Titel: Little white lies
Autor: Lady Charena
Fandom: House, MD
Episode: --
Pairung: Gregory House
Rating: vor-serie, pg-13, gen
Beta: T'Len
Archiv: ja
Anmerkung: --
20. The wall is not coming down here.
Der kalte Betonboden, blanker Zement, war rau und kalt. Langsam setzte er sich
auf und rieb sich mit der Handfläche übers Gesicht, wischte die Tränen weg und
schniefte ein paar Mal. Sofort stach ihm ein Geruchsmix nach Benzin und Öl,
nach Metall und nasser Erde in die Nase.
Hüfte und Schulter schmerzte vom Aufprall auf den Boden; seine Handflächen
brannten weil sie sein Gewicht gegen den groben Zement aufgefangen hatten. In
der fensterlosen Garage war es dunkel, so konnte er den Abdruck der Finger
seines Vaters um sein Handgelenk nicht sehen, von dem er wusste, dass er dort
sein würde.
In die Garage gesperrt zu werden, war neu. Aber das lag sicher nur daran, dass
sie vorher noch nie eine eigene gehabt hatten. Sie war ziemlich leer, weil sein
Vater kein Auto besaß und er erinnerte sich, wie er seiner Mutter geholfen
hatte, einen Stapel zusammengefalteter Umzugskartons – in Müllsäcke gepackt -
in einer Ecke zu verstauen.
Er wusste, dass irgendwo über ihm eine staubige, mit Spinnweben verzierte,
nackte Glühbirne hing, doch es war sinnlos, sich auf die Suche nach dem
Schalter zu machen – der befand sich außen.
Genauso vergeblich würde es sein, zu versuchen, die Garagentür zu öffnen –
abgesehen davon, dass er nicht einmal daran denken wollte, was sein Vater mit
ihm machen würde, sollte er versuchen, sie zu verlassen – das ging nicht, wenn
von draußen abgeschlossen wurde. Und er hatte selbst über das Rauschen von Blut
und seinem eigenen, harschen Atmen gehört, wie sich der Schlüssel im Schluss
gedreht hatte.
Gregs Knie schrammten über den Boden, als er die Beine unter sich zog, um sich
hoch zu stemmen. Er fuhr sich noch einmal mit dem Ärmel seines T-Shirts übers
Gesicht und schluckte gegen den Metallgeschmack in seinem Mund an. Er würde
nicht weinen! Auf keinen Fall. Schließlich war er kein Baby mehr. So ein
bisschen Dunkelheit und Kälte jagten ihm keine Angst ein.
Und es war verdammt kalt. Er schlang die Arme fester um den Brustkorb. Sein
Hals brannte und er schniefte wieder. Der Gestank. Er stampfte mit den Füßen
auf den Boden; denn im Dunkeln konnte er nicht wagen, hin- und her zu laufen,
um sich aufzuwärmen. Er könnte gegen die Wand laufen, oder über etwas stolpern…
Aber am Ende tat er doch genau das – er streckte die Arme aus und tastete sich
langsam vorwärts, bis seine Fingerspitzen das raue Mauerwerk streiften. Langsam
schob er sich daran entlang, bis die Spitze seines rechten Turnschuhs gegen
Plastikfolie stieß. Seine Finger waren inzwischen so kalt, dass sie sich fremd
und steif anfühlten, als er an dem Müllsack zerrte, um ihn aufzukriegen. Schließlich
riss er auf und Greg konnte einen Karton aus seiner Schutzhülle befreien. Zwei
der zusammengefalteten Umzugskartons bildeten eine Art Polster auf dem Boden,
einen dritten lehnte er gegen die Wand dahinter, dann setzte er sich auf die
Kartons, die langen Beine hochgezogen, so dass er die Arme darum schlingen
konnte.
Es half nicht viel gegen das Zittern, und er beugte sich ab und zu vor, um
seine Nase am Knie abzuwischen.
Es war nicht schlimm, redete er sich selbst ein. Nur ein paar Stunden im Dunkeln.
Er war doch kein Baby, das vor Staub, Spinnweben und vielleicht ein paar Mäusen
Angst hatte. Dass sein Herz so schnell schlug, lag nur an der Kälte.
Er ballte die Finger zu Fäusten, so fest, dass sie sich taub anfühlten – oder
vielleicht war auch das nur die Kälte – und presste sein Gesicht gegen die
Knie.
Es war ganz einfach. Er würde einfach nicht daran denken, wo er war oder was
passiert war.
