Weihnachten im Wald
T’Len
2009
Fandom:
Original
Kategorie:
m/m-slash, PG-15
Feedback:
tlen11@freenet.de
Summe: Ein Weihnachtsfest mit Hindernissen
Fortsetzung zu: Heiße Weihnachten
Disclaimer: Die Rechte dieser Story liegt beim Autor Vielen Dank an Lady Charena fürs Beta.
„Hohoho, hier kommt der
Weihnachtsmann.“
Ich ringe mir ein müdes
Lächeln ab, als Marc mit diesen Worten unsere kleine Blockhütte betritt. So
bepackt, wie er ist, könnte er tatsächlich dem Weihnachtsmann Konkurrenz
machen. Nur, dass er keine rote sondern eine blaue Jacke trägt, keinen Bart hat
und wesentlich schlanker ist, als man es gemeinhin vom Weihnachtsmann erwartet.
Nicht, dass ich mich über irgendeine dieser Tatsachen beschweren würde. Ich
stehe nicht wirklich auf dickliche Männer mit Bart. Im Gegenteil.
„Das war jetzt alles“,
verkündet mein Lover. Er drückt mir einen kurzen Kuss auf die Wange bevor er
mit seiner Last nach nebenan in den kleinen Raum, der als Küche dient,
verschwindet.
Ich höre ihn dort
herumhantieren. „Ich habe Durst“, rufe ich etwas ungehalten in Richtung Küche.
Schließlich ist alles seine Schuld.
Irgendeiner von seinen
Finanzamtskollegen habe eine Blockhütte im Schwarzwald, die er dieses
Weihnachten nicht brauche. Wir könnten sie haben. Mit dieser Idee war Marc vor
ein paar Wochen von der Arbeit in unsere Kölner Altstadtwohnung gekommen. Und
mit leuchtenden Augen. „Stell dir vor, Brot“, hatte er geschwärmt – nebenbei
bemerkt, ich hasse diesen Spitznamen auch nach fast zwei Jahren noch, aber
irgendwie ist er auch süß, muss ich zugeben – „Weihnachten im Schnee und nicht
bei Matschwetter. Nur wir zwei in einer einsamen Hütte. Wir gehen Hand im Hand
durch den Schnee spazieren. Dann: Ein knisterndes Feuer im Kamin und wir, wir
lieben uns auf einem Fell davor.“
Ich muss gestehen, es war
vor allem die Vorstellung von Marc, wie er nackt vor mir auf einem
Wildschweinfell kniete, seinen sexy Hintern in die Luft gestreckt, es kaum
abwarten könnend, dass ich ihn nahm, was letztendlich meinen Widerstand brach -
wenn auch erst nach heftigen Protesten. Ich wäre mit Weihnachten in meiner
gemütlichen Kölner Altstadtwohnung mehr als zufrieden gewesen, versprach Marc
sogar, dass ich dieses Jahr einen echten Baum aufstellen und ihn mit richtigen
Kugeln schmücken würde. Nicht, dass ihm mein kleines „Spezialbäumchen“ vom
letzten Jahr nicht gefallen hätte – und wir wussten seinen „Schmuck“ reichlich
zu nutzen. Aber Marc war nun mal ein Romantiker vor dem Herrn, malte das
Weihnachtsfest im Wald in herrlichsten Farben aus und schwärmte von all der
Inspiration, die er für seine Zeichnungen finden würde. Davon abgesehen, konnte
ich Marc nie etwas abschlagen und gab immer früher oder später nach, egal wie
verrückt ich seine Ideen eigentlich fand. Ich hätte es auch diesmal besser
wissen müssen. Dass dies nur das katastrophalste Weihnachten aller Zeiten
werden konnte, war doch vorprogrammiert.
Es kam wie es kommen musste.
Da Marc erst am 24. Urlaub nehmen konnte, hatten wir unsere Anreise auf den
Weihnachtsmorgen verschieben müssen. Wir dachten, dies sei nicht die
schlechteste Idee, da der allgemeine Urlaubsreiseverkehr sicher bereits am
Vortag stattgefunden hatte und wir nun freie Straßen haben würden.
