Titel: Diagnosis: The Hurt/Comfort-Syndrome
Autor: Lady Charena (2007)
Fandom: House, MD
Charaktere: House, Wilson
Thema: # 034 Nicht genug (100-ff-Challenge)
Word Count: 1817
Rating: PG [slash-ish], Satire
Anmerkung des Autoren: Vielen Dank an T’Len für’s betalesen.
Doktor James Wilson fand sich in missmutiger Stimmung.
Es lag nicht daran, dass er seit seiner endgültigen Trennung von Julie das
Hotel zum dritten Mal gewechselt hatte.
Es lag nicht daran, dass Cuddy den Termin für die Budgetsitzungen des
Krankenhausboards verkündet hatte – eine Aussicht, die einen durchaus in den
Abgrund der Depression stürzen konnte.
Es lag nicht daran, dass er seit Wochen kein Date mehr auf die Reihe gebracht
hatte.
Der Grund für seinen Missmut saß hinter der Glastür mit der Aufschrift „Gregory
House, MD. Head of Diagnostic Medicine“ und war sich dessen vermutlich nicht
mal bewusst. Irgendetwas hatte er getan oder gesagt – oder nicht getan oder
nicht gesagt – dass House offenbar dazu bewog, ihn mehr oder weniger zu ignorieren.
Seit Tagen war er nicht zu gefakten Konsultationen in die Klinik gerufen
worden, wo House mit dem winzigen Fernseher und einer Tüte Chips auf ihn
wartete, um General Hospital zu sehen.
Seit Tagen hatten sie nicht zusammen in der Cafeteria gegessen – wo er bezahlte
und sich dann in gewohnter Manier darüber beklagte, dass House Essen von seinem
Teller stahl.
Seit Tagen hatte er nicht auf der bequemen Couch in House Apartment gesessen
und chinesisch gegessen und Bier getrunken und ferngesehen oder House beim
Klavierspiel zugehört.
Seit Tagen... oder genauer gesagt, seit Stacy mit ihrem neuen Ehemann im
Krankenhaus aufgetaucht war.
Vielleicht hätte er sich nicht einmischen dürfen und House sagen, dass er sich
von ihr fernhalten solle. Er hatte sich nur darum gesorgt, dass sein Freund
erneut verletzt werden würde. Stattdessen schien es so, als wäre er am Ende
derjenige mit den Blessuren.
Die Flirts mit den Schwestern, die Unterhaltungen mit Kollegen, die Gespräche
mit Patienten – das war ihm einfach nicht genug. Er vermisste einen
wesentlichen Bestandteil seines Lebens und dieser Bestandteil manifestierte
sich in der Freundschaft mit einem verbitterten, zynischen Mann; einer
Freundschaft, die den meisten anderen Menschen ein ewiges Rätsel bleiben würde.
Er vermisste ihre absurden Unterhaltungen; das gemeinsame Schweigen; House‘
messerscharfe Ironie, sogar wenn er es war, der sich daran schnitt... Kurz
gesagt, Dr. James Wilson litt unter einem extremen Mangel an Zuwendung und
Aufmerksamkeit.
Er starrte durch die Glasfront in das Büro für Diagnostische Medizin und
wünschte sich, House würde für einen Moment aufsehen und ihn zu sich
hereinwinken. Was er nicht sah, war eine Aushilfe mit einem Wagen voll
säuberlich gefalteter Laken, die im falschen Stockwerk ausgestiegen war und es
nun eilig hatte, zurück zum Lift zu kommen. Was dann passierte, schien
unvermeidlich – der plötzlich führerlose Wäschewagen kollidierte mit Wilson,
nachdem die ältere Frau die Kurve etwas zu schwungvoll nahm, stolperte und
erschreckt den Haltegriff losließ.
Das letzte, was Wilson wahrnahm, war ein Berg weißer Laken, der ihn unter sich
begrub.
Das nächste, was Wilson wahrnahm, waren House‘ Hände um sein Gesicht und er
starrte fragend in die blauen Augen hoch, die ihn scharf musterten. Der
Ausdruck der Sorge in den Zügen des älteren Mannes erfüllte eine kalte, leere
Stelle in seiner Brust mit einer merkwürdigen Wärme.
