Jupp, wie aus der Pistole geschossen.
„Quatsch“, wehrte Klaus sofort ab. „Wir
haben an einem Fall zusammen gearbeitet. Einige Monate bevor ich nach Köln
gekommen bin.“
„Da erzählt man sich gleich, dass man
schwul ist? Oder merkt ihr das einfach immer?“, wollte Jupp wissen.
„Ich war damals noch mit meinen Partner
zusammen, Falk hat das mitbekommen und mir dann gesagt, dass er auch schwul
ist. Er fand es toll, wie offen wir mit unserer Beziehung umgingen und wie
lange sie schon hielt. Er selbst hatte da mehr Probleme und wohl auch eine
ziemlich desaströse Beziehung gerade hinter sich. “
„Und?“, hakte Jupp nach. Warum fühlte
er plötzlich diesen Stich der Eifersucht? Klaus und Falk wären doch ein schönes
Paar gewesen. Klaus hatte wahrlich ein bisschen Glück verdient. Allerdings, so
wie er den Freund kannte, suchte der garantiert etwas Festes, während er sich
bei Falk da nicht so sicher war. Der wechselte ja manchmal seine Freunde öfter
als er die Hemden. Vielleicht sollte er die beiden trotzdem mal miteinander
bekannt machen? Quatsch, sie kannten sich ja schon. Blöde Idee. Außerdem gefiel
sie ihm irgendwie gar nicht.
„Nichts und“, sagte Klaus, während der
Kellner mit ihren Getränken kam. „Danke“, sagte er zu ihm und fuhr dann fort:
„Mir ist Treue in meinen Beziehungen wichtig, auch wenn mein Partner damals..:“
Er unterbrach sich und atmete hörbar tief ein und aus. „Lassen wir das. Es ist
lange vorbei. Ich habe Falk als sehr fähigen Kollegen kennen und schätzen
gelernt. Haupt hatte mich gebeten, mir die Unterlagen meiner möglichen
Nachfolger anzusehen und ein Urteil abzugeben. Als ich Falks Namen darunter
sah, habe ich ihn empfohlen und Haupt
ist dem gefolgt.“ Wieder stahl sich ein Lächeln um seine Lippen. „Ich dachte,
er würde gut zu dir passen.“
Jupp verstand und lächelte ebenfalls.
„Weil er auch schwul ist“, sagte er. „Damit ich gar nicht erst aus der Übung
komme, mit euch warmen Jungs.“
Klaus schüttelte den Kopf. „Das war
bestimmt nicht das Auswahlkriterium, höchstens der Bonus“, erwiderte er
augenzwinkernd. „Nein“, fügte er ernsthafter hinzu. „Weil er ein sehr fähiger
Ermittler ist und ich dachte, ihr würdet euch auch menschlich trotz aller
Unterschiede gut verstehen. Es tut mir Leid, wenn ich mich geirrt habe.“
„Nein“, Jupp schüttelte den Kopf. „Falk
ist schon schwer in Ordnung. Wir kommen gut miteinander aus, auch privat.
Aber...“ Er zuckte mit den Schultern und suchte die richtigen Worte. „Es ist
nicht so, wie mit uns“, sagte er schließlich. „Ich meine, wir haben so viel
zusammen gemacht. Wie beide und Flo. Wir sind zum Fußball und zum Eishockey und
in den Park, fast wie eine richtige Familie. Du warst für uns da, damals als
Ellen...“ Hastig schob er den Gedanken an seine tote Exfrau zur Seite. Auch
nach all den Jahren schmerzte es noch immer. „Du hast Flo bei den Hausaufgaben
geholfen, für uns gekocht.“
„Und euch hinterher geräumt. Oder
besser gesagt dir“, fiel ihm Klaus ins Wort.
Jupp lächelte verlegen. „Ich hab das zu
schätzen gewusst, echt. Glaub mir, auch wenn ich’s nie so gezeigt habe. Du
warst immer für uns... für mich da. Falk hat seine eigenen Freunde, seine Bars
und so weiter. Er hat mich mal mitgenommen, aber das ist nichts für mich.“
Klaus lächelte „Zu viele Schwule?“
Jupp zuckte mit den Schulterm. „Falsche
Musik und falsche Getränke“, antwortete er. „Und falsche Gesprächsthemen.
Jedenfalls, Falk ist schon ein netter Kumpel. Aber mit uns, das war... war
irgendwie anders.“ Wieder fehlten ihm die Worte. „Das war etwas ganz
besonderes“, sagte er schließlich.
