Durch
Zeit und Raum
Disclaimer
siehe Teil 1
Teil
3
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Blight,
der eben eintreten wollte, blieb erschrocken stehen.
„Gibt
es ein Problem?“
Si’jsk, der noch immer auf der Liege saß, musterte
ihn kühl.
„Nein,
Sir.“ Dann stand er auf und verließ den Raum.
Blight
warf einen fragenden Blick auf die Ärztin. Sie deutete nur wortlos auf die
Liege.
„Sie
sind dran, Sir.“
„Gab
es Probleme mit ihm?“ Blight war stehen geblieben. Er war misstrauisch bei
allem, was den jungen Vulkanier betraf.
Dr.
Gordon verschränkte die Arme und sah ihn nachdenklich an.
„Was
stört Sie an ihm?“
Blight
zuckte mit den Schultern und ließ sich auf die Liege sinken. „Er erscheint mir
so undurchsichtig. Sei Verhalten ist mir völlig schleierhaft. Ich habe ihn
mehrmals beim Training beobachtet und weiß, dass er körperlich jedem von uns,
Zoran inbegriffen, weit überlegen ist. Das beunruhigt mich.“
Gordon
hatte den Tricorder neu justiert und ließ ihn dann über den Körper des Captains
gleiten. Die Werte lagen alle im normalen Bereich. Sie hatte auch nichts
anderes erwartet.
„Nur
weil er stärker ist als sie und nebenbei eine sehr exotische Anziehungskraft
besitzt, die sie auch gerne hätten, sind sie eifersüchtig auf ihn. Ich schlage
vor, Sie lernen ihn erst einmal besser kennen. Er könnte noch sehr wertvoll für
Sie werden.“
Ohne
weiter auf seine verdatterte Mine zu achten, wandte sie sich ab und überspielte
die Daten in den Memocomputer.
Blight
hatte sich von seiner Überraschung erholt und richtete sich auf. „Inwiefern
könnte er für mich wertvoll werden?“
„Er
hat die gleiche seltene Blutgruppe wie Sie.“
Die
scheinbar gleichgültigen Worte der Ärztin sickerten erst allmählich in sein
Bewusstsein.
„Er
hat was?“
Gordon
drehte sich um. „Die gleiche Blutgruppe. In Si’jsks Adern fließt eine sehr
interessante Mischung aus etwas 3/4 vulkanischem und 1/4 menschlichem Blut.
Woher dieser Anteil jedoch kommt, ist unklar. Er wusste bis gerade eben selbst
nichts davon. Ich selbst bin auch erst aufgrund einer Messabweichung darauf
gekommen, die mir im Lauf meiner Ausbildung auf Vulkan schon einmal begegnet
ist. Damals konnte ich allerdings noch nichts damit anfangen. Ich vermute
jedoch, dass ich wahrscheinlich ähnliche Werte wie Si’jsks erhalten hätte,
hätte ich weitere Daten gesammelt.“
Blight
war sprachlos. Damit ließ sich vielleicht Si’jsks seltsam untypisches Verhalten
erklären.
Gordon
schüttelte den Kopf. „Machen Sie es sich nicht immer so leicht, Captain.
Si’jsks
verhalten begründet sich eher in der Tatsache, dass er bereits im Alter von
sieben Jahren sein Familie verlor und allein in der Wüste überlebte. Er hat
dort mehrere Jahre verbracht und ist erst als Jugendlicher in die Zivilisation
zurückgekehrt, wo er praktisch sofort von der Flotte rekrutiert wurde. In einem
Alter, in dem Sie wahrscheinlich noch die Schulbank gedrückt, und den Mädchen
in der Nachbarschaft nachgestellt haben, hat er bereits im All gekämpft.
Glauben Sie mir, so etwas prägt stärker, als es einige Blutkörperchen können.
