15
„Okay, Jim? Was ist
passiert?", fragte McCoy nachdem sie schweigend den gesamten Weg in die
Krankenstation gegangen, mehr geeilt waren.
McCoy war voran gestürmt
und Kirk war dem Arzt nur stumm und in sich gekehrt gefolgt. Nun schloss McCoy
die Tür zu seinem Büro, stellte seine Tasche auf einen Tisch und holte eine
Flasche mit zwei Gläsern aus einem Schrank. Er stellte eines lautstark vor Kirk
um ihn aus seiner Apathie zu wecken. „Erzähl ... was war los?"
„Bones? Wenn du ..."
Kirk sah auf das Glas und dann in die hellblauen Augen, die ihn nun argwöhnisch
musterten. „Bist du unten fertig?"
„Ja!", antwortete
McCoy herausfordernd. „Also?"
„Nun, bevor ... ich meine
bevor wir etwas trinken, vielleicht siehst du dir meine Hand an. Ich glaube sie
ist gebrochen und es schmerzt wirklich. Ich habe ..."
McCoy erschrak, stellte die
Flasche polternd auf den Tisch ohne den Blick von Kirk zu wenden und griff nach
dem ausgestreckten Arm. Er schob vorsichtig das Uniforhemd hoch und holte
zischend Luft, als er die beginnende bläuliche Schwellung sah. „Das ist gebrochen ..."
Blind griff er nach dem
Intercom und schaltete es ein. „Christine? Bringen Sie mir einen Dermolaser und
den Knochenregenerator ..."
„Ja, Doktor ..."
„Oder besser ... warten
Sie. Ich mache das gleich selber in der Station."
„Ja, Doktor. Benötigen Sie
meine ..."
„Nein. Ich mache das schon
...." McCoy sah bestimmend zu Kirk hoch. „Komm ..."
Kirk schluckte nervös,
hatte den stummen Vorwurf in den blauen Augen gesehen. „Bones, ich kann nichts
..."
„Nein, ... nein ...
Jim", murmelte McCoy und hob die Hände. „Ich ... muss nachdenken,
okay?"
„Okay ..." Kirk folgte
ihm in den Vorraum und setzte sich auf die Untersuchungsliege. McCoy begann
stumm den Arm auf eine Vorrichtung zu legen und mit diversen Geräten den
Knochen zu untersuchen, zu richten und den Bruch zu behandeln. Ab und an
blickte er Kirk musternd an und wendete sich murmelnd wieder seinen Geräten zu.
„War das Spock?",
fragte McCoy plötzlich, als er das Gerät angeschaltet hatte, in dem er Kirks
Handgelenk platziert hatte.
Kirk verschluckte sich
fast, als der Arzt überraschend sein Schweigen brach. „ Wie ... kommst du
darauf?"
McCoy deutete mit dem Kopf
auf die nun sichtbaren dunklen Male einer kräftigen Hand um das Gelenk, die
gerade vom Dermo- und Knochenlaser behandelt wurden. „Weil nur er so viel Kraft
hat und ... jeder andere säße inzwischen in der Sicherheitszelle."
Kirk presste geschlagen die
Lippen zusammen, zog eine Grimasse und nickte. „Da hast du wohl Recht. Es war
... keine Absicht. Ein Versehen."
„Ein Versehen ..."
McCoy sah wieder hoch, wirkte nicht überzeugt. „Weiß er es?"
Kirk schüttelte den Kopf.
„Ich denke ... Nein. Ich habe es ihm nicht gesagt und habe es nicht vor. Er
konnte nichts dafür."
„Okay. Das sollte reichen.
Sei etwas vorsichtig die nächsten Stunden damit. Der Knochen ist erst in 24
Stunden richtig gefestigt und voll belastbar. Komm ..." McCoy schaltete
das bläuliche Licht über Kirks Hand aus und nickte in Richtung Büro. „Geh schon
mal vor. Ich räum das hier noch weg ... bedien dich ..."
Kirk sprang erleichtert vom
Bett und ging ins Büro, setzte sich schwer auf einen Stuhl, bewegte und dehnte
die Finger der eben noch gebrochenen Hand vor den Augen ohne sie wirklich zu
sehen. Es fühlte sich noch etwas taub an, doch die Schwellung und auch der
Bluterguß waren fort. Er blickte auf den Brandy und schob das Glas fort, als
sein plötzlich flauer Magen ihn erinnerte, dass er noch kein Frühstück gehabt
hatte.
