Parents
can never be too patient
Until
the deed is done
Autor: Lady Charena (2009)
Fandom: Forever Knight
Episode: 3x22 Last Knight
Prompt: #020. Love (100 Situations)
Charaktere: LaCroix, Nicholas
Pairing: --
Rating: pg, gen, AR
Beta: T'Len
Summe: LaCroix
nimmt die Dinge in die Hand. Direkt im Anschluss an die Abblende der letzten
Folge der Serie.
Anmerkung: Okay, letzte Folge, großes Drama, ich hab’s kapiert.
Romeo-und-Julia-Szenarien sind nicht mein Ding, schon gar nicht, wenn dieser
spezielle Romeo vornehmliche Szene schon ein paar Mal zu oft gespielt hat.
Deshalb hört für mich die Geschichte hier nicht einfach auf.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen
und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt
nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu
verletzen.
I'm coming back for you
This is where we bleed
This is where we stay
Until the deed is done
(Moon Rock)
"Du bist mein engster Freund."
"Nicholas." LaCroix sah auf ihn nieder, sah
wie er neben Natalie niederkniete und ihre Finger mit seinen umschloss. Ein Übelkeit erregend sentimentales Bild. Der Stab mit
seinem spitz zulaufenden Ende und dem runden, massiven Knauf wog schwer in
seiner Hand.
Er verstand nicht, welche Macht diese unscheinbare Frau über Nicholas hatte. Er
beobachtete aus der Distanz, wie Nicholas um schönere, aufregendere,
interessantere Frauen trauerte; Frauen, die seiner würdig waren - doch er war
für keine bereit gewesen, zu sterben. Zu zweifeln. Sich an die Vorstellung der
Sterblichen an das Wiedersehen in einem diffusen Leben-nach-dem-Tod zu
klammern, nur weil SIE daran geglaubt hatte. Nicholas schien vergessen zu
haben, dass er bereits einmal gestorben war; dass er sterben musste, um
unsterblich zu werden und dass es nicht mehr als dies gab. Selbst nach Alyssas
Tod hatte er nicht so reagiert.
"Nein." LaCroix warf den Stab weg; er
prallte irgendwo hinter ihm gegen die Wand und zerbrach.
Als Nicholas aufsah, umschloss er mit beiden Händen das Gesicht des jüngeren
Mannes und zwang ihn so, ihm in die Augen zu sehen. "Nein. Ich habe dir lange
genug deinen Willen gelassen; die Freiheit deine eigenen Fehler zu machen und
daraus deine eigenen Lektionen zu lernen. Das ist jetzt vorbei." Er dachte
an den Moment in dem Divia ihren Trumpf auskostete
und ihm ins Gesicht schleuderte, dass sie seinen "Favoriten" getötet
habe, seinen Sohn. "Schlaf', Nicholas", befahl er.
"Schlaf'."
Es schien, als versuche Nicholas sich gegen die hypnotische Kraft dieses
Befehls zu widersetzen, doch es war nur ein Augenblick der Gegenwehr, dann
schlossen sich seine Lider und sein Kopf wurde schlaff in LaCroix'
Griff.
Er ließ ihn auf den Boden sinken, neben die reglose Frau und beugte sich über
sie, um nach ihren Puls zu tasten - um zu bestätigen,
was er bereits wusste: ihr Herz schlug nicht mehr. Sie war tot.
LaCroix hielt inne, als er sich selbst dabei
ertappte, ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Sie war
Vergangenheit. So vergangen wie Janette und das "Raven", wie der Nightcrawler und stille, amüsante Nächte voll Philosophie
und Zynismus.
Er richtete sich auf, trat um sie herum und hob Nicholas hoch. LaCroix trug ihn die Treppe hinauf und legte ihn auf sein
Bett. Er sah auf den schlafenden Mann hinab; beobachtete einen Augenblick das
Flattern seiner Lider und die feine, blutige Schweißschicht auf seiner Stirn.
Er streckte die Hand aus und presste die Handfläche gegen Nicholas Brustbein.
