Title:
Jemand Anderer
Author:
Myra
Pairing:
K/S (McCoy)
Rating:
PG -13
Type:
AU, Action Adventure
Summary: Jim Kirk bricht in eine Villa ein, aber er
muss feststellen, dass er nicht allein ist.
Disclaimer: Alle Charaktere und sämtliche Rechte an
Star Trek gehören
Paramount.
Diese Geschichte ist bereits in der letzten Nummer der
A/T veröffentlicht
worden. Es ging darum, eine Story zu schreiben, in der
die Worte: Baum,
Sahnetorte, Halsband, Brustgurt, Sahne und
Oberlippenbart vorkommen.
REV
Jemand Anderer
Die Sterne bedeckten die Allee mit einem feinen
Silberschleier und spendeten noch genügend Licht, um die Konturen eines
eindrucksvollen Gebäudes aufleuchten zu lassen.
Jim suchte diese Villa und ein zufriedenes Lächeln
huschte über sein Gesicht, als er die charakteristischen Linien erkannte. Bis
jetzt war alles ganz nach Plan verlaufen.
In den letzten Tagen hatte er sich bereits mit der
Gegend vertraut gemacht und so genügten ihm in dem fahlen Mondlicht die
wenigen, flüchtigen Eindrücke, um sich fast unsichtbar auf der grün gesäumten
Auffahrt zu bewegen. Unter einem Baum zirpte zwar eine aufgescheuchte Zikade
erschrocken auf, aber kein menschliches Wesen störte die fast unheimliche
Stille.
Als Jim das Hauptportal betrat, drückte er sich sofort
in den Schatten der klassizistischen Säulen, die beinahe das ganze Haus umgaben
und spähte vorsichtig durch das Glas eines Seitenfensters. Seit Tagen wirkte
das Haus unbewohnt und ein gesprächiger Nachbar hatte ihm auf vorsichtige
Nachfrage bestätigt, dass die Bewohner sich zurzeit nicht auf der Erde
aufhielten. Der perfekte Zeitpunkt für einen Einbruch.
Aber jetzt begann der schwierigste Teil, denn das
Anwesen wurde, wie Jim bei seinen ersten Untersuchungen herausgefunden hatte,
rundherum durch ein Sicherheitssystem geschützt, das auf dem neuesten Stand der
Technik basierte. Er liebte solche Herausforderungen.
Aus seiner mitgebrachten Tasche zog er ein kleines,
mobiles Spezialgerät und probierte geduldig verschiedene Codes aus. Als es nach
vielen, vergeblichen Versuchen endlich gelang, die empfindlichen Sensoren in
neutrale Richtungen umzuleiten, strahlte Jim, als hätte er gerade den Jackpot
gewonnen.
Er war überzeugt, auf seinem Gebiet der Beste zu sein.
Noch besser, als der Knochenmann. Der Rest stellte sich als ein Kinderspiel
heraus. Er stieg durch das Fenster und fand sich kurze Zeit später in der
Eingangshalle wieder.
Jim versuchte als Erstes, einen Eindruck vom Inneren
zu gewinnen. Im Eingangsbereich standen - soweit das im Halbdunkel mithilfe
einer kleinen Taschenlampe zu erkennen war - halbhohe, dekorative Möbel.
Ein satter Goldschimmer lag auf der polierten
Holzverkleidung und den darauf aufgebauten Dekorationsstücken. Kirk sah sich um
und erkannte, dass die großformatigen Gemälde an den Wänden eine Zusammenfassung
der wichtigsten Kunstrichtungen der letzten Jahre darstellten. Eine breite
Freitreppe führte in ein höher gelegenes Stockwerk, aber kein Bewohner war zu
sehen, kein Licht brannte und auch sonst blieb alles still im Haus.
"Nur schade, dass ich damit nichts anfangen kann.
Aber es wäre einfach zu gefährlich", bedauerte er und strich wehmütig über
den goldenen Rahmen eines Trick-Yme. Für ihn bestanden keine Zweifel mehr an
dem ausgesucht teuren Geschmack seiner Bewohner und tröstete sich damit, dass
er im Inneren des Hauses garantiert noch reichlich Beute machen würde. Der
Informant war sein Geld wert gewesen.
"Irgendwo müssen doch die kleineren, handlicheren
Wertsachen versteckt sein", fragte er sich leise und schob mit einer typischen
Handbewegung seine Stirnlocke aus dem erhitzten Gesicht. "Erstaunlich heiß
hier drin", wunderte er sich noch.
Auf extrem leisen Sohlen schlich Jim dann die breite
Freitreppe herauf. Er war sich zwar inzwischen ganz sicher, allein in dem
großen Haus zu sein, aber er war Profi und wollte seine Routine nicht aufgeben.
Oben angekommen nutzte Jim das Licht, das durch die
hohen Fenster eines Raumes drang, und erblickte hinter der etwas geöffneten Tür
eine Art Wohnraum.
Auf einem Tisch standen diverse Teller und Platten,
aber Jim achtete nicht weiter darauf und durchsuchte als erstes den
rückwärtigen Schrank. Nach einigen Versuchen schaffte er es, eine Klappe zu
öffnen und entdeckte dahinter Schubladen, die vielversprechend aussahen. Mit
einem erwartungsvollen Grinsen auf dem Gesicht öffnete Jim sie alle
nacheinander und wurde bald fündig.
Viele verschiedene Schmuckstücke mit eingelassenen exotischen,
aber garantiert auserlesenen Steinen, glitzerten auf einem dunklen, weichen
Stoff. Besonders die großen Medaillons und die breiten Ringe mit den fremdartig
einziselierten Buchstaben ließen sein Herz schneller schlagen.
"Erstklassig", grinste Jim und ließ einige
Teile geschmäcklerisch durch seine Finger gleiten. Er war sich sicher, dass das
alles auf dem freien Markt garantiert gute Preise erzielen würde. Der
Knochenmann hatte exzellente Verbindungen. Und es blieb noch genug Zeit, um
noch viel mehr von diesen Schätzen zu bergen. Die Besitzer der Villa waren ja
weit weg, beziehungsweise vermutlich im Urlaub.
