Engel der Nacht
T’Len
2007
Fandom: Operation Phoenix
Charaktere:
Mark Pohl/Richard Lorentz
Kategorie:
m/m-slash,. PG-15, ft
Feedback: tlen11@freenet.de
Summe:
Mark hat die Begegnung mit dem Rachenegel mehr mitgenommen, als er zunächst
zugeben möchte.
Disclaimer:
Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen
und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt
nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu
verletzen. Vielen
Dank an Lady Charena fürs Beta.
Erklärung:
„Operation Phoenix“ wurde 1997 (Pilotfolge) bzw. 1999 (10 Folgen) für RTL
gedreht und war wohl der – nicht sonderlich erfolgreiche - Versuch, eine
deutsche Mystery-Serie zu etablieren.
Die
Sonderkommission Phoenix ist dem Innenministerium unterstellt und kommt immer
dann zum Einsatz, wenn die normale Polizei mit ihren Ermittlungen nicht mehr
weiter kommt bzw. seltsame Vorkommnisse auftreten. Kopf der dreiköpfigen Truppe
ist Mark Pohl (Dirk Martens), ein sensibler, nachdenklicher Einzelgänger, der für
alles Paranormale aufgeschlossen ist. Richard Lorentz (Robert Jarczyk) hingegen
ist der klassische Ermittler, der nur glaubt, was er sieht und auch erklären
kann. Mit der Zeit gerät sein Weltbild aber immer mehr ins Wanken. Kris Mertens
(Alana Bock) ist Psychologin und Wissenschaftlerin, aber durchaus offen für das
Unbekannte. Oft muss sie zwischen den beiden Männern vermitteln. Christoph Volz
(Hans-Georg Panczak) ist der Vorgesetzte der Truppe, der ihr schon mal den
Rücken frei hält.
Im
Zuge ihrer Arbeit hat „Phoenix“ es unter anderem mit Gen-Mutanten, Klonen,
Zeitreisenden, wiederauferstandenen Druiden, ägyptischen Sonnengöttern und
heidnischen Bräuchen zu tun.
Diese Story bezieht sich auf Folge 9 „Auge um Auge.“ Eine Reihe von Morden, bei denen den Opfern das Herz mit chirurgischer Präzision entfernt wurde, beschäftigt die Einheit. Zunächst scheint es keine Verbindung zwischen den Opfern zu geben. Doch schließlich findet Mark heraus, dass alle gegen eines der zehn Gebote verstießen. Er glaubt, ein Racheengel sei am Werk, der die sündige Menschheit bestrafe. Durch die Aufmerksamkeit, welche die Medien den Morden zukommen ließen, sei nun wieder eine Diskussion um Moral und Werte entbrannt. Keiner traue sich mehr zu sündigen, aus Angst das nächste Opfer zu sein. Als ein Einbrecher unter den Augen der Polizei getötet wird, ohne dass jemand etwas bemerkt, will Mark dem Engel eine Falle stellen. Als nächstes wäre das Gebot „Du sollst nicht lügen“ an der Reihe. Er beginnt seine Kollegen anzulügen. Kris und Richard durchschauen ihn gerade noch rechtzeitig und eilen zu Hilfe, als der Racheengel auftaucht. Mark ist überzeugt, dass sie ihn nicht vertrieben haben, sondern er sein Werk, zehn Sünder zu bestrafen, vollenden wird.
„Ich bleibe bei ihm.“ Richard Lorentz blieb plötzlich
stehen, als er und seine Kollegin Kris Mertens gerade das Haus verlassen
wollten, in dem Mark Pohl lebte und das in dieser Nacht Schauplatz ebenso
dramatischer, wie rational nicht erklärbarer Ereignisse geworden war.
„Was ist, wenn dieser... dieser Racheengel wiederkommt?“,
erklärte er auf Kris fragenden Blick hin. „Beim Einbrecher hat er es
schließlich auch ein zweites Mal versucht, nachdem wir ihn beim erstem Mal
gestört hatten.“
„Du glaubst jetzt also doch Marks Theorie?“, fragte Kris.