Si’jsk hat einen unglaublichen Lebenshunger. Im übrigen ist er verglichen mit
menschlichen Jahren, um einiges jünger als Sie, Blight.“
Sie
wandte sich verärgert über so viel Borniertheit ihren Unterlagen zu.
Kevin
Blight stand wie vom Donner gerührt. Das hatte er nicht gewusst. Ihm fiel auf,
dass er überhaupt nicht viel über seine Truppe wusste. Er beschloss, die
Gelegenheit beim Schopf zu packen.
„Nun,
dass Sie mich jetzt zurechtgestutzt haben, bin ich neugierig geworden. Sie
geben mir ebenfalls Rätsel auf. Also, ich höre...“
Er
verschränkte die Arme und trat vor den Schreibtisch der Ärztin.
Sie
sah ihn an und faltete dann die Hände auf der Tischplatte.
„Ich
wurde auf Deneb 3 geboren. Damals war die Kolonie gerade erst gegründet worden
und das Leben war mehr als hart. Ich hatte nicht viele Gleichaltrige in meiner
Nähe, so dass ich es vorzog allein durch die Wildnis zu streifen. Zudem waren
mir größere Menschenmengen zuwider. Irgendwann wurde mir dann bewusst, dass ich
eine Telepatin sein musste.
Ein
alter Vulkanier, der ebenfalls in der Kolonie lebte, hatte mich darauf
aufmerksam gemacht. Er war es auch, der mir einige einfache Techniken
beibrachte, wie ich mein Talent kontrollieren und nutzen konnte.
Es
waren einfache Leute, die in der Kolonie lebten. Ich war ihnen unheimlich. Also
wurde mir mehr oder weniger nachdrücklich nahegelegt, zu gehen. Selbst meine
Eltern lehnten mich ab.
Also
verließ ich Deneb 3 und trat als eine der jüngsten Kadetten in die Flotte ein.
Während des Grundstudiums begann ich mich für die Medizin zu begeistern und
wurde Ärztin. Doch ich wollte mein spezielles Talent nicht ungenutzt lassen.
Eine entsprechende Ausbildung gab es nur auf Vulkan, das damals schon der Erde
den Krieg erklärt hatte.
Ich
ließ mich also per plastischer Chirurgie in eine Vulkanierin Namens T’Ric verwandeln.
Irgendwie schaffte ich es, bis kurz vor dem Examen unerkannt zu bleiben. Dann
verliebte ich mich in einen meiner Kommilitonen. Er war es auch, der hinter
mein Geheimnis kam. Eigentlich hätte er mich verraten müssen, doch er deckte
mich, bis ich mein Examen abgelegt hatte. Das ist wichtig, denn erst dann wird
im Bewusstsein des Studenten eine Blockade gelöst, die die Fähigkeiten des
Heilers bis dahin praktisch gebremst hatte. Ohne dieses Examen und die
anschließende Öffnung wäre mein ganzes Studium sinnlos gewesen.
Bei
der Zeremonie wurde ich dann allerdings enttarnt und musste Hals über Kopf
fliehen.
Jener
Vulkanier, Sarduk, hat meine Flucht gedeckt und mir damit das Leben gerettet.
Das ist vielleicht ein Grund, weshalb Vulkanier mich faszinieren. Zudem musste
ich damals innerhalb weniger Stunden lernen, mein Temperament zu zügeln und zu
beherrschen. Hätte man mich entdeckt, wäre ich wahrscheinlich sofort exekutiert
worden. Ich habe bis heute keinen Sinn darin gesehen, die Zurückhaltung, die
ich mir damals aneignen musste, abzulegen.“
So
plötzlich, wie sie zu sprechen begonnen hatte, schwieg sie wieder.
Blight
brauchte einen Moment, um das eben gehörte zu verdauen. Doch sie ließ ihm nicht
viel Zeit.
„Und
was ist mit Ihnen?“
Blight
hob den Kopf und seufzte. Ihre Forderung war nur gerecht.
