Disclaimer
siehe Teil 1
Teil
2
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Si’jsk
war es gewohnt allein zurecht zu kommen. Durch den Krieg auf Vulkan hatte er
schon als Kind seine Familie verloren.
Eines
Morgens war das Haus von umherziehenden Plünderern überfallen und seine Mutter
getötet worden. Er, damals sieben Jahre alt, war mit seinen beiden älteren
Geschwistern in die Wüste geflohen. Einige Tage waren sie dort
zusammengeblieben, dann hatten sie in einem Sandsturm den Kontakt zueinander
verloren. Si'jsk war nicht in die Stadt zurückgekehrt. Statt dessen war er in
der Wüste geblieben und hatte es geschafft dort mehrere Jahre zu überleben.
Bei
einem seiner Streifzüge fand er ein unterirdisches Höhlensystem, das offenbar
erst durch ein Erdbeben wieder zugänglich gemacht worden war. In den Höhlen,
die vor langer Zeit einmal bewohnt gewesen waren, fand er Aufzeichnungen, die
es ihm ermöglichten, selbst seine noch fast ungeformte Telepathie weiter
auszubilden.
Erst
später begriff er, dass es sich bei jenen Schriften um die verschollenen
Aufzeichnungen der Sandlords gehandelt hatte. Einer Gruppe von Vulkaniern, die
in der dunklen Vorzeit Vulkans mit ihren mentalen Fähigkeiten für Angst und
Schrecken gesorgt hatten. Erst der Einfluss Suraks ließ allmählich ihre Macht
schwinden. Si’jsk hütete sich, jemanden wissen zu lassen, woher die Quelle
seiner mentalen Fähigkeiten stammte. Er selbst war manchmal überrascht, wozu
ihn das verschollene Wissen befähigte.
Die
Gerüchte, die innerhalb der Föderation über ihn im Umlauf waren, spiegelten nur
einen Teil der Wahrheit wider. Er hatte tatsächlich so viele Zivilisten
evakuiert, wie es ihm möglich war, nachdem bekannt geworden war, dass durch
Kämpfe innerhalb der obersten Atmosphärenschicht Vulkans giftige Gase
freigesetzt worden waren, die allmählich den Planeten vergifteten.
Gleichzeitig
hatte er heimlich mehrere Waffentests sabotiert, so dass schließlich einige
geplante Waffensysteme als nicht funktionierend abgelehnt wurden. Seine
damalige Partnerin verriet ihn schließlich, was dazu führte, dass er Hals über
Kopf untertauchen musste.
Er
schaffte es, Vulkan unerkannt zu verlassen und schlug sich als
Gelegenheitsarbeiter auf diversen Außenposten der Föderation durch. Damals
befand er sich in mehr als zweifelhafter Gesellschaft. Doch die Tatsache, dass
er selbst illegal innerhalb der Föderation lebte, ließ ihn in den Kreisen der
Unterwelt willkommen sein.
Doch
dies war nicht seine Welt. Also nahm er Kontakt zu einem der Geheimagenten der
Föderation auf und bot seine Dienste an. Er hatte in jener Zeit viel beobachtet
und konnte sich so seine Aufenthaltsberechtigung innerhalb der Föderation mit
Informationen erkaufen.
Er
wurde wichtig für Geheimdienst und Flotte und er verstand es, sich diesen Platz
zu erhalten. Schließlich wurde er in den Flottendienst berufen. Er hatte das
harte Leben auf den diversen Außenposten satt und nahm an. Eine Weile arbeitete
er offiziell für den Geheimdienst. Seine Fähigkeit, sich als Mensch auszugeben,
kam ihm dabei zu Gute.
Dann
erfuhr er von dem Projekt Admiral Boydans und der Gedanke, wieder auf einem
Planeten zu leben, gefiel ihm. Für seinen Geschmack war er lange genug
heimatlos gewesen. Er wollte wieder einen Ort haben, an der er sicher sein
konnte. Er wusste zwar nicht genau, mit wem er es zu tun bekommen würde, aber
was er bis jetzt erfahren hatte, schien gar nicht mal so übel zu sein.