Offensichtlich dachten noch viele – zu viele – andere Autofahrer genauso.
Nach diversen Staus – warum
nur kam für manche der Wintereinbruch so überraschend im Dezember, dass sie
keine Winterreifen drauf hatten? – wurde es bereits dunkel, als wir in der Nähe
unseres Zieles ankamen. Prompt verfuhren wir uns. Als wir endlich die Zufahrt
zu unserer Hütte gefunden hatten, stellte sich diese als so schlammig heraus –
vom versprochenen Schnee war nämlich nichts zu sehen, nur Regen, Matsch und
Pfützen - dass wir befürchten mussten,
mit dem Wagen stecken zu bleiben. Also ließen wir ihn am Straßenrand stehen und
machten uns schwer bepackt zu Fuß auf den Weg. Die angeblich 500 Meter bis zur
Hütte kamen mir eher wie zwei Kilometer vor. Jedenfalls knickte ich schon nach
kurzer Zeit um, mein Fuß schmerzte höllisch und ich war durchnässt und durchgefroren,
als wir endlich unser Ziel erreichten.
Zu allem Übel stellte sich
heraus, dass die Nässe dem Generator nicht bekommen war, wir also keinen Strom
hatten und uns mit Kerzen und Petroleumlampen behelfen mussten. Wenigstens gab
es von beidem reichlich. Dafür war das draußen gestapelte Holz ebenfalls nass
und wir hatten große Mühe ein Feuer im Kamin anzuzünden.
Mein Knöchel war
mittlerweile um einiges angeschwollen. Zumindest schien nichts gebrochen zu
sein. Aber da ich unmöglich in der Lage war, noch einmal den Weg zum Auto
zurückzulegen, war es an Marc, noch zweimal hinzulaufen und unsere restlichen
Sachen zu holen. Ich fand, das geschah ihm ganz Recht. Nicht nur, weil dieser
ganze Desaster schließlich seine Idee gewesen war, sondern vor allem weil auch
er es war, der partout die Zutaten für ein Festmahl inklusive Gans, die er
extra zuhause schon vorgebraten hatte, damit es hier schneller ging,
mitschleppen musste. Mit hätten Kartoffelsalat und Würstchen vollkommen
gereicht.
Ich hatte es mir derweil in
einem recht verschlissenen Sessel vor dem Kamin bequem gemacht und mein Bein
auf einen Stuhl gelegt. Da das Licht nicht ausreichte, um zu lesen, mein
mp3-Player aber noch im Auto lag, wurde mir allerdings recht schnell langweilig
und meine ohnehin schlechte Laune sank noch weiter.
„Wenn du nicht brav bist und
deinem leidenden Schatz etwas zu trinken bringt, bringt dir der Weihnachtsmann
heute die Rute“, rief ich Richtung Küche.
Einen Augenblick später
erschien Marc und drückte mir einen Becher Glühwein in die Hand und einen Kuss
auf den Mund. „Das will ich doch hoffen, dass ich heute Nacht die Rute
bekomme“, sagte er grinsend, bevor er sofort wieder verschwand.
„Okay, ich korrigiere mich“,
rief ich ihm hinterher. „Du bekommst keine Rute, wenn du nicht brav bist.“
Lautes Lachen antwortete mir
aus der Küche und ich konnte nicht umhin, zu bemerken, wie allein dieser Laut
meine Laune hob. Oder lag es doch am nicht unerheblichen Alkoholgehalt meines
Getränkes?
Marc erschien erneut,
diesmal um den rustikalen Tisch in der Mitte des kleinen Raumes zu decken. Mein
Fuß drohte einzuschlafen und ich bewegte ihn leicht. Was mir sofort ein
schmerzvolles Stöhnen entlockte. Marc drehte sich augenblicklich zu mir um.
„Soll ich noch mal los und einen Arzt holen?“, fragte er mit unverhohlener
Besorgnis in der Stimme.
„Was denkst du, wie viele
Ärzte am Heiligen Abend einen Hausbesuch mitten im Nirgendwo machen werden?“,
fragte ich zurück.