„Also
gut. Ich wurde auf der Erde geboren. Mein Großvater, bei dem ich größtenteils
aufwuchs, hatte als Techniker in der Flotte gedient und erzählte mir viel von
seiner Arbeit und dem Leben an Bord der großen Raumschiffe. Seine Erzählungen
faszinierten mich, so dass ich so bald es möglich war, der Flotte beitrat.
Das
dumme daran war nur, dass es nicht mehr die Flotte war, die mein Großvater
gekannt hatte. Die großen Schiffe waren verschollen oder vernichtet und von den
Helden jener Zeit wusste niemand mehr etwas.
Ich
versuchte herauszufinden, was geschehen war, doch alles was ich herausfand war,
dass offenbar alle Daten und geschichtlichen Aufzeichnungen gefälscht worden
waren. Ich war enttäuscht. Aber ich wurde auch neugierig. Der Dienst auf einem
Schiff erschien mir als die einzige Möglichkeit, weitere Nachforschungen
anzustellen, weil ich so ins All hinauskam, das mir alle Antworten zu enthalten
schien.
Durch
mein Herumgestöber und meine Probleme, die ich mit der strengen
Kommandohierarchie an Bord hatte, wurde der Geheimdienst der Flotte auf mich
aufmerksam. Sie boten mir eine spezielle Ausbildung an, die ich mit Kusshand
annahm. Und da bin ich hier und heute.“
Gordon
nickte. Etwas in der Art hatte sie von ihm erwartet. Er hatte ihr jedoch
verschwiegen, dass er sich durch seine Tollkühnheit und seine Besonnenheit in
schwierigen Situationen einen Ruf geschaffen hatte, der ihn als
Raumschiffcaptain berühmt gemacht hatte. Von seinen Tätigkeiten für den
Geheimdienst war offiziell allerdings nichts bekannt.
„Da
Sie sich so für die Vergangenheit interessieren, sollten Sie sich einmal mit
Silen zusammensetzen. Soweit ich weiß,
ist er bei weitem der Älteste unter uns. Er hat schon in der Flotte gedient,
als sie noch nicht von Krieg und Intrigen zerfressen war. Vulkanier haben ein
gutes Gedächtnis und ich bin sicher, er kann viele der Geschichten ihres
Großvaters bestätigen oder ergänzen. Sie dürften in etwa der gleichen
Generation angehören. Zudem sucht auch er nach Hinweisen, was mit den großen
Schiffen geschehen ist. Vielleicht können Sie beide Ihr Wissen ergänzen?“
Blight
war wie vor den Kopf gestoßen. Gab es eigentlich irgendetwas, was diese Frau
nicht wusste?
„Oh,
ich weiß längst nicht alles. So sind Zebron, O’Brian und Gab Rätsel für mich.“
Blight
lachte und begann sich zu entspannen. Allmählich gewöhnte er sich an die
spezielle Art der Ärztin. Er begann sie sympathisch zu finden.
„Da
kann ich Ihnen weiterhelfen. Die beiden Menschen sind genau das was sie zu sein
scheinen. Keine außergewöhnlichen Lebensläufe. Nur ihre besonderen Fähigkeiten
zeichnen sie aus. Zu Zebron weiß ich allerdings leider auch nichts."
Blight
nickte. „Ich glaube, wir sollten uns alle mehr miteinander beschäftigen. Jeder
von uns hat eine besondere Geschichte, die es wert wäre, gewürdigt zu werden.“
Gordon
lehnte sich mit einer ablehnenden Mine zurück.
„Das
halte ich für keine gute Idee, denn manch einer von uns hat gute Gründe, seine
Geschichte für sich zu behalten.“
Blight nickte. „Gut, wahrscheinlich haben Sie
recht.“
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Als
Blight in sein Büro zurückkehrte, wartete eine Nachricht vom
Flottenhauptquartier auf ihn.