Richard zuckte in einer hilflosen Geste mit den Schultern.
„Ich weiß nicht, wer oder was er ist. Vielleicht ein wahnsinniger Serientäter,
vielleicht tatsächlich ein Racheengel, aber ich will auf keinen Fall ein Risiko
eingehen. Jemand sollte zur Sicherheit bei Mark sein.“
„Dann sollten wir beide hier bleiben“, schlug Kris vor.
Richard schüttelte den Kopf und deutete zur Haustür, vor der
noch immer die Alarmlichter der Streifenwagen blinkten, die sie in Sorge um
Mark alarmiert hatten. „Jemand muss sich eine plausible Erklärung für den
ganzen Aufriss, den wir veranstaltet haben, einfallen lassen und Volz wird auch
so schnell wie möglich einen Bericht haben wollen. Ihm sitzt vom Minister bis
zur Presse so ziemlich jeder im Nacken und will Antworten.“
„Okay, dann übernehme ich das“, erwiderte Kris, wohl
wissend, dass weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort war, mit
Richard zu diskutieren, wer nun geeigneter war, ihrem Kollegen in dieser
Situation Beistand zu leisten. Sie hatten alle einige anstrengende Tage hinter
sich und gerade fast ihren Freund und Kollegen verloren. Zwar konnte sie sich
als Psychologin gut vorstellen, dass Mark nach dem gerade Erlebten ihre Hilfe
gebrauchen konnte, sie wusste aber auch aus Erfahrung, dass er nicht mir ihr reden
sondern sich eher noch mehr als sonst in sich selbst zurück ziehen würde. Mark
war zwar allen Paranormalen gegenüber äußerst aufgeschlossen, wurde aber von
ihren Erlebnissen auch stets sehr mitgenommen. Nicht, dass sie die Dinge in der
Regel weniger aufwühlten. Sie war oft dankbar, in dem was sie gelernt hatte,
einen Rettungsanker zu finden, mit dem sie sich angesichts von solchen
Geschehnissen wie dem Heutigen versichern konnte, nicht verrückt geworden zu
sein.
Richard atmete auf. Er wusste nicht warum, aber aus
irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, seine Kollegin in den kommenden Stunden
besser nicht um sich haben zu wollen. Innerlich schüttelte er den Kopf über
sich. Ahnungen waren ja nun wirklich Marks Spezialgebiet und nicht das seinige.
Er glaubte nur an die Dinge, die er mit eigenen Augen sah und die sich logisch
begründen ließen. Obwohl er zugeben musste, seit er für die Sonderkommission
Phoenix arbeitete, war sein Weltbild schon das eine oder andere Mal arg ins
Wanken geraten. Mutanten der Genforschung und Klone ließen sich ja noch
wissenschaftlich begründen, Zeitreisende, die nach Jahrzehnten auftauchten, für
die aber erst wenige Tage vergangen waren, fielen ihm da schon weitaus schwerer
zu akzeptieren. Von ägyptischen Sonnengöttern, Stimmen aus dem Jenseits oder
körperwechselnden Seelen ganz zu schweigen.
„Danke, Kris.“ Er nickte seiner Kollegin freundlich zu,
bevor er sich umdrehte und die Treppe wieder nach oben stieg, Richtung Marks
Wohnung.
„Passt gut auf euch auf“, rief Kris ihm noch hinterher.
///
Zu seiner Überraschung fand er Marks Wohnungstür nicht
verschlossen. Richard trat ein und sah sich unvermittelt dem Lauf einer Pistole
gegenüber. Rasch hob er beide Hände in einer beruhigenden Geste. „Ich bin es,
Mark“, sagte er eindringlich.
Pohl senkte langsam – für Richards Geschmack etwas zu
langsam - seine Waffe und ließ den angehaltenen Atem entweichen.
