aTitel: nightfall
Autor: Lady
Charena
Serie: Kung Fu – Im Zeichen des Drachen
Timeframe: irgendwann während der vierten Staffel
Paarung: Pop,. Peter, div. Charaktere aus der
Serie und ein alter Feind: Liam Holmes
Rating: PG-15,
A/U, Crime, Drama, Character Dead
Beta: T’Len
Archiv: ja
Summe: Es scheint, die Neuigkeiten über den
Tod von Liam Holmes waren verfrüht. Der Dim Mak-Meister kehrt zurück, um sich
an Peter und Caine zu rächen. (Bezug auf die Folge: „A Chinatown Murder
Mystery: The case of the poisenend hand“ – beschrieben am Ende des Textes,
vielleicht zum besseren Verständnis vorher lesen.)
Hinweis:
Eventuell ist diese Story für Menschen mit einer starken Abneigung gegen
Schlangen nicht geeignet.
Disclaimer:
Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen und Figuren
liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt nicht in der
Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu verletzen.
* // * // * = markiert Erinnerungen
*********************************************
I hope that
since we're here anyway
We could end up saying
Things we've always needed to say
So we could end up staying
Now the story's played out like this
Just like a paperback novel
Let's rewrite an ending that fits
Instead of a Hollywood horror -
Someday, Nickelback
*********************************************
Den
Blick von der monoton vorbeiziehenden Landschaft abwendend, richtete Caine
seine Aufmerksamkeit auf seinen Sohn. Peter war in der letzten halben Stunde
ungewöhnlich still gewesen und nun zeigte sich die Müdigkeit, die Caine in ihm
spüren konnte, auch in seinen Zügen. Er griff hinüber und legte seine Hand auf
Peters Arm.
Der
junge Cop sah auf und lächelte, als er dem besorgten Blick seines Vaters
begegnete. „Alles okay?“, fragte er.
Caines
Hand glitt seinen Arm hoch zur Schulter, seine Finger pressten probend in
Peters verspannte Muskeln. Sein Sohn gab einen gedämpften Protestlaut von sich,
als der prüfende Druck eine Welle von Schmerz durch seine Schultern und den
Nacken sandte. Caine ließ seine Hand weiter in Peters Nacken gleiten und schob
den Kragen der Lederjacke weg. Wärme strahlte von seiner Berührung ab, als er
Peters bloße Haut berührte und der junge Cop entspannte sich unwillkürlich, der
Schmerz in seinen Schultern und dem Nacken ebbte ab und verschwand schließlich.
Der
Shaolin zog seine Hand zurück, ließ sie aber auf der Schulter seines Sohnes
ruhen. „Du bist erschöpft“, sagte er leise. „Vielleicht sollten wir hier einen
Ort suchen, an dem wir übernachten.“
Peter
warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war erst halb neun. Zugegeben, er
fühlte sich nicht mehr wirklich fit, da sie lange vor Tagesanbruch aufgebrochen
waren und die Fahrt, die sie die letzten beiden Stunden durch endlose, monotone
Getreideanbauflächen geführt hatte, war auch nicht besonders anregend. Aber
jetzt von der Straße herunter zu fahren und ein Motel zu suchen, schien ihm
Zeitverschwendung. „Es ist kaum Verkehr, das Wetter ist bestens, kein Eis mehr
auf der Straße – wir werden noch vor Mitternacht Zuhause sein. In dieser
verlassenen Gegend ein annehmbares Motel zu finden könnte fast genauso lange
dauern.“ Doch kaum waren die Worte aus seinem Mund, wurde er unsicher. „Ich
meine... also falls du müde bist, Paps – ich bin erst morgen Mittag mit Annie
und Kelly zum Essen verabredet – wir können natürlich hier in der Gegend
irgendwo übernachten.“
Verdammt,
warum hatte er nicht daran gedacht? Sein Vater musste erschöpft sein...
*
// * // *
Seit
mehr als zwei Wochen grassierte die Grippe in Chinatown und obwohl Lo Si und
Ting Yung nach Kräften Caine unterstützt hatten, waren doch die meisten Kranken
zu dem Shaolinpriester gekommen. Peter und Skalaney hatten sich erboten, in
ihrer Freizeit dabei zu helfen, die Medikamente zu verteilen. April tauchte von
Zeit zu Zeit in Caines Loft auf, um Tees und heilende Mixturen für ihre
obdachlosen Freunde zu besorgen. Mr. Shoo und viele Ladenbesitzer sorgten
dafür, dass April und andere Helfer neben Caines Kräutern auch Lebensmittel für
ihre Schützlinge erhielten. Der Winter zog sich in diesem Jahr ungewöhnlich
lange hin und vor allem die Menschen, die auf der Straße lebten, fielen der
Grippe leicht zum Opfer. Ting Yungs Sohn und Cheryl wurden von Lo Si mit langen
Listen an Apotheken und chinesische Händler in die umliegenden Städte
geschickt, als ihre Kräutervorräte zu Ende zu gehen drohten. Anders als bei der
Seuche vor einem Jahr war es nicht möglich, die Wirkstoffformel synthetisch
nachzubauen und in großen Mengen herzustellen. Die Kräuter wurden für jeden
Patienten in einem speziellen Verhältnis gemischt. Dr. Sabourin kam vorbei und
berichtete von der Situation im Krankenhaus. Auch das 101ste Revier blieb nicht
verschont. Roger und Jody waren die ersten, die sich krank meldeten. Später
erwischte es auch Mary Margaret und Strenlich, so dass Captain Simms nichts
anderes übrig blieb, als Kermit von seinem geliebten Computer wegzuholen und
zusammen mit Peter auf die Straße zu schicken. Selbst eine Grippewelle konnte
das Verbrechen nicht stoppen. Die Presse ebenfalls nicht. Peter grinste, als er
daran dachte, wie sein Vater Sandra Mason hatte abblitzen lassen, als sie
unangemeldet auftauchte und ihn interviewen wollte. Es gab nicht viele Leute,
die es fertig brachten, der berühmten Reporterin von Channel 3 zu entkommen –
ohne sich mit einem ätzenden Kommentar in den Mittagsnachrichten wieder zu
finden.