Stattdessen würde er sich auf die Partitur konzentrieren; auf die Noten, die in
seinem Kopf tanzten und umeinander wirbelten wie Figuren in einem
Samstagmorgen-Cartoon. Genau so wie Mrs. Littman, seine Klavierlehrerin, es ihm
beigebracht hatte. Sie hatte gesagt, dass er gut war – besser als gut, egal wie
verächtlich sein Vater darüber sprach – so gut, dass sie ihn zu einem Konzert
ihrer anderen Schüler angemeldet hatte. Und das, obwohl er erst seit drei
Monaten bei ihr Unterricht hatte; vorher war es nur seine Mom gewesen, die ihm
zeigte, wie man spielte.
Sie war gewesen, die seinem Vater davon erzählt hatte. Als hätte er nicht früh
genug davon erfahren. Lucys Vater war mit seinem in einer Einheit – und sie war
neidisch darauf, wie gut er war, besonders seit Mrs. Littman ihn an ihrer
Stelle auftreten ließ – es würde früher oder später zu Sprache kommen. Er war
mit später einverstanden; viel später, wenn es sich einrichten ließ… so nach
seinem dreißigsten Geburtstag oder so, oder wenn sie seinen Vater irgendwo
abgeschossen hatten und er nur noch zwei Stunden zu leben hatte.
Seine Mom hatte ihm versprochen, es nicht zu sagen – aber dann hatte er dieses
Schreiben aus der Schule mit nach Hause gebracht, wegen des Frosches im
Biologieunterricht, den er statt zu sezieren in Stücke geschnitten hatte, um
diese in Seans Spind zu stecken. Seans Antwort darauf war gewesen, ihn gegen
den Wasserspender zu stoßen. Sie wurden beide für zwei Tage vom Unterricht
suspendiert, denn es war bei weitem nicht das erste Mal für beide, zum Direktor
gerufen zu werden.
Er hatte gehofft, seine Mutter würde es einfach unterschreiben, ohne seinem
Vater etwas davon zu sagen. Aber sie bestand darauf, dass er es unterschreiben
müsse. Und sie glaubte wirklich, es würde seinen Vater besänftigen, ihm von dem
Konzert zu erzählen.
Sein Herz hatte begonnen, schneller zu schlagen, als er seinen Vater nach einem
sehr langen Moment der Stille tief Atem holen hörte. Er hielt den Blick stur
auf seinem Teller. Papier knisterte leise als sein Vater den Brief
zusammenfaltete und auf den Tisch legte.
Die Worte unterschieden sich nicht viel von denen, die er schon so oft zuvor
gehört hatte: dass er eine Schande sei und auf dem besten Weg, wie einer dieser
arbeitslosen Penner zu enden; dass er gute Noten benötigen würde, an der
Militärakademie aufgenommen zu werden… das war nur das Vorspiel. Sein Vater redete
sich mehr und mehr in Rage und sparte dabei auch nicht mit Seitenhieben auf
seine Mutter, die ihm erlaubt hatte, Klavierspielen zu lernen. Es war weibisch
und überflüssig und die Zeit wäre besser darauf verwendet, wenn er Sport
treiben würde.
Die Attacke gegen seine Mutter brachte ihn dazu, den Blick zu heben und als er
sah, dass sie versuchte, nicht zu weinen, die Serviette zwischen ihren Fingern
knetend, hatte er den Mund geöffnet ohne nachzudenken und die Worte waren in
die plötzliche Stille wie Steine in einen Teich gefallen: „Du bist ein gemeiner
Bastard. Ich bin gut im Klavierspielen und du bist so musikalisch wie ein
Tischbein und deshalb…“
Weiter war er nicht gekommen, als sein Vater ihn an der Schulter packte und
herumriss, heftig genug, dass der Stuhl umkippte und er auf dem Boden landete.
Bevor er wieder zu Atem gekommen war, zerrte ihn sein Vater am Arm in Richtung
Tür. Seine Versuche, sich zu wehren, brachten ihm einen Fußtritt in die Seite
ein.
Sie stoppten in der Garage und sein Vater ließ ihn wie einen Müllsack auf den
Boden fallen; sagte, dass er ihn erst wieder in seinem Haus sehen wollte, wenn
er gelernt habe, Respekt zu zeigen. Dann war da nur noch die Kälte und die
Dunkelheit, als das Garagentor ins Schloss knallte und abgesperrt wurde.
Nur ein paar Stunden… es würde bald Morgen sein und seine Mutter ihn
herauslassen, weil er in die Schule musste… er war kein Schwächling und kein
Versager, es würde ihm nichts ausmachen… es würde nicht… es war nicht… er hatte
keine Angst. Es war nur die Kälte, die ihn zittern ließ.
Wenn er es sich nur oft genug sagte, hielten ihn vielleicht die Lügen warm.