„Entschuldige“, sagte er leise. „Als ich jemanden vor meiner Tür hörte, dachte
ich, er...“ Er brach ab. „Hast du etwas vergessen?“
Richard schüttelte den Kopf. „Ich dachte...“, sagte er
zögernd, nicht sicher, ob der ehre eigenbrötlerische Mark seine Idee gutheißen
würde. Allerdings war er entschlossen, sich nicht wegschicken zu lassen. Er
würde die Nacht hier bleiben, egal ob es dem Kollegen passte oder nicht. Zur
Not würde er eben draußen auf dem Treppenabsatz übernachten. „Ich bleibe besser
hier, falls er... falls er doch wiederkommt.“
„Du glaubt jetzt also doch an meine Theorie?“ Mark trat ins
Wohnzimmer und schloss die Tür zum Balkon, zog dann den Vorhang davor.
Richard blieb unschlüssig auf der Türschwelle stehen. „Ich
weiß nicht, was ich glauben soll“, gestand er. „Aber Fakt ist doch, ob Mensch
oder Engel oder was weiß ich, er hat es auch beim Einbrecher ein zweites Mal
versucht und das mit Erfolg.“
„Er wird nicht wiederkommen“, erwiderte Mark mit Überzeugung
in der Stimme und drehte sich zu seinem Kollegen um. „Nicht zu mir.“
„Wie kannst du dir da so sicher sein?“, wollte Richard wissen.
„Er weiß, dass es eine Falle war“, sagte Mark.
„Aber hast du nicht trotzdem gesündigt? Gelogen? Gerade
deshalb?“
„Er wird nicht wiederkommen, aber er wird sein Werk
vollenden.“ Mark wusste selbst nicht, woher er diese Gewissheit nahm, aber er
hatte sie einfach. Und er glaubte ihr. Vielleicht kam sie ja von ihm.
„Was?“ Richard schüttelte den Kopf. Wieder einmal verstand er seinen Kollegen
nicht. „Du selbst hast doch vorhin gesagt, dass er weiter töten wird. Was denn
nun? Kommt er wieder oder nicht?“
„Er wird sein Werk vollenden“, wiederhole Mark. „Bis er
symbolisch zehn Sünder bestraft hat:“
„Du meinst also, er mordet einen anderen Lügner?“, fragte
Richard ungläubig. „Und dann noch einen... was ist das zehnte Gebot?“
„Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst
nicht begehren deines Nächsten Frau, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was
dein Nächster hat“, zitierte Mark.
„Also einen Neider“, stellte Richard fest.
Mark nickte.
„Und dann? Dann fängt er von vorn an oder was? Bis alle Sünder von der Erde
getilgt sind? Das klingt doch alles ziemlich verrückt.“
„Ich glaube nicht, dass er von vorn beginnt“, erwiderte
Mark. „Er hat seine Botschaft an die Menschheit gebracht. Sünder müssen
jederzeit damit rechnen bestraft zu werden. Er wird abwarten, ob wir die
richtigen Lehren daraus ziehen und uns bessern.“
„Was, wie wir beide wissen, nicht geschehen wird“,
antwortete Richard mit sarkastischem Unterton in der Stimme. „Also kommt er
eines Tages wieder und das ganze Theater beginnt von vorn oder was?“
„Vielleicht“, erwiderte Mark. „Und jetzt bist du der Zyniker.“
Lorentz schüttelte den Kopf. „Das ist mir alles zu absurd.
Ich jedenfalls werde die Möglichkeit nicht außer acht lassen, dass wir es hier
mit einem verrückten Serienkiller zu tun haben, der es noch immer auf dich
abgesehen hat.“
„Bitte.“ Mark deutete mit einer einladenden Geste um sich.
„Fühl dich hier ganz wie zu Hause.“ Er strich sich in einer nervösen Geste das
Haar aus der Stirn. Auf einmal wirkte er sehr müde. „Ich brauche eine Dusche.“
///
Fast wäre Richard, trotz gegenteiliger Vorsätze, auf dem
Sofa sitzend eingenickt, so müde war er. Doch das Geräusch aus dem Bad ließ ihn
auf der Stelle aufspringen. Er stürzte aus dem Raum, die Pistole aus dem
Halfter ziehend. Sie im Anschlag haltend stieß er die Badtür auf. „Mark?“,
fragte er besorgt.
