Titel: Dein Fremdes Gesicht
Serie: Star Trek – TOS
Episoden: nach „Star Trek – The Movie Picture“
Autor: Lady Charena /
April 2003
Charaktere: James T. Kirk, Spock, Leonard „Bones“ McCoy, OMC
Pairing: McC/OMC, S/McC
(Vergangenheit)
Rating: AU, ab 16, slash
Worte: 3600
Beta: T‘Len
Summe: Eine Veränderung in Dr. McCoys Leben beeinflusst seine Freundschaft mit
Jim Kirk.
Disclaimer: Star Trek gehört Paramount/Viacom. Bei
dieser Story handelt sich um nicht-kommerzielle Fanfiction, es wird keine
Verletzung von Urheberrechten beabsichtigt.
Admiral James T. Kirk, vorübergehend wieder zum Captain seines früheren
Schiffes ernannt, war tief in wenig erfreuliche Gedanken versunken, als er dem
Korridor zur Krankenstation folgte. Wie sehr sich hier alles verändert hatte...
Nächtelang hatte er über Bau- und Lageplänen gebrütet, um sich alles
einzuprägen – und doch wäre er fast in die Irre gegangen, als er sich
entschloss, McCoy aufzusuchen. Er hatte seinen Freund während der letzten
Monate nur selten zu Gesicht bekommen, Pille hatte da irgend etwas von einer neuen Beziehung angedeutet –
da blieb für einen verbitterten, alternden Admiral natürlich keine Zeit.
Andererseits hatte er sich für ihn gefreut. Pille hatte sich eine nette Frau
verdient. Vielleicht konnten sie nach ihrer Rückkehr zur Erde ein gemeinsames
Abendessen arrangieren, bei dem er sie endlich kennen lernen würde.
Fast gleichzeitig mit diesem Gedanken war er vor der Tür der Krankenstation
angekommen. Jim lächelte. Offensichtlich gab es noch mehr Menschen an Bord
dieses Schiffes, die keinen Schlaf fanden, denn McCoy hatte sich nicht in
seiner Kabine aufgehalten. Was lag also näher, als ihm – wenn auch
unangekündigt – einen kleinen Besuch in seinem Büro abzustatten. Er war sich
ziemlich sicher, dass Pille bereits dafür gesorgt hatte, dass eine Flasche
seiner berüchtigten „Spezialmedizin“ an Bord war.
Er berührte den Türkontakt und durchquerte den Vorraum, der nicht beleuchtet
war. Hinter den Glastüren, die in den Behandlungsraum führten, brannte
ebenfalls kein Licht, was nicht weiter verwunderlich war – sie hatten im Moment
glücklicherweise keine Verletzten an Bord. Spock hatte seine
Gedankenverschmelzung mit V’ger offenbar gut
überstanden und war nach einer letzten Untersuchung für gesund erklärt und in seine
Kabine entlassen worden.
Er ging weiter zu McCoys Büro, hinter dessen matter Glastür brannte noch Licht.
Doch der Raum war leer, als sie aufglitt. Der Schreibtisch war mit Berichten
übersät und Jim lachte leise, als er feststellte, dass sich zumindest das nicht
geändert hatte. Eine unberührte Tasse mit Kaffee stand in all dem Chaos, in der
Kühle des Raumes ringelte sich ein fast unsichtbarer Dampffaden Richtung Decke.
Der Kaffee war also noch heiß – Pille musste in der Nähe sein. Jim beschloss
auf ihn zu warten und setzte sich auf einen Besucherstuhl, der in eine Ecke des
Raumes geschoben war.
Einige Minuten lang saß er nur da und ließ die Ruhe, die dieser Raum trotz
aller Unordnung ausstrahlte, auf sich wirken. Doch dann wurde er allmählich
ungeduldig – und auch etwas gelangweilt. Wo zum Teufel steckte McCoy? War er
inzwischen vielleicht ins Bett gegangen? Gab es irgendwo ein Notfall? Er trat
an McCoys Schreibtisch und benutzte das Interkom, um mit der Brücke zu sprechen
– nein, es war auch kein Notfall gemeldet worden.