Klaus drehte nachdenklich sein Glas in
den Händen und versuchte den Schmerz... die Sehnsucht... zu ignorieren, die ihn
bei diesen Worten befallen hatten. „Ja, das war es“, sagte er schließlich.
„Etwas besonderes.“
Jupp hob sein Glas. „Lass uns auf die
alten Zeiten trinken“; schlug er vor. „Und auf unser Wiedersehen.“
„Auf die alten Zeiten“, erwiderte Klaus
leise.
///
Klaus wusste, dass er Jupp länger als
es sich gehörte, anstarrte, als dieser nackt aus dem Badezimmer kam. Es kostete
ihm ungeheure Kraftanstrengung, schließlich den Blick abzuwenden. Vieles mochte
sich in den drei Jahren verändert haben, seine Reaktion auf Jupp nicht.
Doch seltsamerweise schien Jupp sich
nicht daran zu stören. Ohne eine entsprechende Bemerkung ging er zum Schrank
und wühlte darin darum. „Mist“, sagte er nach einem Moment. „Ich wusste doch,
ich habe was vergessen einzupacken:“
„Ich kann dir meinen zweiten Pyjama
leihen“, erwiderte Klaus, der bereits im Bett lag.
„Du nimmst zwei Pyjamas mit auf eine
Dienstreise?“, wunderte sich Jupp.
„Wie du siehst, man weiß nie, ob man
Ersatz braucht“, antwortete Klaus. „Er ist im obersten Schubfach.“
„Ach lass mal“, sagte Jupp. „Schlaf ich
halt so. Ist ja nicht kalt.“ Er schlüpfte nackt wie er war unter die Decke.
Klaus schluckte einen Kloß im Hals
herunter, bevor er fragte: „Brauchst du noch Licht oder kann ich ausschalten?“
„Mach ruhig aus“, antwortete Jupp. Er
seufzte zufrieden, während er im Bett herum rutschte um die bequemste Position
zu finden. „Es war ein schöner Abend“, sagte er. „Der Schönste seit langem:“
„Ja, das war er“, erwiderte Klaus.
„Und ich bin echt froh, dich endlich
wiedergesehen zu haben.“
„Ich auch.“
///
Jupp wusste nicht, wie lange er
dagelegen und in die Dunkelheit gestarrt hatte. Er lauschte auf Klaus’ Atem.
Der schien ruhig und gleichmäßig zu kommen, der andere Mann zu schlafen. Er
selbst wollte einfach keinen Schlaf finden. Vielleicht lag es daran, dass sein
Herz in seiner Brust so heftig schlug wie nach einem Dauerlauf, dass anderseits
viel zu viel Blut in untere Körperregionen gewandert war. Vielleicht ja auch
daran, dass plötzlich wieder Bilder in seinem Kopf auftauchten, Bilder aus
diesen Träumen, die er seit Jahren immer wieder hatte und an die er sich im
Wachen nie zu denken gestattete. Bilder, die plötzlich umso vieles realer
schienen, da der Mann, den sie beinhalteten, neben ihm lag.
Es war keine bewusste Entscheidung,
eher eine, die sein Körper für ihn traf, als er ganz dicht an Klaus’ Rücken
heranrückte, seine Hand auf die Brust des anderen Mannes legte, sie unter die
Knopfleiste des Pyjamas schob.
„Jupp?“, fragte Klaus verwirrt und
alarmiert zugleich. „Was ist los?“
Er wusste nicht, was er sagen sollte,
also presste er sich noch enger an Klaus, ließ ihn seine Erregung spüren. Er
hoffte, der andere Mann würde sein stummes „Ich will dich“ verstehen.
Er spürte, wie Klaus sich abwehrend
versteifte. „Klaus, bitte“, flüsterte er.
Taube drehte den Kopf. „Jupp, ich halte
das für....“
Er erstickte den Protest mit einem
Kuss, glitt über Klaus, presste seinen Unterkörper gegen ihn. Die Reaktion von
Klaus’ Körper sprach eine deutliche Sprache.
///
Langsam beruhigte sich Jupps Atem und sein
Verstand begann auch wieder zu arbeiten. Aber er hätte nicht zu sagen gewusst,
wieso er in der letzten Stunde – wie viel Zeit war eigentlich vergangen? –
genau gewusst hatte, wie er tun musste, was er tat. Welche Stellen er berühren
musste, um Klaus besondere Lust zu bereiten. Was er mit der Tube machen musste,
die Klaus irgendwann aus dem Bad geholt hatte. Wieso es sich so
selbstverständlich angefühlt hatte, als er in Klaus eindrang und sie
schließlich gemeinsam zum Höhepunkt kamen.