Er
dechiffrierte die Botschaft und las sie mehrere Male durch, bevor er sie
löschte. Dann mache er sich auf den Weg um seine Leute zu informieren.
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„Si’jsk,
ich muss mit Ihnen reden.“
Der
Vulkanier hob überrascht den Kopf, als er Blight so plötzlich vor sich stehen
sah. Zu sehr in die Meditation vertieft, hatte er ihn nicht gehört, als dieser
den Raum betreten hatte. Und diese Meditation war dringend nötig gewesen.
Si’jsk
lehnte sich zurück und legte die Fingerspitzen aneinander.
„Ich
höre.“
Abwartend
ließ er den Blick über den Menschen wandern und fand bestätigt, was er sich
soeben erst in seiner Meditation eingestanden hatte: Er begehrte Blight.
Die
angenehm tiefe Stimme riss ihn in die
Realität zurück.
„Wir
haben einen Auftrag erhalten. Es geht um einen Botschafter der entführt worden
ist. Es sind zwar offizielle Gespräche im Gange, doch sieht es schlecht aus.
Wir sollen den Mann befreien und in Sicherheit bringen.“
Si’jsk
nickte und wartete schweigend auf weitere Daten. Er konnte deutlich Blights
Annspannung wahrnehmen. Und noch etwas anderes, weitaus unterschwelligeres.
Es
schien Blight nervös zu machen und das wiederum beeinträchtigte ihre
Zusammenarbeit: Wann immer sie zusammentrafen herrschte eine fast eisige,
ungemütliche Stimmung zwischen ihnen. Sie waren professionell genug, um ihre
Arbeit davon nicht beeinträchtigen zu lassen, aber es störte Si'jsk.
Als
Blight schwieg, hob Si'jsk langsam eine Braue und musterte den Mann vor sich.
Dann beugte er sich plötzlich vor, so dass Blight zusammenzuckte.
„Ich
schlage vor, wir verschieben das, was offenbar zwischen uns steht, auf einen
späteren Zeitpunkt und richten unsere Aufmerksamkeit auf das anstehende
Problem.“
Seine
Stimme war schneidend kalt und ohne jegliche Emotionen. Er hatte keine Ahnung,
welche Vorurteile Blight über ihn hegte. Er selbst wusste nur, dass er ihn
nicht genug kannte, um ihn einschätzen zu können. Das beunruhigte ihn um so
mehr, je stärker er sich der Anziehungskraft dieses Menschen bewusst wurde.
Blight
nickte und riss sich zusammen. Si’jsk hatte Recht. Er musste ihm vertrauen.
Deshalb waren sie hier.
„Der
Botschafter wird den Berichten zufolge auf Yerib gefangengehalten. Es handelt
sich um einen kleinen Planeten mit atembarer Atmosphäre. Er ist scheinbar
unbewohnt. Unter der Wüste, die die gesamte Oberfläche bedeckt, liegen jedoch
weitverzweigte Höhlensysteme, die durchaus bewohnt sein könnten, so meine
Einschätzung.
Mineralablagerungen
in der Oberfläche lassen jedoch keine genauen Messungen des Planeteninneren
zu.“
Er
schwieg kurz und musterte den abwartend dasitzenden Vulkanier. Nichts in dessen
Mine verriet, was er dachte.
„Ich
möchte, dass Sie mich begleiten. Ich bin zwar schon vorher auf Wüstenplaneten
gewesen, denke aber, dass Ihre Erfahrungen in der Wüste nützlich sein könnten.
Zudem wissen wir nicht genau, wer oder was uns erwartet. Gab wird uns mit einem
Shuttle auf der Oberfläche absetzen und nach einer gewissen Zeit wieder
abholen, während die Deirdre in ausreichender Entfernung wartet. Das Schiff
wird dabei zur Tarnung als Schulschiff unterwegs sein und einige Übungsmanöver
absolvieren.“
Si’jsk
nickte und stand auf.