Jim kehrte zu seinem Sessel zurück, doch er setzte sich nicht hinein, sondern
blieb dahinter stehen, mit den Fingern ungeduldig auf die Rückenlehne
trommelnd. Schließlich war er das Warten leid und verließ das Büro des Arztes.
Als sich die Tür hinter ihm schlos, war er einen
Augenblick unschlüssig, in welche Richtung er gehen musste, um zum Turbolift zu
gelangen. In der matten Beleuchtung erstreckte sich der Korridor in beide
Richtungen scheinbar endlos.
Da hörte er es zum ersten Mal. Stimmen – und Lachen vielleicht? – die aus der
Stille an sein Ohr drangen. Sie mussten aus einem der naheliegenden Räume
kommen, da er sie gehört hatte – die Krankenstation war besonders gut
schallisoliert. Irgendwo unterhielt sich offenbar jemand sehr gut.
Unsicher hielt er inne – eigentlich ging es ihn ja nichts an – doch dann siegte
seine Neugier über seine Diskretion und er lauschte erneut. Wieder hörte er
leises, gedämpftes Lachen. Etwas daran erschien ihm vertraut, als habe er die
betreffende Person vor langer Zeit einmal lachen hören und es nur halb
vergessen. Pille? Ja, das musste der Arzt sein. Es lag nur schon so lange
zurück, dass er ihn zum letzten Mal so fröhlich gesehen hatte...
Jim wandte sich nach links und versuchte sein Glück bei der nächstbesten Tür,
doch die war verschlossen. Bei der zu seiner rechten glaubte er einen schwachen
Lichtschimmer unter der Tür zu erkennen und als er den Kontakt berührte, glitt
sie auf.
„Alter Mann? Ich werde dir zeigen, zu was ein alter Mann noch fähig ist!“, rief
McCoy lachend. „Warte nur, bis ich dich in die Finger kriege, dann...“ Er brach
ab, als sein Blick auf die Tür und auf den eintretenden Kirk fiel. Sein Gesicht
verlor alle Farbe. „Jim...“, flüsterte er.
Jims Blick glitt ungläubig von McCoy, der nur mit seiner Uniformhose bekleidet
war, zu dem Mann, halb hinter einer Untersuchungsliege kauerte, wie ein Kind,
das mitten im Versteckenspiel ertappt wurde. Er
erkannte in ihm einen der neu an Bord gekommenen Ärzte wieder. Und er erinnerte
sich plötzlich auch, ihn ein- oder zweimal gesehen zu haben, als er McCoy an
dessen Arbeitsplatz besuchte. Er hatte ihn damals auf zehn bis fünfzehn Jahre
jünger als er es selbst war, geschätzt. McCoy hatte ihn flüchtig als Kollegen
vorgestellt. Irgendwas mit Jerry oder Jeff... den Nachnamen hatte er vergessen.
Jeff oder Jerry trug eine Art weißen Kittel. Als er sich jetzt hinter der Liege
aufrichtete, sah Jim, dass dies auch sein einziges Kleidungsstück war.
McCoy trat auf ihn zu, die Hand vorgestreckt. „Jim, es... es tut mir leid“,
meinte er. „Ich... äh... kann das erklären.“
Jim blickte ihn an. „Auf diese Erklärung bin ich sehr gespannt“, entgegnete er
tonlos.
Hektische rote Flecken erschienen in McCoy Gesicht, als er einen Blick mit dem
anderen Mann – Jeff oder Jerry – wechselte, dann zu ihm trat und ihn an der
Hand nahm. „Jerry – du erinnerst dich an Dr. Jerry Taylor? – ist mein Ehemann.“
Er sprach hastig und ohne Jim dabei anzusehen. „Wir haben vor kurzem
geheiratet, deshalb war es so schwer für die Flotte, mich zu finden – wir waren
in den Flitterwochen. Glücklicherweise war es zu arrangieren, dass Jerry
mitkommen konnte. Hör mal, ich verstehe, dass das alles sehr überraschend für
dich kommen muss, Jim – aber wir hatten einfach keine Zeit, um über alles zu reden
und du...“
„Er ist weg“, unterbrach ihn Jerry und ließ McCoys Hand los.