Er hörte Klaus neben sich tief seufzen.
„Klaus?“, fragte er besorgt. „Habe ich dir wehgetan“
„Nein, alles in Ordnung.“ Er konnte das
leise Schluchzen in der Stimme nicht überhören.
„Klaus?“ Er wollte den anderen Mann
umarmen, doch Klaus rückte von ihm ab. Bereute er es etwa?
„Wir hätten das nicht tun sollen“,
sagte Taube leise.
„Aber wir sind beide erwachsen, haben
keine Partner, wir wollten es und wir waren vorsichtig“, erwiderte Jupp. Wieso
bereute Klaus, dass sie sich geliebt hatten? Es war doch so schön gewesen, zumindest
für ihn und er hatte gedacht für Klaus auch. Hatte er sich so getäuscht? Wo er
doch selbst zum ersten Mal seit Jahren das Gefühl hatte, angekommen zu
sein
„Hast du dich je gefragt, warum ich in
Köln geblieben und dann wieder gegangen bin?“, fragte Klaus leise.
„Ich habe mich immer gewundert, wieso
du das BKA für uns aufgegeben hast“, gestand Jupp. „Ich meine, es sah nicht
gerade wie ein Karriereschritt aus.“
„Ich konnte es erst selbst nicht
richtig verstehen“, erklärte Klaus. „Da war etwas in Köln, jemand, der mir das
Gefühl gab, endlich zu Hause zu sein, gefunden zu haben, wonach ich so lange
suchte. Ich habe lange gebraucht – es lange nicht wahrhaben wollen – dass du
dieser jemand warst. Gegangen bin ich, weil ich es eines Tages einfach nicht mehr
ausgehalten habe, jeden Tag zu sehen, was ich nicht haben konnte.“
„Du hattest dich in mich verliebt?“,
fragte Jupp.
„Ja“, antwortete Klaus schlicht. Er
hatte Jupp noch immer den Rücken zugewandt, doch seine Stimme klang, nun da er
sein lange gehütetes Geheimnis zum ersten Mal laut ausgesprochen hatte,
ruhiger.
„Warum hast du nie etwas gesagt?“,
hakte Jupp nach.
“Was hättest du da gemacht?“, entgegnete Klaus.
Jupp verstand. Er wusste, damals wäre
er nie im Leben bereit gewesen, sich einzugestehen, dass Klaus mehr als ein
Kollege und Freund sein könnte. Erst als Klaus weg war hatte er gemerkt, wie
viel der andere Mann ihm wirklich bedeutete und selbst dann war er nicht
bereit, sich dies mit letzter Konsequenz einzugestehen. Bis heute. „Warum merken
wir erst, wenn wir jemanden verloren haben, was er uns bedeutet?“, erwiderte er
mit einer Gegenfrage.
„Weil wir zu vieles als
selbstverständlich hinnehmen“, antwortete Taube.
„Du hast mir so gefehlt“, gestand
Jupp. „Aber wie sehr, weiß ich erst
seit heute.“
Er streckte wieder seinen Arm nach
Klaus aus und diesmal rückte dieser in die Umarmung.
///
„Was hältst du davon, wenn wir das
Seminar vergessen und einfach im Bett bleiben?“, fragte Jupp nachdem Klaus’
Wecker, den er natürlich am Abend gestellt und auf dem Nachttisch platziert hatte,
sie beide aus dem Schlaf riss.
„Nichts“, erwiderte Klaus knapp.
„Oder wir gehen hin,
tragen uns in die Anwesenheitsliste ein und verschwinden in der ersten Pause
wieder“, bot Jupp an. Er drückte Klaus einen Guten-Morgen-Kuss auf den Mund.
„Mir fällt garantiert was Besseres ein, womit wir den Tag verbringen könnten,
als so einem Langweiler zuzuhören, wie er irgendwelchen Psychoquark absondert.
Wir haben so viel nachzuholen“
Klaus setzte sich auf. „Ich fürchte,
Jupp, es würde negativ auffallen, wen der Psychoquark absondernde Langweiler
nicht zum Seminar erscheint oder gleich wieder verschwindet.“ Er lächelte.
Jupp riss die Augen auf. „Du... du
gibst den Kurs?“, fragte er verwundert.
Nun war es an Klaus überrascht zu sein.