"Schlaf'. Schlaf' tief, Nicholas." Die unruhigen Bewegungen des
jüngeren Mannes stoppten fast völlig, als er tiefer in einen traumlosen Schlaf
sank.
LaCroix zog seine Hand zurück und richtete sich auf.
Er faltete die Hände, die Finger nachdenklich gegen das Kinn gelegt.
"Nein, Nicholas. Ich bin nicht mehr dazu bereit, dich aufzugeben, wie du
sie aufgeben wolltest. All die Kinder der Nacht: Vachon,
Urs, Divia und meine Janette - es ist genug. Das ist
genug Sterben, genug des Todes. Ich habe zu lange gelebt, um mich ihm jetzt zu
beugen. Vielleicht glaubst du, zu menschlich geworden zu sein, um mit dem
Schmerz zu leben, aber wenn die Zeit kommt, wirst du verstehen, dass ich Recht
habe."
Er blieb noch einen Moment neben dem Bett stehen, dann ging er wieder nach
unten. Es gab noch einiges zu tun, bevor der Morgen anbrach; Gefälligkeiten
einzufordern und ihre Spuren zu verwischen. Jemand musste sich um die Leiche
der Gerichtsmedizinerin kümmern. Nicholas würde die Ironie nicht zu schätzen
wissen, wenn ihn seine ehemaligen Kollegen als Mörder suchten.
Vielleicht würde Nicholas wieder versuchen, sein Leben zu beenden, doch LaCroix wusste eines mit Sicherheit: die Zeit machte alle
Wunden leichter zu ertragen - selbst die der Liebe - und die Zeit war stets auf
seiner Seite.
Ende
Anmerkung: Extra-Brownies für jeden, der das (leicht aus dem Zusammenhang
gerissene) klassische Dracula-Zitat entdeckt. ;)
Fortsetzung: „Sketches of a past
li(f)e”
Sketches of a past Li(f)e
Autor: Lady Charena
Fandom: Forever Knight
Episode: 3x22 Last Knight
Prompt: # 029. Arrival (100 Situations)
Charaktere: LaCroix, Nicholas
Pairing: --
Rating: pg, gen, AR
Beta: T'Len
Summe: Fortsetzung zu „Until the deed is
done“ – Nicholas findet sich in einer fremden
Umgebung wieder, umgeben von verschwommenen, kaum greifbaren Erinnerungen – und
LaCroix.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen
und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt
nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu
verletzen.
Parents can never be too
patient – Oscar Wilde, The devoted
friend
Er erwachte in einem dunklen Raum. Nicht völlig dunkel, eher dämmrig – an
der gegenüberliegenden Wand blockierten schwere Vorhänge
vor einer Fensterfront das Tageslicht. Er spürte das Gewicht
seiner eigenen Arme, die über seinem Brustkorb gekreuzt waren und ließ eine
Hand sinken. Sie fiel nicht weit, landete auf etwas Weichem, Kühlem, Glattem -
ein Bettlaken? Seine Fingerspitzen tasteten sich daran entlang, fanden
jedoch nichts anderes als Seide und etwas, das nicht nachgab als er dagegen
presste und es dauerte einen Moment, bis er es als sein Bein identifizierte. Er
konnte seinen Körper nicht wirklich fühlen, nur eine bleierne Schwere, wie ein
Schatten eingeschlossen in einer Form und seltsamerweise rief auch dieser
Gedanke keinerlei Reaktion hervor.
Sein Kopf schien wie ein leeres Blatt auf einer Staffelei, das
er zögernd mit Skizzen dessen was er wahrnahm und sah und empfand, zu füllen
begann.
Seine Augen wanderten durch den Raum. Eine Hotelsuite – großzügig und
unpersönlich, aber mit der dezenten Eleganz wirklich teurer Herbergen. Ein
kompliziertes, fast lebendig wirkendes Muster aus Schatten verzierte die
fensterlose Wand, aber vielleicht war es auch nur eine Designertapete.