Der Arzt sah auf. „Was?“ In der Tür stand niemand mehr.
„Er ist gegangen, als du ihm erzählt hast, dass wir verheiratet sind.“ Jerry
zog den Kittel enger um sich, als wäre ihm plötzlich kalt, seine Stimme klang
belegt. „Was ist los mit ihm? Ich weiß, du kennst ihn schon sehr lange, aber
zwischen euch war doch nie etwas.“ Er stockte. „Oder?“
McCoy ging langsam um ihn herum und setzte sich schwer auf die
Untersuchungsliege. „Nein, zwischen mir und Jim war nie etwas anderes als
Freundschaft“, sagte er langsam. „Es ist... ich hätte es ihm vorher sagen
müssen“, murmelte er, mehr zu sich selbst, wie es schien, als zu seinem
Ehemann. „Aber ich war ein verdammter Narr – und ein Feigling...“
Jerry setzte sich neben ihn. „Len, ich komme da nicht ganz mit“, meinte er
irritiert. „Was ist hier los? Was für ein Problem hat er mit mir?“
McCoy sah ihn liebevoll an. „Nicht mit dir persönlich, Jerry. Er... wusste
nichts davon.“
„Von was?“
„Davon, dass ich auch Männer liebe“, meinte McCoy leise. „Er wusste nicht, dass
ich bisexuell bin.“
Die Augen des Jüngeren weiteten sich etwas. „Aber ich dachte... ihr kennt euch
doch schon so lange, ihr seid Freunde. Du hast mir so viel von ihm erzählt und
von dem, was ihr gemeinsam erlebt habt. Die ganzen Jahre, die ihr zusammen auf
einem Schiff verbracht habt... Wieso weiß er nichts?“ Er legte die Hand auf
McCoys Schulter.
„Es hat sich nie ergeben.“ McCoy griff nach der Hand seines Mannes, streichelte
sie. „Er wusste, dass ich einmal mit einer Frau verheiratet gewesen bin, dass
ich eine Tochter habe und es gab da auch die eine oder andere Affäre, die ich
während unserer gemeinsamen Dienstzeit hatte – mit Frauen. Er schloss wohl
daraus...“ Er beendete den Satz nicht.
„Dann rede einfach mit ihm, wenn er die Überraschung verdaut hat. Oder soll ich
mit ihm sprechen?“
„Nein! Auf keinen Fall!“
Jerry blickte ihn verwundert an. „Okay“, erwiderte er reserviert. „Wenn du
meinst.“
„Jerry.“ McCoy zog ihn an sich, presste sein Gesicht an Jerrys Hals. „Mein
lieber, liebster Jerry... Das ist nicht so einfach“, murmelte er. „Wenn du
versuchen würdest, mit ihm zu reden, wäre es im Moment das Falscheste, was wir
tun können. Es war mein Fehler – ich hätte es ihm sagen müssen, anstatt darauf
zu warten, dass er darauf stößt, wenn er die Akten der neu an Bord gekommenen
Crewmitglieder durchsieht. Oder er vielleicht dahinter kommt, dass wir eine
gemeinsame Kabine haben...“
„Du wolltest darauf warten, dass er es durch Zufall erfährt?“, fragte Jerry
verblüfft. „Aber das ist doch...“
„...eine Riesendummheit, sag es ruhig“, meinte McCoy. „Das weiß ich jetzt. Aber
ich war zu feige, es ihm zu sagen.“
Jerry rückte etwas von ihm ab, um ihm ins Gesicht zu sehen. „Du hattest Angst
vor seiner Reaktion? Was ist los mit ihm?“
Der Arzt lächelte müde. „Jim Kirk gehört zu einer altmodischen, aussterbenden
Rasse von Menschen, Jerry – er hat ein Problem mit Homosexualität.“
Es blieb einen Moment lang still. „Ich kann es mir kaum vorstellen“, meinte
Jerry langsam. “Ein Mann wie er – und in seiner Position...“
„Er kann seine Ansichten sehr gut verbergen. Wenn Spock mir nicht gesagt
hätte...“ Er brach ab.