„Wann
brechen wir auf?“
Blight
war über die Ruhe des anderen erstaunt. Gab war in tausend Fragen ausgebrochen,
als er ihn informiert hatte.
„In
einer Stunde.“
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Sternzeit
4219,2: Planet Yarib:
Heißer
trockener Wüstenwind empfing sie, als sie schnell das Shuttle verließen und
sich so schnell es ging entfernten, damit Lieutenant Gab wieder starten konnte.
Si’jsk scannte sofort ihre Umgebung mit dem Tricorder. Die Wüstenluft schien
ihn nicht weiter zu stören. Auf sein Anraten hin trugen sie statt der
Standarduniform leichte, relativ eng anliegende bequeme Hosen, einen weiten
Umhang mit einer großen Kapuze, die sich wie ein Schleier vor das Gesicht legen
ließ, so dass nur noch die Augen frei blieben, und leichte lederne Stiefel.
Alles war aus einem hellen, angenehmen Material.
Blight
wusste nicht, dass genau dies die Kleidung war, die Si’jsk jahrelang in der
vulkanischen Wüste getragen hatte. Er fand sie überraschend bequem und
praktisch in der heißen Sonne.
Si’jsk
hatte ihm gezeigt, wie er sein Gesicht schützen konnte, und während er jetzt
die Kapuze so arrangierte, dass er gerade noch etwas sehen konnte, wartete er
auf den Bericht Si’jsks.
Der
Vulkanier schien von der Hitze völlig unbeeindruckt zu sein. Tatsächlich genoss
er es sogar, die sengende Sonne auf der Haut zu spüren. Ihm wurde bewusst, wie
vergleichsweise kalt die bevorzugte Umgebungstemperatur der Menschen war.
„Keine
Lebenszeichen in unserer unmittelbaren Nähe. Einige Kilometer entfernt kann ich
jedoch einige tierische Lebensformen ausmachen. Vermutlich handelt es sich um
Raubtiere.“
Blight
stutzte. „Und woraus schließen Sie das?“
„Aus
der Kombination der Körpergröße und der Geschwindigkeit, mit der sie sich
bewegen. Und aus Erfahrung.“
Er
warf dem Menschen einen herausfordernden Blick zu. Dann schlang er sich mit der
Übung jahrelanger Gewohnheit die Kapuze um den Kopf und hängte sich seinen Teil
der Ausrüstung um. Sie hatten nur wenig bei sich. Jeweils einen Tricorder,
einen Phaser, ein Medokit, Lampen und ein Kommodul, sowie einige Rationen
Wasser und Energieriegel. Mehr würde sich als hinderlich erweisen, sollten sie
schnell fliehen müssen oder in Gefahr geraten.
„Ich
schlage vor, wir gehen in diese Richtung.“
Si’jsk
deutete auf einige Berge, die er am Horizont gerade noch ausmachen konnte. Er
vermutete, dass sich dort vielleicht ein Einstieg zu dem unterirdischen
Höhlensystem befand, das sie suchten.
Blight
nickte. Er konnte in der flimmernden Hitze und grellen Helligkeit praktisch
nichts sehen und musste sich ganz auf den Vulkanier verlassen.
Si’jsk
schlug ein langsames, gleichmäßiges Tempo ein, in dem sie aber, wie Blight nach
einiger Zeit feststellte, überraschend schnell vorankamen. Er konnte jetzt
ebenfalls die Berge als dunkle Schatten erkennen. Sein Augen tränten zu sehr um
sich besser orientieren zu können. Tricordermessungen überzeugten ihn davon,
dass sie dem Höhlensystem, in dem der Botschafter vermutlich gefangengehalten
wurde, schon um einiges näher gekommen waren.
