Erinnerungen
T’Len
2007
Kategorie:
PG
Hinweise:
Bezug auf Folge 6 der 1. Staffel „Bennis Entführung“
Feedback: tlen11@freenet.de
Summe:
Jens Aidenbach hat alte Erinnerungen in Jan Maybach geweckt und Miguel Alvarez
fragt sich, ob die beiden mehr verband, als gedacht.
Trivia:
Aidenbach wird von Dirk Martens (Falk von Schermbeck, SK Kölsch) gespielt.
Anmerkung: Ich habe nur zwei Folgen der Serie gesehen, so bitte ich eventuelle Canon-Fehler und Out-of-Character-Unstimmigkeiten zu entschuldigen. Aber nach dieser Folge biss sich ein hartnäckiges Bunny in meiner Wade fest und ließ sich nicht wieder abschütteln.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu verletzen. Vielen Dank an Lady Charena fürs Beta.
/*/*/ Rückblick
Teil 1
„Du kannst ihn nicht die ganze Zeit über im Auge behalten.“
Miguel Alvarez trat an die Seite seines Freundes und Kollegen Jan Maybach. Der
reckte sich, um seinen Sohn Benni weiter beobachten zu können, als der Junge
über den großen Schulhof aufs Gebäude zu lief und damit langsam aus dem
Blickfeld der beiden Männer verschwand.
„Ich weiß“, erwiderte Jan. Doch er machte keine Anstalten,
seinen Blick vom Rücken des Jungen zu lösen. Erst vor zwei Tagen war Benni aus
den Händen eines Entführers befreit worden, buchstäblich in letzter Sekunde.
Jens Aidenbach hatte eine alte Rechnung mit Jan begleichen wollen und nicht
davor zurück geschreckt, seinen Sohn dafür zum Opfer zu machen. Zunächst hatte
er Benni auf einem Boot gefangen gehalten, dann in ein verlassenes Haus
gebracht, dass gesprengt werden sollte. Erst im letzten Augenblick hatten sie
das Versteck ausfindig machen können. Miguel schauderte noch immer bei dem
Gedanken, was passiert wäre, wären sie zu spät gekommen. Zumal er sich an der
ganzen Entführung schuldig fühlte. Wenn er besser aufgepasst hätte...
„Er wird nie wieder zu einem Fremden ins Auto steigen“,
sagte er jetzt, um sich selbst genauso zu beruhigen, wie Jan.
„Manchmal frage ich mich, ob ich nicht besser meinen Beruf
aufgeben sollte“, erwiderte der leise. Jan zog Benni nach seiner Scheidung allein
auf, da seine Ex-Frau als Modell viel unterwegs war. Zudem hatte sie früher
Drogenprobleme gehabt. Doch auch nach seiner Versetzung von Köln zur Leipziger
Sonderkommission hatte er selbst alles andere als einen geregelten Tagesablauf.
So sehr er sich auch bemühte, seinem Sohn ein wohlbehütetes und sorgenfreies
Zuhause zu bieten, genauso oft kam doch wieder ein Einsatz zwischen seine guten
Vorsätze. Er war sich auch wohl bewusst, dass Benni seine Mutter vermisste.
Sonst hätte er sich auch nicht von Aidenbach so leicht mit dem Versprechen, ihn
zu Anja zu bringen, weglocken lassen.
„Das ist doch nicht ein Ernst?“, erwiderte Miguel.
„Ich hätte mehr Zeit
für ihn. Und vor allem, wir machen uns so viele Feinde, was, wenn sich wieder
einer an Benni vergreift?“, sagte Jan nachdenklich.
„Das wird nicht passieren“, erwiderte Miguel mit fester
Stimme. „Dafür werden wir beide sorgen.“ Er legte die Hand kurz in einer
beruhigenden Geste auf den Arm des anderen. „Komm, wir müssen ins Büro, bevor
Trautzschke uns noch den Kopf abreißt.“
Gemeinsam gingen sie zum
Wagen, der am Straßenrand parkte. „Es tut mir wirklich schrecklich Leid, was
passiert ist“, sagte Miguel, während er auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Benni
war entführt worden, während er mit ihm auf dem Abenteuerspielplatz war. Der
junge Kommissar hatte sich deshalb selbst die größten Vorwürfe gemacht, nicht
richtig aufgepasst und statt dessen lieber geflirtet zu haben. So war Benni
urplötzlich aus seinem Blickfeld verschwunden gewesen.