Zunächst sah er im dichten Wassernebel kaum etwas, dann
bemerkte er die Gestalt, die regungslos auf dem Boden der Duschkabine kauerte.
„Mark!“
Alarmiert riss Richard die Kabinentür auf. „Mark, was ist?
Ist er wieder hier?“ Er erinnerte sich, dass sie auf dem Überwachungsvideo des
Museumsmagazins, in das der Einbrecher eingedrungen war, nichts gesehen hatten
und es auch bei den anderen Opfern wieder Zeugen noch Spuren gegeben hatte. Der
Rachenengel schien nur für denjenigen sichtbar zu sein, für den er bestimmt
war. Andererseits hatte er vorhin definitiv eine ganz in Schwarz gehüllte
Gestalt auf dem Dach gesehen. So ganz unsichtbar war er wohl doch nicht,
zumindest nicht immer.
Eines schien aber bei allen Morden gleich gewesen zu sein.
Ein sirrendes Geräusch in der Luft. Richard lauschte angestrengt, doch außer
dem Wasser, dass beharrlich auf den Boden der Kabine tropfte, hörte er nichts.
Vorsichtig legte er seine Waffe ab. In Reichweite, doch so, dass sie nicht nass
wurde. Dann beugte er sich zu Mark in die Kabine.
Mark hockte noch immer regungslos auf dem Boden, die Arme um die Knie
geschlungen, dass Gesicht starr. Ohne sich darum zu kümmern, dass er nass
wurde, griff Richard nach Marks Schultern und schüttelte sie. „Mark, was ist
los? Verstehst du mich? Ist er da?“, fragte er eindringlich.
Er musste den Freund noch einmal richtig schütteln, bevor er
endlich reagierte. „Ist er hier?“, fragte Richard erneut.
Pohl schüttelte den Kopf. „Nein... nein, mir ist nur so...
kalt“, kam stockend die Antwort.
„Kalt?“ Richard schüttelte verständnislos den Kopf. Das
Wasser war warm, fast schon heiß zu nennen und im Zimmer stand förmlich der
Dampf in der Luft.
„Vorhin... mir war noch nie so kalt“, stockend begann Mark
zu erzählen. „Ich... ich konnte mich nicht rühren. Es war... so muss es sein,
wenn du vor dem Jüngsten Gericht stehst.“ Er schauderte und schlug die Hände
vors Gesicht.
Richard fühlte sich überfordert. Emotionale Situationen
waren nie sein Ding gewesen. Aber den sonst stets so beherrschten, ja kühl
wirkenden, Mark plötzlich so aufgelöst zu sehen, ließ ihn selbst hilflos
zurück. Nun wünschte er sich doch, Kris wäre hier geblieben. Die Psychologin
hätte sicher gewusst, was jetzt zu tun war. Schließlich drehte er den
Wasserhahn ab, nahm ein Badetuch von Haken, wickelte es Mark um die Schulter
und hockte sich so vor die Kabine, dass er den Arm um Mark legen konnte.
„Willst du darüber reden?“, fragte er sanft.
Eine Weile war es still, dann begann Mark mit stockender
Stimme zu erzählen. „Ich hatte das Gefühl, eine eisige Hand würde nach mir
greifen... mir das Herz aus der Brust reißen. Alles war Eis. Mein Blut... meine
Seele. Und dann wurde es immer dunkler... so dunkel und kalt.“
Mark erschauerte und Richard versuchte ihn, näher an sich zu
ziehen, so gut es die enge Duschkabine erlaubte. „Ich war allein... so allein“,
fuhr Mark fort. Richard war sich nicht sicher, ob es tatsächlich Wasser aus den
nassen Haaren war, was über das Gesicht des anderen Mannes rann, oder doch
Tränen. „Allein für die Ewigkeit, in Dunkelheit und Kälte.“ Mark legte den Kopf
an Richards Schulter und der spürte, wie ein unterdrücktes Schluchzen sich
bebend Bahn brach. „Allein“, wiederholte er schluchzend.
