Durch
Zeit und Raum
Disclaimer
siehe Teil 1
Teil
6
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Blight stand am Fenster und starrte in die flirrende
Mittagshitze hinaus. Er war froh, dass hier ihm Inneren des Gebäudes, eine
angenehm kühle Temperatur herrschte - nach vulkanischen Maßstäben.
Er schwitzte.
Er schüttelte nur stumm den Kopf, als seine Gedanken zu dem
vergangenen Vormittag zurückwanderten.
Admiral Randock hatte ihn darauf hingewiesen, dass es
schwierig sein würde, mit den Vulkaniern zu verhandeln. Die Menschen saßen am
längeren Hebel, denn die Vulkan so gefährdenden Gase waren für Menschen
ironischerweise völlig unschädlich und es konnte für Vulkan nur von Vorteil
sein, wenn sie auf die gestellten Bedingungen eingingen. Schließlich ging es
für sie um die Existenz des gesamten Volkes. Doch es war ein stolzes Volk, das
jetzt durch den Krieg, scheinbar noch mehr zu verlieren hatte.
Blight sah es etwas anders. Für ihn war Vulkan ein
sterbender Planet, deren Bewohner sich an den letzten Rest Würde klammerten,
der ihnen noch geblieben war, wohl wissend, dass es ihre eigene Grausamkeit
war, die sie in diese Lage gebracht hatte.
Und verletzter Stolz gemischt mit Schuldbewusstsein waren
schon immer schlechte Ratgeber gewesen.
Während sie in den Hallen diskutierten, starben Hunderte an den
Folgen der allgemeinen Vergiftung.
Das schien die Vulkanier nicht zu kümmern. Sie stritten sich
wie kleine Kinder eifersüchtig um jeden einzelnen Punkt und so hatte es sie
fast eine Woche gekostet, mit den Vertretern des Rates eine einigermaßen für alle
Seiten akzeptable Übereinkunft zu erzielen. Jetzt war es an S'Haraka, ihrem
Hauptgesprächspartner, diese dem Rat der Zwölf vorzulegen.
Blight war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass nicht er
selbst für die Föderation sprechen durfte. Er hatte zwar mehrmals um die
Erlaubnis gebeten, war jedoch jedes mal abgewiesen worden.
Nun, er konnte nur hoffen, dass S'Haraka einen neutraleren
Standpunkt einnahm als noch während der Verhandlungen.
Der junge Mann ließ den Blick über Shi-Khar wandern. Es
musste einmal eine sehr schöne und gepflegte Stadt gewesen sein, doch jetzt
traf sein Blick überall auf Trümmer und Ruinen. Abgestorbene Bäume und
Pflanzen, die die Straßen und Wege beschattet hatten, erzählten von der Zeit
vor den Kriegen.
Blight sah einige Kinder, die in den Trümmern spielten.
Zumindest sah es so aus, doch er bezweifelte, dass es sich wirklich um ein
Spiel handelte. Die Kinder waren zu mager, die Kleidung schmutzig und
zerrissen.
Er wandte den Blick ab. Es musste etwas geschehen und zwar
schnell.
Blight
drehte sich um und richtete seine Aufmerksamkeit auf Si’jsk und Silen. Die
beiden standen etwas weiter entfernt von den anderen und diskutierten über
irgend ein Thema.
„Gibt
es nicht eine Möglichkeit, mit der wir die Bürger direkt informieren könnten?
Ich war immer der Meinung, dass die gängige Regierungsform auf Vulkan in etwa
der einer Demokratie entspricht. Ich frage mich, ob es nicht eine viel größere
Wirkung zeigen würde, wenn wir die Bürger direkt über das Angebot der Erde
informieren?“
Si’jsk
überlegte einen Moment und schüttelte dann den Kopf.
„Die
Idee ist im Prinzip gut, doch liegt genau darin das Problem. Der Rat der Zwölf
wird aus den Vertretern der zwölf einflussreichsten und mächtigsten Clans ganz
Vulkans gebildet. Es handelt sich um Bürger aus dem Volk, die diese Aufgabe
gewissermaßen ehrenamtlich erfüllen. Dieses System wurde von Surak eingeführt
und bis jetzt hat kein Vulkanier daran zu rütteln gewagt.
Wir
könnten auf jeden Fall die Bürger informieren. Das stellt lediglich ein technisches
Problem dar, doch würde es nicht wirklich etwas nützen, weil niemand den
Beschluss des Rates, gleich wie er ausfällt, antasten würde.