„Dann lass mich wenigstens
eine Apotheke suchen. Irgendeine muss ja Notdienst haben“, schlug er vor.
Ich schüttelte energisch den
Kopf. „Die nächste offene ist womöglich in Köln und du bist erst Neujahr wieder
hier.“ Ironischerweise hatten wir unseren halben Hausstand eingepackt - aber
keine Schmerztabletten.
Marc kam zu mir, hockte sich
vor den Stuhl und nahm meinen Fuß vorsichtig in seine Hände. „Es tut mir so Leid,
Bernd, so schrecklich Leid“, sagte er und küsste zärtlich meinen lädierten
Knöchel. Seine Zerknirschtheit und diese zärtliche Geste ließen meinen Ärger
schmelzen wie Sonne den nicht vorhandenen Schnee. Ich beugte mich nach vorn, um
mit meiner Hand durch sein Haar zu streicheln.
Allerdings wurde unsere
Zweisamkeit rüde unterbrochen. Fluffy, unser Hund, der - von den Abenteuern des
Tages auch sichtlich mitgenommen - vor dem Kamin geschlafen hatte, machte sich
plötzlich lautstark bemerkbar.
Marc richtete sich auf und
seufzte. „Kannst du nicht warten, bis das Essen fertig ist?“
Er konnte offensichtlich
nicht, wie das nun hektische Kratzen an der Tür verdeutlichte. Ich wollte mich
erheben, doch Marc drückte mich zurück in den Sessel. „Ich geh schon. Ich
denke, es dauert noch ein Weilchen, bis es fertig ist. Hoffe ich zumindest. Ich
habe nicht wirklich Erfahrung mit Propangasöfen.“
„Lass ihn doch einfach raus.
Er wird sich schon nicht verlaufen“, schlug ich vor.
Marc blickte mich entsetzt
an. „Wer weiß, was für wilde Tiere draußen nur auf ihr Abendbrot lauern. Hier
gibt es garantiert Wildschweine und Füchse. Ich hab auch mal gelesen, dass sich
wieder Luchse in Deutschland ansiedeln. Die zerreißen doch so einen kleinen
Hund in der luft.“
Muss ich erwähnen, dass mir
diese Vorstellung nicht gerade gefiel? Und das nicht wegen dem Hund? Jedenfalls
beschloss ich, Marc eventuelle Waldspaziergänge auszureden, sollte mein Knöchel
dies nicht eh von vornherein ausschließen. Bei unserem Glück gingen wir noch in
der Wildnis verloren.
Marc griff sich seinen
Anorak vom Haken neben der Tür und die Leine und verschwand mit Fluffy im
Dunkeln. Als er wenige Minuten später wieder auftauchte, geschah dies
gleichzeitig mit einem verdächtigen Geruch aus der Küche. „Verdammt!“ Marc ließ
die Leine fallen und stürzte nach nebenan.
Kurz darauf – ich hatte
mittlerweile Fluffy befreit und der Hund tat das einzig Vernünftige bei diesem
Wetter, er rollte sich sofort wieder vor dem Kamin zusammen - erschien er mit
einer etwas arg dunkel aussehenden Gans in der Hand. „Wie gut, dass ich auf
Konserven bestanden habe“, bemerkte ich. Wir hatten vorgehabt, uns für die
kompletten sechs Tage unseres Aufenthaltes – Silvester wollten wir in Köln mit
Freunden aus der schwulen Szene feiern – einzudecken, um nicht zwischendurch
noch nach einem Geschäft suchen zu müssen. „Sonst müssten wir dieses
Weihnachten nur von Luft und Liebe leben.“
„Ich kuck mal, ob noch was zu
retten ist“, sagte Marc und verschwand wieder in der Küche.
Ich hievte mich aus dem
Sessel hoch. Ich hatte Durst und mein Glühwein war längst alle. Ich sah die
Flasche Sekt, die bereits geöffnet, im Kühler auf dem Tisch stand und beschloss
– auch wenn es nicht gerade höflich war – mir bereits einen kleinen Schluck
einzuschenken.
