Rausch
T’Len
2006
Charaktere:
Jupp Schatz/Klaus Taube
Kategorie: NC-17, m/m-slash
Feedback: tlen11@freenet.de
Summe:
Ein Fall führt Jupp und Klaus in die Schwulenszene. Was zunächst wie Routine aussieht,
bringt Jupp plötzlich in Gefahr und verändert Klaus’ Leben für immer.
Disclaimer:
Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen
und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt
nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu
verletzen. Vielen
Dank an Lady Charena fürs Beta.
„Kommst du Samstag mit zum Spiel?“ Jupp Schatz ließ sich auf
der Kante von Klaus Taubes Schreibtisch nieder „Wird bestimmt lustig.“
„Ich weiß nicht“, wehrte Taube ab. „Ich wollte eigentlich
mal wieder in Ruhe ein gutes Buch lesen.“
„Ach komm schon. Das ist doch langweilig. Wir putzen die
Dortmunder weg, jede Wette. Flo freut sich doch auch, wenn du mitkommst.“
Klaus seufzte innerlich, er konnte Jupp und seinem Sohn
einfach nichts abschlagen. Aber bevor er etwas erwidern konnte, kam ihr Chef,
Kriminaloberrat Heinrich Haupt, ins Büro. „Herr Schatz, Herr Taube, ich hätte
einen neuen Auftrag für Sie“, sagte er.
„Uns ist überhaupt keine Leiche gemeldet worden“, wunderte
sich Jupp.
“Es handelt sich um Hilfe für die Kollegen von der Drogenfahndung“, erklärte
Haupt und reichte Klaus einen Aktenordner.
„Ach ne, kommen die wieder mal nicht alleine klar und wir
sollen für sie die Leute hochnehmen?“, erwiderte Jupp, während Klaus die
Unterlagen durchblätterte und nach kurzer Zeit die Stirn runzelte. „Aber
diesmal hoffentlich ohne die Düsseldoofen.“ Jupp erinnerte sich noch zu gut
daran, wie ein Düsseldorfer Kollege die Festnahme eines Drogenkuriers vermasselte,
weil der seine Dienstwaffe sah. Und dann hatten diese Heinis auch noch ihnen
die ganze Schuld in die Schuhe schieben wollen. Denen hatten sie es aber
gezeigt und am Ende den mittlerweile zu einem Mordfall gewordenen Fall allein
aufgeklärt, ohne die Düsseldoofen.
„Keine Festnahme“, erklärte Haupt. „Es wurden in den letzten
zwei Wochen drei Drogentote in der Nähe des ‚Queens Palace’ gefunden. Überdosis
Kokain.“
„Sind wir jetzt auch schon für Junkies zuständig, die sich den
goldenen Schuss setzen?“, wunderte sich Jupp.
„Die Kollegen sind sich nicht mehr sicher, dass es das
wirklich war“, erklärte Haupt. „Alle drei zeigen nicht das typische Profil
eines Drogensüchtigen. Bis auf einen war auch keiner vorher diesbezüglich in
Erscheinung getreten. Und dieser Fall liegt 20 Jahre zurück. Minimaler
Haschisch-Besitz. Auch nichts Hartes. Zudem hatte jeder nur eine
Einstichstelle.“
„Das stimmt“; sagte Taube, der von den Unterlagen
aufblickte. „Alle drei galten als brave, unbescholtene Bürger. Weit entfernt
von der üblichen Drogenklientel. Und bei regelmäßigem Konsum müssten sich
mehrere Einstichstellen finden.“ Er sah Haupt fragend an. „Die Kollegen denken,
jemand könnte ihnen die Überdosis verabreicht haben?“
Haupt nickte. „Man fand allerdings keine Spuren, die auf
Fremdeinwirkung hindeuten. Nach dem dritten Fall vor zwei Tagen wurden sie
jedoch misstrauisch. Zumal alle an gleicher Stelle gefunden wurden.“
„Und was sollen wir jetzt machen?“, fragte Jupp. „Da hätten
sie uns mal besser gleich geholt. Jetzt ist doch eh alles zu spät und alle
Spuren verwischt.“
„Die Kollegen möchten gern, dass Sie sich undercover etwas
in der Bar umsehen. Vielleicht fällt Ihnen jemand auf, der sich verdächtig
verhält. Knüpfen Sie Kontakte zu Stammgästen, vielleicht hat jemand einen
Hinweis, hat die Opfer gesehen, ihre Kontakte mitbekommen oder kennt einen
Dealer. Irgendwoher muss das Kokain ja kommen. Wenn Drogen im Spiel sind, mag
mancher nichts der Polizei sagen, aus Angst, selbst Probleme zu bekommen. Aber