Unbeholfen streichelte er über Marks nasse Haare. „Du warst
nicht allein“, versicherte Richard ihm. „Du bist nicht allein. Kris und ich,
wir sind bei dir. Und Volz und deine Familie und Freunde. Du hast doch welche?“
Er spürte Marks Kopfschütteln an seiner Schulter und stellte
fest, wie wenig er eigentlich über den anderen Mann wusste. Ja, er hatte Mark
in Gedanken als Freund bezeichnet, aber waren sie das wirklich? Sicher, sie
verstanden sich gut. Trotz all ihrer beruflichen Differenzen, ihrer oft
konträren Sicht auf ihre Fälle, waren sie drei doch ein gutes, eingespieltes
Team. Aber eigentlich war es das auch schon. Nach Feierabend ging jeder seine
eigenen Wege. Vor allem Mark wirkte oft unnahbar, um nicht zu sagen:
eigenbrötlerisch. Richard wusste, dass Mark sich, besonders wenn ein Fall
irgendein Thema aufgeworfen hatte, stundenlang in Bibliotheken vergraben
konnte, um Nachforschungen anzustellen. Auch die Wohnung war voller Bücher. Ob
Mark darüber hinaus irgendwelche Hobbys oder gar sozialen Kontakte pflegte,
entzog sich Richards Kenntnis. Außerdem konnte er sich nicht entsinnen, Mark
schon einmal mit einer Frau gesehen zu haben.
Der Mann in seinen Armen erschauerte erneut. „Komm, steh
auf.“ Richard bemühte sich, Mark mit sich auf die Füße zu ziehen. Doch der
klammerte sich an ihm fest und blieb auf dem Boden hocken. Erneut erschütterte
ein Weinkrampf seinen Körper „Nicht allein sein“, hörte Richard aus den Tränen
heraus.
„Du bist nicht allein“, versicherte er Mark erneut. „Ich bleibe bei dir. Nicht
nur heute Nacht, so lange wie du willst.“ Er begann mit seiner Hand beruhigende
Kreise über Marks Rücken zu ziehen, die andere streichelte wieder durchs nasse
Haar.
Wie lange sie so gehockt hatten, vermochte Richard nicht zu sagen. Seine Beine
waren schon längst eingeschlafen, doch er wagte es nicht, sich zu bewegen. Nur
langsam ebbte das Schluchzen ab, schien sich Mark zu beruhigen. Richard setzte
sein Streicheln trotzdem fort. Eigentlich, so stellte er fest, fühlte es sich
nicht mal so schlecht an, Mark so bei sich zu spüren. Er schob den Gedanken
sofort wieder von sich. Jetzt und hier waren weder die richtige Zeit noch der
richtige Ort für derartige Ideen. Und Mark war wahrscheinlich auch nicht der
richtige Mann dafür. Noch etwas, so stellte er fest, was er nicht über den
Kollegen wusste. Dass er noch nie eine Partnerin an seiner Seite gesehen hatte,
hatte garantiert nichts zu bedeuten. Mark war schlicht und einfach genauso wie
er selbst in erster Linie mit dem Beruf verheiratet und hatte kaum Zeit für
andere Dinge, geschweige denn für ein vernünftiges Privatleben. Er sollte keine
falschen Schlüsse ziehen, nur weil er sich womöglich irgendwelche Unsinnigen
Hoffnungen machte.
Eine Zeit lang hatte er ja gedacht, Kris und Mark, da würde
sich vielleicht etwas entwickeln. Aber beide schienen ihm viel zu
professionell, um ihren Job mit einer privaten Beziehung zu verquicken. Und
außerdem wusste er über Kris eigentlich genauso wenig wie über Mark. Wer wusste
also schon zu sagen, ob er ihr Typ wäre.