Sein
Magen knurrte und erinnerte ihn daran, dass er seit einigen Tagen kaum etwas
gegessen hatte. Seine Kindheits- und Jugendjahre in den Wüsten Vulkans hatten
dafür gesorgt, dass er mit sehr wenig Nahrung und Wasser zurecht kam und er
hatte sich diese Eigenschaften zu erhalten gewusst. Aber ganz konnte auch er
nicht darauf verzichten.
Entschlossen
suchte er den Speisesaal des Schiffes auf. Er hätte auch in seiner Kabine essen
können, aber er holte gern so viele Informationen wie möglich ein.
Er
trat schnell durch die Tür und blieb dann etwas seitlich davon stehen, um sich
umzusehen. Eine Angewohnheit, die ihm schon mehrmals das Leben gerettet hatte.
Der Blick O’Brians traf ihn. Der Sicherheitsoffizier hatte ihn sofort bemerkt
und nickte anerkennend, als er das kurze unbewusste Manöver beobachtete.
Si’jsk
gesellte sich zu ihm. Sie waren bereits zwei Tage vor den anderen auf dem
Schiff eingetroffen. Das gegenseitige Misstrauen hatte sich schnell gelegt, als
sie, zurückhaltend zunächst, ins Gespräch gekommen waren. Als Si’jsk dann noch
erwähnte, dass er diverse vulkanische Nahkampftechniken beherrschte, die er
auch an der Akademie als Kurse anbieten wollte, hatte er O’Brians volle
Aufmerksamkeit. Sie fanden schnell heraus, dass sie ebenbürtige Gegner waren
und nutzten die Wartezeit um zu trainieren.
„Kent.“
„Hallo,
Si’jsk. Setzen Sie sich. Ich habe mich schon gefragt, ob Sie überhaupt keine
Nahrung brauchen.“
Si’jsk
schmunzelte. Etwas, womit er Menschen immer wieder verblüffen konnte. Er hielt
nichts davon, Emotionen zu sehr zu unterdrücken. Zudem hatte er schnell
herausgefunden, dass er mit dieser Angewohnheit die Menschen verblüffen und
ablenken konnte, denn sie erwartete von ihm als Vulkanier ein deutlich anderes
Verhalten.
Dr.
Gordon, der Si’jsks etwas lockere Art ebenfalls aufgefallen war, kam neugierig
näher. Sie hatte schon viel von diesem jungen Vulkanier gehört. Sie wusste,
dass er kaum älter als knapp dreißig Standardjahre war. Das entsprach etwa
einem gut zwanzigjährigen Menschen. Es erstaunte sie, was er in dieser
vergleichsweise kurzen Zeit erreicht hatte.
„Darf
ich mich dazugesellen?“
Si’jsk
und O’Brian sahen auf und deuteten dann synchron auf einen Stuhl.
Dr.
Gordon lächelte und setzte sich.
„Halten
Sie stumme Konversation oder war das eben ein Zufall?“
Si’jsk
ahnte, worauf sie anspielte. War sie doch ebenfalls Telepatin. Er schüttelte
den Kopf.
„Letzteres
würde ich sagen.“
„Ich
weiß nicht, wie es Ihnen geht, meine Herren, aber ich habe Hunger.“
„Dem
schließe ich mich an, schöne Frau.“ O’Brian, der keine Gelegenheit ungenutzt
verstreichen ließ, stand auf und bot ihr galant den Arm.
„Darf
ich Sie zur Essensausgabe geleiten?“
Dr.
Gordon lachte und überließ ihm ihre Hand. Si’jsk schloss sich ebenfalls an und
nutze die Gelegenheit um sie unauffällig zu mustern.
Kaum
zu glauben, dass diese Frau es geschafft hatte, sich jahrelang als Vulkanierin
getarnt in der Akademie auf Shi-Khar aufzuhalten und dort auch noch die
vulkanische Medizin zu studieren. Er hatte gehört, dass sie einen bemerkenswert
guten Abschluss erreicht haben soll. In gewisser Weise beruhigte es ihn, dass
ein Spezialist für vulkanische Medizin in der Nähe war. In den letzten Jahren
hatte er sich bei diversen Verletzungen zu oft selbst behandeln müssen, als
dass er noch länger Wert darauf legte.
Die
Speisekarte erwies sich als überraschend abwechslungsreich und Si’jsk genoss
es, sich ein vegetarisches Essen zusammenzustellen. Es machte ihm nicht viel
aus Fleisch zu essen, aber es schmeckte ihm nicht besonders.