„Ich
schlage vor, wir rasten, sobald wir die ersten Ausläufer des Gebirges erreicht
haben. Dort finden wir vermutlich etwas Schatten.“
Blight
warf Si’jsk einen etwas unsicheren Blick zu. Er hatte ihm die Führung
anvertraut, da sich dieser weitaus besser als er selbst in einer Umgebung wie
dieser zurechtfand. Dennoch war er misstrauisch. Irgendetwas an dem Vulkanier
machte ihn nervös. Obwohl es objektiv betrachtet keinen Grund dafür gab.
Si’jsk
spürte die Unruhe des Menschen. Er seufzte lautlos. Er wollte keinen Streit und
hatte keine Ahnung, wie er den Menschen davon überzeugen sollte, dass sie auf
der gleichen Seite standen. Ganz zu schweigen davon, dass er sich inzwischen
mehr von ihm wünschte.
Plötzlich
wurden sie von den Füßen gerissen und Sand peitschte um sie herum auf. Blight
schnappte nach Luft und versuchte den Sand auszuspucken, der ihm in den Mund
geraten war. Er spürte, wie Si’jsk mit einem überraschend harten Griff seinen
Arm packte.
Er
wurde hochgerissen, als der Vulkanier ihn mit sich zerrte und versuchte trotz
des sich bewegenden Bodens in den Schutz einiger naher Felsen zu gelangen.
Endlich
ließ er ihn an einer etwas geschützteren Stelle zu Boden gleiten.
Blight
keuchte und schnappte nach Luft.
„Was
um alles in der Welt war das?“
„Ein
Erdbeben.“ Si’jsk beobachtete die Daten, die ihm sein Tricorder lieferte.
„Ein
Erdbeben! Wollen Sie mich verscheißern?“
„Ich
habe nichts dergleichen vor.“ Si’jsk bedachte ihn mit einem schwer zu deutenden
Blick.
„Die
Daten, die ich in den letzten Minuten aufzeichnen konnte, deuten darauf hin,
dass sich unter uns große Kammern befinden, die kurz davor sind einzustürzen.
Vermutlich ist ein kleiner Teil eingestürzt, als wir uns gerade darüber
befanden.“
„Und
was löst diesen Wahnsinn aus?“
„So
unglaublich es klingen mag: Elektrizität.“
Blight
winkte ab. „Hier, in dieser Einöde? Wo soll die denn her kommen. Es sei
denn...“
„Es
sei denn was?“ Si’jsk wandte sich ihm zu.
Blight
starrte nachdenklich vor sich hin. „Was, wenn dieser Planet einmal bewohnt war,
und sich die Bewohner aufgrund einer Naturkatastrophe, die die Oberfläche
verwüstete, in den Untergrund zurückzogen. Es wäre gut möglich, dass sie so
etwas wie unterirdische Kraftwerke errichtet haben. Im Lauf der Zeit sind diese
dann instabil geworden.“
Si’jsk
durchdachte die Idee des Captains einen Moment lang. Dann schüttelte er knapp
den Kopf.
„Nein.
Ich halte es eher für wahrscheinlich, dass wir auf etwas anderes stoßen werden.
Wir sollten uns nach einem sicheren Platz für die Nacht umsehen. Es wird bald
dunkel werden."
Er
stand geschmeidig auf und nahm seine Ausrüstung an sich. Blight folgte seinem
Beispiel ohne weitere Fragen zu stellen. Si'jsks stoische Ruhe schien sich
allmählich auch auf ihn zu übertragen. Etwas Beruhigendes, Vertrautes, ging von
dem Vulkanier aus und Blight beschloss, seiner Intuition - und damit auch
Si'jsk - zu vertrauen. Zumindest sollte er ihm eine Chance geben.
Er
wusste inzwischen genug über Si'jsks Lebenslauf, um ihn etwas besser
einschätzen zu können und nichts was der Vulkanier tat, wiedersprach dem Bild,
das sich Blight von ihm gemacht hatte.
Warum
machte er ihn dann derartig nervös?