Zudem
kann ich mich an Unruhen erinnern, als Vulkan der Erde den Krieg erklärt hat.
Damals hat es offenbar eine kleine Gruppe gegeben, die gegen den Beschluss des
Rates war. Sie wurden von ihren Familienangehörigen und Freunden getötet.“
Blight
hatte sich die ruhig und sachlich vorgetragenen Argumente angehört. Er konnte
es nicht fassen, dass dieses Volk einmal als das pazifistischste der ganzen
Galaxie gegolten hatte.
„Gibt
es denn sonst keine Möglichkeit? Können wir nicht als Bittsteller vor dem Rat
auftreten, damit wir unseren Vorschlag selbst vorbringen können?
Ich
meine, so schlecht ist das Angebot der Erde doch nicht. Vulkan werden alle
Möglichkeiten für eine vollständige Evakuierung und die Ansiedlung auf zwei zur
Wahl stehenden Planeten mit einer ähnlichen Atmosphäre wie die Vulkans
angeboten.“
Dr.
Gordon war unruhig auf und ab gegangen.
Jetzt
blieb sie vor Silen stehen und sah ihn an, als dieser unwillig brummte.
Er
nickte grimmig. “Natürlich. Vulkan hat nichts zu verlieren. Die Atmosphäre wird
sich bis in etwa fünfzig Jahren wieder so weit regeneriert haben, dass es
möglich wäre, über eine Rückkehr nachzudenken. Das ist für einen Vulkanier
keine lange Zeit.
Aber
während dieser Zeit wird von einem stolzen Volk verlangt als die Bettler des
Universums zu leben. Der Preis für die Evakuierung ist zu hoch, Dr. Gordon. Ich
glaube nicht, dass der Rat zustimmen wird. Es würde bedeuten, dass die Erde
während des Exils alle Bodenschätze Vulkans unbegrenzt ausbeuten kann. Zudem
muss die gesamte Technologie als Pfand an die Erde übergeben werden. Es gibt
vielleicht einen oder zwei im Rat, die bereit wären, auf diesen Wahnsinn
einzugehen, aber niemals alle zwölf.“
Dr.
Gordon ließ den Kopf hängen. Mit Entsetzten wurde ihr bewusst, dass sie nie
wirklich über die Konsequenzen der Forderungen der Erde nachgedacht hatte.
Silen hatte Recht. Es war Wahnsinn. Die ganzen Bedingungen waren absurd. Ein
weiteres Beispiel für den Irrsinn, der alles erfasst zu haben schien.
Ihr
Blick wanderte zu Blight. Sie konnte sehen, dass er mit sich rang. Er schien
irgendetwas zu planen.
„Si’jsk,
Silen. Sie kennen beide die Stadt, nicht wahr?“
Si’jsk
nickte, er war hier geboren worden. Silen hingegen, der aus einer der
abgelegeneren Gegenden Vulkans stammte, verneinte.
„Was
haben Sie vor?“ Si'jsk sah ihn abwartend an.
„Ich
habe genug davon, nur herumzusitzen und zu warten. Das liegt mir nicht. Und
genau deshalb werden Sie mich jetzt begleiten.“
Si’jsk
verbarg seinen Unmut, nickte aber zögern. Er war nicht sehr von diesem
Vorschlag begeistert.
Da
er Vulkan als Flüchtling verlassen hatte, bestand die Möglichkeit, dass er
gefangenengenommen wurde, sobald er die Immunität des Regierungsgebäudes
verlies.
Blight,
der wohl ahnte, was in ihm vorging, lächelte.
„Keine
Sorge Si’jsk. Solange Sie in meinem Auftrag unterwegs sind, genießen Sie den
Schutz der Flotte.“
Der
Vulkanier hob eine Augenbraue. „Möglich, doch wissen das auch die anderen?“
Blight
grinste und klopfte ihm auf die
Schulter.
„Kommen
Sie.“
„Darf
ich erfahren, was Sie planen?“
Silen
trat dazwischen, bevor Blight den Raum verlassen konnte.