„Vergiss es“, erwiderte Jan und startete den Wagen.
„Aidenbach war zu allem entschlossen. Wenn nicht dort, dann hätte er Benni
woanders entführt. Es hätte mir genauso passieren können. Er muss ihn
schließlich beobachtet haben und gefolgt sein, um auf die günstigste Gelegenheit
zu warten.“
Miguel bemerkte die kaum unterdrückte Wut in Jans Stimme,
als er den Namen des Entführers nannte. Als er noch in Köln tätig war, hatte er
under cover als Modell gearbeitet, um den Dealer zu überführen, der die ganze
Szene mit Drogen versorgte: Jens Aidenbach. Um an die nötigen Beweise zu
kommen, hatte er sich mit ihm angefreundet; ein Verrat, den Aidenbach ihm
genauso übel genommen hatte, wie die Tatsache, dass seine Freundin Anja sich
schließlich für Jan entschied.
Soweit die offizielle Version, doch Miguel wurde das Gefühl
nicht los, dass es da noch etwas anderes gab, etwas, dass zwischen Jan und Jens
vorgefallen war und was Ersterer verschwieg. Etwas, was tiefer ging als eine
Freundschaft zwischen zwei Modellkollegen und dass Aidenbachs Hass mehr
angestachelt hatte, als die Narben im Gesicht, die er aufgrund einer
Verbrennung bei seiner Festnahme erlitten hatte. Er dachte an Aussagen von
verletzten und verratenen Gefühlen, die Aidenbach getätigt hatte, fast so als
wären sie ein Paar gewesen. Aussagen, so voller Leidenschaft hervorgebracht.
Jan selbst hatte gesagt, Aidenbach habe empfunden, er habe sich zunächst in
sein Herz geschlichen und ihn dann verraten. Das klang nach mehr als
Freundschaft.
Da Miguel sich nie scheute, seine Gedanken laut
auszusprechen, gab er ihnen auch diesmal Ausdruck. „War da was zwischen
Aidenbach und dir? Ich meine, wart ihr ein Paar?“, fragte er frei heraus.
Jan trat, als plötzlich ein Wagen aus einer Einfahrt
geschossen kam, so heftig auf die Bremse, dass nur die Sicherheitsgurte
verhinderten, dass beide Männer durch die Windschutzscheibe flogen. Er starrte
Miguel an, doch seine Gedanken, waren ganz wo anders.
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Jan verkrampfte sich unwillkürlich, als er den anderen
hinter sich spürte. So nah, so verdammt nah. Er konnte seinen Atem so deutlich
hören, wie den seinigen. Und beide waren unzweifelhaft beschleunigt. Er zwang
sich zur Ruhe.
„Was willst du?“, fragte er, bemüht nichts von seinem inneren Aufruhr in seiner
Stimme mitschwingen zu lassen. Aber er war nicht wirklich überrascht, über das,
was nun zu passieren schien. Er hatte es kommen sehen, es schien nur eine Frage
der Zeit gewesen zu sein. Und doch traf es ihn unvorbereitet.
„Das weißt du doch genau“, flüsterte Jens mit seiner sanften
Stimme. Er küsste Jans Hinterkopf. Sein Hände wanderten unter das geöffnete
Hemd, streichelten über den Oberkörper. Gerade hatten sie ein Fotoshooting
erfolgreich hinter sich gebracht. Jan war sofort in ihre gemeinsame Garderobe
gegangen, um sich umzuziehen, während Jens noch einige Worte mit dem Fotografen
gewechselt hatte. Gerade als Maybach, nur im Slip, sein Hemd anziehen wollte,
kam Aidenbach herein.
Er streifte das Hemd von Jans Schultern, ließ es achtlos zu Boden fallen. Dann
kehrten seine Hände zurück zur Brust seines Freundes, wanderten darüber,
tiefer.
“Ich denke, du bist in Anja verliebt“, sagte Jan und schluckte. Doch er machte
keinen Versuch, Jens’ Hände von sich zu schieben oder sich von ihm zu lösen. Zu
seiner Überraschung schien seine anfängliche Unruhe verschwunden.
„Genauso wie du“, erwiderte Jens. „Aber das eine hat mit dem
anderen nichts zu tun:“
Er drehte Jan zu sich herum und küsste ihn. Hart, fordernd,
leidenschaftlich.
Zu seiner Überraschung erwiderte Jan den Kuss ohne zu
zögern.