„Keinen Brandy?" McCoy
kam herein und schien den Gedanken zu ahnen. „Du hast noch nichts gegessen,
oder?"
„Nein .... erraten."
Kirk schüttelte den Kopf.
„Das war keine Kunst. Spock
also ... auch nicht?"
Kirk sah den Arzt
unschuldig an.
„Warum wusste ich
das?" McCoy drehte sich brüsk um und ließ Kirk allein. Er kehrte Momente
später mit zwei Tabletts zurück, gefüllt mit Kaffee, Früchten und Toast. Ein
stationärer Replikator, der Luxus der Krankenstation.
„Iss ... und ich erzähle
zuerst was geschehen ist, dann du. Ich denke, das wir deinem gerade eben sehr
sehr vulkanischen Offizier seine vulkanische ´Stunde´ geben sollten. Für eine
weitere Konfrontation mit diesem spitzohrigen Sturkopf habe ich heute ohnehin
keine Energie mehr und er wirkte nicht, als ob er zum Kaffeekränzchen einladen
möchte."
McCoy stellte ein Tablett
vor Kirk und ein anderes auf seinen Platz, setzte sich dann schnaufend und
begann sich einen Toast mit Butter zu schmieren. „Ich habe mit Braman
gesprochen. Besser: Er hat ´mich´ angesprochen. Er weiß es. Das war aber auch
so klar. Er hätte blind und ein schlechter Arzt sein müssen um nichts zu
bemerken und das ist er beides nicht. Aber ...", gestikulierte McCoy mit
einem Messer in der Luft. „Er hat natürlich die ärztliche Schweigepflicht, wie
auch ich. Obwohl sie in diesem Fall, wenn es um eine Droge geht, natürlich
etwas anders ausgelegt wird. Er wird es jedenfalls nicht melden und auch Fink
nicht. Braman erwähnte etwas ... Fink sollte mit dir gesprochen haben?"
Kirk nickte kauend und runzelte
die Stirn. „Hat er ... und ... es hat mir nicht gefallen."
McCoy schüttelte langsam
den Kopf. „Nein ... sicher nicht. Ich habe die Verletzungen gesehen ...
außerdem habe ich die Bänder vor Braman bekommen. Spock ist unter unserer ...
nenn es Zuständigkeit oder Verantwortung .... jetzt und ..."
Kirk hielt es nicht mehr
aus. „Ich war dort. In den Räumen eines dieser Brüder. Delek? Diese Mistkerle
haben ihn gefoltert und ... noch mehr, was er nicht mehr weiß aber ..."
McCoy hob die Hand. „Sein
Körper weiß es, Jim, und er wird es auch wieder wissen, wenn ... wenn er es
zulässt."
„Was heißt: Wenn er es
zulässt?" Kirk sah hoch und griff nach seinem Kaffee, doch McCoy
schüttelte den Kopf.
„Nein ... erst einmal
möchte ich jetzt wissen, was passiert ist. Er wirkte wie eine tickende Bombe,
als ihr ins Labor kamt und ... er war auch eine. Das letzte Mal, dass ich ihn
so erlebt habe, ist noch nicht allzu lange her. In seiner Kabine, Minuten bevor
und auch nachdem er eine Dosis dieses Zeugs bekommen hat, oder besser ... sich
selbst injiziert hat."
„Du hast noch nicht alles
von Braman erzählt", unterbrach Kirk.
„Nein." McCoy sah ihn
durchdringend an, gab keinen Zentimeter nach. „Also?"
Er deutete mit einer Hand
auf Kirks Handgelenk. „Er war schon auf Entzug, hm? Daher?"
Kirk nickte bedrückt, als
ihm die Szene im Lift wieder vor Augen war. „Ja ... ziemlich, er sagte ... eine
halbe Stunde schon ... und es wurde minütlich schlimmer. Ich hab es ihm
gegeben. Im Lift. Es ging ihm schon schlecht."
McCoy nickte nur stumm und
wartete, beobachtete Kirk intensiv.