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Ein kühler Wind strich über seine nackten Arme und Si'jsk
fröstelte. Steif von der Kälte der Nacht stand er auf und lockerte die
verkrampften Muskeln. Er sah sich um.
Ein kühles blaues Licht lag über der Wüste und kündete von
den ersten Sonnenstrahlen, die bald über den Horizont hereinbrechen würden.
Si’jsk drehte sich um und warf einen Blick auf den
schlafenden Blight. Als die Dunkelheit hereingebrochen war hatten sie eines der
Täler erreicht, die in die Berge hinaufführten. Es bot ihnen genug Schutz, so
dass sie sich entschlossen, hier die Nacht zu verbringen.
Blight war durch den Marsch erschöpft gewesen, doch Si’jsk
hatte es fast genossen, wieder in einer Wüste unterwegs zu sein. Er hatte dem
Menschen angeboten, die erste Wache zu übernehmen und dieser hatte dankbar
angenommen.
Si’jsk hatte nicht erwähnt, dass er nicht vorhatte, zu
schlafen. Er brauchte nicht viel Schlaf. Eine kurze Meditation brachte ihm oft
die gleiche Erholung. Er vergewisserte sich, dass keine Lebensformen in ihrer
Nähe waren und ließ sich dann auf den harten Steinen nieder.
Als er die Augen schloss und seine Aufmerksamkeit in sein
Innerstes lenkte, quollen Bilder aus seiner Kindheit in ihm empor.
Er hatte lange Jahre in der Wüste verbracht, nachdem er und
seine Geschwister dorthin geflohen waren, als ihr Haus von Plünderern
überfallen worden war. Einige Zeit waren sie zusammengeblieben, doch dann
wurden sie in einem Sandsturm voneinander getrennt. Si’jsk hatte keine Spur
mehr von ihnen gefunden, als der Sturm nach Tagen endlich verebbte. Er hatte
angenommen, dass sie tot waren. Also war er allein in der Wüste geblieben.
Irgendwann wanderte er durch die Wüste zurück nach Shi-Khar.
Die Stadt, in der er geboren worden war, schien nur noch aus Trümmern und
Ruinen zu bestehen. Auch sein Elternhaus war zerstört worden. Er suchte in den
Ruinen, doch er fand keine Spur, die seine Geschwister vielleicht hinterlassen
haben mochten.
Er blieb nicht lange. Doch in der kurzen Zeit, in der er
durch die Ruinen streifte, beobachtete er die anderen und lernte von ihnen. Er
kehrte in die Wüste zurück.
Irgendwann gesellte er sich dann den Vulkaniern hinzu, die
immer wieder in unregelmäßigen Abständen in die Berge kamen, um zu jagen oder
um Heilkräuter zu sammeln.
Sie lebten in einigen gar nicht weit entfernten
unterirdischen Grotten und Kammern, die vor Jahrtausenden von ihren Vorfahren
in die Felsen unter der Wüste gegraben worden waren.
Si'jsk wanderte oft durch die kilometerlangen Kammern und
Gänge und bewunderte die Zeichnungen und Inschriften an den Wänden. Hin und
wieder stießen er und seine Gefährten, die ihn auf seinen Streifzügen
begleiteten, auf Gewölbe die einst bewohnt gewesen waren. Werkzeuge, Waffen,
Reste von verdorbenen Nahrungsmitteln deuteten auf einen Zeitraum von etwa
acht- neunhundert Jahren hin.
In einigen dieser Kammern fanden sie Schriftrollen. Sie
entzifferten die Texte und erfuhren so von den geheimen Fähigkeiten jener
Vulkanier, die damals als Gedankenlords bezeichnet worden waren. Als die
letzten von ihnen zur Zeit Suraks begriffen hatten, dass es für sie in einer
Welt, in der nur Logik und Rationalität existierten keinen Platz mehr gab,
schrieben sie all ihr Wissen und ihre Fähigkeiten nieder und verbargen die
Schriftrollen in den Katakomben ihrer Ahnen.
