Titel: Places to go, people to
see
Autor: Lady Charena (Juli 2009)
Fandom: Crossover: House MD/Medical
Investigation
Episode: 1.02 In Bloom (MI)
Episode: 1.08 Poison (House MD)
Charaktere: Dr. Gregory House, Dr. Stephen Connor, James Wilson, Dr. Miles
McCabe, Cameron
Pairing: House/Wilson
Rating: pg, slash, AR-oneshot
Beta: T'Len
Summe: Ein von Foreman in einer Fachzeitschrift veröffentlichter Artikel über
den Fall der durch Pflanzenschutzmittel vergifteten Teenager bringt einen alten
Bekannten von House nach Princeton.
Anmerkung: Ich kann mich nicht entsinnen, dass bei Medical Investigation näher
auf den medizinischen Werdegang von Dr. Stephen Connor eingegangen wurde; daher
ist alles, was in dieser Story erwähnt wird, reine Fiktion. Die Idee entstammt
seiner Aussage, dass er schon als Student Diagnosen stellen konnte und immer
richtig lag, sowie seiner Spezialisierung auf „Infectious
Diseases“ (genau wie House).
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen
und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt
nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu
verletzen.
Allison Cameron fragte sich – nicht zum ersten Mal – wieso die Erledigung der
Post wieder einmal an ihr hängenblieb.
Chase hatte eine Entschuldigung, er war den Nachmittag über in der Klinik, um
die Stunden ihres Bosses abzuarbeiten (mehr oder weniger freiwillig – es war
seine Strafe für eine vorschnelle Theorie während der letzten
Differentialdiagnose, die House nicht nur mühelos in der Luft zerpflückte,
sondern ihm auch noch das Gegenteil bewies).
Foreman dagegen hatte sich einfach verdrückt. Da sich ihr aktueller Patient auf
dem Weg der Besserung befand und von der Intensivstation auf die normale
verlegt wurde, sah er keinen Grund, den Nachmittag im Krankenhaus zu
verbringen, wenn House das nicht auch tat.
Und House... Er war gegen zehn aufgetaucht, nachdem Cuddy
– die bereits mehrfach nach ihm gefragt und Patientenakten mit
‚Dringend’-Aufklebern hinterlassen hatte – in einem Meeting war und ging gegen
zwölf wieder, bevor das Meeting zu Ende war. Er stand neben ihr und schob mit
dem Gummiende des Stocks gelangweilt ihre sorgfältig sortierten Briefe
durcheinander, während er - mit einer vor falschem Bedauern triefenden Stimme –
Cuddy eine Voicemail hinterließ, dass er sie leider
nicht angetroffen habe und sich den Rest des Tages freinehme. Ohne auf ihren
Protest zu achten, wischte er die Post auf den Boden – nur ein kleiner Teil
landete im Papierkorb – zusammen mit ihrem halbvollen Kaffeebecher, griff sich
Rucksack und Helm von einem Stuhl und verließ das Büro. House hatte sich nicht
mal die Mühe gemacht, seine Lederjacke auszuziehen.
Kurz darauf sah sie ihn mit Wilson in der Lobby, als sie Papiertücher holte, um
die Schweinerei aufzuwischen. Die beiden warfen auf dem Weg zum Ausgang
auffällige Blicke in Richtung Cuddys Büro und
erweckten ganz den Eindruck von zwei Schuljungen, die sich aus dem Unterricht
davonstahlen und bemüht waren, ungesehen am Büro der Direktorin vorbei zu
kommen. Sie schüttelte den Kopf, hin- und hergerissen zwischen Ärger – das mit
dem Kaffeebecher war wirklich nicht nötig gewesen – und Amüsement. Dann
seufzte sie und kehrte zu ihrer Korrespondenz zurück, um davon zu retten, was
noch zu retten war.
* * *
Die nächste Störung ließ nicht lange auf sich warten, doch sie war wesentlich
erfreulicher als die vorherige.
Jemand klopfte an die Glastür zum Konferenzraum und Cameron sah von ihrem
Versuch auf, die nahezu unleserliche Handschrift eines Arztes zu entziffern,
der ihnen einen Patienten überweisen wollte.