Urlaub? Aber wieso stand dann da diese Sahnetorte auf
dem Tisch? Als er zum Tisch zurückkehrte, entglitt Kirks Händen verblüfft eine
lange, diamantbesetzte Halskette. Neben der großen Torte lagen noch eine mit
einer Schleife geschmückte Schachtel und ein großer Strauss Blumen.
Bei genauerer Betrachtung erinnerte ihn das
Arrangement an eine Geburtstagsfeier oder Ähnliches. Es fehlte nur noch die
kitschige Papiergirlande mit den ausgeschnittenen, bunten Buchstaben. So hätte
zum Beispiel auch der Gabentisch in seiner Familie aussehen können. Aber warum
hatten die Bewohner vor ihrer Abreise diese verderblichen Lebensmittel nicht
noch schnell weggeräumt? Sie mussten doch wissen, dass alles in wenigen Tagen
nur noch für den Mülleimer war.
Jim erinnerte sich wieder an seine eigene, letzte
Geburtstagsfeier. Es war ein perfekter Tag mit der ganzen Familie gewesen.
Vielleicht weil jeder ahnte, dass es das letzte Mal sein würde, dass sie
gemeinsam zusammen an einem Tisch saßen. Kurze Zeit später erfuhr seine Mutter,
dass Vater sie schon seit Jahren mit seiner persönlichen Adjutantin betrogen
hatte. Danach war ein nicht mehr zu kittender Riss entstanden. Winona verbarg
ihren Schmerz, aber zog sich emotional von der Familie zurück und wehrte sich
auch nicht mehr, als Jims Vater sich für die nächste Außenmission meldete. Und Sam,
sein Bruder siedelte kurze Zeit später auf einen anderen Planeten über und
suchte sich dort eine neue Familie.
War er vor dieser immer spürbaren Vorwurf der Mutter
geflohen? Jim hatte danach immer versucht, sie zu erheitern, ihr zu beweisen,
dass er sie nicht verlassen würde, besser als sein Vater war. Aber irgendwann
hatte er angefangen, eine Doppelrolle zu spielen. Zuhause blieb er der
freundliche, liebenswerte Sohn, aber in der Stadt reagierte er seinen ganzen
Frust über den schleichenden Zerfall der Familie bei Schlägereien und mit
Alkohol ab.
Dann, eines Tages, hatte er seinen Lehrmeister
gefunden: Mr. Bones – oder wie er auch in seinen Kreisen genannt wurde - der
Knochenmann. Er hatte ihm gezeigt, wie leicht es war, ein erfolgreicher Dieb zu
sein. Jim wollte Bewunderung und entwickelte sich zu seinem besten Schüler. Mr.
Bones wurde so etwas wie sein neuer Vater. Heute wollte er ihm eigentlich
voller Stolz sein Meisterstück vorführen.
"Aber was mache ich eigentlich wirklich
hier?", fragte er sich mit plötzlicher Selbsterkenntnis. "Verdammter
Scheiß, warum laufe ich immer noch der Anerkennung meines Vaters hinterher? Ich
sollte wirklich anfangen, ein eigenes Leben zu leben."
Jim fühlte ein hartes Brennen aufsteigen und hob die
Faust, um die Sahne und den ganzen verdammten Zuckerguss über dieses perfekte
Ambiente zu verspritzen. Einfach nur, um so schnell wie möglich dieses traurige
Gefühl wieder los zu werden.
"Hast du gefunden, was du gesucht hast?",
hörte Jim plötzlich eine tiefe Männerstimme hinter sich.
Tödlich erschrocken fuhr Jim herum, und warf dabei
beinahe einen Stuhl um.
"Was, wer ...", versuchte er, seine Fassung
wieder zu finden. Er war sich absolut sicher gewesen, alleine zu sein. Aber nun
stand ein dunkel gekleideter, etwas größerer Mann mittleren Alters vor ihm, der
ihn mit strengen Augen abschätzend musterte.
"Was hast du hier zu suchen? Bist du ein
Dieb?", fragte der Mann vom Sicherheitsdienst - wie Jim vermutete - in
einem Ton, der keine Lügen dulden würde.
Der Aufpasser mit den glatten, dunklen Haaren stand
mit leicht gespreizten Beinen vor ihm und schien vollkommen unbeeindruckt von
seiner Anwesenheit zu sein. Aber seine allgemeine Körperhaltung verriet Jim,
dass er es hier mit jemandem zu tun hatte, der sich vermutlich bestens mit
diversen Kampfsportarten auskannte.
"Der Besitzer des Hauses hatte mir angeboten,
hier zu übernachten, aber ich habe den Schlüssel vergessen und ...",
begann Jim schnell eine Geschichte aus dem Stegreif zu erfinden. Vielleicht
könnte er den dunkel Gekleideten überzeugen, dass er hierher gehörte.
Ein bisschen hoch gepokert, aber er hoffte, dass auch
diesmal Frechheit siegte. Wie ein Villenbesitzer sah der Mann in dieser
einfachen, fast militärisch anmutenden Kleidung jedenfalls nicht aus. Bis jetzt
hatte er ja auch noch nichts gestohlen, aber die Schublade mit den Wertsachen
stand verdächtig weit offen. Und dann begegneten sich ihre Augen bei dem
gemeinsamen Blick darauf.
"Ich habe einen Schlüssel gesucht, damit ich die
Tür hinter mir schließen kann, wenn ich morgen früh wieder gehe", erklärte
er mit einem Lächeln auf dem Gesicht, das nichts von seiner nervösen Anspannung
verriet und zuckte einmal kurz mit den Schultern. "Aber wenn das Probleme
macht, bin ich natürlich sofort wieder weg."