nach ein paar Kölsch im privaten Gespräch...“ Haupt sah Taube an: „Sie sind
doch prädestiniert für diese Art Bar.“
„Das ‚Queens Palace’“, erwiderte Taube trocken, „Ist nicht
ganz mein Stil.“
„Ach komm schon“, sagte Jupp. „Machen wir uns einen netten
Abend auf Kosten des Polizeipräsidenten, zischen ein paar Kölsch und schauen
uns mal ein bisschen um. Schaden kann es ja nicht.“
„Jupp, du weißt nicht...“, hob Klaus an, doch Schatz
unterbrach ihn: „Die werden schon ein Wasser für dich haben.“ Er nickte Haupt
zu. „Wir schauen uns gleich heute Abend dort mal um.“
„Danke“, erwiderte Haupt. „Und sollten Sie...“ Er räusperte
sich. „Verkleidung brauchen, die Asservatenkammer ist informiert.“
„Das“, betonte Klaus mit Nachdruck, „Ist mit Sicherheit auch
nicht mein Stil.“
„Was hast du nur?“, wunderte sich Jupp, nachdem Haupt ihr
Büro verlassen hatte. „Du hast doch schon mal eine Bar von innen gesehen. Warum
zickst du so rum, als wolltest du da nicht hin? Außer ein bisschen Zeit kostet
es uns doch nichts.“
„Du solltest nicht so voreilig mit deinen Zusagen sein,
Jupp“, antwortete ihm Taube trocken. „Das ‚Queens Palace’ ist eine
Schwulenbar.“
///
„Kein Interesse. Ich sagte: Kein Interesse.“ Jupp schob entschlossen
die Hand, die sich gerade auf seinem Oberschenkel platziert hatte, von sich.
„Verpiss dich!“
„Mann, was bist du denn für eine Type“, erwiderte der
Besitzer der Hand ungehalten. „Wer nicht will der hat schon.“ Dann zog er von
dannen und sprach einen anderen Mann an.
„Warum hast du mich bloß nicht vorher gewarnt?“, fragte Jupp
Klaus. Beide saßen sie an der Bar des „Queens Palace.“ Ein Palast war die
Kneipe allerdings weniger zu nennen, eher eine ziemlich heruntergekommene
Ruine. Wände und Einrichtung hätten dringend mal eine Erneuerung gebrauchen
können. Die Luft war rauchgeschwängert und stickig. Aus den Lautsprechern
dröhnte laute Musik.
„Habe ich doch, aber du wolltest ja nicht auf mich hören“,
erwiderte Klaus Taube trocken. Während Jupp sich das nächste Kölsch bestellte,
hielt er sich noch immer an seinem ersten Glas fest. Nach Wasser zu fragen,
hatte er lieber gleich gelassen. Das einzige, was er in einem solchen
Etablissement wohl bekommen hätte, wäre der Satz „Mit Handtuch und Seife?“ gewesen
und den hatte er definitiv einmal zu oft gehört, seit er in Köln war.
„Und so was gefällt dir nun?“, wollte Jupp wissen.
„Nein“, antwortete Klaus. „Wie ich schon Haupt sagte, das
ist nicht mein Stil.“ Unbehaglich rückte er seine Krawatte zurecht. Er fühlte
sich hier mindestens so deplaziert wie Jupp. Die meisten Besucher waren zehn
und mehr Jahre jünger als sie. Junge Leute in engen Klamotten, die miteinander
tanzten oder an einem der Tische ungeniert knutschten. Sie hatten die Szenerie
schon seit einer Stunde beobachtet, ohne irgendetwas zu bemerken, dass ihnen
weiterhelfen könnte, versucht den Barkeeper und einige Gäste zu befragen, ein
Unterfangen, dass angesichts der lauten Musik fast unmöglich war, und einige
Annäherungsversuche abgewehrt. Bevor sie die Bar betraten, sahen sie sich auch
unauffällig im Hinterhof um, in dem die drei Toten gefunden worden waren, und
der durch eine kleine, offensichtlich immer offenstehende Tür von der
Seitenstraße aus zugänglich war. Wie erwartet hatten sie keine verwertbaren
Spuren mehr gefunden.
Wenigstens hatten sie sich nicht „verkleiden“ müssen.
Nachdem Jupp klar geworden war, was Haupt mit seiner Anspielung gemeint hatte,
war er sehr versucht gewesen, sofort alles abzublasen. In einen Fummel würde
ihn bestimmt keiner bekommen. Zum Glück hatte Klaus ihm versichert, das „Queens
Palace“ sei keine dieser Bars. Er hatte dabei selbst sehr erleichtert gewirkt.