Dr.
Gordon, die sich ein Steak bestellt hatte, sah ihn plötzlich betreten an.
„Ich
hoffe, es stört sie nicht...?“
Si’jsk
schüttelte den Kopf.
„Beruhigt
es Sie, wenn ich Ihnen verrate, dass ich durchaus selbst tierische Nahrung zu
mir nehme?“
Manchmal
machte es ihm Spaß, sich absichtlich *vulkanisch* auszudrücken, wie es ein
Saufkumpane in einer Bar einmal ausgedrückt hatte. Si’jsk war damals keine
andere Wahl geblieben, als den Rigelianer praktisch unter den Tisch zu trinken,
bevor dieser ihm wichtige Informationen gegeben hatte. Er war überrascht
gewesen, wie wenig der Alkohol bei ihm Wirkung zeigte. Abgesehen von einer
fürchterlichen Übelkeit am nächsten Tag, war es ihm recht gut gegangen.
Dr.
Gordon legte den Kopf leicht schief und musterte ihn durchdringend. Dann nickte
sie.
Als
sie an ihren Tisch zurückkehrten, bemerkte Si’jsk Silen, der allein in einer
Nische saß und mit einem Tricorder beschäftigt war. Die offiziellen Daten
hatten nicht viel über ihn hergegeben.
Si’jsk
wusste, dass Silen wesentlich älter war als er selbst. Es schien, als hätte er
schon lange vor Zusammenbruch der alten Föderation bei den Menschen gelebt. Er
vermutete, dass ein Zusammenhang mit Silens Talent bei der Entwicklung von
Waffen bestand. Si’jsk wusste, dass solche Fähigkeiten noch vor wenigen
Jahrzehnten auf Vulkan abgelehnt worden waren. Vermutlich war ihm von seiner
Familie nahegelegt worden, den Planeten zu verlassen.
Si’jsk ahnte nicht, wie nahe er mit seinen
Vermutungen der Wahrheit kam.
Silen
hatte den kurzen prüfenden Blick des jüngeren Vulkaniers durchaus bemerkt. Er
wollte jedoch keinen Kontakt zu den anderen.
Noch
nicht.
Er
hoffte innerhalb und mit Hilfe dieser Gruppe von Spezialisten einen Hinweis auf
den Verbleib der verschollenen Schiffe zu finden. Dies war der einzige Grund,
weshalb er sich bereit erklärt hatte, den Auftrag anzunehmen.
Er
konnte Lirien nicht vergessen. Zwar war er, um nicht dem Pon farr zum Opfer zu
fallen, eine Partnerschaft eingegangen, doch ging jeder von ihnen beiden seine
eigenen Wege. Er hatte keine Ahnung, wo sich seine Frau im Augenblick aufhielt.
Es war ihm auch völlig gleichgültig.
Viel
wichtiger war es ihm, herauszufinden, was zu jenem Chaos geführt hatte, an dem
die alte Föderation zugrunde gegangen war. Begonnen hatte es damit, dass
die Enterprise mit einem unbekanntem Auftrag verschollen war. Nachforschungen
hatten nichts ergeben. Daten verschwanden oder wurden vertauscht.
Durch die Berichterstattung in den Medien wurde die
Öffentlichkeit aufmerksam. Hinweise führten schließlich zu der Gewissheit, das
schon seit längerer Zeit - man sprach von etwa einem halben Jahr - immer wieder
Personen verschwanden.
Kurz darauf wurden auch beinahe alle Mitglieder des
Föderationsrates vermisst.
Auch von anderen Planeten erhielt man die Nachricht, dass
Personen verschwanden. Darüber hinaus stieg die Bereitschaft zur Gewalt rapide
an.
Innerhalb kürzester Zeit brachen überall Kriege aus, die von
niemanden kontrolliert, schon bald eskalierten und sich über das gesamten
Gebiet der Föderation erstreckten. Selbst so friedliche Welten wie Vulkan
blieben nicht verschont. Und besonders dort tobte der Krieg am schlimmsten. Es
schien, als hätte es niemals Männer wie Surak gegeben.
Das wiederum erschreckte Terra, und jeder Kontakt mit Vulkan
wurde abgebrochen.