"Ich bezweifle, dass der Hausbesitzer es dir
erlaubt hat, hier zu übernachten, aber vielleicht verrätst du mir zuerst deinen
Namen?", fragte der Mann und in den markanten Linien seines Gesichts
zuckte verräterisch ein Muskel.
Er hatte mit seinen überscharfen Ohren Geräusche
gehört und weil er ausnahmsweise nicht an dem regelmäßigen Treffen, seiner auf
verschiedenen Planeten verteilten Familie, teilnehmen konnte, musste er selbst
auf die Suche nach der Ursache gehen. Bis jetzt galt das allgemeine Überwachungssystem
als unüberwindbar, aber zu seiner großen Überraschung ging tatsächlich gerade
ein Einbrecher in seinem Haus auf Diebestour.
Aber, als er sich davon überzeugt hatte, dass es sich
nur um einen einzelnen Menschen handelte, hatte er sich wieder entspannt. Er
wollte nur noch herausfinden, wer die Frechheit begehen wollte, den Sohn des
vulkanischen Botschafters zu bestehlen.
Als Jim im Dämmerlicht etwas Weißes in dem glatten, schwarzen
Haaren aufblitzen sah und dann noch einmal einen genaueren Blick auf das
Gesicht riskierte, kam ein halblauter Fluch über seine Lippen. Verdammt,
Vulkanier waren für ihre Körperkräfte bekannt. Das passte allerdings auch zu
einem Sicherheitsdienst. Dieser Mann würde sich sicher nicht so leicht überrumpeln
lassen.
"Soll ich selber nachprüfen, ob dein Bild
vielleicht in einer der einschlägigen Dateien zu finden ist?", hakte der
Vulkanier noch mal nach, weil Jim immer noch schwieg.
Jim wurde immer nervöser. Seine Geschichte hatte nicht
funktioniert und er war auf Gedeih und Verderben diesem Mann ausgeliefert.
Hinzu kam, dass niemand wusste, wo er sich gerade befand.
"Jim, mein Name ist Jim." Er versuchte so
gut es ging, die Nerven zu behalten. "Es tut mir leid, ich gehe sofort. Es
war ein Fehler. Ein Versehen. Ich hätte das nicht tun dürfen, aber ich war
neugierig und, und ..."
Jim versuchte, sich auch körperlich abzuducken.
"Für den Schaden komme ich natürlich auf." Bei den letzten Worten
deutete er vage in Richtung zerbrochener Fensterscheibe.
"Ich vermute, dass du nicht über die Mittel
verfügst, um den angerichteten Schaden wirklich angemessen begleichen zu
können.“ Spock überlegte, was zu tun sei. Logischerweise hätte er sofort die
örtlichen Sicherheitsdienste rufen müssen. Aber er fühlte sich sicher und es
bot sich hier eine ideale Gelegenheit, etwas zu lernen. Eine Art exotisches
Tier hatte sich in sein Haus verirrt.
"Ich schlage dir deshalb einen anderen Weg vor, deine
Schulden zu begleichen. Aber ich möchte, dass wir dazu in meine persönlichen Räumlichkeiten
gehen."
Der Vulkanier deutete auf den Tisch: "Das hier
auf dem Tisch ist zu Studienzwecken von unseren Bediensteten arrangiert worden,
um typische Bräuche zu illustrieren. Wenn du möchtest, kannst du dir ein Stück
von der Torte nehmen. Du sahst aus, als ob dich das interessieren würde."
Als keine Antwort kam und er das blasse Gesicht des
Menschen als Ablehnung deutete, zeigte er erneut auf die Tür und ließ einen
ziemlich beunruhigten Jim vor sich auf die andere Seite des Hauses gehen.
Jim versuchte, zu erraten, was der Mann von ihm
wollte. Aber es ging ihm beständig nur eines durch den Kopf: von unseren
Bediensteten - von unseren Bediensteten - von unseren Bediensteten. Es war
tatsächlich der Hausbesitzer, der ihn überrascht hatte! Und es wohnten
Vulkanier hier!
Jetzt verstand er auch die seltsamen Andeutungen und
Warnungen bei seinen Nachfragen zu diesem Anwesen. Kein Wunder!
In einem großen Kamin flackerten trotz der warmen
Jahreszeit mehrere Holzscheite und Jim fiel wieder die unnatürliche Hitze auf.
Aber jetzt sah er auch den Zusammenhang zu den Bewohnern. Bunte Kräuter auf
überall verteilten, überbordenden Schalen verströmten einen für Jims Nase
ziemlich intensiven, aber angenehmen Geruch im Raum und ihm wurde bedeutet,
sich auf einen Sessel mit hoher, gerader Lehne zu setzen.
"Mein Name ist Spock und das hier ist das Haus
meiner Familie", erklärte der Bewohner ohne Umschweife, nachdem er sich
selbst in der Nähe des Kamins gesetzt hatte.
"Du weißt, ich könnte dich sofort wegen Einbruchs
anzeigen, aber ich möchte zuerst deine wahre Geschichte hören."
Da sich immer noch keine Reaktion bei dem Menschen
zeigte, lehnte sich der Vulkanier zurück und beobachtete nachdenklich die Mimik
seines unerwarteten Gastes.
Jim war über die Wendung viel zu verblüfft, um sofort
antworten zu können. Immer wieder wanderten seine Augen zwischen dem Vulkanier
und dem fremdartig dekorierten und mit seinen vielen Abbildungen von
Wüstenlandschaften, fremden Göttersymbolen und Tierabbildungen, fast urtümlich
wirkenden Zimmer.
Er erkannte jetzt auch, warum er bis jetzt nichts von
der Anwesenheit des Bewohners bemerkt hatte. Der Raum hatte keine Fenster. Aber
der Einrichtung fehlte es trotzdem nicht an Annehmlichkeiten und in den mit hauptsächlich
wissenschaftlichen Nachschlagewerken bestückten Regalen leuchteten überall die
Bereitschaftsdioden technischer Spielzeuge auf, über deren Funktion er nur
Vermutungen anstellen konnte. Ganz offensichtlich wohnte hier nicht nur jemand
aus einer anderen Gesellschaftsschicht. Es war wirklich jemand, der von einem
anderen Planeten stammte. Jims Besorgnis wuchs.