Kirk blickte auf die
Kaffeetasse in seinem Schoss und wartete einen Moment. „Er ... will es
absetzen. Er ist irgendwie ... durcheinander und fast wütend ... ich weiß es
nicht. Vielleicht habe ich zu viel gesagt. Jedenfalls waren die Mauern erst
unten ... dann wieder oben und ... er ist entschlossen, dass er dieses Zeug
nicht mehr nehmen wird und .... ich kann es ihm nicht verdenken. Es ist eine
Droge. Er ist Vulkanier und er ist ... Spock. Spock nimmt keine Drogen, wenn er
nicht gezwungen wird."
Kirk sah hoch. „Bones ...
es raubt ihm seine Sinne, seine Fähigkeiten und Kontrollen und ... vermutlich
noch mehr."
„Noch mehr!" McCoy sah
ihn ernst an und nickte langsam. „Was ... hast du ´zu viel´ gesagt? Ihr habt gestritten,
oder?"
Kirk blickte zur Seite und
schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht und selbst wenn ... Bones, ich denke,
dass ist etwas was ...
zwischen uns bleiben
sollte."
„Nun gut ..." McCoy
lehnte sich bedächtig zurück. „Wie du meinst. Aber das andere ist nichts, was
ihr oder er alleine schafft. Er kann das Mekantin nicht einfach so ...
absetzen."
Kirk schwieg und sah den
Arzt fragend an, der nun die Arme auf den Tisch stützte und die Hände vor dem
Gesicht verschränkte. Einen Moment sprach niemand, dann wiederholte McCoy seine
Worte, sanfter dieses Mal. „Er kann es nicht einfach absetzen."
„Warum?", brachte
Kirk, plötzlich heiser, heraus.
„Weil das sein Tod
wäre." McCoy ließ die Worte einen Moment im Raum hängen und faltete die
Hände neu, visierte den Tisch an als er weiter erklärte. „Ich hatte Recht mit
meinen Befürchtungen und ich wünschte, ich hätte es dieses Mal nicht gehabt.
Die Schmerzen, wenn das Mekantin entzogen wird, dauern Stunden an, ziehen sich
durch das komplette neurale System. Er hat keine Möglichkeit sie oder auch die
verkrampfte Muskulatur dann zu kontrollieren. Sie würden ihn zunächst in den
Irrsinn treiben und schließlich ... sein kompletter Metabolismus würde
zusammenbrechen und ... Jim, muss ich dir mehr erklären?"
Kirk stellte sehr langsam
die Kaffeetasse auf den Tisch. „Ich denke ... ja."
***
Der abschließende Bericht
an Commander Fink war seit 15 Minuten fertig und Spock hatte ihn wie
angekündigt abgeschickt. Er würde jetzt bereits bei dem Commander vorliegen,
damit war sein Teil der SI Mission beendet und abgeschlossen. Eine
Identifizierung der Gefangenen und überführten Kolonieleiter und ihrer Helfer
seinerseits war nicht zwingend nötig, doch er sollte zur Verfügung stehen,
falls doch.
Ein weiteres Mal
fokussierte Spock seine Gedanken auf diesen Fakt, um sich auf einen Punkt
konzentrieren zu können und veränderte leicht seine Position auf dem Kissen auf
dem er kniete. Ein weiteres Mal war er erfolglos. Wieder schoben sich Bilder in
sein Denken, die er hatte meistern wollen.
Drogen. Meditation war
nicht möglich.
Spock verfolgte
systematisch die Auswirkungen des Mittels in seinem Blutstrom und Nervensystem
und kam wieder mit dem gleichen Ergebnis heraus, was er bereits vor Minuten
erreicht hatte. Mekantin, eine mittlerweile gewohnte Dosis. Es war die Ursache
und es war nicht akzeptabel. Er war Vulkanier. Sein Körper und seine Sinne
waren sein Erbe. Er benötigte sie zum Denken, zum existieren. Die Droge
veränderte dies. Nicht akzeptabel.
Sein Verhalten gegenüberJim
war unangemessen gewesen. Der Mensch war sein Freund, sein Captain. Er hatte
helfen wollen und er hatte erkannt, was Spock selbst ignoriert hatte. Das
Verlangen seines Körpers. Wie lange hatte er es kontrolliert und sich verboten?
Kontrolliert um Jim zu schützen. Zu schützen, was sein Freund aus Unwissenheit
forderte. Der Mensch war nicht bereit sich für ein Leben zu binden. Nicht an
ihn. An niemanden.