/*/*/
Das Hupen eines Wagens hinter ihm, brachte ihn in die
Gegenwart zurück. Jan wandte den Blick von Miguel ab und gab wieder Gas.
Er erwiderte nichts auf die Frage.
„Keine Antwort ist auch eine Antwort“, sagte Miguel.
Ende Teil 1
„Du musst das nicht tun, nicht hier bleiben“, sagte Jan
Maybach.
Doch Miguel Alvarez schüttelte den Kopf. „Mach ich doch
gern. Ich dachte, du könntest nach der ganzen Aufregung noch ein bisschen
Gesellschaft gebrauchen.“
Sie hatten den Tag damit verbracht, die notwendigen Berichte
über Bennis Entführung zusammen zu stellen. Das hatte allerdings auch all die
Gefühle von Angst, Verzweiflung und Wut, die sie die letzten Tage durchlebt
hatten, wieder hochgespült. Als Trautzschke seine Mitarbeiter Ina und Miguel
zur Seite nahm und bat, doch in den nächsten Tagen auch privat ein Auge auf Jan
zu haben, bis der sich von dem Ganzen einigermaßen erholt hatte, hatte Miguel
sich gleich freiwillig für diesen Abend gemeldet. Auch wenn ihm das einige
überraschte Blicke der anderen einbrachte und die verwunderte Frage, ob er denn
heute kein Date habe. Aktuell hatte er tatsächlich rasch eins abgesagt, aber
Jan war ihm viel wichtiger als irgendein belangloser Flirt und er würde
verdammt sein, wenn er dem Freund der Aufmerksamkeit Inas überließ. So hatte er
ihn nach Hause begleitet, mit ihm und Benni zu Abend gegessen und noch eine
Partie Mensch-ärgere-dich-nicht mit dem Jungen gespielt, bevor dieser ins Bett
musste.
„Danke“, sagte Jan leise. Er ging in die Küche, kam mit
einer Flasche Bier und einem Glas zurück, die er beide vor Miguel auf den Tisch
stellte.
„Ich schau noch mal nach Benni.“
///
Als Jan ins Wohnzimmer zurückkam, fand er Miguel vor der
Schrankwand stehend, in die Betrachtung eines Bildes vertieft, das Jan, Anja
und Benni zeigte, als sie noch eine glückliche Familie gewesen waren. Wie es
schien, war das Ewigkeiten her.
„Alles in Ordnung?“, fragte er.
„Er schläft“, erwiderte Jan.
„Er packt das schon“, sagte Miguel, sich wohl bewusst, dass
Jan sich große Sorgen machte, der Junge könnte von seiner Entführung bleibende
Schäden davongetragen haben, vor allem psychische. „Er ist ein tapferer Kerl,
er kommt da ganz nach dir.“
Jan, der an seine Seite getreten war, schüttelte stumm den
Kopf. Miguel blickte ihn überrascht an. „Du denkst, er könnte Aidenbachs Sohn
sein?“, fragte er erstaunt. Zwar hatte Anja das tatsächlich gegenüber Aidenbach
nach dessen Verhaftung behauptet, aber doch wohl nur in der Hoffnung, er würde
dann endlich das Versteck des Jungen Preis geben.
„Ich weiß nicht mehr, was ich noch glauben soll“, gestand
Jan. Er ließ sich in einen Sessel fallen.
„Dann lass das Labor doch einen Vaterschaftstest machen“,
schlug Miguel vor und nahm wieder auf dem Sofa Platz.
Jan schüttelte den Kopf. „Anja ist überzeugt, dass Benni
mein Sohn ist. Außerdem, wem würde es etwas nützen, wenn heraus kommt, dass er
der Vater ist? Was, wenn er dann plötzlich Ansprüche stellen würde?“
Miguel bezweifelte zwar, ob er Anja vertrauen würde.
Immerhin hatte sie selbst Drogenprobleme gehabt. Und was war das für eine
Mutter, die ihre Karriere ihrem Kind vorzog. Andererseits war es wirklich
besser, sollte tatsächlich Jens Aidenbach Bennis Erzeuger sein, dass niemand
davon erfahren würde, am allerwenigsten das Kind selbst. Was sollte der Junge
von einem Vater halten, der ihn seiner Rache wegen entführte und in Todesgefahr
aussetzte?