Belle Époque-Möbel, arabisch anmutende Kissen, gedämpfte Farben,
rahmenlose Bilder stereotyper Landschaften... Wälder, Berge, Gewässer. Eine
Lampe im Tiffany-Stil brannte rechts von seinem Kopf auf einem zierlichen
Nachttisch, dessen Schubladen mit verschnörkelten Messingknöpfen geschmückt
waren. Ihr Licht war warm, fast golden und reichte nicht weiter als bis zur
Mitte seines Brustkorbs, badete seine Hand in ihrem Schein, ließ sie gesund und
beinahe leicht gebräunt, wie nach einem Tag am Meer, aussehen. Nicht, dass
seine Haut je so ausgesehen hatte, aber er erinnerte sich an weiche, warme,
gebräunte Haut unter seinen Lippen und den Geschmack von Blut und Schweiß, Salz
und etwas bitter-metallischem auf seiner Zunge.
Er konnte an nichts festmachen, wo er sich aufhielt – noch immer in Toronto?
Aber dieses Zimmer könnte sich genauso gut in Tokio wie in London befinden. Er
strengte seine Ohren an, doch außerhalb des Raumes war nur ein gedämpftes
Murmeln von Verkehrslärm zu vernehmen, auch das fand man inzwischen in jedem
Land auf dieser Erde.
Der Anblick seiner Hand brachte den Fokus zurück auf seinen Körper. Er hob die
Hand und tastete sein Gesicht ab. Die Haut unter seinen Fingerspitzen war kalt,
klamm und rau; seine Lippen trocken und aufgesprungen, als er sie mit der
Zungenspitze berührte. Er spürte eine Mischung aus Hunger und Übelkeit,
undeutlich und fern, als er schluckte. Die Bewegung der Muskeln in seiner Kehle
spannte für einen Augenblick die Haut an und er spürte ein vages Brennen an der
Seite seines Halses.
Seine Hand glitt dorthin und seine Fingerspitzen ertasteten frische Bissmarken.
Das erklärte, warum er sich so schwach fühlte. Sie waren nicht verheilt, was
bedeutete, sein Körper heilte nicht, was wiederum bedeutete, jemand hatte ihn
fast ausgeblutet. Und er hatte nicht... nichts... seit Nat... Natalie...
Ein scharfer, stechender Schmerz fuhr durch seinen Körper, fast wie ein Pfahl
und er krümmte sich instinktiv Schutz suchend zusammen. Der Schmerz ebbte ab,
verschwand beinahe so rasch, wie er aufgetreten war – nur der Name blieb.
Natalie. Da war kein Bild, kein Klang, keine Stimme – kein Empfinden. Nur ein
schwarzes Loch, das seine Gedanken ins Leere zu ziehen drohte, wenn er ihm zu nahe kam.
Es war fast wie das erste, noch unschuldige Erwachen nach seiner...
Verwandlung... die gleiche Verwirrung und das gleich Nicht-Wissen; nur ohne den
brennenden Hunger, der es damals begleitet hatte.
Da waren Stimmen, gedämpft von einer Tür; Stimmen, die aus einem anderen Raum
dumpf und unwirklich zu ihm drangen. Zunächst konnte er keine einzelnen Worte
ausmachen, nur ihren Klang und die Erkenntnis, dass er eine der beiden Stimmen
kannte. Sie war ihm so vertraut wie seine eigene und sie schien ein Echo in
seinem Kopf zu erzeugen.
Er wandte das Gesicht zur Seite, als die Tür sich öffnete und die Stimmen
lauter wurden. Was immer auch jenseits dieses Raumes lag, es war ebenfalls in
Dämmerlicht gehüllt.
* * *
„Wir benötigen nichts“, sagte LaCroix kühl und stand
so im Türrahmen, dass seine Schultern den Blick auf die Gestalt auf dem Bett
verdeckten. „Außer unserer Ruhe. Es war eine lange Reise und mein Sohn ist erschöpft.“
* * *
Mein Sohn... Nicholas wandte den Kopf ab und legte den Unterarm über die Augen,
um das Licht und die Stimmen aus zu blocken. LaCroix.
Was machte er hier, was machten sie beide hier?