„Wie
werde uns ein wenig die Füße vertreten. Sie können uns jederzeit über die
Kommunikatoren erreichen.“
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„Und
jetzt?“
Blight
sah sich erwartungsvoll um, als sie vor dem Gebäude standen. Der warme,
trockene Wüstenwind, der immer wieder Staubschwaden vor sich her trieb, nahm
ihm den Atem. Die Uniform, die er trug, half nur wenig, die Hitze erträglicher
zu machen. Jetzt verstand er, weshalb Si’jsk gar nicht glücklich gewesen war,
als er seinen Vorschlag ablehnte, vulkanische Kleidung zu tragen.
„Ich
schlage vor, wir gehen in diese Richtung. Dort liegt das ehemalige Zentrum der
Stadt.“ Si'jsk wies auf einen etwas entfernt sichtbaren Komplex. Die Größe der
dortigen Ruinen ließ auf ehemals riesige Gebäude schließen.
Blight schüttelte den Kopf.
„Nein,
ich habe mehr an einen allgemeinen Rundgang gedacht. Ich möchte so viele Szenen
wie möglich mit dem Tricorder aufnehmen. Es wäre hilfreich, wenn auch Sie das
tun würden. Bleiben Sie dabei in meiner Nähe, Si'jsk und Silen. Ich verstehe
die Sprache nicht, und manchmal ist es äußerst hilfreich, wenn man noch eine
Übersetzung außer der des Translators zur Verfügung hat.“
Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern ging
einfach los.
Si’jsk
hob eine Braue und zögerte einen Moment. Dann folgte er ihm. Er hatte keine
Ahnung, was der Captain plante.
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Zwei
Stunden später, als sich sein Begleiter von der hohen Gravitation und der Hitze
erschöpft im Schatten eines noch stehenden Gebäudes ausruhte, sah Si’jsk sich
um. Es entsetzte ihn, was aus der Stadt geworden war.
Ein
Hustenreiz begann ihn zu quälen und er hob die Hand zum Mund. Überrascht
stellte er fest, dass sich blutiger Schleim löste.
Blight,
der es bemerkt hatte, trat näher. „Das ist es, was allen bevorsteht, nicht
wahr?“
Si’jsk
nickte. Mehr gab es nicht zu sagen und er erwiderte ernst den besorgten Blick
seines Freundes.
„Gut,
machen wir, dass wir zurückkommen. Si’jsk, ich habe keine Ahnung, in welche
Richtung wir uns wenden müssen.“
Si’jsk,
der die Gegend sehr genau kannte, schlug eine bestimmte Richtung ein. Es war
der kürzeste Weg zurück. Er führte jedoch auch an seinem Elternhaus vorbei.
Als
sie es erreichten, konnte er der Versuchung nicht widerstehen. Doch ein kurzer
Blick genügte ihm, um festzustellen, dass es sich nur noch um eine Ruine
handelte. Er blieb stehen.
„Kennen
Sie dieses Haus?“ Blight hatte den wehmütigen Gesichtsausdruck des Vulkaniers
bemerkt.
Si’jsk
nickte. Er bat stumm um Erlaubnis, und als Blight nickte, schob er das
verbogene Tor auf. Es hing nur noch schief in den Angeln. Der kleine, einstmals
gepflegte Garten war verdorrt. Nur noch der Stumpf eines einsamen Baumes ragte
aus dem Sand.
Blight
ließ seinen Tricorder über die Trümmer wandern.
„Das
unterste Stockwerk hat noch genügend Stabilität. Der obere Teil ist jedoch
schon so sehr zerstört, dass ich davon abrate, ihn zu betreten."
Blight
zögerte kurz. Er war neugierig, wie es im Inneren aussah.
Si’jsk
betrachtete den Schaden, den eine ihm unbekannte Waffe an dem Haus hinterlassen
hatte.
„Es
muss auch auf der Planetenoberfläche zu verstärkten Kämpfen gekommen sein“,
bemerkte er dumpf. Als er Vulkan verlassen hatte, war die Stadt trotz einiger
Zerstörung bei weitem nicht so ein Trümmerfeld gewesen.
Er
trat durch die Öffnung, in der einmal eine Tür gehangen hatte, in den einst so
kühlen Vorraum. Staub und Sand bildeten eine dicke Schicht auf dem Boden. Er
wanderte stumm durch die ausgeplünderten Räume. Es gab nicht mehr viel, was die
ursprüngliche Einrichtung sichtbar gemacht hätte.
Blight
war beeindruckt von der ästhetischen und sinnvollen Anordnung der Räume. Eine
gewisse Schönheit ging von dem Haus aus, trotz all der Trümmer.