"Das alles tut mir sehr leid. Ein Missverständnis",
versuchte er, erneut zu erklären, und stützte sich dabei mit den Händen auf die
Sitzfläche, um sich wieder zu erheben.
"Bitte bleibe sitzen. Wir sind noch nicht fertig."
Mit einem leisen Klacken stellte der Vukanier sein gerade vom Tisch genommenes
Wasserglas wieder auf eine Silberplatte zurück.
"Aber solltest du meine Neugier ausreichend befriedigen,
kannst du danach wieder gehen und ich vergesse den Vorfall." Nachdem er
sein Angebot ausgesprochen hatte, wartete der Vulkanier gespannt auf die
Antwort.
Jims Gefühl der Beunruhigung wuchs aber nur noch.
"Warum interessierst du dich für mein Leben?", fragte er und erwiderte
argwöhnisch den forschenden Blick. "Da gibt es nichts zu erzählen. Alles ist
völlig belanglos."
Spock lehnte sich vor. "Das glaube ich nicht.
Schließlich hast du es geschafft, in dieses Haus einzubrechen. Erzähl mir zum
Beispiel, wie du zum
Dieb geworden bist."
"Wie ich zum Dieb wurde?" Jim schielte
heimlich zur Tür, aber es würde keine Möglichkeit geben, unbemerkt von hier weg
zu kommen. "Warum interessiert du dich überhaupt dafür?"
"Weil es auf Vulkan keine Verbrechen gibt."
Spock hatte Verständnis für das Misstrauen des
Menschen und hatte schon flüchtig daran gedacht, ihn einfach wieder seiner Wege
ziehen zu lassen. Es war ja bisher noch nichts Gravierendes passiert. Das
Fenster und das beschädigte Sicherheitssystem stellten einen Fall für die
Versicherung dar.
Aber diese Situation könnte eine einmalige Chance
sein, einen Menschen wirklich ganz persönlich kennenzulernen. Denn das war für
Spock normalerweise fast unmöglich. Zu viele Förmlichkeiten standen dem im Weg
und die meisten Vulkanier interessierte das emotionale Innenleben eines
Menschen auch nicht sonderlich. Sofern es nicht für einen ganz bestimmten Zweck
von Bedeutung war.
"Oh, das wusste ich nicht. Ich kenne mich mit den
Verhältnissen auf Vulkan nicht so gut aus, muss ich gestehen", lenkte Jim
ein. "Weiß nur, was in den Medien verbreitet wird." Er räusperte sich.
"Und das ist nur sehr wenig. Bedauerlicherweise."
Er hatte gehört, dass Vulkanier wie eine Art logischer
Automaten agierten und sich deshalb bis jetzt nie für sie interessiert. Dass es
auf ihrem Heimatplaneten keine Verbrechen geben sollte, konnte er trotzdem kaum
glauben.
"Wenn du mir heute Nacht deine Geschichte erzählst,
lasse ich dich morgen früh wieder gehen", wiederholte Spock unbeeindruckt
sein Angebot.
"Wie in dem Märchen aus 1001 Nacht? So etwas in
der Art? Wenn ich dich gut unterhalte, lässt du mich am Leben?" Jim lachte
halbherzig auf. Das konnte ja noch heiter werden. Aber wenn es nur darum ging,
dass der Vulkanier etwas hören wollte ... bitte, warum nicht.
Spock erinnerte sich nur vage an diese irdischen
Erzählungen. Aber es stimmte schon, was der Mensch andeutete, wenn auch nicht
so radikal. Er würde ihn natürlich so oder so wieder frei lassen.
"Am besten fängst du gleich an."
Jim räusperte sich und versuchte eine typische
Biografie wiederzugeben. Dass, was in seiner Familie nicht stimmte, umging er
tunlichst und der Vulkanier schien sich auch nicht an der übermäßig
idealisierten Geschichte einer Familie zu stören. Aber als er von seiner
Begeisterung für das Ausforschen fremder Computer erzählte, leuchteten die
vulkanischen Augen amüsiert auf und Jim sprach, davon animiert, einfach
unentwegt weiter. Dann kam er auf seine erste Verabredung mit einem Mädchen aus
der Nachbarschaft zu sprechen.
Bis dahin hatte Spock zwar aufmerksam, aber innerlich
meistens unbeteiligt zugehört. Aber das hier klang wirklich interessant, denn
von solchen Dingen erfuhr er ansonsten nur aus akademischen Lehrbüchern. Nach
seiner Erfahrung erzählten menschliche Männer normalerweise nie von ihren
privaten Dingen.
"Berichte mir mehr davon", forderte Spock, unwillkürlich
vornüber gebeugt. "Nach welchen Kriterien hast du sie ausgesucht? Wann
hast du deine Partnerin einer mentalen Prüfung unterzogen?"
Oh, verdammt, jetzt will er Sexstorys hören, stöhnte
Jim innerlich auf. Er hatte da allerdings kaum etwas zu bieten. Irgendwie war
dafür nie wirklich Zeit gewesen und wenn er ehrlich war, hatte er auch nicht
soviel Interesse dafür aufgebracht, wie andere Jungs seines Alters. Aber das
konnte er wohl kaum diesem neugierigen Vulkanier erzählen.
"Das ist alles schon lange her und ansonsten ist
auch nicht mehr viel passiert", versuchte er, die Erwartungen zu dämpfen.
Im Notfall würde er wohl etwas erfinden müssen.
"Ich würde gerne auch etwas trinken. Wenn das
möglich ist", fragte er, um etwas Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.
"Natürlich, Jim", antworte der Vulkanier
sofort und stand bereitwillig auf.
Der Abend versprach anscheinend mehr als reine
Faktensammlung zu werden. "Ich hole nur rasch frisches Wasser aus der
Kühleinheit."