„Hallo“, sagte der Mann mit den beinahe militärisch kurzen, hellblonden Haaren,
der den Kopf zur Tür herein streckte. „Entschuldigen Sie die Störung. Ich war
auf der Suche nach einem Doktor Eric Foreman. Unten am Empfang hat man mich
hierher verwiesen.“
Cameron rollte den Stuhl zurück, um aufzustehen. Unbewusst glitten ihre Hände
über ihren weißen Mantel, um ihn zu glätten; flogen dann hoch um ihre Brille
gerade zu rücken und die Haare zurück zu streichen. „Oh... Guten Tag. Ich bin
Allison Cameron. Bitte, kommen Sie doch herein.“ Sie musterte den
Neuankömmling. Er trug einen dunklen Rollkragenpullover, obwohl es ein sehr
warmer Maitag war und darüber eine Lederjacke – keine wie House sie trug, keine
Motorradlederjacke – und eine Sonnenbrille.
Hinter dem Mann tauchte ein zweiter auf, jünger, mit dunklen Haaren und braunen
Augen. Er hatte einen Rucksack über eine Schulter geschlungen und machte ein
wenig den Eindruck, als hätte er sich verlaufen. Er lächelte und nickte ihr zu,
die Hände in die Taschen seiner Jeans gesteckt. Im Gegensatz zu seinem
Begleiter trug er darüber ein Hemd komplett mit Krawatte und Jackett. Die
Kleidung wirkte als hätte er sie von einem älteren Bruder geliehen und deshalb
sitze sie nicht richtig. Sein Haar fiel in lockeren Wellen um sein Gesicht, und
erinnerte sie trotz der anderen Farbe an Chases Frisur.
Der blonde Mann trat näher. „Doktor Stephen Connor - und das ist Doktor
Miles McCabe, mein Mitarbeiter. Wir sind vom National Institute of Health in Bethesda, Maryland.“
Er nahm die Sonnenbrille ab und sah sie erwartungsvoll an.
„Äh... ich...“ Cameron verlor für einen Moment den Faden, als hinter den
dunklen Gläsern zwei blaue Augen zum Vorschein kamen, die in Helligkeit und
Intensität in nichts denen ihres Bosses nachstanden. „Ja, es tut mir leid... aber Doktor Foreman ist nicht im Haus.“ Sie
verschränkte die Finger ineinander und räusperte sich. „Vielleicht kann ich
Ihnen helfen?“
Doktor McCabe trat einen Schritt vor. „Wir wären interessiert daran, Ihre
Unterlagen zu einem Fall im Januar dieses Jahres einzusehen. Es ging um eine
Vergiftung durch Pestizide. Doktor Foreman hat einen Artikel veröffentlicht,
der uns darauf aufmerksam gemacht hat.“
„Wir hatten vor knapp acht Monaten mehrere ähnliche Fälle, in denen ebenfalls
kontaminierte Jeans als Ursprung der Erkrankung ausgemacht werden konnten“,
ergänzte Doktor Connor. In seinen Augenwinkeln erschienen winzige
Fältchen, als er lächelte. „Ich gebe zu, richtig neugierig wurde ich erst, als
ich mehr darüber wissen wollte und der Name Doktor Gregory House fiel.“
Cameron erwiderte sein Lächeln. „Oh ja. Das ist nicht unbedingt eine
ungewöhnliche Reaktion.“
Doch Connor schüttelte den Kopf. „Ich kenne Greg von früher.“
Er hätte nicht mehr Camerons Aufmerksamkeit fesseln können, wäre er auf Händen
hier hereinspaziert. „Wirklich?“, fragte sie, bemüht nicht zu interessiert zu
klingen. Eine Gelegenheit mehr über House zu erfahren bot sich nicht häufig.
„Wir haben fast ein Jahr zusammen in Boston in der Abteilung für
Infektionskrankheiten gearbeitet, bevor ich in den Irak ging.“
„Oh, mit Médecins sans frontières?“, erkundigte sich Allison sofort.
„Nein.“ Connor faltete seine Sonnenbrille zurück und steckte sie in die
Brusttasche seiner Jacke, als erfordere seine Antwort eine spezielle Vorbereitung.
„Mit der US Army. Sie haben meine Ausbildung
bezahlt.“
„Aber Sie sind...“ Cameron brach verlegen ab. Er sah nicht älter aus als Mitte
Dreißig.
