Fandom: Martin Mystery
Folge: 9-Shrieck
from Beyond (Schreie aus dem Jenseits)
Beta: T’Len
MOM’s Special Darling (März 2004)
MOM platzte der Kragen. „Nimm’ deinen
Bruder und schaff’ ihn bitte von hier weg“, sagte sie zu Diana und warf Martin
einen eisigen Blick zu.
„Ich weiß auch nicht, was ich noch mit
ihm anfangen soll“, seufzte Diana. „Er steht doch nicht mehr unter dem Bann der
Sirene, oder?“
„Natürlich nicht. Der Käfig ist
schalldicht.“ MOM’s Stimme wurde noch einige Grad eisiger. „Das ist nur Martin
in Höchstform.“
So kalt war es nicht einmal in
Neufundland gewesen, dachte Diana. Hilfesuchend wandte sie sich um und sah in
einer Ecke Java mit Billy plaudern. Der Höhlenmensch und der kleine Marsianer
in seinem schwebenden Sessel steckten die Köpfe zusammen und kicherten über
etwas, dass auf dem kleinen Schirm auf Billys Konsole zu sehen war. „Java, wir
müssen zurück in die Schule. Hilf’ mir bitte Romeo hier loszueisen.“
Java hob den
Kopf und nickte breit grinsend. „Java ist gut im loseisen“, verkündete er, trat
zu Martin, der noch immer am Käfig des Vogelwesens klebte und versuchte, die
Aufmerksamkeit der Sirene zu erregen. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, sie zu
trösten, obwohl MOM es ihm strikt verboten hatte. Java machte kurzen Prozess
und klemmte sich Martin unter den Arm.
Erleichtert
winkte Diana Billy zu, der ihnen breit grinsend nachsah, als sie durch einen
der unzähligen Ausgänge verschwanden. Mit leisem Ploppen schloss sich das
Energietor.
„Darf ich
fragen, was du da machst?“, fragte MOM scharf, als Billy auf den Käfig
zuschwirrte.
„Ich wollte noch
eine Federprobe nehmen.“ Billys rundes, grünes Gesicht strahlte Verwirrung aus.
„Die Feder, die Martin mir zur Analyse geschickt hat, war gefroren. Inzwischen
ist sie aufgetaut und zerstört. Ich dachte, wenn ich jetzt eine frische Probe
nehme, jetzt wo die Sirene wieder trocken ist... Äh...“ Billy geriet ins
Stocken, was bei ihm äußerst selten vorkam. Doch irgend etwas an der Art wie
MOM ihn ansah, als wäre er eine besonders widerwärtige Spezies unter ihrem
Mikroskop... „Es gibt da ein paar interessante Genmutationen, aber die kann ich
mir auch morgen ansehen“, meinte er leichthin und schwebte rückwärts Richtung
Ausgang. „Ich geh dann jetzt...“
„Vielen Dank,
Billy“, erwiderte MOM sarkastisch. „Und sorg’ dafür, dass ich nicht mehr
gestört werde.“
Kopfschüttelnd
eilte Billy aus ihrem Büro. MOM arbeitete einfach zu viel. Deshalb ließ sie
sich auch von Martin immer so schnell auf die Palme bringen. Na ja, dann ließ
er die Genanalyse halt bis morgen, er hatte noch genügend andere Projekte
laufen. Oder sollte er sich mit der kleinen Venusierin in der Kantine
verabreden, auf die er schon so lange ein Auge geworfen hatte? Dann könnte er gleich
ausprobieren, ob Martins neueste Anbaggersprüche ihre zwei hübschen Köpfe
verdrehen würden... Pfeifend schwebte Billy weiter den Gang entlang.
* * *
MOM stand vor
dem Glaskäfig, in dem die Sirene sich zusammengekauert hatte und sich hinter
ihren Flügeln versteckte. Sie studierte die schlanke, sehr menschliche Gestalt.