"Danke", antworte Jim und stellte im nächsten
Moment zu seinem Erstaunen fest, dass Spock ihn tatsächlich allein gelassen
hatte. Aber er würde sicher in Kürze zurückkehren. Wenn er also immer noch
fliehen wollte, dann war dies vermutlich seine beste Chance. Mit einer
entschlossenen, geschmeidigen Bewegung sprang Jim auf und eilte so leise wie
möglich die Brüstung entlang.
Er schlich schnell an der Küche vorbei und hörte
hinter sich bereits das erneute Klappen eines Kühlschranks. Auf sein
Einbruchswerkzeug würde er leider verzichten müssen, aber Jim hoffte inständig,
dass der Vulkanier keine verräterischen Spuren darauf finden würde.
Er rannte die Treppe auf Zehenspitzen hinab und eine
Minute später stand er bereits vor dem zerbrochenen Fenster und versuchte mit
zittrigen Fingern so schnell wie möglich hinaus zu klettern.
Aber bereits im nächsten Moment legten sich zwei Hände
wie ein festes Halsband um Jims Kehle. Der eisenharte Klammergriff nahm ihm
sofort die Luft zum Atmen und er konnte nur noch verzweifelt japsen. Mit aller
Kraft versuchte er, die Finger wieder von seinem empfindlichen Kehlkopfwegzuziehen.
Ein unerträglicher Schmerz ließ ihn wild um sich schlagen,
aber er konnte sich trotz allem nicht davon befreien.
"Warum versuchst du, zu fliehen? Habe ich dir
etwas getan?", grollte die bereits bekannte, tiefe Stimme hinter ihm. "Ich
habe mir nichts zuschulden kommen lassen, aber du versuchst, mich schon wieder
zu betrügen." Ein neuer, gefährlicher Ton klang mit.
Jim wollte schreien, aber es kam nur ein
unartikuliertes Krächzen aus seinem weit aufgerissenen Mund.
Spock schien endlich zu begreifen, dass sein Opfer um
sein Leben kämpfe und lockerte den Griff. Aber er hielt ihn immer noch
schmerzhaft am Arm fest und steuerte dann mit seinem Opfer einen neuen Raum im
Obergeschoss an.
Jim versuchte, möglichst keine Gegenwehr mehr zu
leisten, und trotz schwindender Kräfte die Treppenstufen so gut wie möglich zu
bewältigen.
Als sie endlich am Ziel angekommen waren vermutete er
sofort, dass es sich um eine Art Schlafzimmer handeln musste. Er wurde auf ein
breites Bett geworfen und mit wenigen Handgriffen legte ihm Spock einen breiten
Brustgurt um.
"Warum lässt du mich nicht einfach laufen?",
flehte Jim schwer atmend.
"Ich habe doch schon alles erzählt ... "Er
versuchte, sich gegen die Fesselung zu wehren, aber Spock drückte ihn mit Leichtigkeit
wieder in die Matratze zurück und zog den Gurt noch fester an.
"Wir hatten eine Vereinbarung und du hast sie
gebrochen! Du bleibst bis zum Morgen", beharrte er stur.
Jim spürte, wie sich bei diesen Worten seine
Nackenhärchen aufstellten. Das strenge Gesicht des Vulkaniers verhieß nichts
Gutes und er stellte sich vor, was noch alles passieren konnte. Aber er wollte
nicht so einfach aufgeben und kämpfte immer verzweifelter gegen seine
Gefangenschaft an. Er rang noch einmal tief nach Luft und versuchte dann mit
einem kräftigen Tritt, die Weichteile seines Gegners zu treffen.
Spock musste sein ganzes Gewicht einsetzen, um den
kräftigen sich unter ihm windenden Menschen niederzuringen. Da für ihn aber nie
wirklich Gefahr bestanden hatte die Übermacht zu verlieren, kam es ihm wie eine
sportliche Übung unter Sparringspartnern vor. Den Stoß fing er mit Leichtigkeit
auf. Als er aber das tiefrote, schwitzende Gesicht unter sich wahrnahm, hielt
er sofort inne. Der Kampf ging offensichtlich bereits weit über die Kräfte des
Eindringlings.
"Beruhigst du dich jetzt wieder und verspricht
dein Versprechen einzuhalten?", fragte er und stand auf. "Sonst muss
ich dich noch vollständig fesseln."
"Bitte nicht." Jim drehte nach Luft ringend sein
Gesicht weg und drückte es in den verzierten Stoff. Die überall mit ungewöhnlichen
Mustern und glitzernden, steinenbesetzten Wände, die bunten, kleinen Möbel und
die im Raum verteilten, rötlichen Überwurfdecken und Spiegel verwirrten zusätzlich
Jims Orientierung. Alles begann sich bereits, um ihn zu drehen.
"Ich habe es doch schon versucht", murmelte
er leise.
"Streng dich an. Das kann doch nicht so schwer
sein." Der Vulkanier setzte sich wieder näher auf die Bettkante und
betrachtete mit einem gewissen Interesse die seitlich verdrehte Figur neben
sich. Der Gurt schien sich relativ fest um die Brust zu schnüren.
"Es sind nur noch wenige Stunden bis zum
Morgengrauen", bot er mit Blick darauf an. Aber er sah keine logische Begründung
den Dieb vorher laufen zu lassen. Erst recht nicht, nachdem er sich bereits
schon so entgegenkommend gezeigt hatte, dachte er großmütig gestimmt.
"Ich sehe es ein, ich hätte nicht versuchen
sollen zu fliehen. Es tut mir leid", versuchte Jim, zu beschwichtigen,
während er weiter auf die in rostroten Tönen gehaltene Wand starrte. Er spürte
die Müdigkeit in seinen Knochen, aber er sah keinen Ausweg mehr und musste wohl
oder übel das Spiel weiter mitspielen. Morgen früh war dieser Albtraum hoffentlich
zu Ende sein, hoffte er inständig.