Die Droge hatte mehr
verändert, als er zunächst wahrgenommen hatte. Das verbotene körperliche
Verlangen war da, stark wie eh und je, vermutlich stärker. Schlechter zu
kontrollieren. Es war da, nicht zu verleugnen, nicht mehr jedoch der Instinkt
sich zu binden. An seinen Thyla zu binden. Das wäre die unmittelbare Folge
eines intimen Kontaktes gewesen. Vorher ... ohne Droge.
Er hatte Jim schützen
wollen, vor sich, seinem Instinkt, seiner vulkanischen Natur. Er hätte keine
Kontrolle darüber gehabt. Die Droge hatte diese Instinkte mitsamt seinen
telepathischen Wahrnehmungen eingelullt, unterdrückt, blockiert. Er konnte es
kontrollieren? Einen intimen Kontakt kontrollieren? Intimer Kontakt ohne eine
zwingende Bindung? Ohne Jim zu einer Entscheidung zu zwingen, die er nicht
treffen konnte oder wollte? Eine andere Form von Kontrolle. Menschlich? Nur
Menschen konnten intim miteinander verkehren ohne sich zu binden. Er auch?
Trotz seines Instinktes? Kontrolle. Es war möglich? Zu viele Fragen.
Er hatte auch jetzt keine
Kontrolle, gestand Spock sich ein.
Doch er hatte dem Verlangen
nachgegeben. Jim geküsst, wie es Menschen taten. Sein Körper hatte reagiert,
doch nicht seine Instinkte. Allein der Gedanke daran ließ Spock die Augen
öffnen und mit zwei Fingern seine Lippen berühren. Er hatte Jim geküsst, auf
die Art der Menschen und sein Körper hatte reagiert, wiederholte er diesen Fakt
für sich. Etwas, was er sich zuvor seit langem verboten hatte. Die Reaktion.
Eine Auswirkung der Droge, nicht seines Willens? Eine Reaktion seines Körpers,
nicht seines Verstandes. Doch er hatte Jim nicht mental gespürt, wie es hätte
sein sollen. Müssen. Kontrolle und doch nicht Kontrolle? Seine Gedanken waren
chaotisch.
Nicht akzeptabel.
In etwas weniger als zwei
Stunden würde sich die jetztige Mekantin Dosis abbauen. Sie würde nicht
erneuert werden dürfen. Er würde den Entzug durchstehen müssen und wieder Herr
seiner Entscheidungen sein, seiner Sinne und Fähigkeiten. Es war nicht logisch
seine Natur zu verleugnen oder zu ... betrügen. Eine selbst zerstörerische
Lüge. Nicht logisch.
Der Türsummer unterbrach
seine wirbelnden Gedanken und Spock ließ die Hand sinken, die noch immer an
seinen Lippen ruhte. Er holte tief Luft, wusste, dass es nur eine Person gab,
die ihn jetzt aufsuchen würde.
Jim. Sein Freund. Sein
Captain. Sein Thyla. Vertraut.
Die einzige Person, die ihm näher war als es je ein anderes Individuum gewesen
war. Die Auswirkungen der Droge und seine Entscheidung betrafen auch Jim. Fakt.
Nur die Wahrheit war logisch.
„Komm herein",
flüsterte er kaum hörbar und gab dem Computer die Anweisung die Tür zu öffnen.
***
Die Tür zum Quartier des
Vulkaniers öffnete sich und Kirk trat in die halbdunkle Kabine. Er sah Spock
nicht sofort, doch ahnte wo er seinen Freund finden würde.
Kirk legte die kleine
Tasche, die ihm McCoy ausgehändigt hatte auf den Bürotisch und ging in den
Schlafbereich. Der Vulkanier kniete auf einem breiten Kissen auf dem Boden vor
der rötlich glühenden Statue. Er hatte ihm den Rücken zugewandt und den Kopf
gesenkt. Meditation? Vermutlich benötigte er das.
Kirk setzte sich auf das
Bett und wartete, dass Spock bereit war mit ihm zu sprechen. Es war selten,
doch zwischen ihnen nicht ungewöhnlich, dass der Vulkanier minutenlang in
seiner meditativen Starre verharrte bevor er bereit war zu sprechen oder ihn
überhaupt zu registrieren. Die Bitte Spocks an ihn hereinzukommen dann eher
eine rein reflexartige Reaktion auf seine Umwelt. Eine unbewusste Reaktion
eines Vulkaniers der vertraute, eine die nur ihm, Kirk, vorbehalten war.