„Jünger als Dr. House?“, beendete Connor die Frage. „Ja, ein paar Jahre. Ich
war noch ziemlich neu und er gerade dabei, seine zweite Spezialisierung zu
erwerben.“ Für einen Moment wurde sein Blick abwesend, als erinnere er sich an
diese Zeit. „Ist er immer noch so ein Bastard und drückt sich nach Möglichkeit
von jeder Arbeit?“
Cameron sah kurz auf ihren Schreibtisch und die kaffeebefleckten Papiere, die
auf dem Konferenztisch trockneten. „Von Zeit zu Zeit“, antwortete sie
diplomatisch. „Aber er ist ein hervorragender Diagnostiker. Ich habe schon viel
von ihm gelernt.“
Connor warf seinem Begleiter einen Blick zu. „Das war er schon damals. Wir
haben uns stundenlang Symptome an den Kopf geworfen, um zu sehen, wer als
Erster aufgeben muss, weil er die Diagnose nicht finden konnte. Die Belohnung
für jede richtige Diagnose war ein Bier.“
„Und wer hat häufiger gewonnen?“, fragte McCabe interessiert.
„Niemand.“ Connor wandte sich der jungen Ärztin wieder zu. „Es endete immer
unentschieden – oder damit, dass wir zu betrunken waren, um komplizierte
medizinische Begriffe über die Lippen zu bringen.“ Er grinste und zuckte mit
den Schultern. Jugendsünden, schien diese Geste zu bedeuteten. „Er ist nicht
zufällig irgendwo in diesem Krankenhaus zu finden?“
„Es tut mir leid.“ Und das in mehr als einer Hinsicht, dachte Cameron. Sie
hätte zu gerne eine Begegnung zwischen den beiden Männern beobachtet. „Er hat
sich den Nachmittag freigenommen.“
„Oh. Selbstverständlich, es ist Freitag. Sie könnten mir wohl nicht seine
Adresse geben? Oder seine Telefonnummer, dann rufe ich ihn an und frage, ob wir
uns auf einen Drink treffen.“
Cameron brach einen Bleistift ab, so hastig schrieb sie House’ Privatadresse
auf einen Notizzettel. „Warum überraschen Sie nicht einfach?“, meinte sie
unschuldig. „Er ist bestimmt Zuhause und er freut sich garantiert.“ Sie reichte
ihn Connor, der sich bedankte, sie aber mit einem leicht zweifelnden Ausdruck
betrachtete. Offenbar kannte er House tatsächlich.
„Hören Sie, Allison – ich bin sicher, Sie haben sehr viel zu tun, aber käme es
sehr ungelegen, wenn ich Doktor McCabe in Ihrer Obhut lasse?“, fragte er.
Miles räusperte sich, als wäre es ihm unangenehm, dass sein Vorgesetzter über
ihn sprach, als wäre er ein Kind, für das Händeringend ein Babysitter gesucht
wurde.
„Oh, das ist überhaupt kein Problem“, versicherte Cameron sofort. „Ich kann
Ihnen alle Unterlagen geben und sie mit Ihnen durchgehen. Das ganze Team – Dr.
Foreman, Dr. Chase und ich - war an der Diagnose voll beteiligt.“ Und sie würde
auch nicht zögern, Foreman anzurufen – andererseits, sollte er ruhig seinen
unverdient freien Nachmittag genießen, anstatt Lob für seinen Artikel
einzuheimsen. Es nahm auch niemand Rücksicht auf sie.
„Gut.“ Connor wandte sich an McCabe. „Wir treffen uns dann heute Abend im
Hotel, Miles.“ Er wandte sich wieder Cameron zu und hielt ihr die Hand zum
Abschied hin. „Es hat mich gefreut, Doktor Cameron.“
„Wie lange haben Sie Doktor House nicht mehr gesehen?“, fragte Cameron
plötzlich, als Connor bereits im Begriff war, die Tür zu öffnen.
Er sah über die Schulter zurück. „Wir haben uns einige Male in den vergangenen
Jahren Links zu interessanten Artikeln gemailt, aber viel mehr Kontakt hatten
wir nicht. Gesehen habe ich ihn vor etwa acht Jahren“, antwortete er mit
fragendem Unterton. „Wir haben uns zuletzt auf einer Konferenz getroffen,
damals arbeitete er schon hier in Princeton und er verbrachte den halben
Nachmittag damit, über den neuen Dekan zu sprechen – und nicht in den höchsten
Tönen - eigentlich wundert es mich, dass er noch immer hier arbeitet.“ Connor
lächelte flüchtig. „Ich denke, ich muss Ihnen nicht sagen, dass seine sozialen
Fähigkeiten nicht die allerbesten sind.“
Miles räusperte sich, die Augenbrauen hochgezogen, als hätte er zu dieser
Aussage etwas anzumerken. ‚Wirklich?’
Connor warf ihm einen amüsierten Blick zu. Er wusste, dass er manchmal kurz angebunden
war und er sarkastisch wurde, wenn man seine Befehle in Frage stellte, aber
Miles kannte Gregory House nicht. Hinter der hübschen Fassade von Doktor
Allison Cameron musste mehr stecken, wenn sie in seinem Team arbeitet.
