Durch
Zeit und Raum
Disclaimer
siehe Teil 1
Teil
7
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„Stabiler
Erdorbit erreicht, Sir.“
Blight
schreckte hoch. Er war in seinem Sessel eingenickt. Das war auch kein Wunder,
denn während der zähen Verhandlungen mit den Unterhändlern der vulkanischen
Regierung hatte er kaum geschlafen.
„Sir,
das Flottenhauptquartier ruft uns.“
„Auf
den Schirm.“
Blight
seufzte unhörbar auf, als das vertraute Gesicht Admiral Boydans auf dem Schirm
erschien. Besser hätte es gar nicht laufen können.
Er
dachte gar nicht daran, Höflichkeitsfloskeln zu wechseln, sondern kam gleich
zur Sache.
„Sir,
ich muss unter vier Augen mit Ihnen sprechen.“ Er warf Boydan einen
eindringlichen Blick zu, und betete still, dass dieser verstand.
Admiral
Boydan musterte ihn einen Moment lang. Er kannte das ungestüme Wesen des
Captains nur zur genüge. Doch er hatte im Laufe der Zeit, als Blight noch als
Lieutenant zu seinem damaligen Kommando gehört hatte, gelernt, auf die
Intuition des jungen Mannes zu vertrauen. Es hatte ihm mehrmals das Leben
gerettet.
„Beamen
Sie sich direkt zu meinem Büro.“ Er unterbrach die Verbindung und lehnte sich
zurück.
Es
dauerte nur wenige Minuten, bis Blight in sein Büro stürmte.
Er
legte wortlos eine Datenkassette auf den Tisch und sah den Admiral herausfordernd
an.
Dieser
ließ seinen Blick zwischen dem jungen Captain und der Kassette hin und her
wandern. Es musste etwas mit dem Auftrag zu tun haben, den Blight auf Vulkan zu
erfüllen hatte. Insgeheim hoffte er, dass Blight sich genau so wie er an den
Bedingungen gestoßen hatte, die die Berater des Präsidenten ausgetüftelt
hatten.
Doch
ihm selbst waren die Hände gebunden. Also hatte er seinen letzten Trumpf
ausgespielt, und statt eines zwar angesehenen, aber allzu gehorsamen Diplomaten
den rebellischen Blight geschickt. Die Rüge, die er dafür erhielt, steckte er
gerne weg.
Er
beugte sich langsam vor. „Wenn diese Kassette das enthält, was ich vermute, so
sollten wir damit direkt zum Präsidenten gehen.“
Blight
stutzte, dann lächelte er. Er hatte eigentlich damit gerechnet, zuerst Boydan
überzeugen zu müssen, doch er hatte den alten Fuchs offenbar unterschätzt.
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Der
Präsident saß stumm in seinem Sessel und ließ die Bilder auf sich wirken.
Dadurch, dass Blight keinerlei Kommentar hinzufügte, wirkte alles nur noch
beklemmender.
Es
waren Szenen, die nur zu deutlich das Leid der vulkanischen Bevölkerung
widerspiegelten.
Kinder,
schmutzig und in zerrissener Kleidung, jedoch nicht ohne die dem Volk so eigene
Würde, die in den Ruinen nach Essbarem suchten. Verletzte, die in einem
Notlazarett auf dem Boden lagen und darauf warteten, dass es Hilfe für sie gab.
Ruinen von uralten Gebäuden, die von der einstigen Pracht jener Stadt sprachen.
Blight
ahnte nicht, dass der Präsident selbst als junger Mann einmal diese Stadt
besucht hatte. Er hatte die alten Gebäude und die Eleganz der Stadt geliebt. Um
so härter trafen ihn jetzt die aufgenommenen Bilder. Plötzlich schaltete er die
Übertragung aus und stand auf.
„Davon
wusste ich nichts.“ Er war sichtlich geschockt. „Meine Berater haben mir
offensichtlich wichtige Informationen vorenthalten. Das wird Konsequenzen nach
sich ziehen.“
Er
stand entschlossen auf.
