Come what may
T’Len
2013/14
Fandom: Southland
Kategorie: PG
Hinweise: Teil
meiner Southland-Serie, angesiedelt vor „I owe it all to you“
Summe: Während Johns OP im
Krankenhaus
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jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt nicht in der Absicht, damit
Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu verletzen. Vielen Dank an Lady Charena
fürs Beta.
Wäre
dies die Entbindungsstation, der Anblick des jungen Mannes, der unruhig im
Warteraum auf und ab lief, wäre ein erwarteter und gewohnter gewesen. Doch dies
war die chirurgische Abteilung und die Nachricht, auf die sie warteten, war
nicht die eines neugeborenen Babys sondern einer geglückten Operation ihres
Mannes, ihres Ex-Mannes. Laurie verbesserte sich in Gedanken. Sie neigte dazu,
von John noch immer als ihrem Mann zu denken. Nicht, dass sie noch irgendwelche
Besitzansprüche auf ihn erhob. Und ihre Gefühle waren längst nur noch
freundschaftlicher Natur. Aber natürlich fühlte sie sich ihm noch verbunden,
erst recht in eiern Situation wie dieser, und sie wusste, dass es John in Bezug
auf sie genauso ging.
Er
hatte sie gebeten zu kommen, falls es irgendwelche Entscheidungen zu treffen
gab. Schließlich barg jeder Eingriff Risiken in sich und er wollte nicht, dass
seine Mutter mit irgendetwas belastet wurde und mit Sicherheit wollte er nicht,
dass man Kontakt zu seinem Vater aufnahm. Sie war der Bitte gern nachgekommen.
Sie würde für ihn alles tun und sie wusste, dass er dies für sie genauso tun
würde. Nun fast alles, aber vielleicht konnten sie auch über das Thema Baby
noch einmal reden, wenn er erst einmal seine Schmerzen und seine damit
einhergehende Abhängigkeit los war. Vielleicht konnte sie ihn dann verstehen
machen, dass sich die Geschichte nicht zwangsläufig wiederholen musste und dass
er ein guter Vater wäre, ein viel besserer als sein eigener, und dass sie
gemeinsam Eltern sein konnten ohne weiterhin ein Paar zu sein.
Aber
dies konnte warten. Vielmehr beschäftigte sie im Moment, die Frage, warum er
hier war. Sicher, sie hatte erwartet, dass der eine oder andere von Johns
Kollegen in den nächsten Tagen zu einem Krankenbesuch vorbei schauen würde. Sie
wusste, dass John anerkannt und geachtet war. Aber das erklärte nicht, warum er
hier war, jetzt während der OP, und warum er in Sachen Nervosität jeden
werdenden Vater in den Schatten stellte.
Waren die beiden ein Paar? Sie konnte nicht anders, als sich diese Frage zu
stellen. Wie anders ließ es sich erklären, dass er zum Operationsbeginn im
Krankenhaus aufgetaucht war. Er hatte sich offensichtlich dafür sogar frei
genommen, denn er war in zivil. Sie dachte an Clarks Beerdigung. „Das ist Ben“
hatte John schlicht und einfach gesagt. Keine Erklärung dazu. Kein „das ist
mein Kollege“ oder „das ist mein Freund.“ Sie hatte gehört, wie er Terry,
Clarks Witwe, gegenüber Ben als seinen Partner vorgestellt hatte, um rasch ein
„wir arbeiten zusammen“ nachzuschieben. Nun, dass der junge Mann Polizist war,
hatten sie selbst gesehen, schließlich trug er damals seine Uniform. Aber warum
hatte John ihn überhaupt mitgebracht? Richtig, sie hatten vor der Trauerfeier einen
Kollegen in Rehab besucht, diesen Dewie,
den sie immer so unmöglich gefunden hatte, mit all seinen blöden Machosprüchen.
Aber warum kam Ben mit? Er dürfte Dewie kaum so lange kennen wie John. Und hätte er das nicht
an einem anderen Tag auch ohne John machen können, wenn es ihm so wichtig war, Dewie zu besuchen? Oder sie wären mit getrennten Autos
gefahren, damit Ben die Beerdigung eines ihm völlig Unbekannten erspart blieb?
War er als moralische Unterstützung dabei gewesen, weil Clarks Tod John nicht
nur der alten Freundschaft wegen nahe ging? Sie war sich sicher, er hatte
sich fragt, ob auch sein Leben so hätte
enden können… müssen, unter anderen Umständen, wenn sie die Lüge ihrer Ehe
weiter aufrechterhalten hätten. Wenn sie es nicht bemerkt hätte.
