Der
Schatz im Herzen
T’Len
2002
Serie:
Karl May
Code: R
Feedback: an tlen11@freenet.de
Handlungszeitraum.
Nach der Schatz im Silbersee und Winnetou 3, Verweise auf Winnetou 2
Summe:
Der Silbersee fördert einige Wahrheiten zu Tage.
Disclaimer: Ich habe mir Karl Amy Charaktere für ein bisschen „Spaß“ ausgeborgt. Natürlich sollen damit keine Urheberrechte verletzt werden. Dies ist nur ein kleines Stückchen Fanfiction. Aber wer Probleme mit der Idee gleichgeschlechtlicher Liebe hat oder noch keine 18 ist, sollte woanders lesen gehen.
Vielen Dank an Lady Charena fürs Beta.
1.
Wie friedlich der Silbersee vor uns lag. Kaum zu
glauben, dass er und seine Umgebung noch vor Kurzem Schauplatz solch
dramatischer Ereignisse geworden waren. Nun war der sagenhafte Schatz für immer
in den unerreichbaren Tiefen begraben, dafür schickten wir uns an, einen viel
realeren Schatz zu heben. Der Ingenieur war bereits eifrig mit Old Firehand
dabei, Pläne für den Erzabbau zu schmieden. Und wie es aussah, versprach das
Ganze für die an ihm Beteiligten ein einträgliches Unternehmen zu werden.
Mich selbst hielt nichts mehr an diesem Ort und
auch Winnetou war bereit aufzubrechen. So war es beschlossene Sache, dass wir
am nächsten Morgen aufbrechen würden. Doch noch lag ein milder Abend am See vor
uns.
Ich hatte ihn genutzt, um noch einmal rund um
den Schauplatz unseres letzten Abenteuers zu wandern und stand nun sinnend auf
einem Felsen, auf das Wasser hinab blickend. Auch in dieser friedlichen
Stimmung blieb der Westmann in mir doch stets wachsam und so hörte ich die
leisen Schritte noch bevor ich die sich nähernde Gestalt sah.
Old Firehand trat an meine Seite. "Ich
höre, Ihr verlasst uns morgen", sagte er und fügte hinzu, als ich bejahend
nickte: "Bevor Ihr abreist, wollte ich Euch noch einmal danken, Sir,
für..."
"Dazu besteht kein Grund", wehrte ich
ab, aber er unterbrach mich sofort. "Ich meine nicht die jüngsten
Ereignisse. Es geht mir um Winnetou. Ich möchte Euch dafür danken, dass Ihr ihm
gebt, was ich ihm nicht geben könnte. Ich kenne keine edlere Seele als die
seinige und ich bin froh, dass er euch gefunden hat."
Ich muss zugeben, ich war überrascht über die
Worte des Jägers, denn sie machten für mich wenig Sinn. Ich wusste wohl, dass
Firehand Winnetou gekannt hatte, lange bevor ich meinen Fuß zum ersten Mal in
den Westen gesetzt hatte. Sie hatten damals um die Liebe der gleichen Frau -
Ribanna, die Rose der Assiniboins - geworben. Der weiße Jäger war schließlich
erfolgreich gewesen, doch Winnetous Freundschaft hatte das keinen Abbruch
getan. Und schließlich hatten sie gemeinsam vor langer Zeit und später wir alle
zusammen gegen Ribannas Mörder gekämpft.
Doch worauf Firehand nun heraus wollte, verstand
ich nicht so ganz. Natürlich war meine Beziehung zu Winnetou etwas ganz
Besonderes. Wir waren Brüder im Geiste, von einem Blut. Doch warum sollte
Firehand mir deshalb danken? Und warum meinte er, er hätte dies Winnetou nicht
geben können? Ich verstand nicht, worauf er hinaus wollte, aber mich beschlich
das Gefühl, dass mehr hinter den Worten des Jägers steckte, als mir aufgehen
wollte. Ich spürte aber auch, dass ich ihn schwerlich danach fragen konnte.
So antwortete ich: "Winnetou ist mein
Blutsbruder. Ich würde mein Leben jederzeit ohne zu zögern in seine Hand legen
und es für ihn hingeben und ich weiß, dass er dasselbe für mich tun würde, aber
ich verstehe nicht..."
Mit einer Handbewegung unterbrach der Hüne mich.
"Ihr müsst Euch nicht erklären, Sir. Ich verstehe euch und wollte nur,
dass Ihr wisst, welche drückende Last des schlechten Gewissens Ihr von meiner
Seele genommen habt. Und dafür werde ich Euch ewig dankbar sein."