Plötzlich
bückte sich Si’jsk und hob einen kleinen Würfel aus dem Schutt, der den Boden
bedeckte. Blight sah sich genauer um und vermutete, dass es sich früher um den
Wohnraum gehandelt hatte.
„Was
ist das?“ Blight trat näher und warf einen Blick auf den Gegenstand in Si’jsks
Hand.
„Ein
Hologrammkubus.“
Einen
Moment lang hielt er den Kubus unentschlossen in der Hand, dann aktivierte er
ihn.
Eine
Gruppe aus fünf Personen erschien: Zwei Erwachsene und drei Kinder. Alle trugen
sie die für Vulkan typische Kleidung, was aber insbesondere die Würde des
Mannes noch zu unterstreichen schien. Er stand hochaufgerichtet, mit auf dem
Rücken verschränkten Händen hinter seinen Kindern. Seine Partnerin zeigte einen
abweisenden, hochmütigen Gesichtsausdruck. Man konnte die Spannungen zwischen
den beiden fast spüren.
Blight warf einen Blick auf die Gruppe. „Ihre
Familie?“
Si’jsk
nickte nur, deaktivierte den Kubus und schob ihn in die Tasche.
„Wir
sollten uns beeilen.“
Er
drehte sich um und verließ mit schnellen Schritten das Haus, ohne auf seine
Begleiter zu warten . Blight sah sich noch einmal kurz um, dann folgte er ihm.
Auf
dem Rückweg grübelte Blight darüber, an wen ihn Si’jsks Vater erinnerte, doch
er kam nicht darauf. Er würde sich später darum kümmern.
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„Hat
sich während unserer Abwesenheit etwas ergeben?“
Gordon
schüttelte den Kopf. „Nein. Es hat sich niemand blicken lassen. Ich nehme an,
dass der Rat noch verhandelt.“
„Das
kann unter Umständen Tage dauern“, warf Si’jsk ein. „Wir sollten aufs Schiff
zurückkehren.
Gordon
schüttelte den Kopf. „Ich habe inzwischen Medikamente und Nahrungskonzentrate
herunter beamen lassen. Und ich gedenke nicht, sie wieder mitzunehmen. Nicht weit
von hier befindet sich ein Notlazarett. Ich glaube, das es völlig gleichgültig
ist, wo wir mit der Hilfe anfangen. Hauptsache, wir tun endlich was. Und wenn
Sie einen Spaziergang unternehmen können, kann ich das schließlich auch!“
Sie
stemmte herausfordernd die Arme in die Seiten und funkelte Blight an. Die
Untätigkeit machte sie wütend.
Blight
nickte. „Tun Sie, was Sie nicht lassen können, aber nehmen Sie Zebron mit.“
Er
unterdrückte ein Lächeln, als er sich zu Si’jsk umwandte.
„Ich
übergebe Ihnen das Kommando, Si’jsk, solange ich fort bin. Ich kann nicht genau
sagen, wann ich wieder da bin. Es kann aber durchaus einige Tage dauern.“
Dann
klappte er seinen Kommunikator auf und ließ sich an Bord der Deirdre beamen,
die im Orbit wartete.
Die
anderen sahen sich nur verblüfft an. Keiner hatte die Spur einer Ahnung, was er
vorhatte.
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Blight
ließ sich in den Kommandosessel fallen. „Gab. Wie lange dauert ein Flug zur
Erde?“
Der
Navigator drehte sich um. „Mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit etwa vier
Stunden, Sir.“
„Gut,
dann machen wir uns auf den Weg. Unsere Leute kommen im Augenblick ganz gut
allein zurecht.“
Niemand
auf der Brücke wagte es, eine Frage zu stellen, als sie den grimmigen
Gesichtsausdruck bemerkten.
Blight
verließ nur einmal kurz die Brücke um zu duschen und die Uniform zu wechseln.
Dann reichte er seinem Kommoffizier drei Datenkassetten.
„Überspielen
Sie die Daten unkommentiert auf eine Kassette und fertigen Sie
Sicherheitskopien an. Ich brauche sie, sobald wir in den Erdorbit gelangen.“
Dann
setzte er sich an die momentan unbesetzte Station des wissenschaftlichen
Offiziers. Es war ihm eine Idee gekommen. Doch alle Daten die er aufrief, in
welchem Verzeichnis er auch suchte: er fand nichts. Nun gut, dann würde das
Rätsel um Si’jsks Vater noch warten müssen.
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Ende
Teil 6