"Also gut, was willst du noch wissen?"
"Wie war das mit deiner ersten Freundin? Warum
ist das so schwierig?", hakte Spock nach und musterte weiter den Rücken des
Menschen.
Jim stöhnte innerlich auf. "Vielleicht, weil mich
Mädchen nicht interessieren", erwiderte er trotzig. Letztendlich war es
doch egal, was dieser Vulkanier von ihm halten würde.
"Interessant. Erzähl mir mehr darüber."
"Das möchte ich nicht."
"Warum nicht?"
"Das ist privat und geht einen Fremden nichts an.
Kannst du das nicht verstehen?"
"Wenn ich kein Fremder wäre, würdest du mir dann
mehr von dir erzählen?"
Jim starrte weiterhin auf die Wand. Was sollte dieser
ganze Unsinn? Dann spürte er, wie Spock sich erhob. Alles schwankte und dann
gab es nur noch ein undefinierbares Geraschel. So langsam musste doch schon der
Morgen dämmern, dachte Jim. Plötzlich löste sich der Gurt und Jim konnte wieder
richtig Luft holen. Erleichtert drehte er sich sofort um, hievte sich in eine
sitzende Position und starrte auf ein ausdrucksloses Gesicht.
"Herr im Himmel, was soll ich dazu sagen?",
Jim musste sich räuspern, um den Frosch im Hals los zu werden. "Jedenfalls
danke für das Losbinden."
"Ich möchte mich mit dir vertraut machen."
Spock hatte jede Nuance des Einbrechers beobachtet. Die offensichtliche
Ablehnung überraschte ihn. Normalerweise war er schon aufgrund seiner Stellung
ein begehrter Gesprächspartner.
"Ich hoffe, dass du das auch möchtest."
"Ja - nein. Also ja. Natürlich", stammelte
Jim. Er war doch nur ein einfacher Dieb, ein zugegeben in die Falle geratener
Dieb. Was also wollte dieser exzentrische Typ von ihm? Sicher war er unendlich
reich, stammte aus einer besonderen Familie und dann noch von einem
geheimnisumwitterten Planeten.
Gut - es gab Vorurteile gegenüber Vulkaniern, aber bei
Licht besehen war das doch eigentlich nur Neid. Was also wollte dieser auf eine
seltsame Art, zugegeben, sogar einigermaßen gut aussehende Mann von ihm?
Sex? Wirklich? Da könnte er doch garantiert andere
Wege finden und brauchte nicht ausgerechnet so eine absurde Situation, wie
diese hier. Da steckte bestimmt noch irgendetwas anderes dahinter! Jim stellte
sich innerlich auf das Schlimmste ein.
Spock seinerseits suchte nach einer neuen Möglichkeit,
wieder Zugang zu dem Mann zu finden. "Wie du vermutlich bereits gesehen
hast, haben unsere menschlichen Bediensteten uns irdische Kunstwerke besorgt
und versucht, typische Bräuche zu demonstrieren. Wenn du bereit bist, mir etwas
mehr darüber zu erzählen, hast du deinen Teil der Vereinbarung erfüllt."
Jim musterte das akzentuierte Gesicht, aber konnte
keine weiteren Hintergedanken erkennen. Allerdings bereute er nicht zum ersten
Mal an diesem Abend, sich nicht schon früher mit den Sitten der Vulkaniern
beschäftigt zu haben.
"Einverstanden", antwortete er und erhob
sich. "Ich vermute, dass du auf die Geburtstagstorte anspielest, die auf
dem Tisch stand."
"Richtig. Erklär mir bitte, warum das so eine
große Bedeutung für euch Menschen hat. Ein Geburtstag ist für Vulkanier kein
Tag, der einer besonderen Würdigung bedarf, da er nicht mit einer willentlich
erbrachten Leistung in Zusammenhang steht."
"Das stimmt schon, aber es sollte doch der Anlass
für eine schöne Feier sein", antworte Jim kopfschüttelnd und folgte dem
Vulkanier aus dem Zimmer.
Dabei hatte er zwar den Eindruck, dass er ihn immer
noch permanent im Auge behielt, aber es wirkte nicht mehr so bedrohlich. Sie
gingen über den Flur in den beleuchteten Hauptraum zurück, den er kurz nach seinem
Einbruch zuerst betreten hatte. Erneut fielen ihm die vielen typischen Details
auf, mit denen der festliche Tisch dekoriert war. Die Bediensteten mussten
wirklich ihr Handwerk verstehen, aber sonst wären sie ja auch nicht von den
Vulkaniern ausgesucht worden, dachte er. Dem vulkanischen Botschafter - wie Jim
wieder siedendheiß einfiel.
"Es ist ein Fest, auf das sich bei uns ganz besonders
die Kinder freuen. Sie bekommen Geschenke und sind schon Wochen vorher ganz aufgeregt",
begann Jim, zu erzählen. Er versuchte, einige typische Details über den Ablauf
zu erzählen. Besonders viel gab es da allerdings nicht zu berichten. Der Vulkanier
hatte sich neben ihn gestellt, hörte ihm ernst zu und seine Arme lagen
verschränkt auf seinem Rücken, wie er bemerkte. Seltsam, es schien ihn wirklich
zu interessieren, dachte Jim.
Er blickte wieder auf den Tisch und sah, dass durch
die hohe Raumtemperatur die Sahne auf der Torte bereits angefangen hatte, ihre
Form zu verlieren.
"Wenn jemand noch von der Torte essen möchte,
sollte das bald passieren.", regte Jim an und sah zu Spock. "Es ist
hier drin viel zu warm dafür."
"Oh, daran hat offensichtlich keiner gedacht. Wir
essen üblicherweise keine Süßigkeiten." Spock beugte sich vor, um das
Malheur zu prüfen.
"Wirklich nicht? Aber um wirklich zu verstehen,
was den menschlichen Kindern so daran gefällt, muss man es selber probieren",
suggerierte Jim mit einem Lächeln.