Nun musste er doch sein Gewicht verlagern, als die
eingeschlafenen Beine endgültig unter ihm wegzuknicken drohten. Richard ließ
sich auf die Knie sinken, dann auf seinen Hintern. Er streckte die Beine von
sich, versuchte einige kreisende Bewegungen mit den Füßen, um die
Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. Mark war durch die Bewegungen
ebenfalls aufgeschreckt worden. Er hob den Kopf von Richards Schulter und für
einen Moment waren ihre Gesichter sich
so nah. Richard blickte in ein Paar blaue Augen, das sonst oft so kühl - nun
aber so unendlich verletzlich wirkte. Fast hatte er das Gefühl, in Mark hinein
sehen zu können. Marks blasse Lippen kamen immer näher.
Und ehe er sich versah, hatte Richard einen Kuss darauf gedrückt. Hastig wandte r den Kopf ab. Wie
hatte er sich nur dazu hinreißen lassen können? Wie Marks momentane Schwäche
ausnützen können? Als hätte der Freund nicht schon genug erlebt an diesem Tag
und wahrlich genug Dinge, die er erst einmal verarbeiten musste. Ein
aufdringlicher Kollege war garantiert das Letzte, das er jetzt noch gebrauchen
konnte. Was würde Mark nun von ihm denken? Er hatte nie auch nur erwähnt, dass
er Männer bevorzugte, geschweige denn hatte er Mark je spüren lassen, wie
attraktiv und interessant er ihn eigentlich fand. Mark hatte immer eine Aura
des Geheimnisvollen und Unnahbaren um sich, was ihm Richard gleichzeitig
ungeheuer reizvoll, aber auch unerreichbar erscheinen ließ. Mal davon
abgesehen, dass er eben keine Ahnung von Marks sexuellen Präferenzen hatte und
die Hoffnung, er könne seine Neigungen teilen, ihm ziemlich unrealistisch
erschien.
„Es tut mir leid“, flüsterte Richard. Erneut wollte er sich
aus Marks Umklammerung lösen, am liebsten auf der Stelle nicht nur aus dem Bad,
sondern auch aus der Wohnung fliehen, seiner Vorsätze, auf den Freund
aufzupassen zum Trotz. Doch Mark hielt ihn zurück, drehte sogar seinen Kopf
wieder in seine Richtung Richard wagte
nicht, sich dagegen zu wehren, fühlte sich ebenso unfähig sich zu bewegen wie
zu sprechen..
Blaue Augen musterten ihn fragend. Doch keiner wagte ein
Wort zu sprechen. Richard war fast versucht den Atem anzuhalten, soviel
Spannung lag plötzlich in der Luft. Er glaube es regelrecht knistern zu hören
und zu spüren. Am liebsten hätte er nach seiner Waffe gegriffen, nicht sicher
ob das wirklich von ihnen ausging. Aber er konnte sich noch immer nicht rühren.
Schließlich war es Mark, der den Bann brach. Mit einer
raschen Bewegung, die Richard weder vorausgesehen noch erwartet hätte, beugte
er sich nach vorn und küsste ihn. Zunächst etwas zögernd, doch rasch fordernder
werdend. Instinktiv öffnete Richard seine Lippen und ihre beiden Zungen trafen
sich zum Duell. Es fühlte sich an, wie das Natürlichste auf der Welt.
„Du bist dir schon im Klaren darüber, dass etliche Leute,
das, was wir gerade tun, als Todsünde ansehen würden“, sagte Mark, leicht
atemlos, als er sich schließlich wieder von ihm löste.
„Ich denke, dieses Risiko ist es mir mehr als wert“, erwiderte Richard, nicht
ganz sicher, ob das gerade alles wirklich passierte oder er nur träumte.
Vielleicht war es ja nur eines dieser seltsamen Phänomene mit denen sie es in
letzter Zeit so oft zu tun hatten. Eine wahr gewordene Fantasie, ein besonders
realistischer Traum oder so etwas.
Doch als Mark ihn erneut küsste, fordernd und doch voller
Zärtlichkeit waren alle Zweifel wie weggeblasen.
Ende