Vielleicht würde er Greg danach fragen. Er nickte den beiden noch einmal zu,
dann ging er.
Als er auf den Korridor trat, stieß er fast mit einem jungen, blondgelockten
Mann zusammen, der erst in dem Moment aufsah, als er nach der Tür zum
Konferenzraum griff – ohne zu bemerken, dass gerade jemand daraus trat.
„Wow... Oh... Entschuldigung.“ Er prallte zurück und ließ die Akte fallen, in
die er so vertieft gewesen war. „Ich habe Sie nicht gesehen.“
Stephen bückte sich und hielt sie ihm mit einem Lächeln hin. „Offensichtlich.
Bitte. Nichts passiert.“ Er warf einen Blick auf den Ausweis des jungen Mannes
„Robert Chase, MD“ – hatte Doktor Cameron nicht gerade diesen Namen erwähnt -
und ging weiter zum Fahrstuhl. Sahen heutzutage alle jungen Ärzte wie halbe
Kinder aus? Selbst Miles wirkte erwachsener als Chase.
Und wie zum Teufel schaffte Greg es, sich nicht uralt zwischen ihnen zu fühlen?
* * *
Connor warf einen zweiten Blick auf den Zettel, den ihn Allison in die Hand
gedrückt hatte und auf dem in feinsäuberlicher Kleinmädchenschrift die Adresse
stand, vor der ihn der Taxifahrer abgesetzt hatte.
Durch eines der geöffneten Fenster drang Klaviermusik... obwohl „Another one bites
the dust“ sicherlich nicht ursprünglich für dieses
Instrument gedacht war und als er die beiden Treppenstufen hochstieg, hing ein
leichter Geruch nach exotischen Gewürzen im Flur, als koche jemand...
vielleicht Curry? Er konnte sich nicht vorstellen, dass Greg sich dermaßen
geändert hatte, dass er sich die Mühe machte, Essen selbst zu kochen, also
wohnte er wohl nicht alleine. Hatte er nicht auf der Konferenz von einer Frau
gesprochen... Stacy irgendwas... mit der er zusammen lebte?
Der Klingelknopf war mit rosafarbenem Kaugummi überklebt, also nahm er Abstand
davon, ihn zu benutzen, und klopfte gegen die dunkelgrün gestrichene Tür von
221B. Er wartete, doch offenbar hatte ihn niemand gehört und er klopfte erneut
– nachdrücklicher und länger.
Endlich brach die Musikdarbietung ab und jemand rief etwas von „Tür...
jetzt...“ worauf jemand anderes mit „...selbst... kann nicht...“ antwortete.
Ein paar Augenblicke später wurde die Tür geöffnet.
„Mein Team ist größer als deines.“ Stephen nahm die Sonnenbrille ab und
lächelte. „Hallo, Greg. “
Er konnte nicht sagen, dass er wirklich überrascht war, als die Tür vor seiner
Nase zugeknallt wurde. Greg hasste Überraschungen. Anstatt noch einmal zu
klopfen, wartete er einfach. Ein paar Minuten und einen durch die Tür
gedämpften, nichtsdestotrotz hitzig klingenden Disput später, ging sie wieder
auf.
Greg musterte ihn. „Was willst du hier? Brauchen sie keine Ärzte mehr in
Afghanistan?“
Stephen zuckte mit den Schultern. „Nicht mit meiner Spezialisierung. Außerdem
wurde ich immer schlechter darin, Befehle zu befolgen, je älter ich wurde.“ Er
zog die Stirn in Falten. „Du weißt, dass ich nicht mehr bei der Army bin, seit Jahren schon nicht mehr.“ Das Thema hatte
zwischen ihnen nie eine Rolle gespielt, doch Connor hatte genug mitbekommen, um
zu wissen, dass Greg aus einer Familie mit militärischem Hintergrund stammte
und ihn für einen Idioten hielt; eine Meinung, mit der er nicht hinter den Berg
hielt. Zumindest schien er ihn für einen interessanten Idioten gehalten zu
haben, wenn sie weiterhin einen Teil ihrer rare Freizeit miteinander
verbrachten.