„Wenn er dir was nicht gesagt hätte?“, drängte Jerry.
Doch McCoy winkte ab. „Das ist eine alte, lange und sehr unerfreuliche
Geschichte, Jerry. Ich erzähle sie dir vielleicht irgendwann einmal.“ Er löste
sich aus der Umarmung seines Mannes und stand auf. „Lass uns in unsere Kabine
gehen, ich bin müde.“
* * *
Am darauffolgenden Morgen gähnte McCoy verstohlen, als er sich in der Messe zum
Frühstück niederließ. Er hatte kaum geschlafen, trotz der angenehmen Nähe
seines Angetrauten. Jerry schlief jetzt wohl noch, er würde erst später seinen
Dienst antreten.
Ihm graute vor der nächsten Begegnung mit Jim – der prompt in diesem Moment,
wie gewöhnlich von seinem Ersten Offizier begleitet, in den Raum trat. Als er
den Arzt an ihrem üblichen Tisch sah, stoppte er, drehte sich auf dem Absatz um
und ging.
Spock sah ihm verwundert nach, dann ging er ruhig weiter, ohne auf die
neugierigen Blicke zu achten, die ihm folgten. Natürlich war der kleine
Zwischenfall keinem der Anwesenden entgangen, so unspektakulär er auch
verlaufen sein mochte.
Der Vulkanier ließ wenige Minuten später mit seinem
Frühstück bei McCoy nieder. „Was ist geschehen?“, fragte er statt einer
Begrüßung.
„Kein guter Morgen“, entgegnete McCoy und rührte missgelaunt in seinem Kaffee.
„Jim ist passiert.“
Spock seufzte leise. „Ich werde die Neigung der Menschen, in Rätseln zu sprechen,
nie verstehen...“
Der Arzt sah auf und lächelte wider Willen –was vermutlich in der Absicht des Vulkaniers gelegen hatte. „Es gibt ein Problem.“ Er senkte
seine Stimme noch etwas, um sicher zu gehen, dass niemand anderes ihn hören
konnte. „Ich muss unbedingt mit dir sprechen, Spock. Jim hat... er hat gestern
zufällig herausgefunden, dass Jerry und ich...“ Er brach ab, weil jemand an
ihrem Tisch vorbeiging.
Spock blickte ihn an, sein Gesicht verriet wie üblich keine Reaktion. „Ich
verstehe.“
McCoy schob seinen unberührten Teller von sich. „Ich wollte das nicht“,
murmelte er und blickte in seine Tasse. „Nicht so.“
„Es war nur eine Frage der Zeit, Leonard, bis er es herausfinden musste.“
„Ich weiß!“, brauste der Arzt auf. „Verdammt, ich weiß das selbst!“ Er fuhr
sich mit der Hand übers Gesicht. „Tut mir leid.“
Spock akzeptierte die Entschuldigung mit einem Nicken. „Was wirst du nun tun?
Oder genauer gesagt – was werdet ihr tun?“
„Jerry hat damit nichts zu tun.“ McCoy blickte Spock an. „Das ist eine Sache
zwischen Jim und mir. Oder bist du anderer Meinung?“
„Was denkt Dr. Taylor darüber?“
Der Arzt lächelte. „Ich konnte ihn gerade noch davon abhalten, Jim hinterher zu
laufen und ihn zur Rede zu stellen.“
„Es wäre wohl keine gute Idee gewesen“, bemerkte Spock. „Aber du musst mit ihm
sprechen, so rasch wie möglich. Jim wird es verstehen.“
McCoy lachte freudlos. „Das ist nicht dein Ernst.“
Der Vulkanier hatte sein Frühstück beendet und erhob
sich. „Hast du mich jemals einen Scherz machen hören?“, entgegnete er trocken.