„Wie
weit sind die Verhandlungen fortgeschritten, Captain?“
„Der
vulkanische Rat diskutiert im Augenblick unsere Vorschläge, doch habe ich nicht
das Gefühl, dass sie darauf eingehen werden. Wir dürfen nicht den Stolz dieses
Volkes unterschätzen. Sie würden wahrscheinlich lieber den Tod in Kauf nehmen,
als sich von einem anderen Volk derart ausbeuten zu lassen, wie es die Folge
unserer Bedingungen wäre.“
Der
Präsident sah ihn ernst an. „Mit dem Hintergrund dieser Aufzeichnungen, stimme
ich Ihrer Einschätzung zu. Ich war bisher aufgrund anderer Information der
Ansicht, dass es den Vulkaniern weitaus besser ging. Mir wurde geraten, ihnen
zusätzlich zur Kapitulation noch einen großen Teil ihrer technischen Macht zu
nehmen.“ Er zog mürrisch die Brauen zusammen.
„Wie
lange werden Sie sich noch im Orbit aufhalten, Captain?“
Blight
zuckte die Schultern. „Ich sollte so schnell wie möglich wieder zurückfliegen.
Mein Team blieb zwar dort, ist aber auf sich allein gestellt.“
Der
Präsident nickte. „Gut. Ich bitte Sie, sich noch etwas zu gedulden. Sie werden
in Kürze von mir hören.“
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Dr.
Gordon und Zebron hatten unterdessen die Hilfsgüter zusammengepackt und in
handlichen Bündeln verschnürt. Dann machten Sie sich auf den Weg.
Gordon,
die mehrere Jahre auf Vulkan gelebt hatte, war über die Hitze überrascht. Sie
hatte vergessen, wie heiß es werden konnte. Sie vermutete aber auch, dass die
unzähligen Bäume und Pflanzen, die früher in der Stadt wuchsen, einiges dazu
beigetragen hatten, das Klima in der Stadt angenehmer zu machen. Nun waren auch
sie verschwunden.
Zebron
schien die Hitze nichts auszumachen. Er sah sich um und schüttelte dann traurig
den Kopf.
„Schade
um die Stadt. Sie war sicher einmal sehr schön.“
Gordon
sah zu ihm hoch, dann nickte sie. „Ja. Kommen Sie, machen wir uns auf den Weg.“
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Es
dauerte nur wenige Minuten, bis sie das Notlazarett erreichten. Gordon
schluckte trocken, als sie die Halle betrat, in der Hunderte von Vulkaniern auf
medizinische Hilfe warteten. Einige Heiler und Pfleger bahnten sich ihren Weg
zwischen den Verletzten, doch sie begriff, dass diese wenigen Personen kaum
etwas würden ausrichten können. Zumal sie selbst völlig erschöpft wirkten.
Zunächst
wurden sie in dem allgemeinen Chaos nicht bemerkt, doch dann kam einer der
Heiler auf sie zu. Gordon musterte ihn und erkannte in ihm einen ihrer
ehemaligen Professoren. Er sah, verglichen mit ihrer Erinnerung, schrecklich
aus. Lippen und Augen schimmerten in einem dunklen grün, was auf die
Vergiftungen durch die Gase zurückzuführen war. Seine Kleidung war blutgetränkt
und schmutzig, an einigen Stellen zerrissen. Es war kaum zu glauben, dass er in
diesem Aufzug Verletzte behandelte. Aber es schien keine Rolle mehr zu spielen,
woran sie starben. Gordon konnte die allgemeine Verzweiflung und
Hoffnungslosigkeit deutlich wahrnehmen.
„Wer
sind Sie?“ Die Stimme des Heilers war nur noch ein Krächzen. Er unterdrückte
nur mit Mühe einen Hustenreiz.
„Wir
sind Vertreter der Föderation. Ich bin Ärztin und Heilerin und bin gekommen um
wenigstens etwas Hilfe zu bringen. Es werden zwar Verhandlungen geführt, doch
wollte ich nicht noch länger warten. Deshalb bringe ich jetzt schon Medikamente
und Lebensmittelkonzentrate.“
Sie deutete auf die Pakete, die Zebron nicht aus den
Augen ließ.