Greg wandte den Kopf und rief über die Schulter: „Wilson! Beweg’ sofort deinen
Hintern hierher. Da ist jemand, der dir deinen Heiligenschein streitig macht.“
* * *
Stephen nahm auf der Couch Platz, auf die Greg vage gestikuliert hatte, bevor
er in einen angrenzenden Raum verschwand. Er sah ihm nach und durchforstete
sein Gedächtnis danach, ob Greg irgendwann irgendwo zwischen den Zeilen in
einer ihrer Mails erwähnt hatte, dass etwas passiert war. Hatte er einen
Unfall? Er erinnerte sich daran, dass Greg Geschwindigkeitsbegrenzungen für
Schikane hielt und schon damals in ihrer gemeinsamen Assistenzzeit ein Motorrad
fuhr, das nur noch von Farbe und Rost und Klebeband zusammengehalten wurde –
dass Greg aber als Klassiker verteidigte. Hatte ihn irgendwann in den
vergangenen Jahren sein Glück verlassen?
Aus dem Nebenzimmer – wenn er Geräusche und Gerüche aus dieser Richtung korrekt
deutete, die Küche – hörte er die Stimme eines anderen Mannes und Gregs knappe
Antwort.
Bevor er länger darüber nachgrübeln konnte, war Greg zurück, einen jüngeren
Mann - Stephen schätzte ihn in etwa auf sein eigenes Alter - mit braunen Haaren
im Schlepptau. Während Greg in Jeans und T-Shirt einen vertrauten Anblick bot,
war sein Begleiter offensichtlich jemand, der viel Zeit und Geld auf seine
Kleidung verwandte. Eva könnte es vermutlich besser beurteilen als er.
Irgendwie wurde der Gesamteindruck von Hemd und Krawatte und schicken Hosen mit
messerscharfer Bügelfalte aber durch ein ordentlich in den Gürtel gestecktes
Geschirrhandtuch, das wohl als provisorische Schürze diente, ins
Lächerliche gezogen. Er sah eher aus wie ein Anwalt oder Steuerprüfer – nicht
wie jemand, mit dem Greg befreundet war. Und der Braunhaarige war ein Freund,
er bewegte sich mit der Vertrautheit von jemand durch die Wohnung, der bereits
viel Zeit hier verbracht hatte.
Jetzt hob er die Hand und rieb sich den Nacken, bevor er etwas steif nickte.
„James Wilson. Hallo.“
„Stephen Connor.“ Stephen stand auf und nickte ebenfalls. „Ich arbeite beim
National Institute of Health.
Greg und ich haben vor langer Zeit mal zusammen gearbeitet.“
Greg ignorierte die plötzlich seltsam verlegene Stimmung und trat zwischen
ihnen hindurch, um sich auf die Couch fallen zu lassen. Er behielt seinen Stock
in den Händen und drehte ihn wie einen Tambourstock. „Das ist Wilson, er wohnt
hier. Manchmal.“ Er drehte den Kopf, um den anderen Mann anzusehen, als
analysiere er seine Reaktion. „Wenn ihn seine Frau raus lässt. Ignorier'
einfach die nervösen Blicke, die er in Richtung Küche wirft. Wenn er kocht, bricht
seine weibliche Seite durch und ein angebranntes Curry ist ein Weltuntergang.“
Wilsons Wangen verfärbten sich leicht rot und Stephen sah auf den Boden, um
sein Lächeln zu verbergen. Greg hatte sich nicht wirklich geändert.
Greg schnüffelte wie ein Bluthund, der eine Witterung aufnahm. „Da wir gerade
davon sprechen...“
Wilson hob den Kopf wie ein alarmiertes Reh – und fuhr herum, um mit einem
unterdrückten Fluch in den Nebenraum zu eilen.
Stephen nahm auf einem schräg zur Couch aufgestellten Sessel Platz. „Wenn ich
in einem unpassenden Moment komme...“ Er wusste besser, als die Frage zu
stellen, die ihm auf der Zunge lag. ‚Was zum Teufel ist mit dir passiert?’
Greg winkte ab und benutzte den Griff des Stocks, um ein Glas über den
Couchtisch in seine Richtung zu schieben. Zwei Gläser, eins davon halb
voll und eine Flasche standen griffbereit.
Stephen zögerte. „Es ist erst kurz nach zwei.“
Greg hob die Schultern und schob trotz seiner Worte auch die Flasche mit dem
Stock näher zu ihm, dann nahm er sein eigenes Glas hoch. „Nichts ist schlimmer
als ein nüchterner Trinker.“
Nach einem weiteren Moment des Zögerns nahm Connor die Flasche und goss zwei
Fingerbreit in sein Glas. Er nippte daran, ohne eine Platitude wie „Auf alte
Zeiten“ oder ähnliches zu murmeln.