Nach diesen Worten drehte er sich um und war verschwunden,
noch ehe ich Zeit zur Erwiderung – oder gar der Nachfrage - fand. Über seine
seltsamen Worte nachgrübelnd, starrte ich noch lange auf den See herab.
///
Die Sonne näherte sich mittlerweile rasch dem
Horizont, als ich mich aufmachte, um nach unseren Pferden zu sehen. Das Gelände
wollte es, dass ich mich von einer Seite näherte, wo Felsen mir Sichtschutz
gewährten. Da wir uns nun absolut sicher sein konnten, gab es keine
zusätzlichen Wachen mehr bei den Tieren, doch ich hörte Stimmen.
Unverkennbar Winnetou und Firehand, wie ich bald
feststellte. Ich wollte mich ihnen gerade bemerkbar machen, als ich hörte, wie
mein Name fiel. Es war mehr Instinkt, denn logische Überlegung, die mich
innehalten ließ.
"Ich habe Old Shatterhand gesagt, wie froh
und dankbar ich für eure Beziehung bin. Winnetou ahnt ja nicht, wie sehr mich
all die Jahre Schuldgefühle über meine Zurückweisung plagten. Meinen Bruder nun
mit Old Shatterhand glücklich zu sehen, macht auch mein Herz leichter."
Ich war mir sicher, einen Hauch von Erschrecken
in Winnetous sonst stets so beherrschter Stimme zu hören, als er fragte:
"Mein Bruder hat Scharlih von... uns erzählt?"
"Nein, das habe ich nicht erwähnt, auch
wenn ich annahm, er wüsste Bescheid. Ich sagte ihm nur, dass ich mich freue,
dass er an deiner Seite ist", versicherte Firehand. „dass er dir nun gibt,
wonach du dich so sehntest.“
Winnetou schien aufzuatmen. "Dann ist noch
nicht alles verloren."
"Ich verstehe nicht..."
"Mein Bruder irrt in Hinsicht auf Old
Shatterhand. Er ist Winnetou teuerer als sein eigenes Leben. Winnetou
betrachtet ihn als seinen Seelenbruder, aber..." Er stockte, fuhr dann so
leise fort, dass ich ihn kam verstand. "Er ahnt nichts von Winnetous
geheimen Wünschen und Begierden."
Nun war es offensichtlich an Firehand, verwirrt
zu sein. "Ihr seit nicht...?", fragte er. "Er weiß
nicht..."
"Nein. Winnetou glaubt Scharlih gut genug
zu kennen, um zu wissen, dass er bestenfalls nicht anders als Old Firehand
damals reagieren würde. Winnetou könnte nicht ertragen, Scharlihs Freundschaft
und Vertrauen zu verlieren, falls er
weniger verständig als Old Firehand ist. Und er weiß nicht, ob er noch einmal
den Schmerz einer Zurückweisung... so wird Winnetous Mund für immer schweigen."
"Aber wie kann Winnetou sich so sicher
sein, dass Old Shatterhand seine Gefühle nicht doch erwidert? Eure Freundschaft
ist so Intensiv und außergewöhnlich, vielleicht..."
"Winnetou spürt es und er möchte seinen
Bruder Old Firehand bitten, Scharlih nichts zu verraten."
Ich fühlte mich schuldig, weil ich dieses ganz
offensichtlich nicht für meine Ohren bestimmte Gespräch belauschte und doch sah
ich mich außer Stande, mich zu entfernen oder den beiden bemerkbar zu machen,
was ihr Gespräch zweifelsohne beendet hätte. Mit äußerster Anspannung lauschte
ich weiter.
"Natürlich werde ich schweigen. Winnetou
kann sich auf mich verlassen, aber ich wünsche so sehr, mein Bruder möge sein
Glück finden."
"Winnetou ist zufrieden mit dem, was er
hat. Auch wenn sein Körper sich in unerfülltem Begehren verzehrt, so hat doch
seine Seele Befriedigung gefunden. Dies muss genügen", lautete die
Antwort, doch ich war überzeugt, Trauer in seiner Stimme mitschwingen zu hören.
Als ich hörte, wie er sich entfernte, zog ich
mich rasch in den Schatten der Felsen zurück. Ich war unmöglich in der Lage,
Winnetou jetzt entgegenzutreten. Meine Gedanken rasten. Hatte ich Winnetous
Worte richtig verstanden? Konnte es sein, dass er in mir mehr sah als den
Blutsbruder, den Seelenverwandten? Als er von den Begierden des Körpers sprach,
hatte er da tatsächlich gemeint...? Es fiel mir schwer, diesen Gedanken
überhaupt zu Ende zu verfolgen. Wir waren doch beide Männer! Und ich wusste
wohl, dass sein Volk genauso wenig wie das meinige eine intime Beziehung
zwischen Angehörigen des gleichen Geschlechts gut heißen würde.