* * *
LaCroix schloss die Tür hinter sich; halb angewidert,
halb amüsiert von der Neugier des Menschen, so erbärmlich als Besorgnis um
seinen Komfort getarnt. Der Hotelangestellte hatte ihn geweckt; hatte ihn
gezwungen, den Raum heller zu erleuchten, als es seiner Vorliebe entsprach –
wenn auch ihre Ankunft mitten in der Nacht dafür gesorgt hatte, dass sich
niemand über seine Anweisung wunderte, sicher zu stellen, dass alle Fenster mit
Vorhängen versehen waren, die das Tageslicht blockierten – seine überflüssigen
Fragen beantwortet und sich dabei so zivil benommen, dass er keine besondere
Aufmerksamkeit erregte. Er war genug in seinem Leben gereist, um zu wissen,
dass es kaum etwas gab, das ein Hotel nicht bieten konnte, wenn man bereit war,
dafür zu bezahlen. Doch genauso waren sie eine Brutstätte von Gerüchten und
eine Sammelstätte unerwünschter Spuren, vor allem in der heutigen Zeit
schneller Computer- und Internetverbindungen.
Es war unwahrscheinlich, dass jemand sie suchte – oder genauer gesagt, jemand
nach Nicholas suchen würde – Tracy Vetter war tot, ebenso Natalie Lambert und
dieser merkwürdige Mensch Schanke, den Nicholas seinen Freund genannt hatte,
starb einige Jahre zuvor bei einem Flugzeugabsturz. Diese drei wären die
wahrscheinlichsten Kandidaten gewesen, um Nicholas Verschwinden zu untersuchen
und verfolgen. Sollte sein Captain ihn vermissen, so würde er Nicholas Wohnung
leer; seinen Telefonanschluss gekündigt und sein Bankkonto aufgelöst vorfinden.
Nicholas Dienstmarke, seine Waffe (was für ein nutzloses kleines Spielzeug) und
sein abscheuliches Mobiltelefon lagen in einem Umschlag auf dem Küchentresen.
Zusammen mit den Schlüsseln für die Wohnung. Don Constantine hatte dafür
gesorgt, dass Nicholas Besitztümer, seine Bilder und Artefakte und dieses Auto,
an dem er so zu hängen schien, in einem unauffälligen Möbelwagen weggebracht
und unter falschem Namen in Montreal eingelagert wurden. Sie konnten später
entscheiden, was damit geschah. Nach den Jahren des Herumsitzens in Toronto
stand ihm der Sinn nach Reisen und er hatte die Jahrhunderte mit Janette und
Nicholas an seiner Seite, beim Erkunden der Welt, in bester Erinnerung.
Bedauerlich, dass Nicholas diesen Hang zur Sesshaftigkeit entwickelt hatte. Er
hatte noch nie eine Wintersonnwende erlebt und eine sechsmonatige Polarnacht
klang geradezu ideal für einen Vampir – jedoch, was vor
mehr als 300 Jahren im Pest-geplagten London gegolten hatte, galt immer noch –
er verabscheute Orte, die keine Möglichkeit zur kulturellen Zerstreuung boten.
Egal wohin sie gingen, alles würde sich ändern. Er hatte lange genug dabei
zugesehen, wie Nicholas sein Geschenk, seine Gaben wegwarf. Ohne den Einfluss
seiner menschlichen Freunde war er sehr viel leichter zu lenken. Und selbst
wenn er sich zuerst zur Wehr setzen mochte – LaCroix
war geduldig. Er hatte alle Zeit der Welt.
* * *
Er spürte eine Änderung in der Atmosphäre des Raumes – als wäre eine Tür
aufgegangen und ein kalter Windstoß durch ihn gefahren.
„Sieh’ mich an, Nicholas“, sagte eine Stimme – so seiden und so kalt wie die
Seide, die er unter seinen Fingerspitzen gespürt hatte - dicht an seinem Ohr.
Er hatte keine andere Wahl, als ihr zu gehorchen. Er ließ den Arm sinken und
öffnete die Augen.