Greg sah ihn über den Rand seines Glases hinweg an. „Wo ist dein Lakai
geblieben?“
Ah, hatte Doktor Cameron doch beschlossen, nicht diejenige zu sein, die ins
Zielfeuer ihres Bosses geriet, wenn er sich aufmachte, denjenigen zu suchen,
der seine Adresse raus gerückt hatte. Greg nickte, als hätte er seine Gedanken
gehört. „Cameron hat mir eine Textnachricht geschickt. Die ich erst gelesen
habe, nachdem du schon meine Couch platt sitzt.“
„Ich habe McCabe...“
„McCabe? Dein Ernst?“, unterbrach ihn Greg nicht völlig unerwartet. „Wie in
McCabe & Mrs. Miller?“
„...mit deinem Team spielen geschickt“, entgegnete Connor leichthin. Es hatte
sich tatsächlich in der Hinsicht nicht viel geändert – es war immer noch
schlicht unmöglich eine normale Unterhaltung mit diesem Mann zu führen. „Sie
scheinen im gleichen Alter zu sein. Waren wir auch einmal so jung...
enthusiastisch?“
„Hey, sprich für dich selbst, alter Mann“, protestierte Greg erwartungsgemäß.
„Ich bin jünger als du“, entgegnete Stephen trocken.
„Du siehst aber älter aus“, spottete Greg und leerte seinen Drink.
Stephen schwieg und drehte sein Glas auf der Handfläche. Abgesehen von den
blauen Augen und der schlaksigen Gestalt war er sich nicht wirklich sicher
gewesen, vor dem richtigen Doktor Gregory House zu stehen, bis der Mann mit dem
Stock den Mund aufmachte. Die Zeit war nicht gnädig mit ihnen umgegangen – er
sah sich selbst nach schlaflosen Nächten im Spiegel als alten Mann... doch
Greg... er sah zehn Jahre älter aus als er tatsächlich war. Connors Blick
glitt wieder zu dem Stock; jetzt an der Seite der Couch lehnend – wartend wie
ein braver Hund, bis ihn sein Herrchen rief.
„Ich dachte, wenn ich dich im Büro antreffe, versuchst du mich mit einem Kaffee
in der Cafeteria abzuspeisen“, entgegnete er schließlich. „Und du schuldest mir
noch einen Drink von der Marburg-Konferenz.“
„Was willst du in Princeton?“, fragte Greg ohne weitere Umschweife. „Du hättest
deinen Lakaien...“
„Miles ist kein Lakai, er ist mein Mitarbeiter.“ Stephen stellte sein kaum
berührtes Glas ab.
„Du hättest deinen ‚Mitarbeiter’...“ - Gregs Betonung nach hätte es etwas
höchst Unerfreuliches und Ansteckendes sein können – „...anrufen lassen können
und jemand hätte dir die Akten geschickt. Kein Grund, hier persönlich aufzutauchen.“
„Hast du Angst, sie könnten herausfinden, dass ich der bessere Diagnostiker bin
und du verliest deinen Job an mich?“
Greg schnaubte amüsiert. „Nicht in diesem Leben. Cuddy
liebt mich viel zu sehr.“ Er schnitt eine Grimasse des Ekels.
„Cuddy...“, wiederholte Stephen. „Das war doch der
neue Dekan, über den du damals den Mund nicht halten konntest. Sie erträgt dich
immer noch? Das muss wirklich Liebe sein.“
Er sah aus den Augenwinkeln, dass Wilson im Durchgang zur Küche lehnte, die
Arme locker vor der Brust verschränkt. Connor hatte das Gefühl, dass er Wilson
nicht völlig gelegen kam – auch wenn er den Grund dafür nicht wusste. Greg
schien es nichts auszumachen, oder Stephen wäre erst gar nicht in die Wohnung
gekommen.
Greg hob die Hand und winkte in seine Richtung, ohne ihn anzusehen. „Komm’ her,
Jimmy, der Mann beißt nicht.“
Wilson blieb, wo er war. „Ich muss das Curry immer wieder umrühren“, erwiderte
er. Dann wandte er sich an Connor. „Sie sind natürlich eingeladen, mit uns zu
essen. Ich habe genügend vorbereitet und da House der Meinung ist, er habe
bereits besser aussehendes Hühnerfutter gesehen, bleibt mehr für uns.“ Er
nickte. „Bitte entschuldigen Sie mich, ich muss zurück an den Herd.“
„Er versucht über seinen Kochtöpfen den Geist von Martha Stewart zu
beschwören.“
Stephen sah Greg an. „Wieso nennt er dich House?“
„Ich erlaube Leuten nur, mich beim Vornamen zu nennen, wenn ich mit ihnen
schlafe, Stephen“, entgegnete der spöttisch.