Sie
wusste wenig über Johns Liebesleben. Auch wenn sie nach ihrer Scheidung Freunde
geblieben waren, diesen Teil seines Lebens hatte er stets vor ihr verschlossen
gehalten. Es schien ihm unangenehm zu sein, so als würde er sie betrügen, als
wären sie noch verheiratet. Dabei, das musste sie sich eingestehen, fand sie
die Vorstellung, wie er Sex mit einem anderen Mann hatte, sogar erregend. Sie
hätte ihn gern gefragt, ob er ein Top oder ein Bottom
war, wie er es am liebsten mochte. Ob er es mit Ben tat? Das Auftreten des
jungen Mannes ließ keinen Schluss darauf zu, dass er schwul war, aber sie hatte
längst gelernt, nichts auf Klischees zu geben, erst recht nicht in der
Macho-Welt der Polizei.
„Ich
hole uns mal einen Kaffee“, sagte sie. Ben ließ mit keiner Reaktion erkennen,
ob er sie überhaupt gehört hatte.
Als
sie mit zwei Bechern voll dampfendem Kaffee zurückkam, hatte Ben seine unruhige
Wanderung eingestellt. Sie fand ihn am einzigen Fenster des Raumes stehend und
auf den tristen Hinterhof des Krankenhauses starrend. Irgendwie schienen solche
Fenster immer auf triste Hinterhöfe zu blicken, fand sie. In dem Krankenhaus,
in dem sie arbeitete, war es nicht anders als in diesem. Statt den wartenden
und meist leidenden Angehörigen einen aufmunternden Anblick zu bieten,
deprimierten sie nur noch mehr. In Zeiten, in denen die Gelder überall knapp
waren, konnte es sich wohl niemand leisten, für einen blühenden Hof zu sorgen.
Aber vielleicht dachte auch einfach nur niemand daran.
Sie
stellte den Becher aufs Fensterbrett. „Ist das gute Zeug“, sagte sie. „Nicht aus
dem Automaten.“ Sie wusste, dass Schwestern immer ihren eigenen Kaffee kochten
und hatte deshalb ihre Kolleginnen aufgesucht, sich vorgestellt und um zwei Kaffee
gebeten. Ben nickte nur kurz, sagte aber nichts und rührte auch den Becher
nicht an.
„Es
ist eine Routineoperation. Alles wird gut“, sagte sie, nur um irgendetwas zu
sagen. Sie konnte das Schweigen nicht länger ertragen, das seit Ewigkeiten in
dem kleinen Raum und zwischen ihnen zu hängen schien.
„Es
ist meine Schuld.“ Bens Stimme klang voller Verzweiflung.
„Was?“,
sie war so überrascht, davon, dass er überhaupt sprach, und von dem Gesagten,
dass ihr keine intelligentere Antwort einfiel.
„Es
ist meine Schuld“, wiederholte Ben. „Ich habe ihn dazu gezwungen, sich endlich
wegen seines Rückens operieren zu lassen. Wenn ihm etwas zustößt, ist es meine
Schuld.“
Sie
schüttelte energisch den Kopf, auch wenn er sie gar nicht ansah, um diese Geste
zu bemerken. „Ich würde sagen, du warst der Vernünftige von euch beiden und
hast getan, was getan werden musste, bevor er zur Gefahr für sich und andere
wird. John hätte sich schon längst behandeln lassen müssen.“
„Wenn
er keinen Streifendienst mehr fahren darf, wenn sie hin an den Schreibtisch
verbannen, wird er mich hassen und nie wieder etwas mit mir zu tun haben wollen“,
murmelte Ben.
„Seit
ihr ein Paar?“, platzte es aus ihr heraus. Sie konnte ihre Neugier nicht mehr
beherrschen.
Bens
Kopf ruckte zu ihr herum. Es war das erste Mal, dass er sie direkt ansah. Er
schüttelte stumm den Kopf, wandte ihn dann wieder ab.
„Du
kannst es mir ruhig sagen, ich weiß, dass John schwul ist. Ich habe es wohl
schon vor ihm gewusst, zumindest habe ich es eher zugeben wollen“, sagte sie,
um ihn zu beruhigen.
Ihre
Gedanken wanderten zurück zu einem Wochenende am Strand von Santa Monica.
Sonne, Sand und Meer. Es war eine der seltenen Gelegenheiten gewesen, als es
ihr gelungen war, ihn aus dem Moloch der Großstadt heraus zu locken. Wenn er
nicht Dienst schob, was fast immer der Fall zu sein schien – sie hatte sich
damals schon längst gefragt, ob er sich freiwillig für Zusatzschichten meldete,
um ihr aus dem Weg zu gehen – war er nur selten zu Freizeitaktivitäten zu
bewegen gewesen. Sie wusste schon
längst, dass es in ihrer Ehe nicht mehr stimmte. Und, dass es nicht nur der
immer weniger werdende Sex war. Am Anfang hatte sie gedacht, dass eine andere
Frau dahinter steckte. Es war die naheliegende, die logische Erklärung gewesen.
