Mit dem Herzen sehen
T’Len
2009
Charaktere:
Winnetou/Old Shatterhand
Kategorie:
R
Hinweise:
bisschen AU, da ich beschlossen habe Nscho-tschi komplett zu ignorieren
Feedback: tlen11@freenet.de
Summe:
Ein Missverständnis mit überraschenden Folgen
Disclaimer:
Die
Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen und Figuren liegen
bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt nicht in der
Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu verletzen. Vielen Dank an Lady Charena fürs Beta.
Ich konnte
nie herausfinden, was mich Intschu-tschuna verraten hatte. Wahrscheinlich waren
es die Blicke, die ich Winnetou zuwarf, wenn ich mich unbeobachtet glaubte. So
wie in diesen Minuten.
Die Tage nach
dem Gottesurteil und nach dem Winnetou und ich am Grab Klekih-petras
Blutsbrüder geworden waren, waren die unbeschwertesten seit langem in meinem
Leben. Unter der liebevollen Pflege der Apachen erholten wir uns von den
Strapazen der Gefangenschaft und der Abenteuer zuvor. Sam, Dick und Will hatten
mehr als ein paar Squaw-Hände gefunden, die sie liebevoll umsorgten.
Ich aber
stand unter Winnetous persönlicher Obhut. Wir ritten auf den herrlichen Pferden
der Apachen über die Prärie. Er zeigte mir den Umgang mit Tomahawk, Pfeil und
Bogen. Gemeinsam jagten wir oder durchstreiften die Wälder, um Spuren zu lesen,
die wir zuvor füreinander gelegt hatten. Wenn wir am Abend verschwitzt und müde
zurück ins Pueblo kamen, kühlten wir unsere erhitzten Leiber im Fluss und
schwammen um die Wette. Mir kam es vor, als wären wir zwei Heranwachsende, die
den ganzen Tag in der Natur herumtollten.
Nur, dass wir
keine Knaben mehr waren, sondern erwachsene Männer mit entsprechend vollständig
ausgebildeten Körpern, wie mir mit jedem Tag schmerzlicher bewusst wurde.
Ich empfand
es als eine gewisse Ironie, dass ich jetzt, wo ich das denkbar männlichste
Leben lebte, genau zu dem geworden war, das mein Vater einst so fürchtete. Ich
erinnere mich noch genau, wie ich mit sechs oder sieben Jahren einen
furchtbaren Streit meiner Eltern hinter der Tür stehend heimlich mit anhörte.
Meine Mutter flehte meinen Vater an, er möge mich angesichts meiner zarten
Gestalt und oft angegriffenen Gesundheit nicht so hart heran nehmen. Mein Vater
erwiderte - und machte dabei deutlich, dass er keinen Widerspruch dulden würde
- dass er dafür sorgen würde, das sein Sohn keiner dieser verkommenen,
verweichlichten Sodomiten werde. Was er damit meinte, verstand ich erst, als
ich Jahre später mit einem guten Freund in der Scheune seiner Eltern unsere
heranwachsenden Körper entdeckte. Wir fanden nichts dabei, dass wir mit
unschuldigen Berührungen einander erkundeten, bis wir eines Tages von einem
Jungen in unserem Alter hörten, der in unserem Nachbardorf von seinem Vater
fast zu Tode geprügelt worden war, weil er ihn mit einem jungen Mann zusammen
im Heu erwischte. Sein Begleiter wurde, als die Polizei ihn am nächsten Tag
wegen Sodomie verhaften wollte, erhängt in seiner Stube gefunden.
Mein Freund und
ich, wir trafen uns nie wieder außerhalb der Öffentlichkeit und ich floh die
Enge meiner heimatlichen Kleinstadt so bald als möglich. Hier in Amerika fühlte
ich mich frei. Nicht in dieser persönlichen Hinsicht. Diesen Teil meiner Natur
hielt ich wohl verschlossen und wenn möglich vor mir selbst verborgen. Die
Weite des Westens aber gab mir ein Gefühl von Freiheit, die mich meine
ungebührlichen körperlichen Begierden vergessen ließ. Gleichzeitig sah ich mich
so nicht gezwungen mich irgendwelchen Konventionen hinzugeben, indem ich mir
weibliche Gesellschaft suchte.
Bis ich
Winnetou traf und er in mir jene verbotene Leidenschaft weckte, die ich so gut
in meinem tiefsten Inneren verschlossen glaubte. Ich ertappte mich immer
häufiger dabei, wie ich seinen schlanken, sehnigen Körper heimlich betrachtete.