Die
Unterbesetzung des Reviers führte dazu, dass Peter seinen Dad mehrere Tage
nicht zu Gesicht bekam. Zu müde um selbst im Kreise seiner Kollegen im Delancys
noch ein Bier zu trinken, fiel der junge Cop jeden Abend ins Bett. Als die
Grippewelle im Abflauen schien und sowohl Jody als auch Roger wieder auf den
Beinen waren, entspannte sich die Situation etwas. Und als Captain Simms mit
dem Ansinnen an Peter herantrat, einen Mann zu identifizieren, der in einer
Stadt, einige Stunden Autofahrt nördlich gelegen, tot aufgefunden worden war,
übernahm Peter den Auftrag ohne den geringsten Anflug von Unmut. Sehr zum
Erstaunen seines Captains. Karen Simms hatte sich bereits auf eine längere
Diskussion mit ihrem besten Detective eingestellt. Aber sogar die Aussicht auf
ein paar Stunden langweiliger Autofahrt, die nur dazu diente, einen Mann zu
identifizieren, den er vor einigen Jahren verhaftet hatte, schien dem jungen
Cop nach all dem Stress eine willkommene Abwechslung.
Als
er in das Loft seines Vaters trat, fiel ihm überdeutlich auf, wie leer und
still die Räume wirkten. „Paps?“, fragte er und seine Stimme hallte leise nach.
Wie nicht anders zu erwarten, erhielt er keine Antwort. Und doch konnte er die
Anwesenheit seines Vaters deutlich spüren. Er entdeckte Caine in einem der
hinteren Räume, in denen er denjenigen Zuflucht gegeben hatte, die krank und
heimatlos gewesen waren. Der Shaolinpriester war im matten Schein einiger
Kerzern damit beschäftigt, Decken ordentlich zu falten und in einem großen
Pappkarton zu verstauen, der den Werbeaufdruck von Mr. Lees Wäscherei trug. Er
blickte auf und lächelte seinen Sohn an, als Peter sich wortlos zu ihm gesellte
und ihm zur Hand ging. Zu zweit waren die Decken rasch verstaut. Peter
befestigte den Deckel und stellte den Karton neben die Tür, wo bereits drei
weitere standen. „Soll ich sie wegbringen? Wir können sie in mein Auto packen
und alle auf einmal transportieren.“ Im Geiste verglich er die Größe des
Kofferraums seines Stealth mit den vier Kartons und korrigierte sich selbst auf
zwei Fahrten.
Caine
legte den Arm um die Schultern seines Sohnes und drückte ihn kurz an sich. „Ich
danke dir für dein Angebot, doch Mr. Lee wird sie morgen früh abholen. Die
Bürgermeisterin hat das arrangiert.“
„Die
Bürgermeisterin?“, fragte Peter erstaunt.
„Ja.
Die Decken stammen aus dem Erdbebenvorrat der Stadt.“ Caine griff mit der
freien Hand nach dem Kinn seines Sohnes und drehte Peters Gesicht zu sich. „Du
bist nicht hier, weil du krank bist, mein Sohn.“
Peter
schüttelte den Kopf und lächelte. „Ich glaube nicht, dass sich der Virus noch
an mich herangewagt hat, nachdem du mir dieses abscheuliche Zeugs zu trinken
gegeben hast.“
Caine
erwiderte das Lächeln seines Sohnes und gab ihm einen liebevollen Stoß gegen
das Kinn.
Peter
versteckte seine Sorge über den müden Ausdruck im Gesicht seines Vaters hinter
einem breiten Grinsen. Nur selten ließ sich der Shaolinpriester seine
Erschöpfung so offen anmerken. Die Entscheidung war bereits getroffen, noch
bevor er den Gedanken zu Ende gebracht hatte. „Du errätst nicht, warum ich hier
bin“, sagte er und ein Schalk tanzte tief in seinen lachenden, braunen Augen.
„Du
bist gekommen, um mich zu fragen, ob ich dich auf eine Reise begleiten möchte“,
erwiderte Caine ruhig.
Peter
öffnete den Mund – und schloss ihn wieder. Dann breitete er mit einem
übertrieben leidenden Seufzen die Arme aus. „Ich gebe auf. Gegen dich kann ich
nicht gewinnen, was, Paps? Woher weißt du das? Ich habe mich gerade eben erst
entschieden, dich das zu fragen. Eigentlich bin ich nur hergekommen, um dir zu
sagen, dass ich für einen Tag nicht in der Stadt sein werde.“ Er stopfte die
Hände in die Taschen seiner Jacke. „Was frage ich überhaupt. Meine Gedanken
müssen ein offenes Buch für dich sein.“
Der
Priester berührte die Wange seines Sohnes. „Ich würde mich geehrt fühlen, dich
zu begleiten, Peter. Doch ich kann die Stadt jetzt nicht verlassen, auch nicht
für einen Tag. Es sind noch sehr viele Menschen krank.“
Mit
einem Seufzen – halb resigniert, halb amüsiert – beugte sich Peter vor und
küsste seinen Vater auf die Stirn. „Ich hätte daran denken sollen, bevor ich
fragte. Sorry, Paps.“ Er richtete sich auf. “Kann ich dich wenigstens zum
Abendessen einladen? Ich kenne dich doch, du hast heute bestimmt noch nichts
gegessen.“
Caine
nickte. „Begleitest du uns, Meister?“, fragte er, ohne sich umzudrehen.
Peter
blickte über seine Schulter hinweg überrascht zur Tür, wo plötzlich Lo Si
aufgetaucht war.