Sie trugen beide ihre übliche Bekleidung, Jupp seine schwarze Lederhose, ein
buntes Shirt und die Lederweste, Klaus seinen grauen Anzug. Allerdings wirkte
er damit nun noch deplazierter hier als Jupp. Dieser gestand sich ein, dass er
es ja ganz amüsant gefunden hätte, hätte Haupt Taube in ein Kleid gesteckt.
Nicht, dass er sich vorstellen konnte, Klaus hätte da wirklich mitgemacht. Aber
lustig wäre es bestimmt geworden.
„Das bringt doch alles nichts. Hier sieht doch fast jeder
verdächtig aus“, sagte Jupp schließlich und kippte sein Kölsch in einem Zug
hinunter. Er deutete auf zwei junge Leute, die am Ende des Raumes vor einer Tür
standen und sich etwas zuzuflüstern schienen. „Was hältst du von denen? Die
tuscheln schon die ganze Zeit.“
„Ich weiß nicht“, erwiderte Klaus.
Die Männer traten jetzt durch die Tür.
„Ich schau mir das mal an“, sagte Jupp hastig und folgte
ihnen.
„Jupp, warte!“, rief Klaus ihm hinterher, doch sein Freund
war bereits verschwunden. Taube zahlte hastig ihre Biere, dann eilte er Jupp
nach.
///
Jupp folgte den beiden Männern durch einen dunklen Flur in
einen Raum am anderen Ende. Auch dort war es so dunkel, dass er kaum eine
handweit sehen konnte. Dafür spürte er, wie jemand nach ihm griff. Instinktiv
wehrte Jupp die Berührung ab. „Komm schon“, flüsterte es da an seinem Ohr. „Du
willst es doch auch, sonst wärst du nicht hier. Ich besorg’s dir richtig hart.“
„Spinnst du.“ Jupp versuchte Distanz zwischen sich und den
Fremden zu bringen, wich zurück und stolperte gegen jemanden. Eine Hand legte
sich auf seinen Arm und hielt ihn fest. „Jupp?“, hörte er Klaus fragende
Stimme.
„Ja“, erwiderte er. Er spürte, wie Taube ihn wegführte und
gegen eine Wand presste. Irgendwo aus dem dunklen Zimmer erklang heftiges
Stöhnen.
“Spinnst du, hier einfach so reinzurennen“, flüsterte Taube. Er stand dicht an
Jupp gepresst.
„Ich dachte doch, vielleicht ist das ein Deal, so wie die
miteinander flüsterten“, erwiderte Schatz zur Verteidigung. „Was tun die hier?“
Das Stöhnen war lauter geworden und schien jetzt von zwei Stellen zu kommen.
„Hast du noch nie was von einem Darkroom gehört?“, fragte
Klaus ironisch zurück. „Und der einzige Deal, den die beiden gemacht haben, war
eine sexuelle Verabredung.“
Jupp schluckte. „Du meinst, die tun es... hier?“
„Genau“, erwiderte Klaus trocken. Er hielt Jupp noch immer
an die Wand gepresst.
„Nichts wie weg“, sagte Jupp und versuchte sich von Taube zu
lösen. Er hatte bestimmt nicht vor Augen- bzw. eher Ohrenzeuge zu werden, wie
zwei Typen es miteinander trieben. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was das
Rascheln von Stoff zu bedeuten hatte, das gerade an sein Ohr drang.
„Nein“, erwiderte Klaus.
„Was?“, fragte Jupp perplex. Klaus wollte doch nicht hier
bleiben und zuhören, wie die es trieben? Oder etwa gar selber mitmachen?
„Jupp, das wäre der ideale Ort, um jemanden Drogen zu
spritzen, ohne dass dieser es rechtzeitig merkt; vor allem, wenn dieser jemand
gerade mit etwas anderem beschäftigt ist“, erklärte Klaus. „Ich würde mich gern
etwas umsehen. Aber dazu müssen sich erst meine Augen besser an die Dunkelheit
gewöhnen. Und es sollte etwas weniger Betrieb hier sein.“
„Können wir nicht später wieder kommen?“, fragte Jupp
unbehaglich angesichts des Gestöhnes um ihn herum. Es schien noch lauter
geworden zu sein. Irgendwo schrie jemand leise auf. Wie viele trieben es hier
eigentlich gerade? Definitiv mehr als das Pärchen, dem er gefolgt war. Der Raum
schien größer zu sein, als er von außen aussah.