„Ich muss auf die Brücke.“
„Kann ich heute Abend zu dir kommen?“, fragte McCoy. „Ich muss mit irgendjemand
darüber sprechen.“
Der Vulkanier nickte. „Natürlich.“
* * *
Jim starrte appetitlos auf das Sandwich, das er sich in seine Kabine hatte
bringen lassen. Er wollte unter allen Umständen vermeiden, jetzt McCoy oder
Jerry Taylor in der Messe begegnen zu müssen. Doch trotz des ausgefallenen
Frühstücks hatte er keinen Hunger.
Er schob den Teller beiseite und rief die Personalakten auf. Da stand es,
schwarz auf weiß, in McCoys Akte. „Tag der Eheschließung... Ehemann...“,
murmelte er vor sich hin. Mit angewiderter Miene schaltete er das Gerät ab und
vergrub das Gesicht in beiden Händen. McCoy und dieser Jerry... Er konnte es
sich nicht vorstellen. Er wollte es sich nicht vorstellen. Das war doch
unmöglich.
Ausgerechnet der Mann, den er für seinen besten Freund gehalten, mit dem er so
viel erlebt hatte... Diese Lügen die ganzen Jahre über. Wie sollte er sich
jetzt ihm gegenüber verhalten? Zur Tagesordnung über zu gehen, war ihm
unmöglich. Mit ihm sprechen, eine Erklärung fordern? Er schreckte allein vor
dem Gedanken zurück. Pille sollte einer von diesen... diesen... sein?
Ein Signal des Computers erinnerte ihn daran, dass es Zeit war, auf die Brücke
zurückzukehren und sich erneut den fragenden Blicken seines Ersten Offiziers
auszusetzen. Eine neue Idee durchzuckte ihn. Wusste der Vulkanier
etwa davon? Hatte auch Spock ihn hintergangen?
Doch jetzt musste er auf die Brücke. Er schob alles beiseite und konzentrierte
sich allein auf sein Schiff. Sie zumindest hatte ihn nie betrogen...
* * *
„Möchtest du nicht hereinkommen?“, meinte Spock, als der Arzt in der offenen
Tür stehen blieb.
„Natürlich.“ McCoy trat einen Schritt vor und die Tür schloss sich hinter ihm.
„Ich dachte nur einen Moment...“
„Ja?“
Er lächelte und zuckte mit den Schultern. „Ich dachte einen Moment an früher.
Als ich mich noch heimlich in deine Kabine stahl, um dich für ein paar Stunden
zu sehen. Immer in der Sorge, dass Jim uns erwischen könnte.“
Spock wies auf die nicht sonderlich bequeme Sitzgruppe, die Starfleet in
Offizierskabinen vorsah und ließ sich dem Arzt gegenüber nieder. „Das ist lange
her, Leonard. Wir haben uns beide seither geändert.“
McCoy betrachtete ihn. „Das stimmt. Ich bin offener geworden – und du
verschlossener. Ich sehe dich an und frage mich, was du denkst.“
Der Vulkanier wich seinem Blick nicht aus. „Wir haben
verschiedene Pfade gewählt, die wir gehen, Leonard“, sagte er leise. „Aber ich
werde immer dankbar sein, für das, was du mich erfahren lassen hast.“
„Das bin ich auch. Aber in meinem Leben gibt es Jerry. Was bleibt für dich?“
Spocks Blick glitt von ihm weg und richtete sich auf einen Punkt hinter McCoys
Rücken. „Die Suche.“ Dann sah er ihn wieder an. „Aber du bist nicht
hergekommen, um über alte Zeiten zu sprechen, Leonard. Was willst du tun?“
Der Arzt schüttelte den Kopf und ließ mutlos die Schultern hängen. „Ich weiß es
nicht.“ Er barg das Gesicht in beiden Händen.