Erst in den letzten Jahren, seit sich ein Großteil der
Kriege mühsam im Zaum halten ließ, suchten einzelne der ehemaligen
Mitgliedswelten wieder den Kontakt zur Erde. Auf gemeinsamen Beschluss hin
wurde eine neue Föderation gegründet, die nun versuchte, wieder so etwas wie
Ordnung und Ruhe in diesem Teil der Galaxie zu verwirklichen...
Nachdenklich
starrte er auf seine Aufzeichnungen. Bevor Lirien an Bord der Enterprise
gegangen war, hatte sie ihm eine kurze Nachricht gesandt. Sie hatte sich nach
diesem Einsatz mit ihm treffen und etwas wichtiges mit ihm besprechen wollen.
Und auch er hatte eine Entscheidung getroffen gehabt. Doch er hatte nie die Gelegenheit
erhalten, sie zu verwirklichen.
Laute
Stimmen ließen ihn aufblicken. Einige der Besatzungsmitglieder der Deirdre
waren offenbar in Streit geraten und die Situation drohte zu eskalieren. Silen
beobachtete, wie Zebron, der wie ein wandelnder Felsbrocken aussah, sich
zwischen die Kontrahenten schob und so den Streit äußerst wirkungsvoll
unterbrach. Er seufzte leise und machte sich daran, Notizen für den bald
beginnenden Unterricht zu machen.
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Sternzeit
4163,2: Camelon:
Blight
stützte sich auf den Querbalken, der den Reitplatz begrenzte und betrachtete
den Anblick, der sich ihm bot.
Zu
den speziellen Bildungsangeboten der Akademie auf Camelon gehörte auch das
Beherrschen der verschiedensten Reittiere. Den größten Anteil hierbei nahmen jedoch
die Pferde ein, die in einem angegliederten Gestüt extra für die Akademie
gezüchtet wurden. Es handelte sich durchweg um äußerst kräftige und schnelle
Tiere, die aus verschiedenen irdischen Rassen gekreuzt worden waren.
Si’jsk
hatte sich schnell als Naturtalent im Umgang mit den Tieren erwiesen und
brauchte inzwischen keinen Unterricht mehr. Offenbar hatte er sogar gefallen an
dieser Art der Fortbewegung gefunden, denn wann immer er konnte, erforschte er
zu Pferde die noch größtenteils unberührte Natur in der Umgebung der Akademie.
Jetzt jedoch trainierte er mit einem der jüngeren Pferde, um es für den
Unterricht auszubilden.
Blight
genoss den Anblick des schlanken Mannes auf dem eleganten Pferd. Beide waren
verschwitzt und deutlich erschöpft, doch mit unerschütterlicher Energie trieb
er das Tier immer weiter voran. Er wollte ein bestimmtes Ziel erreichen und gab
nicht nach, ehe er zufrieden war. Blight hatte er zwar bemerkt, ignorierte ihn
jedoch geflissentlich.
Der
Mensch irritierte Si’jsk in einer Weise, die ihn beunruhigte. Sicher, er war
kein Kind von Traurigkeit und anders als die übrigen Vulkanier war er der einen
oder anderen Affäre nicht abgeneigt. Und es waren nicht immer nur Frauen
gewesen.
Blight
gab ihm in dieser Hinsicht jedoch Rätsel auf. Si'jsk hatte noch nichts von
einer Affäre gehört und wunderte sich etwas darüber, da dies nicht unbedingt
dem Bild entsprach, das er von Menschen - insbesondere männlichen Menschen -
hatte.
Die
intensiven Blicke des Captains machten ihn nervös und er war froh, als das
Pferd die Übungen endlich zu seiner Zufriedenheit ausführte.
Er
lies es in einen ruhigen Schritt verfallen, so dass sich die stark
beanspruchten Muskeln abkühlen konnte. Dann
warf er Blight, der noch immer am Zaun stand, einen unauffälligen Blick
zu. Er war groß und besaß eine schlanke durchtrainierte Figur. Das schmale
Gesicht wurde von schwarzem, leicht gewellten Haar eingerahmt, dass ihm immer
wieder unordentlich ins Gesicht fiel. Zusammen mit den strahlend blauen Augen
verlieh ihm dies das Aussehen eines großen Lausbuben.
Si‘jsk
wusste, dass er ein gefährlicher Gegner sein konnte und sich durchaus seiner
Haut zu wehren wusste. Auch wenn er üblicherweise einen harmlosen Eindruck
machte.