„Hast du das nicht gewusst?“
Jupp zuckte entschuldigend mit den
Schultern während er sich auch aufsetzte. „Ehrlich gesagt, ich hab gerade
soweit in die Unterlagen gekuckt, um zu wissen, wo ich hin muss und wann. Aber
ich hab mich gestern schon gewundert, was sie dir hier noch beibringen wollen.“
„Ich habe in den letzten Monaten schon
verschiedene Kurse abgehalten“, erklärte Klaus und schwang die Beine aus dem
Bett.
„Deshalb warst du auch nicht
überrascht, mich zu sehen“, stellte Jupp fest.
Klaus drehte sich zu ihm um und
lächelte. „Ich habe mich vorbereitet“, sagte er mit Betonung auf dem Ich. „Ich
habe die Teilnehmerliste gelesen.“
Jupp setzte ein entschuldigendes
Grinsen auf. „Ich war so sauer, dass die Westphal mich verdonnert hat.“ Er
legte die Arme um Klaus, als der sich wieder umwandte und aufstehen wollte,
hielt ihn so fest. „Aber jetzt bin ich ihr direkt dankbar. Sonst hätten wir uns
nicht wieder gesehen.“
„Ja“, erwiderte Klaus schlicht. „Ich
bin ihr auch dankbar.“
Jupp küsste ihn in den Nacken. „Ich
will dich nicht wieder verlieren“, sagte er, plötzlich ernst geworden. „Ich
meine, du in Brüssel und ich in Köln, gibt es keinen Weg...?“ Er brach ab.
Hätte ihm noch vor 24 Stunden jemand gesagt, er würde hier mit einem Mann in
seinen Armen sitzen, er hätte ihn schlichtweg für verrückt erklärt. Doch jetzt
fühlte sich alles ganz normal und selbstverständlich an. Die Vorstellung, dass
er sich bald wieder von Klaus würde trennen müssen, gefiel ihm gar nicht.
Klaus kaute nachdenklich an der Unterlippe.
„Hättest du ein Probleme damit, wenn ich dein Chef wäre?“, fragte er
schließlich.
„Wegen dem fünf Tagen Seminar?“,
erwiderte Jupp. „Quatsch.“
Klaus schüttelte den Kopf. „Nein, ich
meine in der richtigen Arbeit.“
„Ich soll zu Interpol? Die nehmen mich
doch nie“, antwortete Jupp.
Klaus löste sich von ihm und stand auf.
Er drehte sich zu Jupp um. „Ich trage mich schon länger mit dem Gedanken nach
Deutschland zurück zu kommen“, erklärte er. „Vor zwei Wochen hatte ich wegen
eines Falles Kontakt mit dem Kölner Präsidium. Ich habe mich unauffällig
erkundigt, ob vielleicht in absehbarer Zeit etwas frei wird und...“ Er holte
tief Luft und hoffte, Jupp würde ihm das Folgende nicht übel nehmen, vor allem
nicht, dass er es ihm nicht schon gestern erzählt hatte, als er von seinen
Problemen mit seiner Vorgesetzten berichtete. „Man sagte mir, dass Gesine
Westphal Ende kommenden Monats zum LKA wechselt. Man hat mir ihre Stelle
angeboten.“
„Aber das ist doch wunderbar!“ Jupp
sprang aus dem Bett und umarmte Klaus. „Du hast doch hoffentlich zugesagt.“
„Noch nicht“, gestand Taube.
Jupp ließ Klaus los und trat einen
Schritt zurück. „Warum nicht?“, fragte er. „Du musst zusagen, sofort.“
„Ich wollte erst mit dir sprechen,
Jupp“, erklärte Klaus. „Ich konnte mir doch denken, dass du damit gerechnet
hattest, die Nachfolge von Haupt anzutreten. Jetzt wäre wieder eine Chance.“
„Glaubst du, wenn sie mich damals nicht
genommen haben, nehmen sie mich jetzt?“, sagte Jupp. Er ging wieder auf Klaus
zu und legte ihm die Hände auf die Arme. „Du musst zusagen. Sofort! Bevor sie
uns wieder so eine dahergelaufene Tussi vor die Nase setzen.“
Klaus nickte. „Okay, wenn es dir Recht
ist, sage ich zu.“
„Ich habe tausendmal lieber dich als
Chef als noch so eine wie die
Westphal“, betonte Jupp. „Aber“, setzte er zögernd hinzu. „Nur wenn du kein
Problem hast, eine Beziehung mit deinem Untergeben zu haben.“
„Wenn du keine Probleme damit hast,
eine Beziehung mit deinem Chef zu haben“, antwortete Klaus.
„Bestimmt nicht.“ Jupp küsste ihn und
endlich fühlte er sich nicht mehr allein.
Ende