„Wir haben uns schon seltsam genug verhalten für diese Bar“,
flüsterte Klaus ihm zu. „Komische Fragen gestellt und vor allem Flirts
abgewiesen, wozu man ja eigentlich hierher kommt. Wenn wir jetzt wieder gehen,
fallen wir noch mehr auf und werden nie etwas in Erfahrung bringen können.“
„Wenn wir nur hier rumstehen, fallen wir auch auf“, sagte
Jupp.
„Wer sagt denn was, von ‚nur rumstehen’“, erwiderte Klaus.
„Aber“, stotterte Jupp, „Du willst doch nicht etwa...“ Er
würde doch nicht? Mit ihm!
„Kannst du stöhnen?“, unterbrach ihn Klaus.
„Was?“, fragte Jupp zurück.
„Stöhn!“, befahl Klaus. Dann ließ er sich auf die Knie
nieder.
Jupp spürte, wie sein Reißverschluss geöffnet wurde. Der
wollte wirklich...? „Klaus“, sagte er alarmiert.
„Stöhn!“, kam es von unten zurück.
Und Jupp begann automatisch zu stöhnen. Klaus Hände umfingen
Jupps Hüften, hielten ihn fest. Doch mehr geschah nicht. Jupp sah auf seinen
Freund hinab und registrierte, dass es für jeden Beobachter so aussehen musste,
als ob Taube ihn einen blasen würde, da im Dunkeln nur vage Umrisse zu erkennen
waren. Er fragte sich unwillkürlich, ob Klaus das jetzt am liebsten wirklich
tun würde. Irgendwie interessierte ihn schon lange, ob Klaus ihn attraktiv
fand. Nicht, dass er je fragen würde. Taube bekam das womöglich noch in den
falschen Hals und dachte, er wäre an ihm interessiert. Aber man durfte ja mal
neugierig sein.
Irgendwie schien sein Freund ja nie sonderlich aktiv zu
sein, sexuell gesehen. Oder er merkte nichts davon. Aber schließlich war Klaus
auch nur ein Mann. Er musste doch gewisse Bedürfnisse haben. Bis auf drei
wusste er von keinen Freunden, die Klaus eventuell hatte bzw. gehabt hatte. Den
ersten, den Klaus nach dem katastrophalen gemeinsamen Urlaub, in dem er ihn mit
dem Surflehrer erwischte, in den Wind geschossen hatte, hatte er nie kennen
gelernt. Dann gab es noch diesen Architekten, Rolf Weinsberg, den sie im Zuge
von Ermittlungen in einem Mordfall trafen. Klaus hatte ihm glücklicherweise den
Laufpass gegeben, als er in die USA abdüste und ihn bat, mitzukommen. Andere
Freunde hatte Klaus nie auch nur erwähnt. Dazwischen war dieser Alex gewesen,
dessen SMS er mal ausversehen gelesen hatte. Aber das war wohl im Endeffekt
auch nichts Ernstes geworden.
Seine Gedanken kehrten zu ihrer aktuellen Situation zurück.
Irgendwie bildete er sich plötzlich ein, Klaus Atem heiß durch den Stoff seiner
Hose zu spüren.
Das Stöhnen im Raum war lauter geworden, hektischer, erregter. Das Zimmer
schien von sexueller Energie erfüllt. Bilder von dem, was sich da wohl
abspielen mochte, formten sich vor Jupps innerem Auge. Er schloss seine Augen
und schob die Vorstellungen bewusst beiseite. So etwas wollte er sich nicht
vorstellen, niemals. Von der Seite ertönte erneut ein heiserer Schrei. Und von
unten hörte er Klaus leise stöhnen.
Als sich die Tür öffnete und mit einem neuen Paar auch Licht
in den Raum fiel, stand Klaus rasch auf und presste sich an Jupp. Dieser spürte
den Atem seines Freundes seinen Hals entlang streifen, dann pressten sich Klaus
Lippen auf die seinigen. Jupp war so überrascht, dass er nicht an Abwehr dachte
und den Kuss geschehen ließ. Klaus’ Lippen fühlten sich erstaunlich weich an,
stellte er in einer entlegen Ecke seines Bewusstseins fest. Das hätte er bei
einem Mann nicht erwartet. Für einen Moment glaubte er, dass sich eine Erektion
an seinen Oberschenkel presste. Dann ließ Klaus von ihm ab.
„Es reicht“, sagte Jupp und wischte sich mit dem Handrücken
über den Mund. Dann stürmte er hinaus.
///
Klaus holte ihn vor der Bar ein. „Es tut mir leid, ich hätte
nicht...“, sagte er.