Er versuchte sich aufzusetzen, doch House drückte ihn zurück und legte eine
Hand auf seinen Brustkorb, um jeden weiteren Versuch zu unterbinden. „Bleib’
gefälligst liegen, Jimmy“, sagte er, sein grimmiger Tonfall ein direkter
Gegensatz zu der Sorge, die in den blauen Augen stand. „Ich bin noch nicht
damit fertig, dich durch zu checken.“ Er sah auf und betrachtete mit Abscheu
die Neugierigen, die um sie herumstanden. „Hat hier niemand was zu tun?“,
fragte er scharf. „Er ist okay, es gibt nichts zu sehen. Irgendjemand soll
diesen Saustall aus dem Korridor entfernen, bevor noch jemand einen Unfall
hat.“
Zwei Schwestern und die Frau, die den Unfall verursacht hatte, machten sich
daran, die Laken wieder auf den Wäschewagen zu verstauen und damit in Richtung
Lift zu verschwinden. Innerhalb kürzester Zeit war außer ihnen beiden niemand
mehr auf dem Flur vor House Büro.
Schließlich wandte sich House wieder ihm zu und Wilson lächelte matt. Endlich
hatte er die Aufmerksamkeit, die er gewollt hatte. Seine Aufmerksamkeit. „Du
bist ein Idiot, Jimmy“, erklärte House mürrisch, und wie zuvor stand sein
Tonfall in krassem Widerspruch zu seinen sanften, fast zärtlichen Berührungen,
als House seinen Kopf stillhielt und dann mit einem Licht in seine Pupillen
leuchtete, um die Reaktion zu testen. House‘ lange Finger untersuchten
vorsichtig die kleine Platzwunde an seiner Augenbraue, die er sich zugezogen
hatte, als sein Kopf auf den Boden schlug. Er hätte vor Vergnügen fast wie eine
gestreichelte Katze geschnurrt, als House seine Krawatte lockerte und seinen
Kragen öffnete, um vorsichtig seinen Nacken abzutasten.
Schließlich schien House überzeugt zu sein, dass kein längerfristiger Schaden
eingetreten war und legte sanft seinen Kopf zurück auf den Boden. Dann griff er
nach seinem Stock und arbeitete sich mühsam hoch, um ihm die Hand entgegen zu
strecken.
‚Ihm war etwas schwindlig, aber er schaffte es, auf die Beine zu kommen, ohne
dabei zu viel die Hilfe des älteren Mannes in Anspruch zu nehmen. Auch wenn er
bezweifelte, dass es an einer leichten Gehirnerschütterung lag, dass er sich so
benommen fühlte. Trotzdem war es alles andere als unangenehm, als House den Arm
um ihn legte, um ihn in sein Büro zu bugsieren.
Er plumpste unelegant in den gelben Sessel, zu den ihm House schob und blickte
dann dem anderen Mann nach, als House nach nebenan ins Konferenzzimmer
humpelte, um sein Team zurück an die Arbeit zu scheuchen und ein Pflaster für
seine Stirn zu besorgen. Trotz der Benommenheit und der Tatsache, dass ein
dünner Blutfaden allmählich an seiner Wange trocknete, grinste er wie ein
Idiot.
Er hatte sich seit Tagen nicht so gut gefühlt. Seine schlechte Stimmung war wie
weggefegt, obwohl er eben die Hauptrolle in einem Unfall gespielt hatte, der
bei „Funny Accidents“ sicher auf den vorderen Rängen gelandet wäre. Er hatte
endlich Gregory House volle Aufmerksamkeit.
Er schloss die Augen und genoss die Berührung fürsorglicher Hände, als House
sein Gesicht reinigte und das Pflaster aufbrachte.
* * *
Drei Tage später kehrte die schlechte Laune zurück. House hatte ihm an diesem
Morgen unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er langsam wieder daran
denken sollte, in sein Hotel zurück zu kehren. So lange nämlich hatte er auf
der vertrauten Couch in House Wohnzimmer geschlafen, wo der ein Auge auf ihn
haben konnte. Er hatte in der Küche gesessen, vor House Version eines
Frühstücks – verbrannter Toast und mörderisch starker Kaffee – und nicht
gewusst, was er sagen wollte. Er wusste nicht, was er sagen konnte, um nicht
hinaus geworfen zu werden, nachdem nun eindeutig feststand, dass er sich nicht
auf der Schwelle des Todes befand. Die kleine Wunde über seiner Augenbraue
würde noch nicht mal eine Narbe hinterlassen.
Er wollte nicht in seine trostlose Existenz zurückkehren. Es war einfach nicht
genug. Er fühlte sich wie ausgehungert nach ein wenig Zuneigung. Dummerweise
hatte er sich gerade Gregory House als Quelle dafür ausgedungen.
Obwohl ihm der Gedanke leicht idiotisch vorkam, wünschte er sich doch
plötzlich, er hätte sich eine Gehirnerschütterung zugezogen und das ganze
länger angedauert. Vielleicht hätte er sogar einen Vorwand gefunden, wieder bei
House einzuziehen, dachte er, als er sein Büro aufschloss und sich hinter den
Schreibtisch setzte. Drei Tage waren einfach nicht genug.