Der
alte Mann, die Hände in die Ärmel geschoben, lächelte den jungen Polizisten an.
„Danke für das Angebot, mein Freund, doch ich werde den Abend mit Xiaoli und
den Kindern verbringen. Sie haben die Krankheit gut überstanden, dank deiner
Hilfe, Kwai Chang Caine. “ Er verneigte sich leicht. Caine wandte sich ihm zu
und verbeugte sich ebenfalls. Die Augen des alten Mannes suchten den Blick des
Jüngeren. „Ich denke, du solltest deinen Sohn auf dieser Reise begleiten.“
Caine
blickte ihn verwundert an, stellte jedoch keine Fragen. Peter war dagegen nicht
so zurückhaltend – wie üblich. „Wieso? Ich meine, woher weißt du davon?“ Hatte
Lo Si die Angewohnheit an Türen zu lauschen – bildlich gesprochen, denn der
Raum, in dem sie sich aufhielten hatte keine.
Der
alte Mann hob die Schultern in einer Art und Weise, die Peter von seinem Vater
kannte. Diese Geste konnte alles und nichts bedeuten und hieß für gewöhnlich,
dass er keine Antwort erhalten würde. Er fing einen Blick auf, den Caine mit
dem Ehrwürdigen wechselte und den er nicht deuten konnte. Er spürte nur, dass
sein Vater unwillkürlich näher zu ihm trat und eine Hand auf seine Schulter
legte, als ob das, was er im Blick des alten Mannes las oder etwas, das Lo Si
gleich sagen würde, in irgendeiner Weise eine Bedrohung für Peter darstellen
könnte. „Du kannst nicht alle Kranken alleine versorgen.“
Lo
Si schüttelte den Kopf. „Ich werde nicht allein sein. Ting Yung wird helfen und
Cheryl ist in ihren Studien inzwischen so weit fortgeschritten, dass sie
einfachere Mischungen selbst herstellen kann. Außerdem...“ Sein Grinsen
vertiefte die unzähligen Runzeln in seinem Gesicht noch mehr.“...ist Meister
Khan von seiner Reise zurückgekehrt und bietet seine Hilfe ebenfalls an.“
Peter
blickte seinen Vater amüsiert an. „Sieht so aus, als wärst du überstimmt, Paps.
Du hast keine andere Wahl, als mitzukommen.“ Er runzelte die Stirn, als er den
ungewöhnlich ernsten Gesichtsausdruck des Priesters bemerkte. „Ich meine...
also wenn du nicht willst, dann will ich nicht...“
Caine
legte seinem Sohn einen Finger auf den Mund und stoppte ihn. „Ich möchte dich
begleiten.“ Er ließ seine Hand in einer uncharakteristisch flüchtigen, fast
geistesabwesenden Liebkosung über Peters Wange und Schläfe gleiten. „Warte
unten auf mich, ich möchte noch kurz mit Lo Si sprechen.“
„Okay.“
Peter schob seine Verwirrung beiseite. Offensichtlich ging da noch irgendetwas
zwischen dem Ehrwürdigen und seinem Vater vor, das ihn nichts anging. Doch als
er zur Tür blickte, um sich von Lo Si zu verabschieden, war der bereits
verschwunden. „Sieht so aus, als müsste euer Gespräch warten.“
Caine
sah ebenfalls zur Tür und für einen Moment stand Zorn in seinen Augen, wie
Peter verblüfft registrierte. Sein alter Herr schien tatsächlich auf den Ehrwürdigen
wütend zu sein. Kaum zu glauben. Einen Lidschlag später war in Caines Blick nur
noch die übliche Gelassenheit und Peter fragte sich, ob er sich den Zorn nicht
nur eingebildet hatte. Vielleicht ein Trick des Lichts oder so. Er legte den
Arm um die Schultern seines Vaters. „Komm’, gehen wir essen.“
*
// * // *
„Ich
bin nicht müde.“
Caines
Stimme holte Peter aus seinen Grübeleien. Offenbar las sein Vater mal wieder
seine Gedanken.
„Nein,
das tue ich nicht. Es war nur eine logische Schlussfolgerung aus deinen
Worten.“ Caines Gesicht war völlig ausdruckslos, doch in seinen Augen funkelte
es amüsiert.
Peter
stöhnte. „Paps, du treibst mich in den Wahnsinn, wenn du das tust.“
Übertrieben
erstaut blickte Caine seinen Sohn an. „Wenn ich was tue?“, fragte er.
Sein
Sohn grinste. „Das weißt du genau.“ Er warf einen kurzen Blick auf seinen
Vater, der sich entspannt zurückgelehnt hatte und richtete dann seine
Aufmerksamkeit wieder auf die Straße. „Paps... kann ich dich etwas fragen?“
„Offensichtlich
bist du dazu in der Lage“, kam die trockene Erwiderung seines Vaters.
„Dad!
Ich meine das ernst.“
Caine
musterte seinen Sohn. „Du kannst mich alles fragen, Peter.“
„Okay.“
Peter strich sich mit einer Hand übers Haar. „Warum hast du... Du wolltest doch
nicht mitkommen. Warum hast du deine Meinung nach Lo Sis Besuch geändert? Doch
nicht allein wegen dem, was er gesagt hat. Ich kenne dich, du hättest die Stadt
niemals verlassen, wenn es nicht wichtig gewesen wäre.“ Er wartete, doch es kam
keine Antwort von seinem Vater. Unruhe machte sich in ihm breit. „Gibt es
irgendetwas, das du mir verschweigst, Paps? Dachte der Ehrwürdige – oder
dachtest du – mir könnte etwas auf der Fahrt passieren?“ In Gedanken überflog
er rasch die Ereignisse des Tages.