Der Vulkanier zögerte einen Augenblick, dann stand er
auf und setzte sich neben McCoy. Er legte ihm sanft die Hand auf die Schulter,
mit der anderen zog er ihm die Hände vom Gesicht. „Leonard.“
Der Arzt blickte ihn dankbar an, drückte die Hand des Vulkaniers.
Er war froh, dass sich Spock nicht so weit verändert hatte, dass er keine
Berührungen mehr duldete.
Eine Sekunde, bevor das Räuspern erklang, drehte Spock den Kopf und begegnete
dem geschockten Blick seines Captains. „Jim.“
„Ich... ich wollte nicht stören“, stotterte Kirk, drehte sich um und floh
zurück in den Korridor.
„Verdammt.“ Das kam von McCoy. Er ließ Spock los. „Jetzt habe ich dich da mit reingezogen.“
Der Blick des Vulkaniers hing noch immer an der Tür.
„Nein“, entgegnete er. „Nein.“
Der Arzt stand seufzend auf. „Ich gehe dann mal besser. Jerry wird sich schon
fragen, wo ich stecke. Wirst du... was wirst du jetzt tun?“
Spock blickte ihn an. „Ich werde nichts tun. Der nächste Schritt liegt bei
Admiral Kirk.“
McCoy musterte ihn nachdenklich. „Weißt du“, meinte er gedehnt. „Manchmal denke
ich, du und Jim...“
Spock erhob sich ebenfalls und unterbrach ihn, in dem er die Hand hob.
„Manchmal sind deine Gedankengänge selbst für einen Menschen extrem unlogisch.“
Der Arzt grinste schwach. „Ich danke für das Kompliment“, entgegnete er mit
leise sarkastischem Unterton. „Sehen wir uns morgen?“, fragte er dann. „Jerry
würde dich auch gerne besser kennen lernen. Du könntest mit uns zu Abend
essen?“ Er trat zur Tür und sah zurück, um die Antwort des Vulkaniers
abzuwarten.
„Ich fühle mich geehrt“, sicherte Spock zu. „Gute Nacht, Leonard.“
McCoy schien zu einer Entgegnung anzusetzen, beließ es aber dann dabei, Spock
ebenfalls eine gute Nacht zu wünschen, bevor er ging.
Der Vulkanier sah nachdenklich hinter ihm her, dann
wandte er sich von der Tür ab und zog sich in die Meditationsnische zurück, die
speziell für den verunglückten, vulkanischen Wissenschaftsoffizier der
Standartausstattung der Kabine hinzugefügt worden war.
* * *
„Was ist los mit dir?“, fragte Jerry und blickte seinen Mann an. „Wo bist du
mit deinen Gedanken?“
McCoy drehte sich auf die Seite, um ihn anzusehen. „Nur bei dir“, meinte er.
„Lügner“, beschuldigte ihn Jerry lachend. Dann wurde er wieder ernst. „Ich
glaube, du nimmst dir das alles viel zu sehr zu Herzen“, sagte er. „Wenn er
wirklich dein Freund ist, dann muss er dich so akzeptieren können, wie du bist.
Und wenn er es nicht kann...“
„...verliere ich einen meiner besten Freunde.“ McCoy streckte die Hand aus, um
Jerry durch die Haare zu streichen. Es war eine liebevolle, fast
geistesabwesende Geste. „Er blockt jeden meiner Versuche ab, mit ihm zu
sprechen, schiebt dringende Termine und Berichte vor.“
„Du hast getan, was du konntest“, widersprach Jerry, fing seine Hand auf und
zog sie an die Lippen. „Er muss den ersten Schritt auf dich zu machen.“
„Komisch. Genau das gleiche hat Spock auch gesagt. Der nächste Schritt liegt
beim Jim.“
„Da siehst du es.“ Jerry rückte näher und küsste McCoys Handfläche. „Und jetzt
reden wir nicht mehr davon, okay?“ Er ließ seine andere Hand unter der
Bettdecke auf Wanderschaft gehen. „Lass mich dich auf andere Gedanken bringen“,
flüsterte Jerry und beugte sich über ihn, um ihn zu küssen.