Der
Heiler sah sie an. Er schien es kaum glauben zu können.
„Sie
sagten Sie sind Heilerin?“
Gordon
nickte und lächelte kaum merklich. „Ja, ausgebildet auf Vulkan. Aber das ist
jetzt nicht weiter wichtig. Wo kann ich helfen?“
Er
drehte sich um und deutete mit der Hand auf die Verletzten, ohne eine bestimmte
Richtung anzugeben.
„Suchen
Sie sich jemanden aus.“
Gordon
ließ ihren Blick durch die Halle schweifen, dann nickte sie. „In Ordnung.
Zebron kann sich inzwischen bei den Pflegern nützlich machen.“ Dann wies sie
auf die Pakete.
„Bedienen
Sie sich.“
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Stunden
schienen vergangen zu sein. Gordon wischte sich eine verschwitzte Haarsträhne
aus der Stirn und richtete sich auf. Viel war es nicht, was sie ausrichten
konnte. Sie verteilte Medikamente und injizierte Schmerzmittel. Eine
Behandlungsmöglichkeit gegen die Folgen der Vergiftungen gab es nicht.
Sie
hatte erfahren, dass auf Vulkan selbst schon seit fast einem Jahr keine Kämpfe
mehr ausgetragen wurden. Allein die Flotte, die von den Auswirkungen der Gase
weniger betroffen war, hielt an den Feindseligkeiten fest. Alle anderen
Vulkanier waren inzwischen wieder zur Vernunft gekommen. Sie schüttelte den
Kopf, als sie daran dachte, dass es Vertreter der Flotte waren, mit denen sie
verhandelt hatten. Es sah nicht gut aus.
Inzwischen
hatte sie begonnen, den Heilern und Ärzten mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Viele von ihnen waren dem Zusammenbruch nahe. Manche waren so dehydriert, dass
es ein schieres Wunder war, dass sie sich überhaupt noch auf den Beinen halten
konnten. Offenbar war auch inzwischen das Grundwasser betroffen. Dadurch, dass
die Mediziner nichts tranken, hofften sie offenbar, etwas länger durchhalten zu
können.
Es war der pure Wahnsinn.
Um
wenigstens etwas zu tun, begann sie damit den Pflegern und Heilern Glucose- und
Salzinjektionen zu verabreichen, wann immer ihr einer über den Weg lief. Die
meisten bemerkten sie dabei nicht einmal.
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Blight
war überrascht, als er nach nicht einmal einer Stunde Wartezeit eine neue Order
vom Präsidenten erhielt. Das neu formulierte Hilfsangebot für die Vulkanier war
wesentlich humaner.
Es
wurde vorgeschlagen, Vulkan zu evakuieren. Dabei standen entweder jene zwei
bereits im ursprünglichen Vertrag genannten,
unbewohnten Planeten oder jede andere Welt der Föderation zur Verfügung.
Wer allerdings auf einer der, den Vulkaniern nicht freundlich gesonnenen Welten
leben wollte, musste sich selbst um eine Aufnahme kümmern. Blight wusste, dass
es nicht mehr viele Welten gab, die den Vulkaniern offen standen.
Er
las weiter.
Als
Gegenleistung wurde die sofortige Kapitulation und ein Wieder-Beitritt in die Föderation
verlangt, wodurch Vulkan sich gewissermaßen automatisch verpflichtete, die
anderen Welten an technischen und wissenschaftlichen Fortschritten teilhaben zu
lassen. Auch durften keinerlei Waffen auf die Mitgliedswelten gerichtet werden.
Doch die Vulkanier blieben im Besitz ihrer Technik.
Blight
ließ das Dokument sinken. Er war zufrieden. Mehr hätte er nicht erreichen
können.
„Öffnen
Sie eine Kommkanal nach Vulkan und versuchen Sie einen Vertreter des Rates zu
erreichen“, wandte er sich an seinen Kommunikationsoffizier. Der junge Kadett,
der diesen Posten inne hatte bemühte sich redlich, doch schienen alle Kanäle
blockiert zu sein. Dann fand er jedoch eine Lücke und schaffte es tatsächlich
seinen Auftrag auszuführen.