Jupp winkte ab. „Nichts passiert“, sagte er, obwohl er das
Gefühl hatte, seine Beine würden zittern. Klaus hatte ihn geküsst! Auf den
Mund! „Aber rein gehe ich da heute nicht noch mal“, betonte er.
„Ich glaube, das bringt auch nichts.“ Klaus griff nach Jupps
Arm und führte ihn ein Stück die Straße entlang und in eine andere Bar. Jupp
war von dem eben Geschehenen noch so perplex, dass er sich nicht wehrte und gar
nicht richtig registrierte, wo Klaus ihn eigentlich hinbrachte. Irgendetwas mit
Cafe, wie er vage am Türschild bemerkte.
Anders als das „Queens Palace“ wirkte diese Bar jedoch
gepflegt und ruhig. Nur gedämpfte Musik war zu hören. Die Luft war klar. An den
geschmackvoll dekorierten Tischen saßen einige Pärchen, zumeist Herren in ihrem
Alter, offensichtlich in angeregter Unterhaltung, und zwei offensichtlich
allein anwesende Gäste. Es schien ein kleines, eher intimes Lokal zu sein, das
von etwas reiferen Besuchern bevorzugt wurde, und der Barkeeper in seinem
bunten Hawaiihemd, der hinter dem Tresen stand, war wohl das einzige anwesende
Personal.
Klaus schob Jupp in eine der Nischen, die ihnen einen
gewissen Sichtschutz bot, bestellte sich einen Tee und Jupp ein weiteres
Kölsch.
„Noch eine Schwulenbar?“, fragte Jupp.
Klaus nickte.
“Dafür, dass es nicht dein Stil ist, kennst du dich aber erstaunlich gut in der
Szene aus“, sagte Jupp lächelnd.
„Ich habe den schwulen Stadtführer gelesen, als feststand,
dass ich in Köln bleibe“, gestand Klaus. „Man weiß ja nie, wozu man es
gebrauchen kann.“
Ihre Getränke kamen und Jupp nahm einen tiefen Schluck,
während Klaus nur an seinem Tee nippte.
„Der Abend war ein ziemlicher Reinfall, was?“, sagte Jupp.
Klaus zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, wir suchen am
falschen Ort“, meinte er dann.
„Die Toten wurden hinter dem ‚Queens Palace’ gefunden“,
erwiderte Jupp.
„Schon“, sagte Klaus. „Aber das heißt nicht, dass sie selbst
vorher dort waren oder ihren mutmaßlichen Mörder dort kennen lernten.“
„Du meinst, jemand hat die Leichen hingeschafft?“, wunderte
sich Jupp. „Das scheint hier eine um diese Zeit ziemlich gut frequentierte
Gegend zu sein. Das Risiko entdeckt zu werden, während man eine Leiche durch
die Gegend schleppt, wäre doch viel zu hoch. In den Hof fahren kann man nicht,
das haben wir gesehen. Und die Leichen wurden doch wohl alle schon um
Mitternacht gefunden, also bevor es auf der Straße und in den Bars ruhiger
werden dürfte.“
„Ich dachte eher daran, die Männer wurden hingelockt und
dann dort getötet“, erwiderte Klaus.
„Womit willst du einen anständigen Mann in den Hinterhof
einer schmutzigen Bar locken?“, wunderte sich Jupp. „Mülltonnentourismus?“
„Mit dem Versprechen auf schnellen Sex“, erwiderte Taube
trocken.
Jupp schluckte. „Du meinst, die wollten mit ihrem Mörder ein
Nümmerchen schieben? Dort?“
Taube nickte. „Möglich. Nun kuck nicht so entsetzt, Jupp.
Denkst du, Heteros tun das nur brav unter der Bettdecke? Du würdest dich
wundern. Allerdings ist es in unseren Fällen nicht zum Sex gekommen. Keine der
Leichen wies Spuren eines kurz vor ihrem Tode durchgeführten Geschlechtsaktes
auf.“
„Danach?“, fragte Jupp. Sein Beruf hatte ihm längst gelehrt,
mit allem zu rechnen.
„Nein.“ Taube schüttelte den Kopf.
„Dann kann es Sex nicht sein“, sagte Schatz.
„Vielleicht doch“, erwiderte Klaus.
„Ich verstehe nicht.“
„Schau, Jupp, du hast das Publikum im ‚Queens Palace’
gesehen. Die Toten waren alle in unserem Alter. Sicher kommt der eine oder
andere auch dort hin, aber die übliche Klientel ist es nicht. Alle drei Toten
waren das, was man als braven, unbescholtenen Bürger bezeichnet, angesehene
Geschäftsleute zudem. Zwei waren verheiratet, einer hatte sogar zwei Kinder.