„Nun,
zufrieden?“
Si’jsk
nickte und ließ sich vor Blight vom Pferd gleiten.
„Miracle
verspricht ein gutes Springpferd zu werden. Aber nun entschuldigen Sie mich
bitte. Ich muss mich noch um ein anderes Pferd kümmern.“
Blight
hob in einer einladenden Geste den Arm. „Nur zu. Lassen Sie sich nicht aufhalten.“
Er
sah dem hochgewachsenen Vulkanier nach, als dieser den Weg zum Stall einschlug
und fragte sich, warum er sich in Gegenwart des Vulkaniers wie ein nervöser
Teenager fühlte.
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„Sternzeit
4272,1: Logbuch des Captains: Zwischenbericht.
Wir
sind nun schon seit einigen Wochen auf Camelon stationiert und bisher verlief
alles weitgehend ereignislos.
Dr.
Gordon und Lieutenant Zebron haben es vorgezogen außerhalb des
Akademiekomplexes zu wohnen. Der Unterricht mit den Kadetten ist gut angelaufen,
zumal meine Mitarbeiter sich sehr viel Mühe mit den Schülern geben. Gab und
Si’jsk bieten als zusätzlichen Kurs Reitunterricht an, wobei es weniger um die
Ästhetik geht, sondern vielmehr darum, mit den unterschiedlichsten Reittieren
zurechtzukommen. Beiden ist dieser Bereich sehr wichtig. Ich nehme an, sie
haben in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass solche Kenntnisse
nützlich sind.
Des
weiteren geben Si’jsk und O’Brian Kurse in Nahkampftechniken. Speziell diese
Kurse sind ständig voll belegt.
Silen
gibt einen Ergänzungskurs zu seinem Unterricht, der sich mit spezieller
Waffentechnologie beschäftigt. Ich habe den Verdacht, dass er trotz seines
typisch vulkanischen Verhaltens von den Kadetten für einen Romulaner gehalten
wird.“
Blight
lehnte sich zurück und las den Eintrag noch einmal durch. Er entschloss sich,
nichts von den unterschwelligen Spannungen innerhalb der Gruppe zu berichten.
Ein Teil dieser Spannungen war sicher in den ‚Balzritualen’ begründet, die die
meisten der Männer aufführten um die einzige, sehr attraktive Frau des Teams zu
beeindrucken. Nur Silen und Zebron schienen nicht interessiert.
Si’jsk
hingegen war ein Faktor, der sich schlecht einschätzen ließ. Er war inzwischen
mit einer der Professorinnen ein kurze Affäre eingegangen, was offenbar alle
anderen Frauen, inklusive der weiblichen Kadetten, hatte aufmerksam werden
lassen. Blight hatte vermutet, dass er aufgrund seiner vulkanischen Natur wenig
an den Frauen interessiert sein würde. Er wurde gründlich eines Besseren belehrt.
Hinzu
kam eine eigenartige Faszination, die er auf ihn selbst ausübte. Blight gestand
sich inzwischen ein, dass er die Gesellschaft des Vulkaniers suchte, selbst
wenn dieser ihn fast völlig ignorierte. Er bewunderte die eleganten,
kraftvollen Bewegungen, eigentlich das ganze Erscheinungsbild des anderen
Mannes. Er wusste von einigen Trainingsrunden, dass er es, zumindest
kurzzeitig, an Kraft und Wendigkeit mit dem Vulkanier aufnehmen konnte. Auch in
anderen Dingen waren sie sich ebenbürtig und das war etwas, was Blight nur
selten erlebt hatte.
Er
war der Captain dieses zusammengewürfelten Haufens und eigentlich hatte er
vorgehabt, diese Führungsposition je nach Auftrag auch an andere Mitglieder
seines Teams abzugeben. Inzwischen jedoch hatte sich ein klares Handlungsschema
herausgebildet: Er blieb der Captain und teilte sich diese Führungsposition mit
Si'jsk. Die natürliche Autorität und Würde des Vulkaniers, gepaart mit dessen
Erfahrung und Intelligenz, hatten ihn auf diese Position gehoben. Und Blight
hatte nichts dagegen, ihn an seiner Seite zu wissen, auch wenn es für ihn als
bisherigen Einzelgänger ungewohnt war.