Wenn er vor mir ritt, sich seine Muskeln im Rhythmus des Pferdes an- und
entspannten, sein langes, blauschwarzes Haar, dass er jetzt nicht mehr zu der
Haube gebunden trug, mit der ich ihn kennen lernte, im Wind hinter ihm
herflatternd, dann beschleunigte sich mein Puls. Ich stellte mir vor, wie sich
die Muskeln unter der glatten Haut bei meiner Berührung zusammenziehen würden.
Ich malte mir aus, wie sein Haar über meine nackte Haut kitzelte, wenn er sich
über mich beugte. Ich fragte mich, wie sich sein zarter Mund unter meinem
anfühlen würde. Wie würde es sein, rieb seine bartlose Wange gegen meine
Stoppeln? Wenn wir nackt zusammen schwammen und das Wasser auf seiner braunen
Haut perlte, dann brauchte ich alle Selbstbeherrschung, die ich aufbringen
konnte, um nicht meine Hand auszustrecken und ihn zu berühren.
Ich wusste
nicht, ob den Apachen das Konzept gleichgeschlechtlicher Liebe überhaupt
bekannt war und wie sie gegebenenfalls darauf reagieren würden. Aber ich nahm
an, ihre Ablehnung wäre genauso groß, wie die in meiner Kultur. Ich wollte
verdammt sein, wenn ich meine Freundschaft zu Winnetou zerstörte, indem ich
ungebührliche Annäherungsversuche unternahm. So litt ich stumm und träumte
heimlich.
Wie an jenem
Tag, als ich auf einem der Vorsprünge des Pueblo stand und Winnetou
beobachtete, wie er federnden Schrittes durchs Lager ging, den Fang unserer
gemeinsamen Jagd in den Händen.
Ich bemerkte
erst, so war ich in Gedanken vertieft, dass sein Vater neben mich getreten war,
als er mich ansprach. "Intschu-tschuna ist dem großen Manitu dankbar, dass
er Old Shatterhand an die Seite seines Sohnes geführt hat", sagte er. Ich
blickte ihn an und sah, dass sein Blick, genau wie zuvor der meinige, den Bewegungen
seines Sohnes folgte. Nur dass in ihm väterlicher Stolz lag und nicht
verbotenes Verlangen.
"Ich bin
auch sehr dankbar, Winnetou meinen Bruder nennen zu dürfen", erwiderte ich
ehrlichen Herzens.
Intschu-tschunas
Blick richtete sich auf mich und ich sah für einen kurzen Augenblick
Traurigkeit in ihm aufflackern. "Intschu-tschuna spürt, dass der große
Manitu ihn bald zu sich rufen wird. Dann wird Winnetou der Häuptling der
Apachen sein."
"Ich bin
sicher, Winnetou wird ein würdiger Häuptling sein, aber es werden noch viele
Sommer vergehen in den Intschu-tschuna sein Volk führt", erwiderte ich.
Der weise
Häuptling schüttelte den Kopf. "Intschu-tschuna kann in Frieden in die
ewigen Jagdgründe gehen, nun da er weiß, dass sein Sohn einen Gefährten an
seiner Seite hat. Ist Old Shatterhand bereit, diese Aufgabe zu
übernehmen?"
Ich zögerte
keine Sekunde, bevor ich erwiderte. "Ich schwöre Intschu-tschuna, dass ich
so lange an Winnetous Seite sein werde, wie dieser das wünscht. Ich werde ihn
jederzeit mit meinem Leben verteidigen. Mein Herz und meine Seele gehören für
immer ihm." Ich hielt erschrocken inne, fürchtete, bereits zu viel gesagt und mich verraten zu haben.
Intschu-tschunas Blick schien mich durch Mark und Bein zu prüfen und bis in
mein Innerstes zu dringen.
"Intschu-tschuna
hört diese Worte mit großer Freude", sagte er schließlich. "Ist Old
Shatterhand bereit, dies morgen in einer Zeremonie vor dem gesamten Stamm zu
bezeugen?"
Ich dachte an
eine weitere Zeremonie, wie die unsere Blutsbrüderschaft und gab sofort mein
Einverständnis. "Es ist mir eine Ehre an Winnetous Seite zu stehen",
betonte ich noch einmal.
Intschu-tschuna
neigte sein Haupt in einer verbeugenden Geste. "Old Shatterhand erweist
unserem Volk eine große Ehre", sagte er feierlich.
Dann umspielte
ein Lächeln die Züge des Häuptlings. Er ergriff meine Hände und drückte sie.