Ihre Angehörigen konnten sich nicht annährend vorstellen, was sie in dieser
Gegend getrieben haben sollten.“
„Ein schwules Doppelleben also“, stellte Jupp fest.
„Tagsüber brav hetero, nachts heimlich durch die Schwulenszene ziehen und
fremde Männer aufreißen:“
„Ich nehme es an“, sagte Taube. „Wir wissen zwar nicht, ob
die Opfer wirklich homosexuell waren, aber angesichts des Fundortes möchte ich
es vermuten. Nach Hause konnten oder wollten sie ihre Bekanntschaft nicht
nehmen. Also wollten sie mit ihrem Mörder mitgehen, vielleicht in seine
Wohnung, vielleicht in ein Stundenhotel.“
„Oder hinter die nächste Mülltonne, weil sie es so nötig
hatten“, sagte Jupp. „Wer hat die Toten eigentlich gefunden?“ Er hatte es Klaus
überlassen, die Berichte der Kollegen von der Drogenfahndung zu lesen und ihn
über das Nötigste zu informieren, bevor sie das „Queens Palace“ aufsuchten. Die
Identität der Finder der Leichen war dabei noch nicht gefallen.
„Die ersten zwei verschiedenes Personal aus dem ‚Palace’,
als es den Müll rausbrachte, den letzten ein Pärchen, dass offensichtlich genau
dort ebenfalls ein kleines Tete-a-tete halten wollte. Alle wurden befragt, konnten
aber keine weiteren Angaben machen. Sie konnten sich auch nicht erinnern, die
Toten vorher in der Bar gesehen zu haben. Aber bei dem Andrang dort hat das
meiner Meinung nach nicht unbedingt etwas zu sagen“, erläuterte Klaus.
„Du denkst aber, sie haben in einer der Bars hier ihren
Mörder aufgegabelt oder der sie? Jemand, der Homosexuelle hasst und der sie
dann unter falschen Versprechungen in den Hof gelockt hat?“, fragte Jupp.
„Jemand, der Homosexuelle mit einem Doppelleben hasst“,
erwiderte Klaus. „Hätte er es nur auf Schwule allgemein abgesehen, er würde
genug andere Opfer hier finden und wahrscheinlich wahllos töten. Aber alle drei
passen in das gleiche Schema.“
„Verstehe“, sagte Schatz. „Ein irrer Moralapostel also?“
„Möglich“, sagte Taube. „Vielleicht jemand, der seine eigene
Homosexualität unterdrückt und den Selbsthass, den er deshalb entwickelt hat,
auf andere projiziert. Oder jemand, dessen Leben aus den Fugen geraten ist
durch das Doppelspiel eines anderen, seines Vaters zum Beispiel und der sich
nun dafür an Männern rächt, die diesem ähneln.“
„Es könnte also theoretisch auch eine betrogene Ehefrau
sein, die sich dafür rächen will, dass ihr Mann sie mit anderen Kerlen betrog,
ihr seine homosexuellen Neigungen verschwieg“, überlegte Jupp.
„Möglich“, sagte Taube erneut. „Aber eher unwahrscheinlich.
Warum sollte ein schwuler Mann hier mit einer fremden Frau mitgehen?“
„Stimmt“, erwiderte Jupp. „Gibt es Verbindungen zwischen den
Opfern? Könnten sie den gleichen Geliebten gehabt haben? Einer, der seine
Partner der Reihe nach umbringt, aus welchen Gründen auch immer?“
„Bis jetzt ist nichts bekannt. Es scheint auch
unwahrscheinlich, dass sie eine feste homosexuelle Beziehung hatten. Aber wir
müssen das noch weitergehend recherchieren lassen. Die Kollegen klärten ja nur
die Identität der Opfer, da sie von selbstverschuldetem Ableben ausgingen. Da
alle Papiere bei sich hatten war das eine reine Routineangelegenheit.“ Klaus
hatte seinen Tee mittlerweile ausgetrunken und erhob sich. „Ich gehe mal zur
Toilette.“
„Aber keine Dummheiten machen“, erwiderte Jupp grinsend.
Klaus nahm seine leere Tasse und stellte sie auf die Theke,
dann verließ er die Bar. Der Barkeeper nickte ihm dankbar zu. Während Jupp sein
Kölsch austrank, beobachtete er, wie ein junger Mann den Raum betrat und sich
suchend umsah. Dann blieb sein Blick auf Jupp haften. Nicht schon wieder einer,
dachte dieser. Warum hielt man ihn nur laufend für schwul und machte ihn an?