„Sie
wollen uns sprechen?“
Blight
musterte den Vulkanier. Er hatte die übliche Kapuze weit ins Gesicht gezogen,
so dass er ihn nicht erkennen konnte. Er trug jedoch eine jener kobaltblauen
Roben, die Blight einige Tage zuvor bei den Ratsmitgliedern gesehen hatte.
„Ich
muss sicher sein, mit einem Mitglied
des Rates zu sprechen.“
Der
Vulkanier zögert kurz, dann schlug er die Kapuze zurück. Blight erkannte ihn
wieder. Sie hatten im Vorfeld der Verhandlungen kurz miteinander gesprochen. In
den wenigen Tagen, in denen Blight ihn nicht gesehen hatte, hatte sich sein
Zustand weiter verschlechtert.
„Ich
habe Neuigkeiten für Sie, Ältester Stann. Sehen Sie sich diese Daten an, bevor
Sie einen Entschluss fassen. Ich werde mit der USS Deirdre in wenigen Stunden
wieder im Orbit eintreffen und möchte Sie bitten, dass ich dann mit meinen
Offizieren direkt vor dem Rat sprechen kann.“
„Ich
werde sehen, was ich tun kann.“
Blight
nickte nur. Dann gab er dem Kommoffizier ein Zeichen, eine Kopie der neuen
Vertragsdaten nach Vulkan zu senden.
Stann
verfolgte die Übertragung offenbar direkt auf einem Bildschirm mit. Blight
konnte an den Bewegungen der Augen sehen, dass er las. So etwas wie Erstaunen
glitt über das Gesicht des Vulkaniers, als er sich wieder dem menschlichen
Captain zuwandte.
„Wem
haben wir diesen Wandel in den Ansichten zu verdanken?“
Blight
lächelte. „Der Weisheit des Präsidenten. Ich habe ihm lediglich unkommentierte
Aufnahmen, die ich mit einer weiteren Person vor knapp einem halben Tag in
Shi-Khar gemacht habe, überbracht. Er war offenbar falsch informiert worden,
was zu jenen ersten Verhandlungsvorschlägen geführt hat. Ich bitte dafür im
Namen der Föderation um Entschuldigung.“
Der
Älteste Stann zögerte einen Moment, dann nickte er knapp. „Ich nehme Ihre
Entschuldigung im Namen des Rates an. Wir erwarten Sie sofort nach Ihrer
Rückkehr in den großen Versammlungshallen.“
Das
Bild des Ältesten verschwand und zeigte wieder die Sterne.
Blight lehnte sich in seinem Sessel zurück. Konnte
es wirklich so einfach sein?
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Es
war so einfach.
Blight
informierte seine Gefährten und Gordon, die inzwischen wieder zurückgekehrt
war, fiel ihm jubelnd um den Hals.
„Wir
haben gewonnen! Der Rat wird zustimmen, dessen bin ich mir sicher.“
Er
ließ es lachend geschehen, dann schob er sie sanft zurück.
„Langsam“,
mahnte er „noch haben wir nicht vor dem Rat gesprochen.“
Er
hatte kaum ausgesprochen, als die Tür geöffnet wurde, und ein Protokollführer
den Raum betrat.
„Ich
wurde hergeschickt, um Sie zu den großen Versammlungshallen zu bringen. Folgen
Sie mir bitte.“
Es
blieb ihnen gerade genug Zeit, ihre Sachen mitzunehmen, denn der Vulkanier
wartete nicht, sondern machte sich mit schnellen Schritten auf den Weg. Er
führte sie zu einer Transporterkonsole und wies sie an, sich auf den Transferfeldern
aufzustellen. Dann wurden sie in einen kühlen Vorraum gebeamt.
Blight
wollte seinen Tricorder hervorholen, doch Si’jsk schüttelte den Kopf.
„Zwecklos.
Die Kammern sind von Gesteinen umgeben, die ein Scannen unmöglich machen. Wir
befinden uns mehrere Kilometer im Inneren des Planeten.“
Gordon
sah sich unbehaglich um. Sie hoffte, dass es jetzt nicht zu einem Erdbeben kam.