Keiner von jenen, die jetzt in den Katakomben lebten, besaß
die vollständige mentale Ausbildung. Und obwohl einige Alte sie mit den im
Krieg unbeliebten und in Teilen sogar verbotenen Lehren Suraks vertraut
machten, lernten sie die mentalen Disziplinen der Gedankenlords. Si'jsk wurde
schnell zu einem der Besten unter ihnen und so war es nur eine Frage der Zeit,
bis er die Rolle des Anführers übernahm, zumal er sich bei Streifzügen im
Gebirge als fairer und verantwortungsbewusster Führer erwiesen hatte.
Irgendwann
kehrte er dann jedoch wieder in die Stadt zurück. Er wollte lernen. Und er
wusste, dass es mehr gab, als er in den Katakomben erfahren konnte. Sein Vater
hatte ihn einmal, als sie in der Wüste unterwegs gewesen waren, auf die
Schönheit des Sternenhimmels aufmerksam gemacht. Das All schien seinen Vater zu
faszinieren und irgendetwas zog ihn dorthin. Doch als einfacher
Computerspezialist hatte er kaum Gelegenheit, sich im All aufzuhalten.
Si’jsk
war von der Faszination seines Vaters beeindruckt und in den Jahren, die er in
der Wüste lebte, begann auch er jene Sehnsucht zu spüren.
Als
er dann überraschend die Gelegenheit bekam, in den Dienst der vulkanischen
Flotte einzutreten, hatte er zugegriffen und ein Schnellstudium zum Navigator
und Waffenspezialist inklusive eines Kommandotrainings absolviert.
Im
Lauf seines Dienstes war er T’Sut begegnet. Sie gingen beide eine Partnerschaft
ein, obwohl sie einander nichts bedeuteten, wie Si’jsk nach einiger Zeit bitter
feststellte. Allein der Zwang des Pon farr hielt ihn davon ab, die Bindung zu
lösen. Eigentlich war er noch zu jung für diese Art des Wahnsinns, aber
offenbar ließ ihm die vulkanische Natur keine andere Wahl.
Sie
entzweiten sich vollends, als Si'jsk damit begann, Waffensysteme zu sabotieren
und Zivilisten von Vulkan fortzubringen.
Als
sie dann plötzlich das Band zwischen ihnen zerstörte und ihn bei seinen
Vorgesetzten verriet, bedauerte er es nicht, sie auf Vulkan zurücklassen zu
müssen, als er floh. Nur die Lücke, die die zerrissene Partnerschaft in seinem
Bewusstsein hinterlassen hatte, blieb zurück.
Im
Lauf der Jahre entdeckte er, dass er, indem er hin und wieder mit einer Frau
schlief, den Druck des Pon farr gering halten konnte. Er wusste, dass nur eine
neue mentale Bindung jene alte Wunde schließen und den emotionalen Aufruhr des
Pon farr besänftigen konnte. Doch bisher war ihm keine Frau begegnet, die ihn
genug faszinieren konnte, um eine erneute Partnerschaft in Erwägung zu ziehen.
Blight
bewegte sich im Schlaf und murmelte etwas. Si’jsk Bewusstsein reagierte sofort
und er kehrte augenblicklich aus der Trance zurück. Doch es drohte keine
Gefahr.
Der
Vulkanier entspannte sich wieder. Doch er wollte nicht noch einmal an jenen
Teil seiner Vergangenheit erinnert werden und verzichtete darauf, sich wieder
in die Trance fallen zu lassen.
Statt
dessen stand er auf und ließ erneut den Tricorder über die umliegende Felsen
gleiten. Es war alles ruhig. Nur der kalte Nachtwind strich über den Sand und
verursachte ein leises, murmelndes Geräusch, das dem Vulkanier nur zu vertraut
war.
Schließlich
setzte er sich wieder und wartete ab, bis die Nacht vorüber ging.
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Ende
Teil 3