Dann fiel ihm ein, wo er war. Es war wohl nur logisch anzunehmen, dass jeder
Mann, der sich in einer dieser Bars aufhielt, auch schwul war. Warum sollte ein
Hetero auch eine Schwulenbar aufsuchen? Zumindest freiwillig?
„Ist hier noch frei?“, fragte der junge Mann – er mochte
etwa Mitte 20 sein und hatte blondes, leicht gewelltes, schulterlanges Haar,
trug sportlich-moderne Kleidung – und setzte sich, ohne Jupps „Nein“ zu
beachten auf Klaus’ Stuhl.
Er lächelte Jupp an. „Ich seh’ dich zum ersten Mal hier“,
sagte er.
„Ich bin auch zum ersten Mal hier“, erwiderte Jupp. „Und ich
wäre gern allein.“
„Hattest du schon dein Coming Out?“, wollte der andere
wissen. „Wenn nicht, helfe ich dir gern dabei. Ich heiße übrigens Daniel.“
Seine Hand wanderte auf Jupps Schenkel. „Kannst Danny zu mir sagen. Und ich
finde, du siehst einfach sexy aus.“
„Ich bin nicht schwul“, erwiderte Jupp und schob die Hand
von sich.
„Klar“, erwiderte Daniel. „Deshalb bist du ja auch hier. Ich
zeig’ dir gern, wie viel Spaß zwei Männer miteinander haben können. Viel Spaß,
glaube mir.“ Er lächelte zweideutig, rutschte vom Stuhl zu Jupp auf die
Sitzbank, die dieser okkupierte, und legte einen Arm um Jupps Schulter.
Jupp schob ihn von sich. „Ich sagte bereits, ich bin nicht
schwul. Und bestimmt nicht interessiert“
„Hast du Familie?“, wollte Daniel wissen.
“Einen Sohn“, erwiderte Jupp knapp, in der Hoffnung, dies würde seinen
aufdringlichen Verehrer überzeugen, dass er nicht schwul sei.
„Und deine Frau?“
„Ich wüsste nicht, was dich das angeht“, knurrte Jupp und blickte
sich um. Wo blieb nur Taube? So lange brauchte doch kein Mensch auf dem Klo.
Der würde doch nicht etwa... vielleicht gab’s hier ja auch so einen Darkroom?
„Weiß sie von dem hier?“, hakte Daniel nach und
gestikulierte um sich.
“Sie ist tot“, erwiderte Jupp knapp. „Und jetzt lass mich gefälligst in Ruhe!“
„Bestimmt hat dein Doppelleben sie umgebracht“, erwiderte
der junge Mann und beugte sich zu Jupp. Der glaubte für einen kurzen Moment
irgendetwas in dessen Augen aufglimmen zu sehen, konnte aber nicht deuten, was
es war. Hass? Ekel? Wut? Alles
zusammen?
„Jetzt reicht es...“ Schatz wurde von einem Räuspern
unterbrochen. Klaus stand vor ihrem Tisch, griff ziemlich unsanft nach Daniels
Arm und zog ihn auf die Füße. „Ich darf mal“, sagte er und glitt neben Jupp auf
die Sitzbank. Bevor Jupp sich versah, hatte Klaus den Arm um ihn gelegt und ihn
geküsst. Schon wieder! Das wurde ja langsam zur Gewohnheit. Dann wandte Klaus
sich zu Daniel um, der sie anstarrte. „Verzieh dich“, sagte er.
Jupp löste sich hastig von Klaus nachdem Daniel gegangen war
und rückte ein Stück zur Seite. „Mann-o-Mann was das ein aufdringlicher Typ“,
sagte er. „Wo steckst du denn so lange?“
„Ich habe mich hinten mal etwas umgesehen“, erwiderte Klaus.
„Kein Darkroom oder ähnliches. Auch die Toiletten sehen nicht so aus, als
würden sie zu etwas anderem als ihrem ursprünglichen Zwecke genutzt. Alles sehr
gepflegt.“
„Mit anderen Worten, der Laden scheint sauber“, erwiderte
Jupp.
Klaus nickte. „Sieht so aus. Zumindest auf den ersten Blick.