Vor
ihnen öffnete sich eine große Tür und gab den Blick frei auf eine riesige runde
Halle.
Blight
fühlte sich an ein Amphitheater erinnert. In der Mitte des Raumes befand sich
ein relativ kleiner Platz, der offenbar den Rednern vorbehalten war. Drumherum
erhoben sich Reihe um Reihe unzähliger Sitzbänke. Er konnte nicht erkennen, wo
die Reihen aufhörten, und die Decke begann, denn der obere Teil der Halle
verlor sich in diffusem Dämmerlicht.
Ein
Teil der Bänke war besetzt, doch es herrschte völliges Schweigen. Er kniff die
Augen zusammen und glaubte in dem halbdunklen Schatten die zwölf kobaltblauen
Roben der Ratsmitglieder ausmachen zu können. Dann bemerkte er zu seinem
Erstaunen einige hochrangige Offiziere der vulkanischen Flotte. Einigen von
ihnen war er bereits bei Raumkämpfen begegnet.
Blight
verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen und betrat selbstsicher den Raum.
Si’jsk, der die Offiziere ebenfalls bemerkt hatte, zögerte einen Moment, folgte
ihm dann aber mit den übrigen.
„Willkommen
in den großen Versammlungshallen. Wir heißen Sie als Vertreter der Föderation
in unseren Reihen willkommen.“
Blight
suchte mit den Augen den Sprecher, konnte ihn aber nicht ausmachen.
Ein
Sirren ließ ihn herumfahren. Instinktiv duckte er sich, als er etwas silbriges
in seine Richtung fliegen sah.
Si’jsk,
der schneller reagierte, packte die Lirpa im Flug und wirbelte sie über seinem
Kopf herum. Dann schleuderte er sie in einen entfernten Bereich der Halle, in
dem niemand saß.
„Tötet
diesen Verräter!“
Ein
Vulkanier war aufgesprungen und zielte mit einem Phaser auf Si’jsk. Blight
begriff sofort und stellte sich vor seinen Gefährten.
Si’jsk
schob ihn brüsk zur Seite, hob eine Hand und deutete fast beiläufig auf die
Waffe. Der Vulkanier taumelte und ließ dann die Waffe fallen. Ungläubig starrte
er auf Si’jsk, der langsam mit einem seltsamen Gesichtsaudruck die Hand sinken
ließ.
„Niemand
wird mich töten, Soret, denn ich bin nicht gekommen, um mich für ein Verbrechen
zu verantworten, dass ich nicht als solches anerkennen kann. Du kennst die
Hintergründe meiner Tat weitaus besser als jeder andere. Schweig jetzt.“
Blight
warf Si’jsk einen überraschten Blick zu. Er schien sich völlig verändert zu
haben. Seine gesamte Haltung war die eines Herrschers, der genau wusste, was er
tat und nicht bereit war, sich aufhalten zu lassen.
Die Mitglieder des Rates hatten sich von ihren
Sitzen erhoben.
„Es
war nicht bekannt, dass ein Sandlord unter Ihren Gefährten weilt, Captain
Blight.“
Blight
warf Si’jsk noch einen zweifelnden Blick zu und wandte sich dann an den Rat.
„Ich
kann nicht nachvollziehen, was sie mit dem Begriff *Sandlord* verbinden, doch
kann ich Ihnen versichern, dass alle meine Begleiter voll unter meinem Kommando
stehen und nur in ihrer Funktion als Vertreter der Föderation hier erschienen
sind. Sie genießen somit diplomatische Immunität.“
Die
Ratsältesten setzten sich wieder. Offenbar hatte er die richtige Antwort
gegeben.
Blight
neigte den Kopf zu Si’jsk und zischte aus dem Mundwinkel: “Wir sprechen uns
später!“
Die
volltönende Stimme eine Vulkaniers unterbrach ihn.
„Doch
nun zu Ihren Vorschlägen. Wir sind übereingekommen, offiziell die Kapitulation
Vulkans gegenüber der Neuen Föderation der Planeten unter Vorsitz der Erde
bekannt zu geben.