* * *
„Störe ich?“
McCoy zuckte zusammen, als plötzlich eine wohlbekannte Stimme in seine Gedanken
drang. Er setzte sich aufrecht hin und strich sich fahrig durchs Haar. Und
lächelte. „Du doch nicht.“ Er wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. „Ich
habe dich gar nicht hereinkommen hören. Du hast dich schon seit einer Ewigkeit
nicht mehr hierher verirrt. Ist irgend
etwas?“
Spock ließ sich ihm gegenüber nieder, die Arme vor der Brust verschränkt. „Das
gleiche könnte ich dich fragen“, erwiderte er leise. „Es kursieren bereits die
ersten Spekulationen unter der Crew, warum du nicht mehr auf die Brücke
kommst.“
Der Arzt seufzte. „Ich muss dir doch nicht erklären, warum ich es für besser
halte, mich von ihm fern zu halten“, entgegnete er bitter. Er sackte wieder in
seinem Sessel zusammen, legte den Kopf in den Nacken, um blicklos an die Decke
seines Büros zu starren. „Ich kann nicht so tun, als wäre nichts geschehen,
Spock. Seit drei Wochen haben wir kein privates Wort miteinander gesprochen.
Ich verstehe ihn nicht. Es ist, als stehe ich einem Fremden gegenüber, der das
Gesicht meines vermeintlich besten Freundes trägt.“
Der Vulkanier erlaubte sich ein kurzes, ironisches
Lächeln. “Dir waren seine Ansichten kaum unbekannt, Leonard“, entgegnete er.
„Und sie haben sich in den vergangenen drei Wochen auch nicht geändert. Er
meidet selbst mich.“
„Ja, ich erinnere mich noch gut. Aber ich dachte... ich dachte nach all den
Jahren, wäre er etwas offener geworden. Ich dachte, wenn er es bei dir
akzeptieren kann, warum dann nicht auch bei mir.“
„Leonard – für ihn ist meine Homosexualität ein Zeichen meiner Andersartigkeit,
wie meine spitzen Ohren oder mein grünes Blut“, sagte der Vulkanier.
„So ist es einfacher für ihn, es zu akzeptieren. Von einem Fremden erwartet
man, dass er anders handelt als man selbst. Aber du bist ein Mensch, ein menschlicher
Mann, wie er. Er glaubte, dich zu kennen.“
„Vermutlich hast du recht“, meinte McCoy. „Er wird es nie akzeptieren können.“
Er schwieg einen Moment lang. „In einer Woche endet unser Jungfernflug und wir
kehren zur Erde zurück. Es gehen Gerüchte um, dass wir eventuell eine neue
Fünf-Jahres-Mission erhalten werden.“
Spock nickte. „Auch ich habe über inoffizielle Kanäle davon gehört.“
Der Arzt sah ihn an. „Das ist gut“, sagte er. „Ich meine, es ist gut für Jim.
Das Leben hinter einem Schreibtisch ist nichts für ihn. Wirst du bei ihm
bleiben?“
“Ja.“
McCoys Blick enthielt eine Frage, doch Spock machte keine Anstalten, darauf zu
antworten. „Ich denke, es ist das beste, wenn ich von
Bord gehe. Ich und Jerry.“
„Denkst du, das ist eine Lösung?“
„Nein“, entgegnete McCoy. „Aber manchmal ist es besser, nicht nach Lösungen zu
suchen. Ich bin müde, Spock. Ich möchte ein paar Jahre in Frieden leben und ich
möchte mit Jerry zusammen leben. Ich liebe ihn wirklich. Aber das ist hier
nicht möglich. Verstehst du das?“
Nach einem Moment nickte der Vulkanier, dann wandte
er sich zum Gehen.
„Spock? Was wird mit dir sein?“
Der Vulkanier blickte ihn über die Schulter an. „Ich
werde meinen Weg gehen, Leonard“, sagte er. „Ich... wünsche dir Glück.“ Damit
ließ er den Arzt mit seinen Gedanken alleine.
Ende