"Intschu-tschuna hatte die Hoffnung fast aufgegeben, sein Sohn würde den
Gefährten seines Herzens noch finden. Er wird Old Shatterhand für ewig dankbar
sein. Möge Manitu seine und Winnetous Verbindung für ewig beschützen."
Ich blickte
ihm stirnrunzelnd hinterher. Fast hatte der Häuptling wie ein Vater, der für
seinen Sohn um die Hand einer jungen Frau anhielt, geklungen.
///
Ich war an
diesem Abend gerade dabei, in den Schlaf hinüber zu driften, als sich der
Vorhang vor meinem Raum teilte und eine dunkle Gestalt herein huschte. Obwohl
ich mich mitten unter Freunden befand, griff meine Hand automatisch nach dem
Bowiemesser, dass neben meinem Lager lag. Das Leben im Westen hatte mich
gelehrt immer auf der Hut zu sein.
"Scharlih,
mag sich entspannen. Winnetou kommt in friedlicher Absicht."
Ich zog meine
Hand sofort zurück, als ich die so liebgewonnene Stimme hörte. Der Raum lag
vollkommen im Dunkeln, so spürte ich mehr als dass ich es sah, dass Winnetou
sich auf mein Lager setzte. Seine Nähe ließ mein Herz schneller schlagen und
ich war dankbar dafür, dass die Dunkelheit verbarg, dass auch ein anderer Teil
meines Körpers die Nähe des Freundes freudig aufnahm. Zumal mich, wie so oft in
den letzten Tagen, vor dem Einschlafen gewisse Fantasien heimgesucht hatten,
die nun schnell wieder zu neuem Leben erwachten und ich aufgrund der noch immer
vorherrschenden Hitze nackt schlief.
Ich setzte
mich auf und wartete gespannt, was Winnetou zu so später Stunde noch von mir
wollte. Ich sollte nicht lange warten müssen.
"Mein
Bruder mag Winnetou die späte Störung verzeihen", begann der Apache.
"Aber Winnetou musste Scharlih unbedingt sehen und ihm sagen, mit welcher
Freude sein Herz reagiert hat, als Intschu-tschuna ihm die Botschaft von
Scharlihs Zustimmung zu unserer Verbindung überbrachte."
Er legte
seine Hand auf mein Herz und musste spüren, wie heftig es in meiner Brust
schlug. "Unsere Herzen und unsere Seelen werden von morgen an für immer
vereint sein. Im Leben wie im Tod. Winnetou ist Scharlih unendlich dankbar
dafür."
"Ich bin
nichts lieber als dein Bruder, Winnetou", erwiderte ich und spürte sofort,
dass ich etwas Falsches gesagt hatte, wusste allerdings nicht was.
"Wir
werden mehr sein als Blutsbrüder", sagte Winnetou. "Wir werden für
immer eins sein, im Geiste und Fleische. Scharlih muss sich dessen bewusst
sein, bevor wir die Bindung eingehen." Er klang jetzt sehr ernst.
"Winnetou
hört sich an, als spräche er von einer Hochzeit. Worum geht es bei dieser
Zeremonie eigentlich?", fragte ich.
Winnetou zog
seine Hand weg. "Mein Bruder Scharlih mag mir verzeihen. Winnetou dachte,
Scharlih hätte verstanden, was Intschu-tschuna ihm antrug. Aber unsere Bräuche
sind Scharlih natürlich fremd. Wie konnte er da verstehen."
Hörte ich
tatsächlich Tränen in seiner Stimme mitschwingen? "Winnetou muss mit
Intschu-tschuna reden. Es wird keine Zeremonie geben."
"Winnetou,
warte!" Ich hielt seine Hand mit den meinigen fest, um ihn am Aufstehen zu
hindern. Denn ich hatte endlich verstanden. Wieder einmal erwies sich, dass die
angeblich Wilden um so vieles zivilisierter waren als wir, die wir uns doch für
so überlegen hielten. Während ich in grüblerischem Selbstmitleid bezüglich
meiner verbotenen Gefühle versank, handelte Winnetou längst. Während die Kultur
meiner Herkunft verdammte, was ich für Winnetou empfand, schien seine es mit
offenen Armen zu empfangen.
"Warte",
sagte ich noch einmal. "Verstehe ich dich richtig, diese Verbindung, sie
würde uns in jeder nur erdenklichen Hinsicht zu einem Paar machen?"