Des
weiteren haben wir unser Volk informiert, dass eine Evakuierung bevorsteht. Ihr
Einverständnis vorraussetzend, haben wir einen der vorgeschlagenen Planeten,
Tullion, ausgewählt. Vulkanier, die nicht auf diesem Planeten siedeln wollen,
werden zunächst dennoch dorthin evakuiert. Sie haben danach die Möglichkeit,
bei anderen Planeten oder Völkern um Asyl zu bitten.
Wir
werden keine Anstrengungen scheuen, um eine Möglichkeit zu finden, die
Atmosphäre Vulkans wieder zu reinigen. Ebenso sind wir damit einverstanden, die
Föderation der Planeten Einblick in unseren Stand von Wissenschaft und Technik
zu gewähren, so dass ein Austausch von Technologie und Wissen erfolgen kann.“
Blight
atmete hörbar auf.
„Ich
bin erfreut, zu hören, dass das Volk der Vulkanier überleben wird.“
Er
hob die Hand zum vulkanischen Gruß, der ihm mit etwas Mühe gelang. „Glück und
langes Leben, Ihnen allen.“
Dann
drehte er sich um und verließ den Raum. Seine Gefährten, die das Ganze gespannt
verfolgt hatten, folgten ihm schnell.
Gordon lehnte sich gegen die Wand, als sich die Tür
hinter ihnen schloss.
Sie
fuhr erschrocken zusammen, als Blight herumwirbelt und Si’jsk am Uniformkragen
packte. Beide Männer waren gleich groß, so dass er ihn ohne Schwierigkeiten
wütend anfunkeln konnte.
„So,
Sandlord. Ich will verdammt noch mal wissen, was das zu bedeuten hatte! Sie
hätten beinahe mit Ihrem kleinen Kunststück alles zum Platzen gebracht.“
Er
bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Silen sich zurückzog, so als könnte im
nächsten Augenblick etwas explodieren.
Si’jsk
sah dem Captain seelenruhig in die Augen.
„Sie
wissen, dass ich jahrelang in den vulkanischen Wüsten gelebt habe. Ich habe
dort nicht nur Sandkörner gezählt, sondern auch versucht, meine mentalen
Fähigkeiten zu schulen. Die Kontrolle der Telepathie ist für Vulkanier
überlebenswichtig. Fragen Sie Silen, wenn sie mir nicht glauben.
In
den Höhlen, in denen ich Zuflucht gefunden habe, bin ich irgendwann auf uralte
Aufzeichnungen gestoßen. Es sagte mir keiner, worum es sich handelte. Aber es
waren Techniken um die Telepathie zu schulen. Leider habe ich erst als
Erwachsener begriffen, worum es sich gehandelt hat. Doch ich besitze diese
Fähigkeiten bereits und ich denke auch nicht daran, sie wieder abzulegen, da
sie mir mehrfach das Leben gerettet haben.“
Blight
hatte ihn wieder losgelassen. „Und was hat es mit diesem S...“
„Soret?
Er ist der Bruder meiner ehemaligen Partnerin, derentwegen ich von Vulkan
fliehen musste. Er hat einen großen Teil jener Waffen entwickelt, die für die
Vergiftungen verantwortlich sind.“
„Schöne
Verwandtschaft.“
Zoran
nickte Si’jsk zu. „Nachdem das geklärt ist: Gehen wir.“
Blight
und Si’jsk warfen sich eine verdatterten Blick zu. Zoran meldete sich so selten
zu Wort, dass sie manchmal vergaßen, dass er sprechen konnte.
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Sternzeit
4376,2: Camelon
Dr.
Gordon überprüfte noch einmal ihre Ausrüstung und schwang sich dann in den
Sattel.
Entschlossen
lenkte sie ihr Pferd auf die schmale Allee, die aus dem Akademiekomplex
herausführte. Sie würde einige Zeit brauchen, um die kleine Siedlung zu
erreichen. Den Vulkaniern, die sich dort schon vor einiger Zeit niedergelassen
hatten, fehlte es fast an allem. Es waren ausnahmslos Flüchtlinge, die es schon
zu Beginn des Krieges vorgezogen hatten, ins Exil zu gehen.