Stephen imitierte Gregs amüsiertes Schnauben. „In deinen Träumen, Greg.“
„Und wie nennt dich deine Frau?“
„Exmann“, erwiderte Connor. „Sie hat die Scheidung eingereicht.“ Er nippte an
seinem Glas und lächelte freudlos. „Ich denke, Jack kommt mit der Sache besser
klar als ich.“ Auf Gregs blanken Blick fügte er hinzu. „Mein Sohn, Jack.“ Er
lehnte sich zurück. „Und du? Verteidigst deine Festung der Einsamkeit
offensichtlich.“ Der Ausdruck, der über Gregs Gesicht flirrte, war zu schnell
verschwunden, als dass er ihn identifizieren konnte. Aber irgendeinen wunden
Punkt hatte er offenbar berührt…
„Für diese Geschichte bin ich nicht annähernd betrunken genug, glaub‘ mir.“
Greg beugte sich vor, um sein Glas nachzufüllen, als Wilson wieder im Durchgang
erschien.
Stephen begann sich ernstlich zu wundern, wieso Greg sich mit dieser „Martha
Stewart“ abgab.
„Wir können essen.“ Wilson begann den Couchtisch abzuräumen und dabei
gleichzeitig Greg die Flasche und sein noch leeres Glas abzunehmen. „Ich weiß,
dass ich dich nicht dazu bewegen kann, wie ein normaler Mensch am Küchentisch
zu essen, also nimm‘ wenigstens die Füße vom Tisch.“
Connor hob amüsiert die Augenbrauen - doch seine Erheiterung verwandelte sich
rasch in Erstaunen, als Greg der Aufforderung nachkam. Zwar mit einem leidenden
Gesichtsausdruck und einem Seufzen, das sein großes Opfer verdeutlichte, aber
ohne die bissige Bemerkung, die Stephen von ihm erwartet hatte.
* * *
Das Essen war ausgezeichnet und Wilson ihm gegenüber aufgetaut. Er steckte
mitten in der Schilderung eines Streichs, den House einer Schwester in der
Klinik gespielt hatte - Greg, der trotz seines früheren Protestes das Curry
förmlich inhalierte und gelegentlich Bemerkungen beisteuerte - als sein Handy
klingelte. Wilson entschuldigte sich, warf einen Blick auf das Display und
verschwand wortlos in die Küche.
„Ja, das ist sehr vertraut.“ Connor trank von dem Wein, den Wilson zum Curry
servierte - zumindest für sich und Stephen. Greg war von Bourbon auf Bier
umgestiegen. „Es wäre eine Überraschung gewesen, ein Mal
an einem Essen teilzunehmen, ohne dass ein Anruf kommt. Obwohl es wohl bei euch
wohl eher selten vorkommt, dass ein Hubschrauber vor dem Haus wartet…“ Er sah
auf, als Greg nicht antwortete.
Der andere Mann hatte aufgehört zu essen und hatte den Kopf gewandt, um in
Richtung Küche zu starren, als könnte er plötzlich den Röntgenblick entwickeln
und durch Wände sehen. „Das war nicht das Krankenhaus“, entgegnete er abwesend.
Stephen konnte nur die eine Seite seines Gesichtes sehen, doch der Ausdruck von
Ärger darauf war unmissverständlich. Er sah unwillkürlich in Richtung Küche, wo
Wilson auftauchte, sich mit der linken Hand unbehaglich den Nacken massierend.
Greg schien etwas aus seiner Haltung und Gestik zu lesen, das
Stephen entging - und es war nichts Gutes. Seine Gabel landete klappernd auf
dem fast leeren Teller, dann stieß er ihn von sich weg; hart genug, dass er
fast über den Rand des Couchtisches schoss. „Nein.“
Wilson seufzte, als hätte er genau diese Reaktion erwartet und verschränkte die
Arme vor der Brust. „Kann ich einen Moment mit dir sprechen? Allein“, meinte er
mit einem entschuldigenden Blick in Connors Richtung.
Stephen sah auf seinen Teller. Er fragte sich, ob Jack sich ebenso fehl am Platz fühlte, wenn seine Ex-Frau diese Worte zu ihm
gesagt hatte.