Nichts
ungewöhnliches war geschehen. Er hatte früh morgens seinen Vater abgeholt, die
Fahrt war – von einem Zwischenstopp zum frühstücken abgesehen – ereignislos und
angenehm verlaufen. Nach anfänglichem Schweigen hatte sich sein Vater als
gesprächsbereit gezeigt und die Zeit bis zu ihrer Ankunft war wie im Flug
vergangen. Peter hatte Caine auf dessen Wunsch bei einem kleinen Park
aussteigen lassen und war dann weiter zum Revier gefahren, um den ehemaligen
Sträfling zu identifizieren. Es schien, dass der Mann keine Angehörigen und
auch sonst niemand hatte, der ihn offiziell identifizieren hätte können. Die
Leiche bot einen alles andere als angenehmen Anblick. Jemand hatte dem Mann in
den Kopf geschossen und hinterher seine Fingerkuppen mit Säure verätzt, so dass
es unmöglich war, seine Identität anhand der Fingerabdrücke nachzuweisen. Peter
benötigte einige Zeit, um in dem halb zerstörten Gesicht die Züge des
Drogendealers wieder zu erkennen. Schließlich unterzeichnete er die
erforderlichen Dokumente, was fast noch länger dauerte und durfte letztlich
gehen.
Peter
beschloss seinen Wagen beim Revier geparkt zu lassen und zu Fuß zu dem nicht
allzu weit entfernten Park zu gehen. Er wollte den Geruch der Leichenhalle
loswerden, bevor er sich mit seinem Vater traf. Nicht ganz unerwartet fand er
Caine in Gesellschaft vor. Bei einem überdimensionierten Schachspiel fand er
seinen Vater in reger Unterhaltung mit zwei älteren Männern, die offenbar seine
Meinung über einen Schachzug hören wollten. Amüsiert beobachtete Peter, wie
sein Vater den Streit schlichtete und einer jungen Frau mit einem hustenden
Kleinkind und einem weiteren Baby im Kinderwagen einen kleinen Beutel mit
Kräutern gab. Er sah, wie Caine das Baby aus dem Wagen hob und im Arm hielt,
während die Frau sich um das andere Kind kümmerte und plötzlich war ihm, als
würde ein anderes Bild die Realität überlagern. Er sah einen wesentlich
jüngeren Kwai Chang Caine mit einem Baby im Arm – seinem Sohn. Peter blinzelte
und das Bild war weg. Er schüttelte den Kopf. Was war das gewesen? Hatte er
sich das nur eingebildet oder hatte er... eine Erinnerung seines Vaters
aufgefangen? Peter beschloss nicht weiter darüber nach zu grübeln, als sein
Vater das Kind an dessen Mutter zurückgab, den beiden Schachspielern zunickte
und auf Peter zukam.
„Du
hast deinen Auftrag erledigt“, stellte Caine fest und rückte seinen Hut
zurecht.
Peter
nickte und stopfte die Hände in die Jackentaschen. „Was hältst du davon, wenn
wir irgendwo essen gehen? Ich habe Hunger.“ Er bedauerte inzwischen, seine
Lederjacke anstelle eines Mantels angezogen zu haben, hier draußen war es
ziemlich kühl.
„Wie
immer.“ Caine trat zu ihm und schlug seinen Kragen hoch, zog den Reißverschluss
der Jacke ganz zu. „Am anderen Ende des Parks gibt es ein gutes Restaurant.“
Genauso, wie er es gemacht hatte, als Peter zwölf gewesen war. Dann zog er
einen orangefarbenen Schal aus seiner Tasche und wickelte ihn um Peters Hals.
Peter
grinste. Typisch sein Vater. Er hoffte immer noch, das dieser besondere
Orientierungssein auch Teil seines genetischen Makeups war. Doch bisher war ihm
noch kein allzu großer Erfolg beschieden gewesen. Vermutlich war er wie immer
zu ungeduldig. „Hey, woher hast du den denn?“, fragte Peter neugierig. Er hatte
den Schal noch nie zuvor bei seinem Vater gesehen.
„Ein
Geschenk von Cheryl“, erklärte Caine, während er – offensichtlich zufrieden mit
seinem Werk – einen Schritt zurücktrat, um ihn in Augenschein zu nehmen. „Sie
hat ihn selbst gestrickt.“
Peter
schnitt eine Grimasse. „Na hoffentlich kratzt er nicht. Ich erinnere mich an
die Zeit, als Kel und Carolyn einen Handarbeitskurs besucht haben. Sie haben
unglaublich hässliche Socken und Schals produziert und ich musste sie
tragen...“ Während sie langsam durch den Park schlenderten, berichtete Peter
ausführlich von seiner Leidenszeit als „Lieblingsopfer“ seiner beiden
Pflegeschwestern. Stolz erhellte seine Züge, als er mit seiner Schilderung
seinen Vater zum Lachen brachte...
*
// * // *
Caine
senkte den Blick auf seine ineinander verschränkten Hände. „Es ist das Recht
jedes Mannes, seine Gedanken für sich zu behalten“, entgegnete er langsam. „Der
Ehrwürdige schien sehr... besorgt... darum, dass ich dich begleite – ohne mir
den Grund dafür zu erläutern.“
Enttäuschung
machte sich in Peter breit. „Dann bist du also nur deshalb mitgekommen.“
„Peter.“
Wieder legte Caine eine Hand auf den Arm seines Sohnes und wartete darauf, dass
der ihn ansah. „Nicht allein deshalb.“ Er streichelte Peters Wange. „Ich bin
dankbar für jeden Augenblick, den wir gemeinsam verbringen“, fügte er leise
hinzu.
„Paps,
ich...“ Das Aufröhren eines Motors hinter dem Stealth unterbrach ihn. „Was
zum... Welcher Idiot fährt denn mitten im Winter und nachts mit dieser
Geschwindigkeit?“ Irritiert sah Peter die roten Rücklichter im Dunkel vor ihnen
verschwinden. „Muss ein Selbstmörder sein. Nicht einmal Kermit würde hier so
aufs Gas treten.“
„Oder
du“, setzte sein Vater trocken hinzu.