Inzwischen
hatten sie damit begonnen Felder zu bestellen, um sich selbst mit
Nahrungsmitteln versorgen zu können. Doch es gab keinen Heiler unter ihnen. Als
sie davon erfahren hatte, hatte sie sich bereit erklärt, in regelmäßigen
Abständen in die Siedlung zu kommen, um ihre Dienste anzubieten. Sie wurde
jedes Mal freundlich willkommen geheißen.
Sie
freute sich darauf, die Vulkanier wiederzusehen. Ihre Gesellschaft war ihr
manchmal fast lieber als der laute Trubel in der Akademie. Doch diesmal würde
es viel Arbeit geben. Sie hatte gehört, dass die Siedlung sich deutlich
vergrößert hatte, seitdem Vulkan offiziell evakuiert wurde. Es musste sich
herumgesprochen haben, dass auf Camelon Vulkanier nicht mit der sonst überall
üblichen Ablehnung behandelt wurden.
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Ihre
Befürchtungen bestätigten sich.
Dutzende
kranke Vulkanier warteten bereits in dem kleinen Gebäude, dass sie bei ihren
Besuchen als Behandlungsraum nutzte. Sie waren in einem furchtbaren Zustand.
Zwar
besserten sich die Verätzungen durch die Gase sobald der Betreffende Vulkan
verlassen hatte, doch es dauerte seine Zeit. Sie hatte schnell herausgefunden,
dass Lungen- und Darmkrankheiten vermehrt auftraten. Kein Wunder, da die
gesamten Schleimhäute angegriffen wurden. Unterernährung, Geschwüre und
Lungenentzündungen häuften sich.
Hinzu
kam, dass die Passagierschiffe, die die Vulkanier zur Anreise nutzen konnten,
horrende Preise für den Flug verlangten, so dass oft keine Mittel mehr blieben,
sich auf Camelon mit dem nötigsten zu versorgen. Und mitnehmen konnten die
Vulkanier aus Platzgründen bei der Evakuierung praktisch nichts.
Die
Folge war bittere Armut.
Nachdem
die schlimmsten Fälle behandelt waren machte sie ein Pause und trat kurz vor
das Gebäude, um frische Luft zu schnappen.
Ein
älterer Vulkanier trat auf sie zu.
„Dr.
Gordon?“
Sie
nickte und senkte dann in einer Geste der Demut den Kopf.
„Wie
kann ich Ihnen dienen?“
Sie
verwendete die vulkanische Sprache, da nur wenige Federation-Standard sprachen.
Zudem spürte sie, dass die Vulkanier ihr eher vertrauten, wenn sie die auf
Vulkan üblichen Umgangsformen verwendete.
„Ich
benötige keine Hilfe für mich. Ich komme, um für ein Kind um Hilfe zu bitten.
Es kam mit seinen Eltern nach Camelon. Doch die Mutter weigert sich, dem Kind
zu helfen und der Vater ist selbst zu krank, um herzukommen. Würden Sie mich
begleiten?“
Sie
nickte überrascht. Eine vulkanische Mutter, die es ablehnte ihrem Kind zu
helfen?
Dann
holte sie ihren Medikamentenkoffer und folgte dem Vulkanier.
Er
führte sie in einen Teil der Siedlung, den sie noch nie betreten hatte.
Offenbar hatten hier jene einen Unterschlupf gefunden, denen nicht mehr als das
Leben geblieben war. Die allgemeine Armut nahm ihr den Atem und sie musste sich
zusammenreißen um ihr Mitleid nicht zu offensichtlich zu zeigen.
Sie
würde sofort nachdem sie in die Akademie zurückgekehrt war, dafür sorgen, dass
für diese Vulkanier gesorgt wurde. Im Augenblick war Hochsommer und die
Temperaturen daher einigermaßen zu ertragen. Doch in wenigen Wochen würde es
Herbst werden. Sie konnte sich ausmalen, was mit den Vulkaniern geschehen
würde, die, ohnehin geschwächt, ohne Wohnungen der feuchtkalten Witterung
ausgesetzt sein würden.