Silen
hingegen zog sich fast völlig von den anderen zurück, was aber seinen
allgemeinen Angewohnheiten zu entsprechen schien. Er schien viel Zeit damit zu
verbringen, nach alten Aufzeichnungen zu suchen. Was er zu finden hoffte, war
Blight ein Rätsel.
Kent
O’Brian hatte sich als sehr trinkfreudig erwiesen. Dass er aber trotz hohem
Alkoholkonsum stets einen klaren Kopf bewahrte, hatte er erst am vergangenen
Abend bewiesen, als es zwischen ihm und einem der anderen Lehrer, ein sehr
eigenwilliger und jähzorniger Geologe, zum Streit gekommen war. Er, Blight,
hatte schließlich einschreiten müssen, sonst hätte der Geologe noch einige weitaus
schlimmere Verletzungen als ein gebrochenes Nasenbein davongetragen. O’Brian,
der vor dem Streit kaum mehr gerade sitzen konnte, war mit einem Schlag wieder
völlig nüchtern gewesen.
Blights
Gedanken schweiften zu der Ärztin. Er respektierte sie, doch er wagte es nicht,
ihr Avancen zu machen. Sie hatte etwas an sich, dass ihn abschreckte. Eine
eigentümliche Ruhe und Gelassenheit ging von ihr aus. Manchmal glaubte er, sie
könne nur indem sie ihn ansah, seine Gedanken lesen. Gut, sie war Telepatin,
aber ob ihre Fähigkeiten so weit gingen, war ihm unklar. Ihre Schönheit und ihr Temperament hingegen wurden davon
nicht beeinträchtigt.
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„Liegenbleiben,
habe ich gesagt.“
Si’jsk
drehte den Kopf und musterte die Ärztin überrascht. Er hatte gerade mit dem
Gedanken gespielt, sich wieder aufzusetzen, da er es als seltsam empfand ruhig
auf der Diagnoseliege zu liegen, obwohl er nicht krank war. Er hatte jedoch
noch keine entsprechende Bewegung gemacht.
Gordon
drehte sich zu ihm um und richtete den Tricorder erneut auf ihn. Dann strich
sie mit den Fingerspitzen über eine wulstige Narbe an seiner Schulter.
„Eine
Lirpa?“
Si’jsk
nickte und musterte sie genauer. Sie war nicht übermäßig groß, wirkte aber
durch die katzenhafte Eleganz mit der sie sich bewegte und ihre Respekt
fordernde Ausstrahlung, die sie umgab, deutlich größer.
Seit
einigen Tagen gab er ihr auf ihren Wunsch hin Unterricht im vulkanischen
Nahkampf. Sie hatte ihn damit überrascht, dass sie ihn mit nur wenigen
Handgriffen kurzzeitig außer Gefecht setzen konnte. Daher wusste er, dass sie
deutlich kräftiger und zäher war, als die meisten menschlichen Frauen.
Ihr
langes braunrotes Haar, das sie meist zu einem Zopf geflochten trug, viel über
ihre Schulter. Er fand, dass die Farbe gut zu ihrer blassen Haut und den
braunen Augen passte.
Die
runzelte die Stirn und musterte ihn kritisch.
„Lassen
Sie das, Si’jsk.“
Verwirrt
suchte er ihren Blick, erkannte dann aber an dem feinen Lächeln in ihren
Mundwinkeln, dass sie ihn nur neckte.
„Wie
viel können Sie ohne direkten Kontakt wahrnehmen?“
Gordon
war die Art der Vulkanier direkte und unverblümte Fragen zu stellen nur zu
vertraut. Sie lachte.
„Nicht
so viel, wie es den Anschein hat. Ich kann über kurze Distanzen hinweg – so bis
etwa zehn Meter – starke Emotionen wahrnehmen. Doch da man auch sehr viel an
der Körpersprache ablesen kann, muss ich diese Fähigkeit nur selten
einsetzen."
Sie
bemerkte seinen verwirrten Blick und fuhr fort, während sie ihren Tricorder neu
justierte.