Sie hatte nicht verhindern können, dass sie seine Taschen nach Hinweisen
durchsuchte, auf sein Handy schaute, wenn sich eine Gelegenheit dazu bot. Doch
es hatte keine Anzeichen auf eine Nebenbuhlerin gegeben. Also hatte sie ihre
zunehmende Entfremdung schließlich auf den Beruf geschoben. Auf ihre beiden
Berufe, die ihnen kaum gemeinsame Freizeit ließen. Auf das Leid, dass John
tagtäglich auf der Straße sah, und von dem sie im Krankenhaus mehr mitbekam,
als ihr lieb war. Und, dass sich eben alles nicht so einfach mit dem Feierabend
abschütteln ließ. Aber instinktiv spürte sie, dass da mehr sein musste als das.
Und
dann hatte sie die Blicke gesehen, die er den jungen Surfern in ihren knappen
Badehosen, die mehr enthüllten als verbargen, zuwarf. Den Männer, nicht den
ähnlich knapp angezogenen Bikinischönheiten. Und wie er seine Augen hastig
wieder abwandte, wenn ihm einer dieser Jünglinge zulächelte. Und
plötzlich hatte alles einen Sinn ergeben. Sein mangelndes Interesse an Sex mit
ihr, das sie für einen gesunden Mann seines Alters als seltsam empfunden hatte,
die wachsende Distanz zwischen ihnen. Seine zunehmende Bedrücktheit.
„Bist
du schwul?“ hatte sie ihn am Abend gefragt, nach einem guten Abendessen und
einer Flasche Wein auf der Terrasse des kleinen Strandhauses, welches sie für
das Wochenende angemietet hatten. Sie wusste, sie hätte einfach die Augen
verschließen können, so wie es sicher viele andere Frauen in ähnlichen
Situationen taten. Sie hätten einfach weitermachen können, mit ihrer außen hin,
für Fremde, so perfekten Ehe. Doch sie wollte keine Lüge leben. Sie wusste
instinktiv, es würde sie beide in den Abgrund ziehen. Also hatte sie die Frage
ausgesprochen, die ihr vor diesem Tage nie in den Sinn gekommen war, deren
Antwort aber sie seit diesem Nachmittag zu kennen glaubte. John hatte sie einen
Moment lang angestarrt und dann war etwas passiert, was sie nie für möglich
gehalten hätte. John Cooper, dieser Baum von einem Mann, dieser toughe Cop, brach in Tränen aus.
Sie
hatten lange geredet in dieser Nacht. Über unterdrückte Begierden, über seinen
verzweifelten Wunsch nach einer intakten Familie, nach diesem Stück heile Welt,
das er selbst nie kennen gelernt hatte. Sie hatte versucht, ihm klar zu machen,
dass Selbstverleugnung kein Weg zum Glück war, dass er beides haben konnte, ein
Leben als schwuler Mann und eine Familie, wenn er es denn nur zuließe. Sie
hatte sich gewundert, woher sie die Kraft nahm, in diesen Momenten die Starke,
die Vernünftige von ihnen beiden zu sein statt ihm Vorwürfe, eine Szene zu
machen, wie es wohl die meisten Frauen an ihrer Stelle getan hätten. Und sie
glaubte ihm, als er ihr am Ende der Nacht sagte, dass er sie noch nie so
geliebt habe, wie in diesen Stunden. Am nächsten Tag waren sie nach Los Angeles
zurück gefahren und sie hatte ihm zwei Adressen besorgt. Die eines
Scheidungsanwaltes und eines Psychiaters.
„Wir
haben zusammen geschlafen, nach der Beerdigung von seinem Freund und dann noch
einmal und es war fantastisch. Aber er sagte, er will, er kann nichts mit
seinem Boot anfangen, keine Beziehung“, sagte Ben nach langen Minuten des
Schweigens. „Aber jetzt bin ich das
nicht mehr. Ich werde nicht mal mehr mit ihm zusammen Streife fahren.“ Er
wandte den Blick zu ihr und ein kurzes Lächeln umspielte seinen Mund. „Bald
gehört er mir!“
Sie
sah die Entschlossenheit in seinen Augen und sie zweifelte für keinen Augenblick
daran, dass Ben Sherman bekommen würde, was er sich vornahm. Sie war sich in
diesem Moment nicht sicher, ob sie ihren Ex-Mann beneiden oder bedauern sollte.
Ende