Schließlich
blieb der alte Vulkanier stehen und deutete auf einen auf dem Boden sitzenden
Mann, der ein schlafendes Kind im Arm hielt. Der Junge mochte vielleicht sieben
oder acht Jahre alt sein. Er war blass und so mager, dass sie glaubte, jeden
Knochen erkennen zu können.
Wortlos
kniete sie sich neben die beiden und richtete den Tricorder auf den Jungen.
„Legen
Sie ihn bitte hin, damit ich ihn untersuchen kann.“ Sie hob den Kopf und warf
dem Vater einen Blick zu. Dann stutzte sie. Vor Schreck ließ ihren Tricorder
fallen, als sie ihn erkannte.
„Sarduk!“
Er
hatte den Kopf gegen einen Baumstamm gelehnt und sah sie nur stumm an. Die
Blutergüsse, die sie durch die teilweise zerrissene Kleidung auf seiner Haut
erkennen konnte, sagten ihr genug. Offenbar hatte er sich solange es irgendwie
ging auf Vulkan aufgehalten. So wie sie ihn einschätzte, hatte er alles getan,
um den Kranken in den Kliniken zu helfen. Sie richtete den Tricorder auf ihn.
Ihr schlimmster Verdacht bestätigte sich.
Seinem
Sohn ging es noch vergleichsweise gut. Sarduk war völlig unterernährt und
dehydriert. Seine inneren Organe wiesen alle mehr oder weniger starke Blutungen
auf. Sein Verdauungssystem, Hals, Kehlkopf und Lunge waren so entzündet, dass
er vermutlich gar keine Nahrung mehr zu sich nehmen konnte. Sie merkte nicht,
dass ihr Tränen über die Wange lief, als sie den Injektor lud und ihm ein
starkes Schmerzmittel injizierte.
Er
bewegte die Lippen, doch er brache keinen Ton hervor. Vorsichtig, um ihm nicht
noch mehr Schmerzen zuzuführen, löste sie seine verkrampften Hände, mit denen
er seinen Sohn hielt. Als sie ihn berührte, konnte sie kurz sein Bewusstsein
wahrnehmen.
//Bitte,
sorge für Sorel. Ich bin nicht mehr länger dazu fähig.//
Es
kostete ihn zuviel Kraft, diese kurze Botschaft durch den Nebel aus Schmerzen,
der in ihm wogte, zu übermitteln. Er schloss müde die Augen und ließ sich in
den dunklen Strudel fallen, der ihm Erlösung bringen würde.
Gordon
begriff sofort, was er vorhatte.
„Oh
nein, mein Lieber. Ich lasse dich nicht so einfach sterben, nachdem ich dich
nach all den Jahren wiedergefunden habe.“
Entschlossen
strich sie mit den Fingerkuppen über sein Gesicht und suchte nach den
Kontaktpunkten, die ihr Zugang zu seinem Bewusstsein geben würden. Die lange
Übung ließ sie auf Anhieb Erfolg haben.
Sie
kämpfte sich mit aller Entschlossenheit, die sie aufbringen konnte, durch seine
Agonie, bis sie ihn schließlich fand. Dann knüpfte sie ein enges mentales Band
um ihn, das ihn zumindest eine Zeit lang daran hindern würde, sich dem
Vergessen hinzugeben.
Sie zog sich zurück.
Dann
holte sie den Kommunikator hervor, den sie für Notfälle wie diesen immer bei
sich trug. Wenige Minuten später landete einer der auf Camelon seltenen Gleiter.
Der Pilot half ihr, Vater und Sohn sicher im Inneren unterzubringen.
„Ich
muss noch einmal zurück zum Behandlungsraum. Die Vulkanier, die dort warten,
sollten zumindest informiert werden, dass ich erst in den nächsten Tagen noch
einmal kommen kann. Die schwersten Fälle habe ich zum Glück schon behandelt.“
„Steigen
Sie ein. Mit dem Gleiter sind Sie auf jeden Fall schneller.“
Sie
erkannte, dass der Pfleger Recht hatte und folgte seinem Rat.
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Ende
Teil 7