Nach einem kurzen Seitenblick lehnte sich der Sohn des
Botschafters vor und probierte von der hellen und mit Früchten, Schokolade und
Marzipan verzierten Torte.
"Faszinierend. Aber ich fürchte, das ist dennoch
nicht für Vulkanier geeignet", urteilte er, nachdem er die Kuchengabel zum
Mund geführt hatte. "Aber vielleicht möchtest du jetzt etwas davon
haben?"
"Nein, nein" wehrte Jim ab. "Ich habe
im Moment wirklich keinen Hunger. Aber danke für das Angebot."
"Sind für dich damit keine schönen Erinnerungen
verbunden?", fragte Spock und ahnte nicht, wie sehr den Menschen das
aufwühlte.
"Doch, schon. Ich meine, ja, es war sehr schön.
Immer. Ich habe nur, vielleicht ..."
Für Jim war die direkte Frage so unerwartet gekommen,
dass er aus der Fassung geriet. "Ich meine, natürlich waren sie immer
schön", beeilte er sich zu versichern.
Unwillkürlich versuchte er, sich mit einer Hand am
Tisch festzuhalten. Plötzlich stieg in ihm eine unglaubliche Wut wie Säure auf.
Er war sich darüber klar geworden, dass seine Eltern ihre eigenen
Entscheidungen getroffen hatten und sie waren auch selber für die Folgen
verantwortlich. Dennoch blieb die Enttäuschung über ihr Verhalten. Jim hatte
aber nie seinen inneren Schmerz niemanden jemals gezeigt.
"Und das soll auch so bleiben", stöhnte er
laut auf, ohne es zu bemerken.
- Jim, Jim, ganz ruhig. Es ist Vergangenheit. -
Als der Vulkanier sah, dass der Mensch immer blasser
geworden war und sichtlich mit seinen Emotionen kämpfte, hatte er sich vor ihn
gestellt und schnell eine telepathische Verbindung mit seinen Händen
hergestellt. Das war eigentlich ganz leicht, aber durfte normalerweise nur im
Notfall durchgeführt werden.
Als der Dieb merkte, dass eine Stimme in seinem Kopf
zu ihm gesprochen hatte, war es bereits zu spät gewesen, sich dagegen zu
wehren.
- Jim, Jim. Es geht vorbei. Sieh es dir an. Du hast
keine Schuld. -
"Was machst du mit mir? Wieso kann ich dich
hören?", rief Jim erschrocken auf und versuchte nach den Fingern zu greifen,
die sich an sein Gesicht gelegt hatten. "Hör sofort damit auf!"
- Ich erkenne, dass du das in Wahrheit nicht möchtest.
Du möchtest, dass ich bei dir bin. Ich erkenne dich, wie du bist. Du bist ein
guter Mensch. -
"Bitte." Jims Bewegungen wurden langsamer.
- Hab keine Angst. Es passiert nichts gegen deinen
Willen. Zeig mir deine Wünsche. -
Jims Augen fielen zu und in seinem Inneren entstand
das Bild einer großen Halle. Er breitete seine Arme aus und dann verschwand
sogar diese Begrenzung. Es erstreckte sich über ihm ein weites Sternenmeer mit
den verschiedensten Farbphänomenen. Jim fühlte sich losgelöst, frei für ein neues
Leben und voller Tatendrang. Jetzt ins Unbekannte fliegen, neue Welten ...
- Ist es das, was du möchtest? Jim? -
Er konnte nur verwirrt nicken, denn das war ein Traum,
der schon lange gut gehütete in den hintersten Ecken seines Bewusstseins
hauste. Den Weltraum erforschen. Ein Entdecker sein. Noch nie hatte er das
jemanden anvertraut.
- Bleib noch ein Weilchen. Ich verstehe dich besser,
als du glaubst. Auch ich suche einen Weg in ein eigenes, freies Leben ohne
Zwänge. -
Plötzlich erschien in Jims Vorstellung das Bild eines
wunderschönen Gartens in einer paradiesischen Landschaft. Dann kam ein Mann aus
einer der hinteren Blumenrabatten auf ihn zu und Jim erkannte, dass es sich um
eine Version des Vulkaniers handelte. Allerdings jetzt mit einer langen,
fließenden Robe bekleidet. Als die Figur sich langsam näherte, bemerkte Jim,
dass der Stoff seines Gewands gegen das Sonnenlicht immer transparenter wurde.
Und als dann der Vulkanier endlich vor ihm stand, lag ein sinnliches, weiches
Lächeln auf seinem Gesicht.
- Ich möchte mit dir verbunden sein, Jim -, sprach
Spocks Abbild leise.
Jim wurde die ganze Sache zunehmend unheimlich, aber
er fühlte sich immer noch zu schwach, um sich gegen den Einfluss des Vulkaniers
zu wehren.
"Bitte, ich möchte nicht ..."
- Ich möchte dich küssen -, sprach die Stimme weiter
und hinterließ ein lang anhaltendes, tiefes Echo in seinem Kopf. - Fürchte dich
nicht-
Jim fühlte sich wie in einem tiefen Wasser treibend.
Auf seinen Ohren lag Druck und er hatte das Gefühl, sich wie in Zeitlupe zu
bewegen. Aber das heisere Flüstern des Vulkaniers versetzte ihn auch in eine
Art körperlicher Erregung, die er sich nicht erklären konnte.
Widerstandslos ließ er alles mit sich geschehen und
das schien dem jetzt gar nicht mehr so Fremden schon auszureichen. Jim fiel
nicht einmal mehr auf, dass Spock inzwischen die Hände von seiner Schläfe
genommen und ihn an sich gezogen hatte.
Als die fremden Lippen sich langsam seinem Mund
näherten und er die fremde, trockene Wärme auf seiner eigenen, feuchten Haut
spürte, hatte er dabei das Bild einer unendlich weiten Wüste und der Erleichterung,
endlich eine Oase erreicht zu haben.