Jetzt, im Ruhezustand, wies die Sirene Ähnlichkeit mit einem Engelbild auf, das
MOM vor langer Zeit in alten Unterlagen gesehen hatte. Sie nahm sich vor,
jemanden damit zu beauftragen, nach dem Ursprung des Vogelwesens zu forschen
und zu ermitteln, ob sie Bezug zu den Engellegenden hatten. Aber das konnte
warten.
MOM trat zu
ihrem Schreibtisch und betätigte einen Schalter, der die Tür verriegelte und
ihr Büro schallisolierte. Sie wollte nicht riskieren, dass die Sirene ihre
Vogelgestalt annahm, mit ihrem Schrei ein Loch in die Wand sprengte und zu
entfliehen versuchte. Dann öffnete sie den Käfig.
Die Sirene rührte sich nicht.
MOM schob die
Tür weiter auf und betrat den Käfig. „Du musst keine Angst mehr haben“, sagte
sie sanft. Billy würde sicher verblüfft die Augen aufreißen, wenn er die Stimme
der Direktorin der Basis so gehört hätte. Langsam streckte sie die Hand nach
der zusammengekauerten Gestalt aus, berührte sie aber noch nicht. MOM sprach
beruhigend auf das verängstigte Geschöpf ein.
Langsam legte
sich das Zittern des Vogelwesens und sie drehte den Kopf etwas in MOM’s
Richtung. Ihre langen, weißen Wimpern flatterten, dann hoben sich ihre Lider
und sie sah MOM aus großen, feuchten Augen an. Ein leises, fragendes Geräusch,
eher ein Zirpen, als ein Wort, kam über ihre Lippen.
MOM streichelte
über einen Flügelbogen. Jetzt, da die Federn getrocknet waren, fühlten sie sich
weich und spröde zugleich an, knisterten leise, als sie darüber strich.
Das Vogelswesen
entspannte sich etwas und gab wieder ein leises, melodisches Geräusch von sich.
Es sprach nicht, doch MOM wusste
aus Martins und Dianas Bericht, dass die Sirene sprechen und singen konnte. Sie
würde Billy morgen testen lassen, wie es zu einer Verschmelzung von Mensch- und
Vogel-DNA hatte kommen können. Vielleicht stand es noch zu sehr unter Schock –
Wiederzuerwachen nach einem über fünfzigjährigen Schlaf im Eis, der Kampf und
nicht zuletzt der Sturz in die eiskalte See – das alles hatte die Sirene
natürlich mitgenommen.
Weiter
beruhigend auf sie einsprechend, lockte MOM die Sirene schließlich aus dem
Käfig und führte sie in einen
abgeschirmten Erholungsbereich, den MOM allerdings nie benutzte. Sie
betrachtete die Sirene, die sich auf einem Sofa niedergelassen hatte. Mit den
nach hinten gefalteten Flügeln sah sie fast wie eine gewöhnliche, wenn auch
sehr hübsche, junge Frau aus. Einer der Mitarbeiter der Basis hatte ihr einen
Overall gegeben, wie ihn die anderen auch trugen. Der enganliegende, weiße
Stoff verbarg nichts von ihrer Figur, die ebenfalls - bis auf die Flügelansätze
natürlich – menschlich wirkte. Ein paar zarte Daunen hatten sich gelöst und in
ihrem Haar verfangen.
MOM ließ sich
ihr gegenüber nieder und betrachtete sie. Ein vages Unbehagen stieg in ihr
hoch, als sie ein plötzliches, merkwürdiges Lächeln um die Lippen der Vogelfrau
spielen sah. Wirkte es... verschlagen? MOM beschloss, sie im Auge zu behalten.