Heute war es anders. Spock
hob sofort den Kopf und sah über die Schulter zweifelnd zu ihm, dann wieder auf
seine gefalteten Hände.
„Ich wollte nicht deine
Meditation stören, Spock."
„Ich ... meditiere nicht.
Ich habe ... nachgedacht."
„Ah ... und?" Kirk
blickte auf den angespannten Rücken seines Freundes, der mehrmals tief Luft
holte, bevor er leise weitersprach. Lange Finger fanden ihre Position in
gefalteten Händen und arrangierten sich mehrmals neu. Rastlos und unruhig.
„Mein Verhalten dir
gegenüber war unangemessen. Es darf nicht erneut vorkommen."
„Ist das eine ...
offizielle ... Entschuldigung, Spock? Oder ein Eingeständnis unter ...
Freunden?"
Spock drehte sich um und
musterte Kirk einen Moment. Nach einem kurzen Blinzeln blickte er auf den
Boden. „Unter Freunden. Verzeih, Jim. Ich hätte dich nicht ..."
Blitzschnell lehnte sich
Kirk vor und griff in Spocks Nacken, zog den überraschten Vulkanier zu sich und
küsste ihn. Spock machte ein überraschtes Geräusch doch Kirk hielt ihn fest und
schob seine Zunge fordernd zwischen warme Lippen.
Ein kaum spürbares Zittern
lief durch den Vulkanier und er schob Kirk weg, griff nach der Hand in seinem
Nacken und entfernte sie. „Nein ... Jim, nicht", flüsterte Spock leise.
„Warum Spock?", fragte
Kirk und behielt die warme Hand in seiner. „Warum vorhin im Lift ... und warum
jetzt nicht? Du weißt, dass ich es will ... doch ich warte. Natürlich warte ich
... aber du hast es angefangen. Weißt du denn was du willst? Ich bin nur ein
Mensch, aber ich erkenne Verlangen, wenn ich es sehe. Warum? Oder will dein
Körper etwas anderes als dein Geist?"
Spock blickte zur Seite.
„Nein ... nein ... es war nicht angemessen. Jim, du verstehst nicht."
„Vielleicht nicht.
Vielleicht doch." Kirk verschränkte die Arme auf der Brust und seufzte.
„Spock. Du machst es mir nicht leicht und auch dir nicht. Ich weiß nicht viel
von dem, was dich belastet, weil du es schlicht nicht sagst und deine Mauern
oben sind aber ich weiß, was mich belastet. Ich liebe dich ... und ich habe
nicht vor das zu ändern. Ich sehe nicht gern zu, wie es dich innerlich
auffrisst und ich werde doch 100 Jahre warten, wenn du es so möchtest, aber ich
habe auch in Mathematik aufgepasst. Du hast keine ... 100 Jahre."
Kirk wartete einen Moment,
doch wich dem Blick der nun fast schwarzen Pupillen nicht aus und beugte sich
etwas vor. „Ich weiß du empfindest ähnlich ... sehr ähnlich, doch ich weiß noch
immer nicht, wie du ´Liebe´ interpretierst. Aber ... Spock .... wenn du dich
nicht bald entscheidest, dir etwas einzugestehen und dich mit mir ... zu
binden, dann hast du nicht einmal drei Jahre. Denn dann werde ich dich gehen
lassen müssen, damit du einen anderen Bindungspartner findest. Einen den du
vielleicht nicht so sehr schützen willst, dass du eine Bindung sogar fürchtest.
Damit du überlebst ... denn ich werde nicht zulassen, dass du dich ..."
„Jim", krächzte Spock und
schluckte nervös, sah ihn mit geweiteten Augen an. „Du willst, dass ich ...
einen anderen .... dass ..."
„Nein! Aber wenn ich muss
... dann werde ich es. Vielleicht ist es meine Schuld, vielleicht hätte ich
viel eher klar machen sollen, was du mir bedeutest oder ... Spock? Ich will es
nicht. Ich will dich nicht gehen lassen aber ich will auch nicht zusehen, wie
du dich zuerst selbst hinter dicken Wänden verkriechst und hinterher umbringst
... um mich zu schützen? Vor etwas, was ich ´will´? Und du ... Spock?"