LaCroix stand vor ihm, ein zynisches Lächeln auf den
Lippen. „Willkommen in der Hölle, Nicholas.“ Er begann zu lachen.
Das Gefühl von Betrug und Verrat war zu vertraut, so verwoben mit diesem
unerträglichen Gefühl von Hass-Liebe-Hass zu LaCroix,
dass er es kaum mehr wahrnahm, als er die Augen wieder schloss und zurück in
traumlosen Schlaf sank.
Ende
Anmerkung 1: LaCroix’ Begrüßung bezieht sich auf
Episode: 1x02 Dark Knight: The Second Chapter, als Nicholas ihn tötet (nun,
offensichtlich glaubte Nicholas nur, ihn getötet zu haben, denn in Staffel 2
ist LaCroix zurück) und ihn dabei in die Hölle
wünscht.
Anmerkung 2: Inzwischen gibt es eine Fortsetzung: „Fading Stars“ zu dieser
Story.
Fading Stars (want not, waste not)
Autor: Lady Charena
Fandom: Forever Knight
Episode: 3x22 Last Knight
Prompt: # 0.60 Thirst (100 Situations)
Charaktere: LaCroix, Nicholas
Pairing: --
Rating: pg, gen, AR
Beta: T'Len
Summe: Fortsetzung zu „Sketches of a past Li(f)e“ – Nicholas erfährt, wo er sich aufhält und
wird von LaCroix ohne Abendessen ins Bett geschickt –
im übertragenen wie wörtlichen Sinne.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen
und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt
nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu
verletzen.
Parents can never be too
patient – Oscar Wilde, The devoted
friend
Anders als beim letzten Mal erwachte er nicht langsam, nicht schrittweise. Er
fiel aus der Dunkelheit direkt ins Dämmerlicht, als er die Augen aufschlug.
Die Vorhänge waren zurückgezogen und die Fensterflügel geöffnet. Die Luft, die
in den Raum drang, war heiß und dumpf – noch nicht erfrischt von der
angebrochenen Nacht – sondern schwer mit der Hitze des Tages und einem
Konglomerat aus Gerüchen: Staub und Rauch und Autoabgase; vermischt mit dem
feinen Aroma unzähliger Menschen; stark durchzogen von Müllgestank und dem
Essensgeruch aus einem nahen Restaurant.
Er blinzelte ein paar Mal, seine Augen fühlten sich trocken und verkrustet an.
Nicholas hob die Hand und rieb sich damit übers Gesicht. Obwohl er flach auf
dem Rücken lag, überfiel ihn ein plötzlicher Schwindel und sein Magen krampfte
sich schmerzhaft zusammen. Matt ließ er die Hand zurück an seine Seite fallen
und wandte den Kopf, um sich umzusehen.
Er befand sich noch immer in der gleichen Suite wie beim letzten Erwachen, doch
er hatte keinerlei Vorstellung davon, wie viel Zeit seither vergangen war.
Es war nun Nacht – doch welche Nacht? Die des gleichen Tages, oder war
unbemerkt von ihm ein neuer Tag angebrochen und endete nun wieder?
Nicholas spürte wieder den Hunger, der sich anfühlte wie ein kleines Tier mit
rasiermesserscharfen Krallen, das versuchte sich von drinnen nach draußen zu
graben. Aber seine Glieder waren noch immer mit bleierner Schwere erfüllt,
selbst die kleine Anstrengung, die Hand zu heben, hatte kalten Schweiß auf
seiner Stirn ausbrechen lassen.
LaCroix’ plötzliche Anwesenheit im Raum schob sich in
den Vordergrund seines Bewusstseins wie eine Wolke, die vor den Mond glitt und
sein Licht verdeckte.
Er wandte den Kopf zur Seite und blickte LaCroix an,
der vor dem offenen Fenster stand, dem Raum den Rücken zugedreht.