Aber vielleicht hatte ich das alles ja auch nur
falsch verstanden. Ich musste Gewissheit erlangen und der Einzige, der mir
diese verschaffen konnte, war Old Firehand. Entschlossen, nicht eher ins Lager
zurück zu kehren, bevor ich eine Antwort bekommen hatte, trat ich hinter den
Felsen hervor.
Firehand musste mir ansehen, dass ich das
Gespräch belauscht hatte, denn er fragte sofort: "Wie lange wart Ihr
bereits in der Nähe, Sir?"
"Lange genug", erwiderte ich.
"Dann vergesst bitte wieder, was Ihr gehört
habt. Um Winnetous Willen, wenn er Euch nur etwas bedeutet..."
„Das kann ich aber nicht. Bitte sagt mir, dass
ich ihn und Euch richtig verstanden habe. Und was ist einst vorgefallen?"
Er schwieg lange und starrte über mich hinweg
auf die Felsen. Als er schließlich sprach, war seine Stimme leise doch
eindringlich. "Ihr habt von Harry damals meine und Ribannas Geschichte
gehört. Doch dies war nur die Wahrheit, wie er sie kennt... wie sie für fremde
Ohren bestimmt ist. Es stimmt, Winnetou warb um Ribannas Gunst, aber er tat es
wohl eher, weil man es von ihm erwartete und nicht, weil er sie tatsächlich
begehrte. Es gab jemanden, den er weitaus lieber zum Partner gewählt
hätte."
"Euch?“, fragte ich, als er schwieg. Firehand
nickte. "Ich bin mir sicher, nie etwas getan zu haben, was er als
Ermunterung auffassen konnte. Aber Gefühle gehen oft seltsame Wege. Winnetou
verliebte sich in mich und er fand den Mut, mir diese Gefühle einzugestehen.
Dafür bewunderte ich ihn damals und bewundere ihn noch heute. Wie hätte sich
wohl jeder von uns an seiner Stelle verhalten? Ich bin sicher, ich hätte mir
lieber die Zunge herausgeschnitten, als zu reden. Ich versuchte, ihm zu
verdeutlichen, dass es nichts mit ihm persönlich zu tun hat, sondern dass ich
mich einfach nicht zu Männern hingezogen fühlte. Er verstand und es gelang uns,
unsere Freundschaft zu erhalten. Doch ich fürchte, ich verletzte seine Seele in
einer Art und Weise, die nicht wieder gut zu machen ist. Er wird nie wieder so
vertrauen können. Nicht einmal Euch oder gerade nicht euch."
"Und jetzt liebt er mich", sagte ich
leise.
"Und seine Gefühle Euch gegenüber sind mit
Sicherheit weitaus intensiver als sie es damals mir gegenüber waren."
Firehand legte mir die Hand auf die Schulter. "Aber Winnetou wird niemals
den ersten Schritt wagen. Zu sehr fürchtet er ein erneutes nein und eventuelle
Zurückweisung. Lieber begnügt er sich mit Eurer Freundschaft und verzehrt sich
innerlich nach Euch.“
"Was ratet Ihr mir?", fragte ich leise.
"Lasst ihm nicht wissen, dass Ihr um seine
Gefühle wisst, es sei denn, Ihr seit Euch sicher, sie erwidern zu können. Doch
dann werdet Ihr den ersten Schritt tun müssen."
///
Winnetou gegenüber sich nichts über mein neu
erworbenes Wissen und die damit einhergehenden schwerwiegenden Gedanken, die
mich beschäftigten, anmerken zu lassen, war leichter gesagt als getan. Als wir
nach einer schlaflosen Nacht meinerseits am nächsten Morgen aufbrachen, merkte
er wohl, dass mich etwas beschäftigte. Doch ich beruhigte ihn, es sei nichts
Ernsthaftes, wohl nur ein Anflug von Heimweh, der mir das Gemüt schwer machte.
Winnetou liebte mich und dies in jeder Hinsicht.
Der Gedanke wollte mir nicht aus dem Kopf gehen. Ich hatte mich stets als
modernen und aufgeklärten Menschen betrachtet, den seine zahlreichen Kontakte
mit fremden Völkern und Kulturen über die Grenzen seiner Erziehung und
Ansichten erhoben hatten. Ich konnte auch mit ruhigem Gewissen von mir sagen,
dass ich eine gleichgeschlechtliche Beziehung bei anderen ungeachtet der
allgemeinen Meinung akzeptiert hätte.