„Oder
ich“, bestätigte Peter mit einem Grinsen. „Habe ich dir schon erzählt, dass
Kermit mir die erste Fahrstunde gegeben hat? In Pauls Wagen natürlich.“
„Ich
dachte mir, dass ich diesen... einzigartigen Fahrstil... wiedererke...“ Caine
unterbrach sich, als Peter plötzlich heftig auf die Bremse trat und der Wagen
schlingernd und rutschend nach einigen Metern zum Stillstand kam.
„Ha-Hast
du das auch gesehen?“, fragte Peter atemlos. „Da... da war ein Kind auf der
Straße.“ Caine hatte bereits den Sicherheitsgurt gelöst und war aus dem Wagen,
bevor Peter das letzte Wort gesprochen hatte. Er holte fluchend eine
Taschenlampe aus dem Handschuhfach und folgte seinem Vater. Im Dunkeln zu sehen
war auch eine der Lektionen, die er bisher ausgelassen hatte... „Paps?“ Er
umrundete den Wagen und ließ seinen Lichtstrahl über die Fahrbahn wandern. Wo
steckte sein Vater? Unbehagen stieg in ihm auf. Verdammt, das ganze roch nach
einer Falle. Es kam ständig vor, dass jemand eine Panne oder einen Unfall
vortäuschte, um dann denjenigen, der ihm zu Hilfe kommen wollte, auszurauben
oder den Wagen zu stehlen. Und oft genug fielen dabei Schüsse oder ein Messer
kam zum Einsatz. Er wechselte die Taschenlampe in die rechte Hand und zog mit
der Linken seine Beretta aus dem Holster. „Paps? Wo zum Teufel steckst du?“
Dann
sah er die beiden gleichzeitig – seinen Vater und ein kleines Kind, das mitten auf
der Straße saß, nur unzulänglich bekleidet in einem Sommerkleidchen mit Rüschen
und buntem Blumenaufdruck. Blondes Haar, das im Schein seiner Taschenlampe
aufleuchtete, war zu zwei Zöpfen gebunden, die mit schwarzen Schleifen
geschmückt links und rechts ihr Gesicht umrahmten. Ihre Haut war im Licht der
Taschenlampe sehr bleich.
„Paps,
warum machst du nichts? Sie erfriert ja.“ Peter schob seine Waffe zurück in den
Gürtel und begann seine Jacke aufzuknöpfen, um sie um das still dasitzende Kind
zu legen. „Was ist passiert? Gab es einen Unfall? Wo sind ihre Eltern?“
Caines
Hand schnellte vor und packte Peter unsanft am Oberarm. „Fass’ sie nicht an,
Peter!“, befahl er.
Peter
zuckte zusammen – zum einen wegen des ungewohnt harschen Tones, zum anderen
weil sich die Finger seines Vaters wie eine Stahlklammer schmerzhaft in seinen
Arm bohrten. „Aber...“
„Siehst
du denn nicht, wer... oder was... sie ist?“
„Nein.“
Verwirrt starrte Peter seinen Vater an. „Was meinst du damit? Sie ist ein
Kind.“
„Sie
ist tot. Sie ist das Kind, dass der Dim Mak-Meister rächen wollte.“ Caine zog
seinen Sohn hinter sich, so dass er zwischen Peter und dem Kind stand.
„Was
redest du da? Das soll... wie hieß der Kerl noch... Holmes Enkelin sein?“ Peter
richtete den Strahl seiner Taschenlampe wieder auf das reglose Kind. „Das ist
doch... das ist unmöglich! Überhaupt... Holmes ist tot. Ich habe es selbst
gesehen.“
Plötzlich
umgab ein goldenes Schimmern das Kind. Caine schlug Peter die Taschenlampe aus
der Hand – doch noch bevor sie einen Bogen durch die Nacht beschrieb und
klappernd auf dem Asphalt aufschlug, bevor sie erlosch: sah er wie sich die
Gestalt des Kindes auflöste und statt dem Mädchen sich ein Haufen sich
übereinander und untereinander windender Schlangen vor ihnen befand. Das so
abrupte Erlöschen des Lichtes machte Peter wie blind. „Paps?“ Eine Hand legte
sich über seinen Mund.
Fast
im gleichen Moment ging die Taschenlampe wieder an. Sie flackerte ein paar Mal
und beleuchtete dann ein Stückchen der vor ihnen liegenden Straße. Zwischen den
Schlangen stand eine hochgewachsene Gestalt, in einen dunklen, bodenlangen
Umhang gehüllt. Eine Kapuze verhüllte das Gesicht.
Peter
spürte, wie sich sein Vater versteifte. „Was willst du von uns?“, fragte er
scharf. „Sind nicht bereits genug Menschen gestorben? Um ein Kind zu rächen,
dessen Schicksal unabänderlich war!“
Liam
Holmes streifte die Kapuze zurück. Seit ihrem letzten Zusammentreffen war er
noch mehr gealtert, sein Gesicht glich einem Totenschädel, die blutlose Haut
straff über die Knochen gespannt. Er schüttelte die weiten Ärmel seines Umhangs
zurück und hob die Hände vor die Brust, Zeige- und Mittelfinger an den Kuppen
zusammengepresst, die Haltung, die ein Dim Mak einnahm, kurz bevor er den
tödlichen Griff, mit dem er sein Opfer vergiftete, anwendete. „Ja“, erwiderte
Holmes. „Ich habe bei unserer letzten Begegnung gelernt, dass das Schicksal
eines Menschen unabänderlich ist, Shaolin. Hast du wirklich geglaubt, du
hättest mich ins Feuer geworfen? Die Kunst der Dim Mak ist älter als die
Shaolin, wir kennen all eure Tricks und verwenden sie gegen euch.“ Er lachte –
ein entsetzlich bitteres, hasserfülltes Lachen, das Peter eine Gänsehaut
verursachte und Caines Griff um den Arm seines Sohnes verengte. „Meine
Enkeltochter war das einzige, was für mich auf dieser Welt zählte, Priester.