"Scharlih,
mag Winnetou verzeihen, wenn er seine Ehre verletzt hat", erwiderte der
Apache. "Winnetou erinnert sich nun, Klekih-petra einmal erzählen zu
hören, dass der weiße Mann es ablehnt, wenn sich zwei Männer verbinden.
Winnetou zählte damals erst wenige Sommer, deshalb hatte er es vergessen und
sich nun der Hoffnung hingegeben, Scharlih möge sich mit ihm verbinden. Mein
weißer Bruder möge mir vergeben, wenn ich seine Gefühle..."
"Winnetou."
Ich unterbrach die für den schweigsamen Apachen ungewohnt lange Rede, in deren
Verlauf er immer erregter zu werden schien, und legte seine Hand wieder auf
meine Brust genau über mein Herz.
"Es
stimmt, dass meine Kultur, die Liebe zwischen zwei Männern ablehnt, ja sie
sogar verfolgt und bestraft. Aber Winnetou sollte doch inzwischen wissen, dass
ich nicht wie die anderen Bleichgesichter bin."
"So wird
Scharlih Winnetou verzeihen?" Die Hoffnung, die in seiner Stimme
mitschwang, war nicht zu überhören.
Ich hatte
meine Hände noch immer in über der seinigen und drückte diese nun sanft.
"Mein Herz gehört für immer Winnetou und wenn er möchte auch alles
andere."
Ein tiefer
Seufzer entrang sich seiner Brust. "Scharlih macht Winnetou zum
glücklichsten Menschen unter Manitus weitem Himmel."
"Ich bin
genauso glücklich", versicherte ich ihm. "Aber bist du nicht in der
Pflicht deinem Stamm gegenüber? Ich meine du wirst eines Tages Häuptling sein.
Erwartet man von dir nicht einen Erben? Ich bin wirklich überrascht, dass dein
Vater kein Problem damit hat."
"Intschu-tschuna
möchte, dass sein Sohn auf sein Herz hort. Winnetou wird eines Tages seine
Pflicht erfüllen müssen, aber er wird ganz Scharlih gehören." Ich
verstand, eine Squaw würde irgendwann seinen Sohn und Erben zur Welt bringen,
aber mehr als die zur Zeugung notwendige Vereinigung würde es nicht geben.
"Ist dies ein Problem für meinen Bruder?"
"Nein",
versicherte ich ihm schnell. "Solange Winnetou nur immer an meiner Seite
bleibt."
"Das
wird er so lange er lebt", sagte er sofort. Dann beugte er sich ganz nah
zu mir. "Winnetou möchte, dass Scharlih jetzt unsere Körper vereint, so
wie Intschu-tschuna morgen unsere Seelen vereinen wird."
Ich schlang
meine Arme um ihn und zog ihn mit mir aufs Lager. Während er zwischen meine
Beine rutschte, musste er die Wirkung seines Körpers auf meinen deutlich
spüren. Seiner reagierte auf die gleiche Weise. Zu meiner Überraschung trug er
nicht sein übliches Gewand sondern nur einen Lendenschurz, was mich seine
Männlichkeit deutlich spüren ließ. Ich küsste ihn und grub meine Hände in sein
langes Haar. Es fühlte sich so seidig an, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Obwohl wir beide unerfahren waren, wussten unsere Körper instinktiv, was sie zu
tun hatten und fanden sofort zu einander. Bald darauf verlor ich mich
vollkommen in ihm.
Als Winnetou
später in meinen Armen lag, erzählte er mir, dass er sich die letzten Tage
genauso nach mir verzehrt hatte, wie ich mich nach ihm. Doch auch er glaubte
nicht an die Erfüllung seiner Sehnsüchte und hätte nie den ersten Schritt
gewagt, wenn nicht Intschu-tschuna mit mir gesprochen und anschließend Winnetou
mein Einverständnis überbracht hätte. Ein Missverständnis meinerseits mit
wahrlich glücklichen Folgen.
Am nächsten
Morgen schworen wir uns vor den Apachen und meinen Freunden unsere ewige Liebe.
Als Intschu-tschuna unserer beider Hände zum Zeichen unserer Verbundenheit mit
einem Seil umwickelte, entschied ich: Daran, dass sich zwei Körper und Seelen
im Gleichklang bewegten, konnte nichts Unanständiges und Verbotenes sein. Wer
immer das Gegenteil behauptete, hatte keine Ahnung. Meine Liebe zu Winnetou und
die seinige zu mir, war so rein wie frischer Schnee.
Ich sah in
seine dunklen, unergründlichen Augen und wusste, dass er genauso empfand.
Ende