„Guten Abend, Nicholas“, sagte der ältere Vampir, ohne auch nur einen Blick
über die Schulter zu werfen. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen.“ In seinen
Worten schwang der gewohnte Spott mit. „Eine wundervolle Nacht. Es tut gut,
wieder Zuhause zu sein.“
„Zu-Zuhause?“ Seine Stimme klang matt und rau und er hustete. „Wo sind wir, LaCroix?“
„Oh, Verzeihung, habe ich das nicht erwähnt?“ LaCroix
wandte sich um, ein dunkler Schatten gegen den von Lichtern übersäten Himmel.
„Nous sommes chez nous. Nous sommes à Paris. Wir
sind in Paris. Sehr bedauerlich, das Janette nicht bei
uns sein kann.” Er hob das langstielige Kristallglas in seiner Hand wie zu
einem stummen Salut.
„Janette ist tot.“ Erst als die Worte über seine Lippen waren, wurde Nicholas
bewusst, dass er sie ausgesprochen hatte. Im gleichen Moment kamen die
Erinnerungen an sie zurück – verängstigt und verwirrt in seinem Loft; ihr Blut
an seiner Hand als sie an den Schließfächern überfallen wurden und schließlich
ihr Tod, umgeben von den Flammen, in denen er sie hatte zurücklassen müssen. Er
erinnerte sich an alles – an ihre erste Begegnung, die erste Berührung ihrer
Lippen und das brennende Begehren, das sie in ihm geweckt hatte und das
Versprechen, die Ewigkeit mit ihr zu verbringen. Natürlich hatte er nicht
gewusst, dass LaCroix ein Teil dieses Versprechens
war... an die Jahrhunderte, die sie zusammen verbracht hatten...
Darüber hinaus erinnerte er sich noch immer an kaum etwas. Es war nicht wie im
Krankenhaus, nachdem er eine Kugel - eine Kugel? Wann? Wieso? Nicht wichtig… -
in den Kopf bekommen hatte. Er wusste, wer er war – und er wusste vor allem,
was er war. Die Erinnerungen an LaCroix
schienen bedauerlicherweise ebenfalls vollständig zu sein. Doch wenn er sich zu
erinnern versuchte, was gestern oder vorgestern oder letzten Dienstag gewesen
war... stieß er auf ein schwarzes Loch. Abgesehen von den Erinnerungen an
Janette hatte er das Gefühl, erst vor kurzem Chicago verlassen zu haben, um
sich in Toronto eine neue Existenz aufzubauen.
* * *
LaCroix beobachtete ihn mit Interesse. Nun, Paris war
alt und die Nacht noch jung und niemand hatte je so sehr – oder so lange -
seine Aufmerksamkeit zu fesseln gemocht wie sein widerspenstiger Kreuzritter.
Er konnte Nicholas’ Verwirrung förmlich schmecken, so greifbar war sie.
Die Erinnerungen würden zurückkommen und dieses Amüsement versprach besonders
unterhaltend zu werden. LaCroix nippte an seinem
Glas, dann verließ er den Platz am Fenster und trat auf Nicholas zu. „Wie
unhöflich von mir.“ Er schüttelte den Kopf mit gespielter Bestürzung. „Ich bin
ein schlechter Gastgeber. Du musst hungrig sein, nachdem du so lange geschlafen
hast, mon Nicholas.“ Ohne auf eine Antwort zu warten,
legte er eine Hand an Nicholas’ Hinterkopf und stützte ihn so, während er mit
der anderen Hand das Glas an Nicholas’ Lippen presste.
Nicholas trank gierig von der tiefroten Flüssigkeit, die in seiner ausgedörrten
Kehle brannte, als irgendwo aus dem Dunkel seiner Erinnerungen eine Stimme
sagte: „Du musst mit dem Blut aufhören, wenn du wieder ein Mensch werden
willst“. Es war nur eine Stimme, kein Bild, keine Erinnerung – doch er konnte
nicht mehr trinken. Sein Hals war wie zugeschnürt und er presste die Lippen
unbewusst zusammen. Das Blut floss in einer dünnen Linie über sein Kinn und in
den Nacken, um über LaCroix’ Finger auf die vorher
blütenweißen Laken zu tropfen.