„Ich glaube nicht, dass es etwas zu besprechen gibt.“ Gregs Stimme verhehlte
seinen Ärger nicht. „Sie beschließt plötzlich, dass du wieder in Gnaden
aufgenommen bist und selbstverständlich eilst du pflichtschuldigste nach
Hause.“
„House… bitte.“ Wilson gab seinen Platz beim Durchgang zur Küche auf und
schlüpfte in sein Jackett, das er ordentlich gefaltet über dem Arm getragen
hatte, als er wieder in den Raum trat. „Nicht jetzt.“
„Fein. Okay. Renn‘ nach Hause zu Julie; aber tauch‘ hier nicht wieder auf, wenn
sie dich das nächste Mal vor die Tür setzt.“
Stephen überlegte, ob er sich entschuldigen und auf die Toilette gehen sollte,
doch das hätte nur noch mehr Aufmerksamkeit auf seine Anwesenheit gelenkt. Er
beschäftigte sich damit, die Reiskörner auf seinem Teller zu zählen.
„House…“
Aus den Augenwinkeln sah Stephen, wie House aufstand und den Stock ignorierend
um die Couch trat. Neugier siegte über Diskretion und er hob den Blick. Greg
lehnte gegen das Bücherregal, subtil Wilsons Weg zur Tür blockierend. Er sagte
etwas zu Wilson, dass zu leise war, als dass Connor es hören konnte. Er sah
jedoch, wie Wilson die Lippen zusammen presste und zu Boden sah, bevor er den
Kopf schüttelte - dann drehte sich Greg zur Seite, so dass nun sein Rücken
gegen das Bücherregal lehnte und der Weg frei war. Er ignorierte die beiden
Bücher, die diese Bewegung auf den Boden wischte.
Wilson sah ihn mit einem Ausdruck von Resignation an, dann machte er Anstalten,
an ihm vorbei zu gehen - als Greg die Hand ausstreckte, als wolle er seinen Arm
festhalten; sie aber wieder sinken ließ, bevor auch nur seine Fingerspitzen den
Jackettärmel des anderen Mannes streiften. Wilson
stoppte und wandte sich ihm zu.
Connor griff nach seinem Weinglas - was sich gleich darauf als Irrtum
herausstellte, denn er verschluckte sich fast an dem Schluck Wein, den er
gerade trank - als Greg sich vorbeugte und den anderen Mann küsste. Auf den
Mund. Es war so schnell vorbei, dass Stephen fast geglaubt hätte, einer
Täuschung erlegen zu sein - hätte sich nicht Wilsons Gesicht dunkelrot
verfärbt. Er warf einen Blick zu Connor, der es nicht schaffte, rechtzeitig weg
zu sehen und so zu tun, als wäre er vorübergehend erblindet - und zog dann den
Kopf verlegen zwischen die Schultern, bevor er förmlich aus der Wohnung floh.
Greg lehnte noch einen Moment am Regal, den Kopf gesenkt, dann stieß er sich
davon ab und griff nach dem Couchrücken, als er zurück humpelte und sich wieder
auf das Sofa fallen ließ.
Stephen setzte sein Glas ab und hielt den Blick auf seinen Teller gerichtet.
„Keine Sorge. Es ist genau das verdammte Seifenopern-Drama, nach dem es
aussieht.“
Gregs Stimme klang… nicht wütend, eher müde und Connor wagte es, aufzusehen. In
den blauen Augen stand eine deutliche Warnung, das Thema nicht weiter zu
verfolgen. Er schob seinen Teller von sich. Das war okay für ihn. Er hatte
genug Drama in seinem eigenen Leben. Stephen räusperte sich. „Wie würdest du
einen Patienten diagnostizieren, dessen Haut sich blau verfärbt? Als hätte man
Tinte über ihn gegossen, über den ganzen Körper? Ich hatte im letzten Jahr so
einen Fall.“
Greg musterte ihn einen Moment, dann nickte er. „Lass‘ uns das richtig machen.“
Er begann die Teller aufeinander zu stapeln und stellte sie auf den Boden neben
dem Tisch. Besteck und Gläser schob er ans andere Ende, so dass sie nicht im
Weg waren.
Dann stand er auf und verschwand in die Küche. Connor fiel auf, dass er stärker
hinkte als zuvor.
Zwei Minuten später stellte Greg eine Flasche zwischen sie auf den Tisch und
pulte zwei kleine Gläser aus den Taschen seiner Jeans. Er füllte beide und
schob eines davon Stephen zu. „Welche Symptome hatte dein Patient aus Schlumpfhausen?“
„Patienten“, korrigierte Connor. Er sah auf das Glas vor sich und wusste, dass
er das morgen früh bitterlich bereuen würde. Er war keine fünfundzwanzig mehr.
Dann begann er, die Symptome zu schildern…
Ende