Doch bei mir selbst? Konnte ich in Winnetou mehr
sehen als einen Freund? Wir waren Blutsbrüder! Mehr als einmal hatten wir
gehandelt, als wären wir ein und dieselbe Person. Und es stimmte, was ich zu
Old Firehand gesagt hatte, ich würde jederzeit mein Leben für ihn hingeben.
Aber auch meinen Körper?
War dies überhaupt von Belang? War das, was uns
verband, nicht schon längst Liebe zu nennen? Eine Liebe in ihrer reinsten,
edelsten Form, da sie zwei Herzen und Seelen im Einklang vereinte. Wäre es
nicht der logische nächste Schritt, dieser Beziehung eine neue. noch tiefere –
körperlichere - Dimension zu geben?
So viel ich auch nachgrübelte, ich konnte mich
zu keiner Entscheidung durchringen. Es gab Momente, da war ich bereit, mich
Winnetou ganz und gar hinzugeben. Doch dann kam wieder die Angst. Was wenn ich
nicht aus eigenem Bedürfnis heraus handelte, sondern nur um Winnetou zu
Gefallen zu sein? Er würde mich durchschauen, unser unbefangener Umgang miteinander
wäre zerstört und damit womöglich sogar unsere Freundschaft. Was, wenn mein
Körper im entscheidenden Monet nicht kooperieren würde?
Ein zu großes Risiko! Nein, solange ich meiner
selbst und meiner Reaktion nicht absolut sicher war, durfte ich nicht handeln.
Schließlich erkannte ich, dass ich an diesem Tag zu keiner vernünftigen
Entscheidung kommen würde. Zu frisch waren die Eindrücke des letzten Abends, zu
sehr befanden sich Herz und Verstand im Widerstreit. Ich brauchte Abstand, um
eine Entscheidung zu fällen.
Morgen, morgen war auch noch ein Tag. Oder
übermorgen...
///
2.
Winnetous langes Haar strich zärtlich über meine
Brust, als ich ihn fester in meine Arme zog, um seinen Mund zu küssen. Seine
Lippen fühlten sich warm und weich auf meinen an, um so härter war seine
Männlichkeit, die sich fordernd gegen die meinige presste.
Mit einem Aufstöhnen drückte ich ihm meinen
Unterleib entgegen, streckte eine Hand aus, um seinen prächtigen Schopf zu
berühren, während die andere nach seinem Rücken tatstete, um ihn noch enger auf
mich zu ziehen und...
... ins Leere griff.
Ein kalter Regenguss hätte mich nicht nüchterner
und plötzlicher aufwecken können, als das Ende meines Traumes. Aufstöhnend
setze ich mich auf und taste nach dem kalten Stein hinter mir, als würde mir
seine kühle Oberfläche irgendeine Gewissheit geben können.
Langsam schüttele ich die letzte Benommenheit
des Schlafes ab. Es war keine gute Idee gewesen, an Winnetous Grab zu kommen.
Ich hatte gehofft, an diesem Ort würde es mir vergönnt sein, endlich mit mir
ins Reine zu kommen, die Schatten der Vergangenheit ein für alle mal zu
begraben.
Doch das Gegenteil ist offensichtlich der Fall.
Die Erinnerung an Winnetou ist schier übermächtig. In manchen Momenten drehe
ich mich um, weil ich glaube, seine Stimme hinter mir vernommen zu haben,
glaube seine dunkeln Augen auf mir zu spüren.
Ich weiß, dass ich mit dem Feuer spiele. Der Ort
war keineswegs sicher und momentan war ich schwerlich in der Lage, die nötige
Wachsamkeit auszuüben, geschweige denn, mich im Notfall zu verteidigen.
Im Wachen plagen mich die Erinnerungen an meinen
verlorenen Bruder und im Schlaf Träume an Dinge, die mit jedem mal intensiver
werden. Wunschträume! Denn ich fand nie den Mut, den ersten Schritt zu tun.
Während ich mir in einem Augenblick sicher war, Winnetou genug zu lieben, dass
ich dieser Liebe in jeder Form Ausdruck verleihen könnte, fürchtete ich im
nächsten wieder die Konsequenzen.
Und so verschob ich eine Entscheidung stets auf
morgen - bis es zu spät war, bis es kein morgen mehr gab. Erst jetzt, wo der
edle Häuptling der Apachen in seinem steinernen Grab ruht, finde ich den Mut,
mir meine wahren Gefühle einzugestehen. Erst jetzt erkenne ich, dass ich sein
Begehr teilte, dass seine - unsere - Liebe, der größte Schatz war, den das
Leben uns schenken konnte.
Doch er ist nun für immer verloren, wie der
Schatz in den Tiefen des Silbersees ruht, muss ich diese Liebe für alle
Ewigkeit in meinem Herzen begraben.
-Ende-