LaCroix zog die Hand zurück und Nicholas’ Kopf
landete auf dem Kissen. „Nun, wir wollen doch nicht derart verschwenderisch
sein“, tadelte LaCroix. „Außerdem berechnen Hotels
das Entfernen von Blutflecken immer extra.“ Ein zynisches Lächeln um seine
blassen Lippen begleitete den trockenen Scherz.
Er stellte das Glas neben dem Tiffanylampe ab, die
Nicholas bereits früher bemerkt hatte und nahm auf der Bettkante Platz. Seine
Finger, auf denen noch Bluttropfen glitzerten, folgten der Blutspur an
Nicholas’ Kehle; glitten aufwärts, sein Kinn entlang, rieben die Flüssigkeit in
die Haut, die sie gierig aufsog. Ausgeblutet wie er war, schien jede einzelne
Zelle seines Körpers zu einem Mund zu werden. Wäre er in der Lage gewesen, in
Blut zu baden, hätte er sich in kürzester Zeit erholt – doch im Moment hielt LaCroix es für ratsamer, Nicholas in diesem geschwächten
Zustand zu belassen. So vieles verstand Nicholas
noch nicht – so vieles hatte er sich geweigert, zu lernen. Und so wenig wusste Nicholas von seinem eigenen Potential. Zweimal fast
von der Hand seines Favoriten zu sterben hatte LaCroix
jedoch bedachtsam gemacht.
Er presste die Fläche seines Daumens gegen Nicholas’ blutbefleckte Lippen und
wischte die Blutreste ab. Dann hob er den Finger zum Mund. Die Mischung aus
Abscheu und kaum verhohlenem Hunger in Nicholas’ Augen sprach für sich... und
amüsierte ihn. Er ließ die Hand sinken und fing mit der Zungenspitze die
letzten Blutspuren auf seinen Lippen ein. „Ah, vielleicht beginnen wir mit
etwas anderem. Keine Sorge, etwas… Vertrautem.”
LaCroix schob den Ärmel hoch und entblößte die
Pulspunkte an seinem rechten Handgelenk.
Nicholas leckte sich unbewusst die Lippen und seine Augen wechselten ihre
Farbe. Dann schloss er unvermittelt die Lider und drehte den Kopf zur Seite.
Oh diese köstliche Widerspenstigkeit. LaCroix legte
die linke Hand an die Seite von Nicholas’ Gesicht, zwang ihn so zurück in seine
vorherige Position und presste sein Handgelenk gegen Nicholas’ Mund. Fasziniert
beobachtete er, wie die verschiedensten Regungen über die Züge des jüngeren
Mannes glitten – doch er konnte sich nicht lange wehren, der Instinkt zur
Selbsterhaltung war größer als sein Widerwille und mit einem gequält klingenden
Laut öffnete Nicholas den Mund.
LaCroix lächelte, als Nicholas’ Zähne seine Haut
durchbrachen. „Trink’, Nicholas“, sagte er, seine Stimme besänftigend... bei
einem Menschen hätte man von Zärtlichkeit sprechen können, die in seinen Worten
mitschwang. „Trink’, mein Kind.“
Nach einigen Momenten zog LaCroix zog seinen Arm weg
und stoppte Nicholas’ Protest mit einem auf seine Lippen gepressten Finger.
„J'ai faim, LaCroix…“
„Schlaf’ jetzt“, befahl er. „Dors, Nicholas.“ Es war genug gewesen, um Nicholas
am Leben zu erhalten, aber nicht genug, dass er sich so weit erholte, um aus
eigener Kraft diese Suite zu verlassen. Noch war es dafür nicht an der Zeit.
LaCroix zog seine Hand zurück, als Nicholas – dem
hypnotischen Befehl folgend – die Lider schloss.
Er stand auf und rückte seinen Ärmel zurecht, die Bissmarken an seinem
Handgelenk bereits zu bloßen Schatten verheilt–
und griff nach dem Glas auf dem Nachttisch. Nach einem letzten, prüfenden Blick
auf Nicholas kehrte er ans Fenster zurück und blieb dort, bis der anbrechende
Morgen die Sterne verblassen ließ.
Ja, es war gut, wieder zu Hause zu sein.
Ende