„Kindesentführung und versuchter Mord, das gibt einiges an
Strafe, zumal mit seinem Vorstrafenregister“, sagte er. „Außerdem, so wie er
sich aufgeführt hat, landet er danach in der psychiatrischen. Der belästigt
euch nie wieder.“
Jan nickte stumm, doch seine Gedanken waren weit weg.
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„Schön, dass du gekommen bist.“ Jens Stimme klang süß und
verführerisch an seinem Ohr, während seine Hände geschickt begannen, ihn zu
entkleiden.
Jan wusste, er hätte es nicht tun sollen. Dieser Mann war
schließlich sein Hauptverdächtiger. Mit dem ließ man sich nicht ein. Und doch
konnte er sich Jens’ fast magischem Charme und Anziehungskraft nicht länger
entziehen. Wie von allein hatten seine Füße ihn an diesem Abend zu Jens Wohnung
geführt und erst, als er den Finger schon auf dem Klingelknopf hatte, war ihm
bewusst geworden, wo er eigentlich war und was er gerade im Begriff war zu tun.
Er ließ es zu, dass Jens ihn rückwärts zum Bett dirigierte,
ihn darauf niederdrückte, seine Schuhe auszog. Mit einem kräftigen Ruck zog er
Hose und Slip herunter.
„Diese Nacht wirst du nie vergessen“, flüsterte seine
Sirenenstimme, als er sich auf Jan legte.
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Eine Bewegung schreckte ihn aus seinen Erinnerungen hoch.
Miguel hatte ihm ein Bier aus der Küche geholt und hielt es ihm nun hin.
Jan schüttelte stumm den Kopf. Ihm war nicht nach Trinken
zumute. Als Alvarez die Flasche auf den kleinen Beistelltisch abstellte, fiel
sein Blick auf einen Zeitungsausschnitt. Es war genau jener mit dem Modellfoto
von Jan und Aidenbach, das letzterer als eines seiner Erpressungsschreiben
geschickt hatte.
Miguel runzelte die Stirn. Warum hatte Jan den Ausschnitt
aus dem Präsidium mitgenommen und aufgehoben?
Maybach hatte den Blick des Freundes bemerkt und erinnerte
sich wieder an dessen Frage vom Vormittag. Er schuldete ihm noch eine Antwort,
auch wenn ihm diese alles andere als leicht fiel. Aber Miguel war ein guter
Freund, verdiente die Wahrheit. Und vielleicht war es an der Zeit, endlich
einiges auszusprechen, was er schon viel zu lange mit sich herum trug. Jens Auftauchen
hatte mehr Erinnerungen geweckt, als ihm lieb war.
„Du hattest Recht, wir waren ein Paar“, sagte er leise.
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„Na, habe ich zuviel versprochen.“ Jens Aidenbach lächelte
selbstgefällig, als er sich erhob. Das gebrauchte Kondom warf er achtlos zur
Seite. Er hob eine Flasche Champagner vom Boden auf, trank einen großen Zug
daraus. Dann reichte er sie Jan, der nur daran nippte.
„Nein“, erwiderte Jan leise. In ihm regte sich das schlechte
Gewissen, gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen war Jens der Hauptverdächtige
seiner Ermittlungen und wie es schien nicht zu Unrecht. Er sollte dessen
Vertrauen gewinnen, um an Informationen zu kommen, aber mit ihm zu schlafen
gehörte wohl kaum zu seinem Auftrag. Seine Vorgesetzten würden darüber alles
andere als erfreut sein, sollten sie je davon erfahren. Zum anderen fühlte er
Scham, weil er den anderen Mann über seine wahre Identität belog. Was, wenn
Jens sich tatsächlich in ihn verliebt hatte und womöglich doch unschuldig war?
Er würde ihn tief verletzten, wenn er die Wahrheit erfuhr. Und was, wenn er
sich selbst in Jens verliebte?
„Und das war erst der Anfang.“ Jens ging zu seinem Jackett,
das an einem Haken an der Wand hing und zog ein kleines Tütchen heraus. Jan
sah, wie er etwas daraus auf ein Blatt Papier schüttete. Dann kam er wieder zum
Bett und setzte sich.
„Koks?“, fragte Jan.
Jens grinste. „Backpulver bestimmt nicht.“
Er riss ein Stück vom Papier ab und formte ein Röhrchen.
Dann hielt er es Jan hin. Der schüttelte den Kopf.