Spock hatte die Augen
geschlossen und öffnete sie nun langsam wieder. „Du verstehst nicht, kannst es
vermutlich nicht verstehen. Ich bin ... Vulkanier. Ich kann nicht, wie du, mich
einer vielleicht ... befristeten intimen Beziehung hingeben um sie nach einigen
Monaten oder Jahren ... wieder zu beenden oder .... meine Instinkte und Natur
und meine ... Wünsche würden das nicht zulassen. Ein intimer Kontakt zwischen
uns ... würde bedeuten ..."
„Du würdest dich mit mir
binden?" Kirk knetete die Hand in seiner und beobachtete seinen Freund,
der mit seinen Worten rang. „Sofort und unwiderruflich? Für ein Leben? Ist es
das? Ich habe es schon einmal gefragt."
Spock nickte und senkte den
Blick.
„Es ist das, was du
willst?"
Zunächst kam keine
Reaktion, dann sah der Vulkanier hoch. Für Sekunden blitzte etwas Ärger in den
dunklen Pupillen, doch wurde sofort sorgfältig kontrolliert. „Du weiß es. Du
kennst mich vermutlich besser als ... besser als ich mich selber. Jim, warum
fragst du etwas, was du bereits ...weißt?"
„Ja ... ja ... ich weiß es
und ich weiß nicht wie lange bereits", flüsterte Kirk und griff nach
Spocks Schultern. „Und ... ich war offensichtlich blind. Warum führen wir
dieses Gespräch jetzt? Ausgerechnet jetzt, wenn du geschwächt bist ... wenn ...
vielleicht deswegen. Vielleicht hätten wir längst darüber sprechen sollen mein
Freund." Er legte eine Hand an Spocks Wange. „Du kannst mich jetzt im
Moment nicht spüren, also kannst du dich auch nicht mit mir binden ... aber
dein Körper verlangt dennoch ... und auch dein Geist?"
Spock nickte und griff nach
Kirks Hand, nahm sie von seinem Gesicht. „Jim ... ich stehe unter Drogen. Es
ist wirklich nicht der richtige Moment um dieses Gespräch ..."
„Ich glaube es gibt nie
einen richtigen oder falschen Moment. Warum also nicht diesen?"
„Ich will es nicht ...
nicht so ..."
Kirk blickte auf die
sichtbare Erregung zwischen den schlanken Beinen des Vulkaniers. Deutlich
zeichnete sich sein Geschlecht ab. Erregt. Fragend sah er wieder hoch in Spocks
Augen.
Frustriert blickte der
Vulkanier fort und fixierte eine Wand, seufzte. „Jim ... bitte ..."
„Verzeih, wenn ich das auch
wieder nicht verstehe aber .... was tun Vulkanier mit diesem Geschlechtsorgan,
wenn es derartig ... erregt ist, wenn nicht ... intimen Verkehr zu ha-..."
„Jim!", zischte Spock,
wirkte fast verzweifelt und drehte den Kopf weiter fort. Er holte mehrmals tief
Luft und sah wieder zu ihm. „Ja ... das gilt auch für Vulkanier und auch für
mich. Aber nicht ... so. Nicht in diesem ... Zustand. Bitte versteh, Jim ... es
wäre nicht ehrlich, nicht
angemessen."
„Kein Sex vor der Ehe,
hm?", grinste Kirk und wurde sofort wieder ernst, als er den verwirrten
und hilflosen Blick des Vulkaniers sah.
Er nahm eine warme Hand in
seine und strich über die langen Finger. „Hast du noch immer nicht verstanden,
was ich dir sagen wollte?"
Für einige Sekunden schien
es, als wolle eine Augenbraue in die Höhe klettern und die dunklen Augen
wanderten ungläubig über Kirks Gesicht. Stolz und Freude wechselten sich mit
Unsicherheit und schließlich holte Spock tief Luft, sah auf ihre ineinander
verschränkten Hände und wieder in Kirks Augen. „Du ... ziehst eine Bindung mit
mir in Erwägung?"
„Ja aber ..." Kirk
nickte ernst. „So habe ich es nicht ganz gemeint. Ich ´will´ es ... nur wenn es
das ist, was auch du willst. Und auch wenn ich kein Telepath bin, meine ich zu
wissen, dass es das ist."