Es war besser, kein Risiko einzugehen. Zwar wirkte sich der Zauberbann der
Sirene nur auf Männer aus, das hatten Dianas Erfahrungen in Neufundland
gezeigt. Um ihre Lippen huschte kurz ein ironisches Lächeln, als sie an Martins
Gesicht dachte – Diana hatte mit der Q-Watch Aufnahmen von den Zerstörungen in
der Stadt vorgenommen und dabei auch Martin auf Film gebannt. Ihr fiel auf,
dass die Sirene inzwischen viel entspannter wirkte.
„Siehst du, so
ist es doch schon besser.“
Das
Vogelgeschöpf öffnete die Lippen, als wolle es etwas sagen – schien es sich
jedoch dann anders zu überlegen und schwieg. Sie setzte sich anders hin, so
dass sie ihre verschränkten Arme auf die Lehne des Sofas legen und die Wange
darauf betten konnte. Ihr Rücken bog sich und ihre Flügel sprangen knisternd
auf und entfalteten sich. Sie schüttelte sich ausgiebig und zog die Flügel dann
wieder eng an den Körper. Anschließend setzte sie sich wieder gerade hin.
„Ich verstehe,
dass dies alles sehr schwer für dich ist“, sagte MOM. „Es sind fünfzig Jahre
vergangen, seit Rolf dich im Eis eingeschlossen hat.“
Die Vogelfrau
stieß einen leisen Klagelaut aus.
„Du wirst ihn
vergessen“, versprach MOM. „Du wirst hier eine neue Heimat und Freunde finden.
Aber es gibt dafür eine Voraussetzung – du darfst deine Fähigkeiten nicht mehr
einsetzen. Solltest du das tun und versuchen, die Männer in der Basis in deinen
Bann zu ziehen, dann muss ich leider dafür sorgen, dass eine operative
Modifikation deiner Stimmbänder vorgenommen wird.“
Die Sirene blickte
sie an und senkte dann den Blick auf ihre kleinen, hellen Hände mit den etwas
zu langen Fingernägeln. Dann nickte sie. Ihr Haar verbarg ihr Gesicht.
„Gut. Ich denke,
dann besteht kein Zweifel daran, dass wir uns verstehen. Ich werde dir jetzt
zeigen, wo du in Zukunft schlafen wirst.“ MOM erhob sich. Mehr war wohl für den
Moment nicht zu erreichen.
Gehorsam stand
die Vogelfrau auf – plötzlich schnellte sie mit ungeheuerer Geschwindigkeit
über den Tisch zwischen ihnen und stürzte sich auf MOM. Die wand sich
katzengleich aus der Umklammerung des Geschöpfs und rollte sich davon. Die
Sirene folgte ihr und die beiden Frauen bildeten ein wirres Knäuel aus Armen,
Beinen und Flügeln. Und dann - so schnell, dass MOM kaum sagen konnte, wie es
geschehen war – erhob sich die Vogelfrau mit ihr in die Luft, drehte eine Runde
dicht unter der Decke des Büros und schlug einen Salto. MOM schlang die Arme
fester um den Nacken der Vogelfrau, schmiegte sich enger an sie. Unter dem
Overall spürte sie die höhere Körperwärme der anderen wie Sonnenglut. Wie
interessant...angenehm.... es wohl sein musste, ihre nackte Haut zu berühren...
Graziös landete
die Vogelfrau auf dem Boden und schlang die Arme um MOM’s Taille. Ihre Flügel
schlossen sich wie ein Vorhang um sie beide. Die Sirene lächelte, ihre Augen
funkelten.
MOM zog eine
Augenbraue hoch. Nun, die Heilung der Sirene von ihrem Liebeskummer schien
schneller voranzugehen, als sie gedachte hatte. Und auf das Interspecies
Dating Program der Basis konnten sie wohl auch verzichten. Manche Dinge
nahm MOM eben gerne selbst in die Hand. Sie zögerte noch einen Moment, beugte
dann den Kopf leicht nach vorn und küsste die blassen Lippen der Vogelfrau...
Ende