„Ich nehme so etwas nicht und du solltest das auch sein
lassen. Das ist illegal. Und außerdem gefährlich, vor allem in Verbindung mit
Alkohol.“
Jens lachte hell auf. „Wer bist du? Meine Mutter?“
Er zog einen Teil des Stoffes ein. Dann hielt er ihn wieder
Jan hin. „Komm schon. Du wirst sehen, danach haben wir noch viel mehr Spaß.“
„Den können wir auch so haben:“ Als Jan entschieden
abwehrte, zog Jens selbst den Rest in die Nase. Dann flog das Papier achtlos
zur Seite.
„Spießer“, sagte er und drückte Jan zurück aufs Kissen. Seine
Lippen waren im nächsten Augenblick auf Jans – er glaubte noch das Prickeln des
Champagners zu spüren - dann an seinem
Hals, seinem Bauch, seinem Glied, einfach überall. Und Jans Zweifel waren
vergessen.
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„Ich habe ihn geliebt“, erklärte er. „Wirklich geliebt.“
„Und er dich?“, fragte Miguel.
Jan zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Für ihn war
alles ein einziges Spiel. Das Modeln, die Drogen, Sex, Anja, ich, das ganze
Leben - eine einzige, große Party.“
Er stand auf und trat zum Fenster, starrte hinaus in die
Dunkelheit. „Ich wusste, dass er der Hauptverdächtige war, ich wusste, dass er
Drogen nahm. Und doch habe ich gehofft, er sei nicht der Dealer, den wir
suchten. Ich habe ihn angefleht, mit dem Zeug aufzuhören. Ich habe so sehr gewollt,
dass er unschuldig ist.“
„Und Anja?“, fragte Miguel. Er trat an Jans Seite. „Was war
mit ihr? Ich meine, ich dachte, du hast sie auch geliebt.“
„Das habe ich. Auf eine andere Art“, erwiderte Jan. „Sie war
mein Anker in der Realität, sozusagen. Immer, wenn ich drohte, zu sehr in Jens’
Welt abzugleiten, meinen Auftrag zu vergessen, ging ich zu ihr. Mit ihr war es
real, mit Jens war alles wie im Rausch.“
„Aber wenn ich mich hätte frei entscheiden können“, fuhr Jan
nach einer kurzen Pause fort. „Wenn Jens unschuldig gewesen wäre, ich hätte
mich für ihn entschieden, nicht für sie.“
„So, wie er dich hasst, scheint er sich sehr verletzt zu
fühlen. Vielleicht hat er dich doch mehr geliebt als du dachtest, als er
zugab“, überlegte Miguel.
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Er starrte auf die reglose Gestalt im Krankenbett, die eine
Seite des Kopfes hinter dicken Bandagen verborgen, dort, wo die Haut aufgrund
seines Sturzes in die Fackel verbrannt war. Jan hatte den Wachmann hinaus
geschickt, gesagt, er hätte noch einige Fragen an den Gefangenen. Doch in
Wirklichkeit wollte er nur noch einmal mit Jens sprechen, musste es einfach
tun, ihm erklären, warum es soweit hatte kommen müssen. Er wusste nicht so
recht, was er sich erhoffte. Dass Jens verstand, warum er nicht anders hatte
handeln können? Das er ihm verzieh? Dass es irgendwie doch noch eine Chance für
sie gab?
„Na, gefällt dir, was du siehst?“ Jan zuckte zusammen, als
plötzlich Jens’ Stimme erklang, bitter. Die blauen Augen betrachteten ihn
voller Hass.
„Jens, es tut mir leid, ich...“
„Spar die deine Worte“, unterbrach Aidenbach ihn. „Hat es
dir Spaß gemacht, dich von mir ficken zu lassen oder war das nur Teil deines
Jobs? Erstaunlich, wie weit ihr Bullen heutigentags geht.“
„Jens, ich...“ Er wusste nicht, was er sagen sollte. Wie
konnte er erklären, dass es für ihn längst mehr gewesen war als ein Job, dass
er zeitweise hin- und hergerissen gewesen war zwischen seinen Gefühlen und
seiner Pflicht. Aber Jens hatte sich nun einmal strafbar gemacht und musste
dafür bezahlen. Ob es ihnen passte oder nicht.