Ich hatte alles gegeben, was ich besitze, um sie zu retten. Aber die Ärzte
ließen zu, dass sie starb. Und ich konnte noch nicht einmal bei ihr sein, um
ihr die Angst zu nehmen, weil ich in diesem Land mein Gesicht nicht offen
zeigen durfte.“ Er presste die Finger fester zusammen und aus dem Nichts kam
das Zischen und Züngeln von Schlangen.
Caine
hob beide Hände, die Handflächen nach außen gedreht. „Ich will nicht gegen dich
kämpfen“, sagte er. „Deine Enkeltochter ist gestorben, weil ihre Zeit gekommen
war. Deine Taten binden ihren Geist und ermöglichen es ihr nicht, sich weiter
zu bewegen und ihre Reise fortzusetzen.“
Die
sich träge zu Holmes Füßen windenden Schlangen glitten auseinander und machten den
Weg frei. Er kam einen Schritt auf Caine zu. „Die Shaolin legen viel Wert auf
Barmherzigkeit. Nun, ich werde dir zeigen, wie barmherzig ein Dim Mak-Meister
sein kann. Dir wird erlaubt sein, bei deinem Sohn zu bleiben, während er
stirbt.“
„Genug.“
Es
war nur ein einziges Wort, gesprochen ohne besondere Betonung, doch Holmes
Gesicht verzerrte sich vor Wut. Dann spielte ein kleines Lächeln um die
schmalen, blassen Lippen, das die Leere in den tiefliegenden Augen darüber nur
noch deutlicher hervortreten ließ. „Zu spät, Priester. Wir sehen uns eines
Tages wieder. Und dann... wenn du genug gelitten hast... erst dann werde ich
dich töten.“
Die
Taschenlampe flackerte – und erlosch. Holmes verschwand in der Dunkelheit so
urplötzlich, wie er erschienen war.
Caine
tastete nach Peter und zog ihn an sich. Seine geschulten Sinne vernahmen ein
merkwürdiges Flüstern und Wispern, das Gleiten von Schlangen auf dem rauen
Asphalt. Schlangen. Die Begleiter eines Dim Mak-Meisters, von ihm gerufen. Er
konnte sie nicht sehen, nicht einmal seine Fähigkeiten als Shamballahmeister
konnten die dunkle Macht der Dim Mak überkommen. Alles, was er tun konnte, war
die Schlangen zu vernichten, bevor sie dicht genug an sie heran glitten, um
zuzubeißen. Mit der reinen Energie seines ch’i brachte er den Asphalt um sie
herum zum Glühen, feurig-rot zog sich ein handbreiter Kreis um ihn und seinen
Sohn, in dessen Zentrum sie sich befanden.
„Vater?“
Es war die angstvolle Stimme seines Kindes. Peters Hände umklammerten seine
Schultern. „Was ist los? Wo ist er hin?“
„Bewege
dich nicht, Peter“, warnte ihn sein Vater. „Holmes hat Schlangen auf uns
gehetzt. Kannst du sie nicht hören?“
„Schlangen?“
Ein Schauer des Abscheus rann durch Peter. „Aber ich höre nichts.“ Er schluckte
hart und sein Herz begann zu rasen. Im Dunkel konnte er seinen Vater nicht
sehen, doch die Hände, die sich um sein Gesicht legten, beruhigten ihn sofort.
„Zeige
keine Angst, Peter.“
„Okay“,
flüsterte Peter. „Ich versuch’s, Paps.“ Er spürte, wie sich sein Vater von ihm
abwandte.
Caine
hob beide Hände, Handflächen nach außen und bündelte sein ch’i. Asphalt zum
Brennen zu bringen war weitaus schwieriger, als Kerzen zu entzünden, auch wenn
Peter bereits das wie ein Wunder vorkommen mochte. Er konzentrierte sich
härter, schöpfte Kraft tief aus der Quelle in seinem Inneren. Er spürte Peter
zusammenzucken und der wild rasende Herzschlag seines Kindes erfüllte seine
Ohren, als Flammen aus dem Asphalt um sie herum schossen. Die Schlangen wurden
für einen Augenblick sichtbar, bevor sie in einem Funkenregen zerbarsten.
Doch
auch ein Shamballahmeister war ein menschliches Geschöpf. Und Caine hatte seine
Kräfte in den letzten Wochen über Gebühr in Anspruch genommen. Die Flammen
erloschen zitternd und auch der glühende Ring um sie wurde matter – und
verschwand schließlich ganz. Caine sackte halb besinnungslos gegen Peter, der
ihn auffing und an sich drückte.
„Bist
du in Ordnung?“, flüsterte Peter angsterfüllt, den Mund dicht am Ohr seines
Vaters.
Caine
brachte ein müdes Nicken zustande. „Wir müssen gehen, bevor sie einen neuen
Versuch starten.“ Er konnte sie hören, das Wispern und Gleiten der Körper auf
dem bereits auskühlenden Asphalt, es kam näher. Das Knirschen, mit dem sich die
Schlangen über die Asche ihrer verbrannten Artgenossen schoben. Er richtete
sich auf und löste sich aus Peters Griff. Seine Hände auf den Schultern seines
Sohnes drängte er ihn vorwärts, in Richtung des Stealth.
Sie
hatten den Wagen erreicht und Peter riss die Fahrertür auf, als Caine das
warnende Gleiten eines Körpers auf Metall wahrnahm – einen Augenblick später
schnellte sich die erste Schlange vom Dach des Stealth. Caines Hand war nur
Bruchteile von Sekunden schneller und schlug sie von sich weg. Sie schlug
einige Meter von ihm entfernt auf und zersprühte in einem Funkeregen. „Peter!