„Mein
Großvater war ein Meister im Lesen der Körpersprache. Er hat mich gelehrt,
worauf man achten muss, um zu erkennen, was der andere wirklich denkt und
fühlt. Im Lauf der Zeit, als ich dann andere Spezies kennen gelernt habe, habe
ich herausgefunden, dass im Grunde alle hominiden Spezies eine vergleichbare
Körpersprache besitzen. Vorausgesetzt, man kennt den gesellschaftlichen und
ideologischen Hintergrund der entsprechenden Person, kann man schon allein aus
Haltung und Gestik sehr viel erfahren.“
Sie
runzelte die Stirn und wiederholte die eben durchgeführte Messung.
„Gibt
es in Ihrer Familie irgendwelche Besonderheiten?“
Si’jsk
schüttelte den Kopf. „Nicht dass ich wüsste. Stimmt etwas nicht?“
Er
war neugierig geworden, denn die Reaktion der Ärztin erschien ihm ungewöhnlich.
Er wusste, dass er zur Zeit nicht krank war. Es musste also etwas anderes sein,
dass ihre Aufmerksamkeit fesselte.
„Das
weiß ich noch nicht genau. Ich habe eben die allgemeine Zusammensetzung ihres
Blutes überprüft und festgestellt, dass darin Komponenten enthalten sind, die
in Ihrem Köper eigentlich nichts zu suchen haben. Es sei denn...“
„Es
sei denn was?“
Si’jsk
setzte sich auf und schwang die Beine von der Liege. Dann trat er neben die
Ärztin und warf einen Blick auf die Werte, die sie eben in ihren Diagnosecomputer
überspielte.
„Ich
habe schon einmal während meines Studiums auf Vulkan ähnliche Werte gesehen.
Ich hatte mir jedoch damals nichts weiter dabei gedacht, weil ich es für eine
natürliche Spielart ihrer Spezies gehalten habe. Inzwischen weiß ich jedoch,
dass solche Werte extrem selten sind, und nur unter einer Voraussetzung
auftreten.“
Sie sah ihn an. Dann stutzte sie und hob den
Tricorder auf Höhe seiner Augen.
„Natürlich.
Ich Idiot.“ Sie gab schnell einige Befehle in den Rechner ein. Im nächsten
Augenblick bot ihr der Bildschirm ein Diagramm dar.
„Sie
sehen hier die einzelnen Blutbestandteile – Zellen, Hormone, Fremdkörper,
Plasma usw. – in ihrem jeweiligen prozentualen Vorkommen.“
Sie
nahm einen Datenstift und deutete auf ein Kurve, die sich genau parallel zu
jener gebildet hatte, die die Menge seines im Blut gelösten Kupferanteils
angab.
„Sehen
Sie die beiden Kurven. Die obere gibt den Kupferanteil im Blut an. Da ihr Blut
anders als das menschliche auf Kupfer basiert, ist der Wert relativ hoch. Die
andere, tiefer gelegene Kurve gibt den Eisenanteil im Blut an. Bei Menschen
wäre dieser Wert deutlich höher, doch da Sie Vulkanier sind, ist er niedriger.
Er sollte, genau genommen, überhaupt nicht vorhanden sein.“
Sie
rief schnell einige andere Daten auf. Es erschien ein weiteres Diagramm.
„Hier
sind zum Vergleich die Daten eines anderen Vulkaniers.“
Sie
deutete stumm auf den Bildschirm. Si’jsk sah, dass keine Kurve vorhanden war,
die einen Eisenanteil angab.
Verwirrt
sah er die Ärztin an.
„Das
würde bedeuten, dass ich...“
„...dass
Sie menschliches Blut bzw. genauer gesagt menschliche Gene besitzen. Ja.
Irgendwann in der letzten oder vorletzten Generation muss ein Mensch unter
ihren Vorfahren gewesen sein. Ihre farblose Iris ist übrigens auch ein Hinweis
darauf, der meinen Verdacht bestätigt. Diese Anomalie tritt allerdings
sporadisch in manchen vulkanischen Familien auf, ohne das menschliches Blut im
Spiel wäre. Deshalb habe ich dem bis jetzt noch keine Bedeutung beigemessen.“
Si’jsk
schüttelte den Kopf. „Nun, offensichtlich entspricht es den Tatsachen. Doch
habe ich keine Ahnung, wer der Betreffende ist. Meine Eltern waren Vulkanier,
daran habe ich keinen Zweifel. Meine Großeltern habe ich jedoch nie kennen
gelernt. Ich kenne nicht einmal ihre Namen.“
Dr.