„Jim ..." Spock ließ
ihn nicht aus den Augen. Er hob eine Hand, wollte Kirks Gesicht berühren. Eine
feines Zittern verriet seine
Nervosität. Unerwartet ließ
er die Hand sinken. „Ich vertraue deinen Worten ..." Er neigte den Kopf,
schien nachzudenken und nickte, mehr zu sich selbst, als hätte er einen inneren
Entschluss gefasst.
„Ich habe den Bericht an
Commander Fink komplettiert und bereits abgesendet. Meine Aufgaben bezüglich
dieser Mission sind soweit erfüllt, die Bestätigung der SI liegt in den Akten
vor. Ich unterstehe wieder vollständig der Hoheit der Enterprise als Erster
Offizier."
Kirk nickte langsam. Nur
Spock schaffte es einen derart abrupten Themenwechsel zu machen, doch es hatte
einen Grund, vermutete Kirk. „Das ist noch nicht alles, hm?"
„Nein." Spock senkte
kurz den Blick und sah ihn wieder an. „Ich werde noch für weitere zwei Tage zur
Verfügung stehen und ansprechbar sein müssen, wenn erforderlich. Jedoch ....
Jim, ich werde keine weitere Injektion dieser Droge mehr dulden." Abrupt
veränderte sich Spocks Gesicht und der Blick der dunklen Augen wurde sehr hart.
„Ich weiß ... du hast es
bereits gesagt. Ich verstehe dich und wenn es nach mir ginge, dann bist du halt
einfach für einige Stunden nicht ansprechbar, beschäftigt oder ... was uns
sonst einfällt, aber .... ganz so einfach ist es leider nicht."
Kirk holte tief Luft und
ließ sie hörbar wieder entweichen. Er setzte sich wieder richtig auf das Bett
des Vulkaniers, gab Spock damit etwas Freiraum. Es gab keinen Weg das was er
sagen musste angenehmer zu machen. Er faltete die Hände und beugte sich vor,
blickte in das vertrauensvolle Gesicht seines Freundes, hasste es was er sagen
musste.
„Spock. Du wirst diese
Droge nicht einfach so ... absetzen können."
Spock sah ihn sekundenlang
an. Dunkle elegante Augenbrauen zogen sich über der Nase zusammen und eine
steile Falte entstand auf dem eben noch völlig offenen Gesicht. „Warum?"
„Die Schmerzen würden
..."
„Ich werde die Schmerzen
erdulden. Ich benötige lediglich einen Raum in dem ich ... niemandem gefährlich
werden kann und ... mich niemand sieht." Die letzten Worte waren leise
gesprochen.
„Spock, du verstehst nicht.
Es geht nicht um ´erdulden´. Ich weiß, dass du das versuchen würdest um ....
bitte lass mich einfach ausreden. Die Schmerzen verbunden mit den
Entzugserscheinungen würden dich ´töten´. McCoy hat von Braman und wohl auch
aus anderen Quellen inzwischen mehr Informationen über diese Droge und auch
über ihre Wirkung und Opfer. Auch Vulkanier. Eigentlich sogar hauptsächlich
Vulkanier oder zumindest Vulkanoide ..."
„Vulkanier nehmen keine
Drogen ...", warf Spock stur ein. „Das ist ... undenkbar. Es ist nicht
logisch wissentlich Drogen zu ..."
„Logisch? Spock, bitte ...
Hör zu."
Stille breitete sich in der
Kabine aus und dunkle Augen musterten Kirk stoisch. Kirk ignorierte den
offensichtlichen Starrsinn darin. Selbst wenn sie unter sich waren, behielt
Spock häufig seine steife Grundhaltung bei. Doch jetzt würde er daran rütteln
müssen. Es war lebensnotwendig.
„Undenkbar ... nicht
logisch ... nach den vulkanischen Grundsätzen?", fuhr Kirk sanft fort.
„Vielleicht, ... aber es gibt sie, auch bei deinem Volk. Nicht alle leben nach
diesen Grundsätzen Spock. Natürlich steht es nicht an der öffentlichen
vulkanischen Pinnwand aber ... Vulkanier oder auch Vulkanoide ´sind´ von diesem
Zeug abhängig geworden. Wie auch immer das passiert ist. Etwas, was du mit
deiner Mission unter anderem auch verhindert hast, zumindest dass es weitere
Opfer gibt. Es ist ein Fakt. Und ein weiterer Fakt macht mir weitaus mehr
Sorgen. Es hat keiner dieser Vulkanier oder auch Vulkanoide einen simplen
Entzug überlebt. Das ist ein Fakt. Du KANNST es nicht einfach so ... absetzen.