Dann berührten sich ihre Zungen und es wirkte auf Jim
wie ein fremdes, würziges Stimulans, das mit einem Atemzug durch seine Blutbahnen
fuhr. Sein Verführer überwältige ihn mit seiner heftigen Begierde und etwas
sehr Hartes legte sich an seinen unteren Bauch. Dann fasste eine kräftige Hand
mitten auf seinen Schritt und ließ mit Macht sein Blut hochschießen.
"Oh, ja ...", stöhnte Jim erregt auf. Inzwischen
machte es für ihn keinen Unterscheid mehr, ob er nur auf das reagierte, was der
Vulkanier ihm einsuggeriert hatte, oder es seine eigenen, neu entdeckten
Empfindungen waren ...
Aber dann - ganz plötzlich - war ein dunkler Schatten
hinter dem Vulkanier aufgetaucht. Und ohne, dass Jim es sofort begreifen
konnte, gab es ein hartes, hässliches Geräusch.
Mit einem erstickten Seufzer sank Spock ohnmächtig
niedergestreckt zu Boden.
Jemand mit einem schweren Stock in der Hand grinste
Jim breit an, der von dem mentalen Einfluss befreit, sich nur mühsam wieder in
der Realität zurechtfand.
Im ersten Moment erkannte Jim auch nicht, wer ihm da
zu Hilfe gekommen war. Aber es war Bones, der sich zur Tarnung einen teuren
Anzug angezogen und einen falschen Oberlippenbart aufgeklebt hatte. Denn in
diesem feinen Aufzug würde garantiert niemand einen Dieb vermuten.
"Scheiße, was ist denn hier passiert? Hat er dir
was angetan?" Bones ließ den Blick über Jims Körper laufen, bleib dann auf
der Hose hängen und begann plötzlich zu grinsen. "Da soll mich doch der Teufel
..."
"Was machst du hier?", fragte Jim noch ganz
verwirrt. "Woher weißt du ...?"
"Ich will dich retten, du undankbarer Bastard!
Was hast du dir nur dabei gedacht, in das Privathaus des vulkanischen Botschafters
einzubrechen?" Bones schnaufte laut auf und ließ seiner Wut freien Lauf.
"Wie kann man nur so bescheuert sein! Du weißt
doch, dass ihnen nicht zu trauen ist. Ich weiß gar nicht, warum ich immer noch
auf dich aufpassen muss, Kleiner! Kaum dreht man dir den Rücken zu, machst du
Unsinn!"
Die Schimpftirade ging immer so weiter, bis Jim,
langsam wieder ganz zu sich gekommen, ihm Einhalt gebot.
"Bones, du hast ja recht. Es war eine dumme Idee.
Aber ich weiß immer noch nicht, wie du mich so schnell gefunden hast."
"Scott hat mir erzählt, dass du nach lohnenden
Objekten in dieser Straße gesucht hast. Du warst nirgends zu finden und da habe
ich eins und eins zusammen gezählt ..." Bones stutzte. "Verdammt Jim,
was machst du da?"
Jim hatte sich inzwischen niedergekniet, um die an
Spocks Kopf aufgeplatzte Stelle vorsichtig zu untersuchen. Wenigstens hast du
durch mich Dinge erfahren, die nicht in den Lehrbüchern stehen, beruhigte Jim
sein schlechtes Gewissen, als er das Opfer von Bones Attacke vor sich am Boden
liegen sah.
Es war ihm klar, dass es sich bei dem Kuss vor allem
um die Fantasie des Vulkaniers gehandelt hatte - aber es war nicht nur das.
Auch ich habe etwas über meine Gefühle gelernt, dachte Jim, ein wenig wehmütig.
Und vielleicht ist sogar noch ein bisschen mehr passiert.
Etwas von dem fremdartig glitzerndes Blut klebte noch
auf der Wunde, aber sie schien sich bereits zu schließen. Plötzlich meinte Jim,
ein minimales Verziehen des Mundwinkels zu sehen. Wenn das bei Vulkanier nicht
unmöglich gewesen wäre, hätte Jim auf eine Art Lächeln getippt,
verschwörerisch, liebevoll und irgendwie vertraut. Er bekam Kopfschmerzen, als
er anfing, darüber nachzudenken, und suchte schnell nach einer Decke um den
Vukanier zu bedecken.
"Lass ihn liegen. Der kommt schon wieder zu
Bewusstsein!" Der Knochenmann griff nach Jims Arm und drängte ihn mit
Nachdruck aus dem Zimmer. "Wir müssen sofort von hier verschwinden!"
Willenlos ließ sich der verhinderte Einbrecher aus dem
Zimmer und dann über die Treppe durch das zerbrochene Fenster herausführen.
Als Jim mit dem Knochenmann auf die Straße trat, brach
sich gerade das erste Morgenlicht Bahn und die vielen Vögel setzten lautstarke
Signale ein, um ihre heimischen Reviere zu sichern. Eines wusste Jim schon
jetzt: Das war sein letzter Einbruch.
Bones kräftiger Fahrer, der bereits ungeduldig auf sie
gewartet hatte, grinste Jim wegen des offensichtlich gründlich schief
gegangenen Einbruchs breit an und wenig später fuhren die drei mit
Hochgeschwindigkeit aus der feinen Gegend in ihr eigenes Viertel zurück.
Zwei Tage später führte Jim mit Bones dem Knochenmann
ein langes, ernstes Gespräch, trennte sich nach und nach von seinen alten
Freunden, machte mit seiner Familie reinen Tisch und ging danach in eine
soziale Einrichtung, um sich auf diverse Aufnahmeprüfungen vorzubereiten.
Er versuchte auch, einen neuen Liebhaber zu finden,
aber seine Beziehungen hielten nie lange. Letztendlich lief es darauf hinaus,
dass er den Vulkanier nicht vergessen konnte.
Ein Jahr später trat er einer halbmilitärischen
Organisation bei, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, im Weltall unerforschte
Territorien zu erkunden.
- und wurde zu jemand anderem.
Ende