Gordon verschränkte die Arme.
„Nun,
dann müssen wir dieses Rätsel wohl ungelöst lassen. Es spielt aber auch weiter
keine Rolle. Da ich jetzt Bescheid weiß, kann ich mich informieren, wie ich Sie
im Falle einer schweren Verletzung oder einer Krankheit behandeln kann. Es ist
gut möglich, dass die üblichen Medikamente bei Ihnen nicht wie gewohnt
anschlagen. Aber da wir gerade dabei sind...“
Sie
trat näher und strich über eine andere Narbe am Rücken. Si’jsk zuckte zusammen,
als er überraschend einen scharfen Schmerz fühlte.
„Dachte
ich es mir. Es sind noch Splitter in der Narbe vorhanden. Ich nehme an, dass
sie hin und wieder etwas spüren?“
Si’jsk
nickte. Manchmal taten einige der Narben, die er sich in seiner Zeit auf Vulkan
und während seines Dienstes in der vulkanischen Flotte zugezogen hatte,
unangenehm weh. Es störte ihn nicht weiter, da er den Schmerz relativ leicht
beiseite schieben konnte.
„Ich
schlage vor die alten Wunden noch einmal zu öffnen und neu zu versiegeln. Es
dürften dann deutlich weniger sichtbare Narben zurückbleiben und die Schmerzen
werden verschwinden."
Si’jsk nickte. Warum eigentlich nicht?
„Gut,
dann kann ich gleich untersuchen, wie Ihr Gerinnungssystem funktioniert."
Zwei
Stunden später fühlte sich Si’jsk, als hätte er soeben einen Kampf mit einem
LeMatya ausgetragen. Dr. Gordon hatte erbarmungslos alle Narben geöffnet, wenn
nötig gereinigt und wieder versiegelt. Jetzt betrachtete sie zufrieden das
Ergebnis ihrer Arbeit.
Si’jsk
war überrascht, wie schnell und effizient sie arbeitete. Ihm fiel auf, dass
ihre mentale Abschirmung perfekt war. Obwohl sie ihn ständig berührt hatte,
hatte er nicht ein einziges Mal ein mentales Signal von ihr empfangen.
Als
er sie darauf hinwies, lachte sie.
„Oh,
Si’jsk. Ich glaube, Sie haben keine Ahnung, was es für mich bedeutet hat, als
Mensch unerkannt unter Vulkaniern zu leben. Ich musste in meiner Zeit auf
Vulkan mein gesamtes Verhalten umstellen. Bevor ich nach Vulkan ging war ich
ähnlich impulsiv wie O'Brian oder Blight. Hätte ich nur ein einziges Mal meinem
Temperament nachgegeben, wäre ich vermutlich standrechtlich exekutiert worden.“
Sie
schüttelte amüsiert den Kopf, dann wurde sie übergangslos ernst. Etwas
trauriges schien ihr in den Sinn gekommen zu sein.
„Wissen
Sie, Si’jsk. Sie erinnern mich an jemanden, den ich damals auf Vulkan kennen
gelernt habe. Heute wünsche ich mir, ich hätte damals meine Tarnung aufgeben
können, und tun können, was ich mir gewünscht habe. Doch es hätte unser beider
Tod bedeutet. Also lernte ich, mich zu beherrschen, was auch immer geschah.“
Sie
wandte sich ab und beschäftigte sich mit ihrem Tricorder. Als sie sich wieder
umdrehte, hatte sie sich wieder in der Gewalt.
„Sie
sind fertig, Si’jsk. Ich kann sie als völlig gesund entlassen.“
Er
murmelte etwas und streifte sich seinen Uniformpulli wieder über.
„Sagten
Sie etwas?“
Er
sah sie an. Sie konnte deutlich den spitzbübischen Ausdruck in seinen Augen
sehen, auch wenn sein Gesicht völlig ausdruckslos blieb. Plötzlich wusste sie,
warum es manchmal so schien, als lachte er, obwohl er es nicht tat.
„Ich
sagte nur, dass ich mich inzwischen kränker fühle, als zu der Zeit, als ich
diesen Raum betrat. Was erwartet mich, wenn ich als Verletzter hier
hereinkomme?“
„Oh,
machen Sie das sie raus kommen.“
Sie
deutete gespielt wütend auf die Tür.
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Ende
Teil 2