„Dafür wirst du bezahlen“, unterbrach Aidenbach ihn mit
gefährlich ruhiger Stimme. „Das schwöre ich dir. Eines Tages werde ich dich da
treffen, wo es dir am meisten weh tut. Niemand missbraucht ungestraft mein
Vertrauen.“
Als Jan aus dem Zimmer floh, spürte er förmlich, wie sich
die Blicke der blauen Augen, die ihn noch letzte Nacht während ihres
Zusammenseins so zärtlich erschienen waren, hasserfüllt in seinen Rücken
bohrten.
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„Ja, vielleicht“, antwortete Jan.
„Warum hat er nie etwas über euer Verhältnis gesagt? Jetzt
nicht und auch damals nicht?“, überlegte Miguel. „Ich habe die Akten des
Verfahrens gelesen. Er hätte das Ganze doch zu seinem Vorteil nutzen können und
vor allem dir bereits damals einen reinwürgen. Deine Vorgesetzten wären
bestimmt über diese Art der Ermittlung nicht begeistert gewesen.“
„Bestimmt nicht.“ Jan zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es
nicht. Vielleicht wollte er im Knast nicht als Schwuler gebrandmarkt werden.
Vielleicht wollte er sich seine Rache auch nur für einen späteren, besseren
Zeitpunkt aufheben. Wenn er wieder frei sein würde und sie genießen konnte. Als
es zur Verhandlung kam, waren Anja und ich bereits verheiratet und sie ganz
offensichtlich schwanger. Sie musste damals auch vor Gericht aussagen, also hat
er es erfahren. Vielleicht wurde schon damals sein Racheplan geboren.“
Miguel legte Jan die Hand auf den Arm. „Du bist also
bisexuell“, stellte er fest.
Jan nickte und blickte auf
die Hand, die nicht wieder von seinem Körper verschwand. „Stört es dich?“
„Iwo“, erwiderte Alvarez. „Im Gegenteil.“
„Im Gegenteil?“, wunderte sich Maybach.
Miguel lächelte. „Das eröffnet doch ganz neue Perspektiven.“
Jan starrte ihn ungläubig an, sich noch immer der Hand auf
seinem Arm bewusst. Plötzlich schien die Haut unter dem dünnen Stoff seines
Hemdes zu brennen. „Du meinst du? Und ich?“,
fragte er verblüfft. „Aber ich seh’ dich doch fast jeden Tag mit einer
anderen.“ Was Frauen anbetraf, schien Miguel genau dem Macho-Klischee seiner
spanischen Vorfahren zu entsprechen. Er hätte bis eben nicht im Traum daran
gedacht, dass er sich auch für Männer interessieren könnte, geschweige denn für
ihn.
„Ich halte mir gern alle Optionen offen“, erwiderte der
junge Mann leichthin. „Und ich wollte dich schon die ganze Zeit näher kennen
lernen. Ich hatte nur keine Ahnung, dass...“ Als Jan sich wieder von ihm
abwandte, nahm er seine Hand von dessen Arm. „Also, wenn du magst?“
„Ich hatte seit Jens keinen Freund mehr“, erklärte Jan leise. „Eigentlich auch
keine richtige Freundin seit Anja. Der Beruf, Benni, für anderes war nie Zeit.“
Er wandte sich wieder zu Miguel um. „Ich weiß auch nicht, ob das gut wäre, ich
meine wir arbeiten zusammen. Vielleicht sollte man da nichts Privates mit
vermischen.“ Obwohl er sich eingestand, dass Miguels Interesse ihn
schmeichelte. Sie waren schon in kurze Zeit beruflich zu einem guten Team
zusammengewachsen, er mochte Miguel auch privat als Freund und zweifelsohne war
er ein sehr attraktiver Mann. Doch Jan war mittlerweile viel zu sehr Rationalist,
dass er Hals über Kopf in eine Beziehung stürzen würde, die Komplikationen mit
sich bringen konnte, gelang es ihnen nicht Beruf und Privatleben zu trennen.
Diese Lektion hatte er durch Aidenbach gründlich gelernt.
„Vor allem“, setzte er hinzu. „Weiß ich aber nicht, ob ich schon wieder zu
irgendwas bereit bin. Nicht, nachdem jetzt alles wieder hochgekommen ist, was
damals war.“
„Verstehe“, erwiderte Miguel. „Aber ich kann warten und ich
werde da sein, wann immer du mich brauchst.“
Und dann beugte er sich plötzlich nach vorn, küsste Jan –
nur flüchtig, aber seine dunklen Augen strahlten voller Wärme und Liebe und
voller Versprechen.
Ende