Die Schmerzen, ... dein eigenes Nervensystem würde dich töten."
Spock sah ihn stumm an,
rührte sich keinen Millimeter. Plötzlich ohne jegliche Vorwarnung stand er in
einer eleganten Bewegung auf und ging in den Bürobereich. Er stoppte kurz und
sah auf das kleine Täschchen mit von McCoy vorbereiteten Injektionen, was Kirk
auf dem Tisch abgelegt hatte. Zögernd streckte er eine Hand aus und befühlte es
und sah dann zu Kirk, der ihn vom Bett aus beobachtete.
„Es muss einen anderen Weg
geben."
Kirk schüttelte bedrückt
den Kopf. „Keinen bisher bekannten oder erprobten. McCoy sucht schon nach ...
Möglichkeiten. Bis dahin muss du ..."
„Nein!" Spock presste
die Lippen hart aufeinander und drehte sich weg.
„Spock, gib ihm die Zeit.
Er versucht alles ..."
„Es ist meine Zeit, die
dabei verstreicht. Mein Leben und meine Würde, die vernichtet werden. Ich werde
nicht eine weitere Dosis ..."
„Dann werde ich es dir eben
geben", schnaufte Kirk ärgerlich.
Der Vulkanier wirbelte
herum. „Du würdest ... gegen meinen Willen ..."
„Ja! Ja! Verdammt noch mal
... das würde ich. Es geht, wie du es eben schon sagtest, um dein Leben",
schrie Kirk seinen sturen Freund ungehalten an. „Ich sehe nicht zu wie du dich
umbringst, nur weil du nicht warten kannst oder willst. Warum gibst du nicht
McCoy die Zeit eine Lösung zu finden? Für dich ... für uns. Solange noch eine Chance
und eine Möglichkeit besteht. Warum bist du ´jetzt´ so stur? Spock. Selbstmord.
Ist das logisch? Oder Flucht ..."
Spock sah ihn stumm an, stand
einige Sekunden wie versteinert im Raum. Urplötzlich stieß er ein hilfloses
Stöhnen aus und drehte sich weg.
Kirk verharrte schweigend
auf dem Bett und wartete. Minuten war es völlig still in der Kabine. Er
beobachtete den steifen Rücken des Vulkaniers. Sah zu, wie sich schlanke Hände
zu Fäusten ballten und wieder entspannten. Als Spock den Kopf senkte, stand er
auf und ging leise zu ihm, drehte ihn an den Schultern zu sich.
„Ich werde ..." Spock
räusperte sich und hob etwas den Blick. „Ich werde Dr. McCoy die Zeit
geben", sagte er leise und widerstrebend. Er senkte wieder die Augen und
atmete tief ein, hielt die Luft an.
Kirk nickte stumm, bemerkte
die stille Resignation seines Freundes. Er zog etwas an den kantigen Schultern
und Spock sah kurz hoch, wendete den Blick sofort wieder ab.
„Nein, nein ... nein, nein
mein Freund. Es ist gut. Wir werden das schaffen, hörst du?" Kirk drehte
Spocks Kopf am Kinn zu sich, zwang ihn ihn anzusehen. „Hast du
verstanden?"
Ein zögerndes unsicheres
Nicken, dann schlossen sich die gequälten Augen. Kirk zog ihn kurzerhand in
seine Arme und dirigierte ihn zum Bett. Spock leistete keinen Widerstand und
setzte sich schwer, starrte stumpf vor sich hin.
„Müde?", fragte Kirk
nach einer Weile.
Spock sah ihn kurz von der
Seite an. Langsam nickte er. „Ich benötige mehr Schlaf durch die fehlende
Meditation. Eine der
Nebenwirkungen ..."
„Okay, dann schlaf ein paar
Stunden. Ich bleibe hier."
„Jim ..."
Kirk schüttelte stumm den
Kopf und deutete auf das Bett. „Schlaf Spock. Ich werde hier sein."
Es kostete den Vulkanier
sichtbar Überwindung, doch schließlich legte er sich hin, rollte sich auf die
Seite und nach einigen
Minuten schlief er.