Ich hatte das Glas gerade an
meinen Lippen, als hinter mir ein panisches „Bernd, nicht!“ erklang. Doch zu
spät. Ich schluckte – und verschluckte mich fast an etwas Hartem.
Ich zog den Störenfried
hastig aus meinem Mund und starrte überrascht auf einen – Ring. Und dann auf
Marc. „Du hast... du wolltest...?“ stotterte ich. Ich war nicht leicht um Worte
verlegen, aber diese unerwartete Wendung machte mich sprachlos. Hatte Marc deshalb
diesen ganzen Zirkus veranstaltet, um mir in einem möglichst romantischen
Ambiente einen Antrag zu machen? Wir hatten uns vor zwei Jahren am Heiligen
Abend kennen gelernt. Nun genau diesen Termin zu wählen, war so typisch für
Marc. Aber obwohl wir seit über anderthalb Jahren zusammen lebten und es uns
beiden ernst war mit unserer Beziehung, hatten wir nie darüber gesprochen, sie
offiziell zu machen. Nun war ich wirklich überrascht.
Marc ließ sich auf den Stuhl
fallen, den Kopf in den Händen vergraben. „Ich habe mir alles so schön
vorgestellt“, flüsterte er. „Draußen der leise rieselnde Schnee, wir zwei hier
drin in der Wärme. Du findest den Ring im Sekt, sagst ja und hinterher lieben
wir uns vor dem Kamin.“ Seine Stimme klang weinerlich. „Aber du hattest wie
immer Recht, Bernd. Es war eine blöde Idee hierher zu kommen. Du bist verletzt.
Das Essen ist hin, Wir haben keinen Schnee und nun ist auch noch die
Überraschung verdorben. Wir hätten zuhause bleiben sollen.“
„Nein!“ Wie er da saß, ein
einziges Häufchen Elend, war mir mehr denn je bewusst, wie sehr ich ihn liebte
und vor allem warum – von den rein offensichtlichen körperlichen Vorzügen
abgesehen. Er hatte in den letzten zwei Jahren soviel Farbe in mehr als einer
Hinsicht in mein eher eintöniges Lehrerleben gebracht. Ich liebte diesen Mann
mit jeder Faser meines Körpers. Ich liebte seine strahlenden Augen, sein
jungenhaftes Lachen, seinen Humor, die fast kindliche Begeisterung, die er sich
für so viele scheinbar unwichtige Dinge bewahrt hatte. Und ja, ich liebte auch
seine spontanen Ideen, egal, wie verrückt sie manchmal sein mochten.
Ich humpelte zu Marc und zog
seine Hände vom Gesicht. „Hör zu, Schatz“, sagte ich. „Es war eine wunderbare
Idee und noch ist nichts verloren. Wir haben es warm und trocken und genug zu
essen und trinken. Also kein Grund zur Sorge. Du gehst jetzt in die Küche und
schaust, was von der Gans zu retten ist. Ich tue den wieder ins Glas.“ Ich hob
den Ring und drehte ihn in meinen Finger. „Und ich verspreche, ich werde nachher
ganz überrascht sein, wenn ich hin finde. Ich leite schließlich nicht für
umsonst die Theater-AG meiner Schule.“
Er lächelte, als ich ihn auf
die Füße zog. Anschließend musste ich mich an ihn lehnen, um meinen Fuß zu
entlasten. „Du wirst sehen, alles wird gut“, sagte ich voller Überzeugung.
Marc schlang seine Arme um
mich und küsste mich leidenschaftlich auf den Mund,. „Ich liebe dich, Bernd. Du
bist immer so vernünftig. Selbst in den ausweglosesten Situationen, weißt du
eine Lösung“, sagte er hinterher.
Ich lachte. „Ich hoffe, das
war ein Komplement.“
„Natürlich.“
Wir küssten uns erneut. Aus
dem Augenwinkel sah ich, wie erste Schneeflocken vor dem Fenster tanzten.
Vielleicht wurde es ja doch
kein so schlechtes Weihnachten.
Ende