Er fühlte sich versucht, wie ein kleiner Junge zu schmollen, als Greg ihn ein
paar Minuten zu vor mit einer kurzen Verabschiedung vor der Tür zu seinem Büro
hatte stehen lassen. Stattdessen benahm er sich wie der erwachsene Mann, der er
sein sollte und stellte sich dem Berg an Papierkram, der in den drei Tagen
seiner Genesung gewaltig angeschwollen war.
* * *
Der Papierberg war ermüdend und bald legte Wilson die Akte weg, die er gerade
bearbeitete und lehnte sich in seinen Stuhl zurück, um sich die Stirn zu
reiben. Seine Situation war wirklich mehr als erbärmlich und nicht weniger
verzweifelt, wenn er sich erst verletzten musste, um Gregs Aufmerksamkeit zu
erlangen, und ihn dazu zu bringen, sich um ihn zu kümmern. Und doch konnte er
nicht verhindern, dass sich die Idee in sein Gehirn grub und dort Wurzeln
schlug. Vielleicht...
Er massierte den Nasenrücken gegen die Kopfschmerzen, die sich ankündigten und
als er die angespannten Muskeln in seinen Schultern und im Nacken spürte, hatte
er plötzlich die Lösung für sein Problem.
* * *
House nahm ihm das Glas ab und stellte es neben sich auf den Couchtisch, um ihn
kritisch zu mustern. „Besser?“, fragte er dann und die blauen Augen waren mit
der Besorgnis erfüllt, die Wilson zu lieben begonnen hatte.
„Ja, viel besser. Wenn es dir nichts ausmacht, bleibe ich einfach noch eine
Weile hier liegen, bis die Tablette wirkt“, entgegnete er und streckte sich auf
der Couch aus.
House beugte sich vor und berührte mit dem Handrücken seine Stirn. „Ich kann
mich nicht erinnern, dass du früher unter Migräne gelitten hast“, meinte er und
zog die Hand zurück, um beide über dem Griff des Stocks zu falten. „Du bist
sicher, dass es nichts mit deinem kleinen Unfall vor ein paar Tagen zu tun
hat?“
„Bin ich.“ Er lächelte beruhigend. „Cuddy hat mich höchstpersönlich
durchgecheckt, bevor sie mich wieder an die Arbeit gelassen hat. Und du hast
das gleiche noch mal gemacht, ich kann gar nichts anderes als gesund sein.“ Er
schloss die Lider, denn es war alles andere als einfach, unter dem Blick dieser
scharfen, blauen Augen zu lügen. Nun gut, es war nicht direkt eine Lüge. Er
übertrieb nur ein wenig. „Das ist nur wegen der Scheidung und dem Krach mit
Julie. Ich habe schon während des Studiums mit Migräne auf Stress reagiert. Vielleicht
ist es einfach ein Zeichen dafür, dass ich alt werde, dass es jetzt
zurückkommt.“
House gab ein halb verächtliches, halb amüsiertes Brummen von sich. „Rück’ zur
Seite“, sagte er dann kurzangebunden.
Überrascht sah Wilson ihn an und machte Platz für House, der seinen Stock auf
den Boden legte und neben ihm Platz nahm. Der Oberschenkel seines gesunden Beines
presste sich auf dem nicht übermäßig breiten Sofa an Wilsons Seite, als House
sein rechtes Bein ausstreckte, um eine einigermaßen angenehme Sitzposition zu
finden.
Die körperliche Nähe des anderen Mannes löste ein irritierendes, aber nicht
unangenehmes Kribbeln in seiner Magengegend aus.
„Dreh’ dich auf den Bauch.“
Verwundert, aber bereitwillig, kam er House Aufforderung nach. Er schloss die
Augen und unterdrückte ein wonniges Seufzen, als House begann, seinen Nacken
und die Schultern zu massieren. Er drehte den Kopf ein wenig zur Seite, so dass
seine Wange sich wie zufällig gegen House Knie schmiegte. Daran konnte er sich
definitiv gewöhnen, sollte seine „Migräne“ häufiger auftreten.
Er spürte, wie alle Anspannung seinen Körper verließ und hörte House leise,
doch eindeutig amüsiert lachen. „Ich denke, es geht dir schon sehr viel
besser.“ Aber die Massage endete auch nach dieser Bemerkung nicht.
Ein neuer Gedanke setzte sich in Wilsons Kopf fest. Vielleicht war ja auch für
Greg das, was sie jetzt teilten, nicht genug...
Ende