Schnell, in das Auto.“ Eine Schlange wand sich um Caines Knöchel. Er bückte
sich und riss sie weg. In diesem Augenblick stürzten mehrere vom Dach des
Wagens auf den Shaolinpriester. Eine der Schlangen, lang und dünn wie ein Seil,
wand sich sofort um seinen Hals, um ihm den Atem abzuschnüren. Auch diese riss
Caine von sich weg.
„Paps.“
Die
Angst in Peters Stimme ließ Caine erstarren. Er blickte über das Dach des
Sportwagens und sah Holmes, die Innenbeleuchtung des Wagens umhüllte ihm mit
einem matten Schimmern aus Licht. Der Dim Mak-Meister hatte die Hand erhoben,
Zeige- und Mittelfinger abgespreizt und dicht aneinander gepresst. Sein
erhobener Arm glich der Haltung einer Schlange, die gleich zubeißen würde.
„Nein!“
Holmes
Arm schnellte vor und berührte Peter am Halsansatz. Der junge Polizist stieß
einen leisen Schrei aus und begann, an den Wagen gelehnt, langsam zu Boden zu
sinken. Noch bevor er ihn erreicht hatte, war Caine bei ihm und fing ihn auf.
Peter an sich drückend, glitt er mit ihm zu Boden.
Holmes
trat einen Schritt zurück in die Dunkelheit. „Dieses Mal kannst du nicht
helfen. Es gibt kein Gegenmittel gegen das Schlangengift der Dim Mak. Wir sehen
uns wieder, Shaolin“, sagte er leise. Dann war er verschwunden. Das Rascheln
und Flüstern um sie herum verstummte.
Peter
stöhnte leise und bewegte sich unruhig in den Armen seines Vaters. „Was...
was... hat er mit mir... gemacht?“
„Du
musst ganz still liegen bleiben, Peter.“ Caine durchsuchte mit einer Hand seine
Tasche, während er mit der anderen Peters Gesicht streichelte, um ihn zu
beruhigen. „Er hat dich vergiftet.“
„G-Gift?“
Caines
Finger schlossen sich um das kleine Fläschchen mit dem Mittel, das Peters ch’i
stabilisieren würde, hoffentlich so lange, bis er ihn in ein Krankenhaus
bringen konnte. Er konnte spüren, wie das Gift in Peters Körper wütete, ein
heißroter Strom aus Dunkelheit, der tief in gesundes, lebendes Gewebe vordrang
und es zerstörte. Er zog das Keramikfläschchen hervor und zog den Korken heraus.
Mit sanfter Gewalt öffnete er Peters Mund und zwang ihn, das Elixier zu
trinken. Peter schrie auf und schlug um sich, nicht mehr erkennend, wer ihn
festhielt - doch er schluckte. Eiskalte Verzweiflung umklammerte das Herz des
Shaolin, als er erkannte, dass es kaum Wirkung zeigte. Er wusste, dass nichts,
was er in seiner Tasche bei sich trug, die Vergiftung stoppen konnte. Er zog
Peter enger an sich, atmete tief ein und öffnete seinen Geist, um sein ch’i mit
dem seines Sohnes zu verbinden. Er visualisierte die Verbindung zwischen ihm
und Peter als ein silbernes Band, das ihre Seelen aneinander fesselte. Nachdem
Peter sein Shaolintraining beendet hatte, war es für sie beide einfacher
gewesen, auf diese Weise eins zu werden. Doch etwas drängte sich zwischen sie
und zu seinem Entsetzen wurde Caine zurückgeschleudert.
Er
schlug die Augen auf und fand sich neben Peter auf dem Asphalt liegen. Sein
Sohn wand sich, sein schweißbedecktes Gesicht war vor Schmerzen verzerrt. Sein
verkrampfter Körper strahlte eine Hitze ab, die den Flammen, die Caine gegen
die Schlangen gerichtet hatte, gleichkam. „Nein, Peter.“
Peters
Lider öffneten sich. Sein Blick war glasig. „Paps?“, flüsterte er. „Mein....
mein Handy. In meiner... Ta-Tasche. Kermit.... du musst... Kermit anrufen.
Drück’ einfach... einfach die „1“. Das ist unser... unser... Signal...“ Er
brach ab und begann um Atem zu ringen. Seine Lippen nahmen rasch den Blauton
eines Erstickenden an.
Caines
Hand zitterte, als er Peters Jacke zurückschlug und das kleine Telefon aus
Peters Brusttasche holte. Er starrte einen Moment unsicher auf die Tasten mit
den winzigen Ziffern und presste dann auf die „1“. Ein langezogener Piepton
durchbrach die Stille und die Anzeige leuchtete auf. Dann wurde das Gerät
wieder stumm. Es glitt aus Caines Hand auf den Boden und blieb dort unbeachtet
liegen.
Er
zog Peter wieder in seine Arme und drückte ihn fest an sich. Sein Herz weigerte
sich zu glauben, was er spürte – die grauen Schatten des Todes, die seinen Sohn
zu umhüllen begannen. „Nein!“ Er wusste nicht, dass es der gleiche,
verzweifelte Schrei war, den er mehr als zwanzig Jahre zuvor ausgestoßen hatte,
als er den brennenden Tempel einstürzen sah und Peter darin gefangen glaubte.
Nur war sein Sohn dieses Mal bei ihm, in seinen Armen. Peters ch’i zerrann
zwischen seinen Fingern wie Sand. „Peter.“ Sanft drückte er ihn gegen sich.
Sein Mund glitt über die glühende Wange seines Kindes, streifte ein Ohr.
„Peter. Nein. Du darfst mich nicht noch einmal verlassen.“
Caine
wusste nichts von den Tränen, die über seine Wangen glitten und sich mit der
Feuchtigkeit auf Peters Gesicht mischten. Er versuchte erneut, mit seinem ch’i
nach der schwindenden Lebensenergie seines Sohnes zu greifen, doch er hatte
nicht die Kraft, die Schatten zwischen ihnen zu durchdringen.