Nichtsdestotrotz könnte der Mörder hier seine Opfer getroffen haben. Wir
sollten uns die nächsten Abende noch etwas hier umsehen. Ob jemand regelmäßig
kommt, Männer anspricht etc. Vielleicht finden wir hier auch eher jemanden, der
uns Auskunft geben kann, zumindest ob die drei Toten hier waren. Diese Bar
passt viel besser zu ihnen als das ‚Queens Palace’ und es ist die dem ‚Palace’
nächstgelegene. Wenn der Mörder seine Opfer in der Nähe traf, wäre sie für mich
die erste Wahl.“
Jupp nickte. „Wir lassen uns morgen Fotos geben, die wir
hier rumzeigen können. Außerdem sollen Gino und Achim noch ein bisschen im
Privatleben der Toten rumschnüffeln. Vielleicht gab es ja doch einen Geliebten
oder zumindest jemanden, zu dem sie regelmäßig Kontakt hatten und der weiß, was
sie in ihrem Doppelleben so trieben, wen sie trafen, wo sie hingingen und so
weiter.“ Er sah Taube an. „Könnte es nicht auch ein Stricher gewesen sein? Oder
ein Junkie, der Geld für den nächsten Schuss brauchte?“
„Es wurde nichts entwendet, Jupp, nicht einmal die Papiere.
Deshalb dachten die Kollegen ja zunächst nicht an Mord. Stricher oder Junkies
hätten mit Sicherheit zumindest das Geld an sich genommen. Eines der Opfer
hatte über 200 Euro bei sich. Außerdem würde kein Junkie seinen Stoff für einen
anderen vergeuden. Der hätte sein Opfer niedergeschlagen oder -gestochen oder
ähnliches.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, für mich sieht das ganze wie eiskalt
geplante Morde an einer bestimmten Art von Homosexuellen aus; Morde, die auf
mehr als den ersten Blick wie Selbstmorde aussehen sollen. Die Spritze neben
den Toten, die Vollständigkeit ihrer persönlichen Sachen, das Fehlen jeglicher
Spuren von Fremdeinwirkung, all das spricht eindeutig dafür. Da steckt ein
womöglich wahnsinniger, aber nichtsdestotrotz klarer Geist dahinter, kein
Drogenrausch.“
Jupp stand auf und winkte dem Barkeeper, er wolle zahlen.
„Dann lass uns für heute Feierabend machen. Wir kommen jetzt eh nicht weiter
und ich will Flo wenigstens noch gute Nacht sagen können.“ Sein Sohn hatte
alles andere als begeistert reagiert, als sein Vater ihm sagte, das er mal
wieder einen Abend nicht zu Haus sein würde. Auch die Aussicht auf ungestörtes
Fernsehen und die Wahl eines Programms, dass Jupp ihn nicht ohne Weiteres
erlauben würde, hatte den Jungen nur wenig getröstet. Zu oft musste er seinen
Vater entbehren, weil dessen Beruf vorging. Jupp war sich dessen wohl bewusst,
konnte es aber nur schwer ändern. Mörder hielten sich nun mal leider eher
selten an geregelte Arbeitszeiten.
Im Herausgehen sah er noch, wie sein aufdringlicher Verehrer
an einem der Tische saß und sich mit einem anderen Mann unterhielt.
Offensichtlich hatte er dort mehr Erfolg mit seinem Annäherungsversuch.
///
„Was ist los?“ Schlaftrunken murmelte Jupp in den
Telefonhörer, nachdem ihm das Klingeln mitten in der Nacht aus dem Schlaf
gerissen hatte. Er konnte höchstens zwei Stunden geschlafen haben. Es wir noch
nicht mal eins, wie er mit einem Blick auf die Uhr feststellte.
Kurz darauf war er hellwach. „Verdammt! Nicht noch einer.
Weckt Taube und sagt ihm, ich hole ihn gleich ab. Wir kommen sofort.“
///
Keine halbe Stunde später standen sie hinter dem „Queens
Palace.“ Die Kollegen der Spurensicherung waren schon fleißig am Werk und auch
Pathologin Marie Weiß war bereits eingetroffen. „Überdosis“, stellte sie fest.
„Was genau, kann ich Ihnen morgen nach der Blutanalyse sagen.“
„Wir haben die Spritze“, berichtete Gino Bruni und hielt
eine Plastiktüte hoch, in der sich das fragliche Stück befand.
„Auf Fingerabdrücke untersuchen und die ganze Gegend nach
Spuren absuchen, Fußabdrücke etc. Und das mir keiner die Kneipe verlässt, bevor
nicht seine Personalien aufgenommen und er befragt würde“, befahl Jupp, dann
trat er zu der Leiche – und stutzte.
„Klaus!“, rief er. Taube, der sich im Hof umgesehen hatte,
kam an seine Seite. „Ich kenne den Mann“, sagte Jupp. „Er saß vorhin in dieser
anderen Bar.“
Taube nickte. „Mit deinem aufdringlichen Verehrer, ich habe
ihn auch gesehen.“
///