Plötzlich
wurde Peter in seinen Armen sehr still. Er öffnete die Augen und starrte in den
sternenübersäten Himmel. „Vater?“, flüsterte er stockend, seine Stimme die des
Zwölfjährigen, der er vor so langer Zeit gewesen war.
Caines
Hand zitterte, als er über Peters Gesicht strich. „Ich bin hier, Peter. Ich bin
bei dir.“ Die Worte kamen kaum über seine Lippen. „Du bist nicht allein.“
„...es...
tut mir so... leid.“ Peter drehte sein Gesicht in die Hand seines Vaters. Seine
Augen schlossen sich. „...ich... ich....“
„Ich
liebe dich auch“, flüsterte Caine erstickt. „Peter... Peter... mein Sohn... für
immer.“
Wie
ein Sonnenstrahl, der auf die Oberfläche eines Sees trifft, erhellte ein
Lächeln Peters Gesicht. Dann wurde es leer und sein Körper entspannte sich mit
dem letzten Schlagen seines Herzens.
„Nein...“
Ein fast unhörbares Flüstern. Ein wortloser Schrei stieg in den schweigenden
Himmel auf.
Als
Kermit sie mit dem Morgengrauen fand, wiegte Caine noch immer seinen toten Sohn
in den Armen, glitten seine Finger noch immer über ein erstarrtes Gesicht, das
nie wieder auf seine Berührung reagieren würde.
Kermits
entsetzter Ausruf konnte ihn ebenso wenig erreichen, wie Augenblicke später Lo
Sis sanfte Berührung seiner tränenbedeckten Wangen oder Jody, die sich in
Captain Simms Griff wand und ihren Kummer herausschrie.
-ende
–
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Giving me wings for flying away
As I feel my body, it dies
Let my soul join the pale sky's grey
I'll soon be back
As the legends used to say
A night, blazed, right into dark
Or a day with its sky full of grey
Poetry of death
Written deep within the soul of the man
(Nightfall – Poetry of death)
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„A
Chinatown Murder Mystery: The case of the poisenend hand“
Die ganze Folge ist im Stil einer
Charlie-Chan-Geschichte abgefasst und beginnt eigentlich am Ende. Peter ist
gerade dabei, seinen Bericht abzufassen und fungiert quasi als Erzähler. Seine
Gedanken, Erklärungen und Kommentare gehen mit der Handlung einher.
Melanie Parker, die Frau eines Arztes,
sucht Caines Hilfe, nachdem man sie bei der Polizei abgewiesen hat – ihr
Ehemann ist verschwunden. Kurz zuvor verstarb einer seiner Kollegen unter
mysteriösen Umständen. Caine beginnt seine Nachforschungen im Krankenhaus. Dort
erfährt er, dass ein weiterer Arzt nicht zur Arbeit erschienen ist. Alle drei
Ärzte wurden wegen ihrer revolutionären Behandlungserfolge einer seltenen
Blutkrankheit bekannt. Kurz darauf findet Caine den toten Arzt im Keller des
Krankenhauses. Melanie Parker erhält in der Zwischenzeit einen Anruf von ihrem
Mann, sie trifft sich mit ihm, doch es ist zu spät – ein Unbekannter vergiftet
den Arzt durch eine Berührung, der daraufhin zusammenbricht. Melanie ruft Caine
und Lo Si ins Krankenhaus zu ihrem Mann, da alle Behandlungsmethoden nicht
anschlagen. Die Umstände der Vergiftung und die Vorgehensweise des Mörders
erinnern Peter und Caine an einen Vorfall im Tempel, als ein Student nach einem
Streit mit einem anderen Studenten namens Thomas schwer krank wurde und zu
sterben drohte. Caine entdeckte, dass Thomas sich zu einer Sekte namens Dim Mak
hingezogen fühlte, die sich einer uralten Kunst des Tötens befleißigt – das
Vergiften der Lebensenergie eines Menschen scheinbar durch eine bloße
Berührung. Caine erkennt, dass er nur eine Möglichkeit hat, den Mörder zu
finden – in dem er die vergiftete Lebensenergie von Dr. Parker in sich
aufnimmt, ist er in der Lage, dessen Schritte zu folgen – und somit die
Begegnung mit dem Mörder nach zu erleben. Obwohl sich sein Zustand immer
stärker verschlimmert und sein eigenes Leben in Gefahr ist, gelingt es Caine
gemeinsam mit Peter und Kermit das Versteck des Dim Mak-Meisters zu finden. Es
handelt sich um Liam Holmes, ein reicher, skrupelloser Mann, ein Meister der
Künste der Sekte. An seiner Seite befindet sich der damals aus dem
Shaolintempel verbannte Thomas. Er hat in Holmes Auftrag die beiden Ärzte
getötet und das gleiche bei Dr. Parker versucht, da Holmes Enkeltochter nach
der Behandlung durch diese drei Ärzte verstarb. Da Dr. Parker jedoch noch lebt,
hat Thomas versagt – und dafür gibt es bei den Dim Mak nur eine Strafe – den
Tod. Holmes befielt Thomas, das Gift aus Caines Körper in seinen eigenen zu
übertragen, was ihn tötet. Daraufhin fordert Holmes Caine zu einem Zweikampf
heraus, was dieser – obwohl geschwächt – nicht ablehnen kann. Als Holmes sieht,
dass er gegen den Shaolin nicht gewinnen kann, verwandelt er sich – ob nun
tatsächlich oder nur scheinbar – in eine Schlange, die Caine ins Feuer wirft.
Ein Vorkommnis, von dem Kermit Peter heftig abrät, es in seinem Bericht zu
erwähnen, sollte er nicht wünschen, dass Captain Simms sein Büro in eine
Gummizelle verwandelt.