Durch
Zeit und Raum
Disclaimer
siehe Teil 1
Teil
10
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Sternzeit
4712,3: USS Exec
Sevrin
richtete sich auf. Irgend etwas hatte ihn geweckt. Er schwang die langen Beine
von der schmalen Liege und stand auf. Er bewegte sich lautlos, als er durch
sein Quartier schlich. Doch da war nichts.
Verwirrt
ließ er sich vor der Computerkonsole nieder. Offenbar hatte er wieder einmal
geträumt. Träume, die in letzter Zeit immer häufiger seinen Schlaf störten.
Träume, die ihn mehr beunruhigten, als er sich selbst eingestand.
Er
versuchte, seinen Verstand zu beruhigen und in eine Meditation überzuwechseln.
Doch es gelang ihm nicht. Gesichter schoben sich dazwischen. Geräusche,
Stimmen. Er sah einen hellen, leicht gebogenen Gang. Menschen in Uniformen, die
an ihm vorbeigingen. Sie schienen ihn zu kennen, grüßten respektvoll. Er kannte
sie nicht.
Sevrin
schüttelte unwillig den Kopf und stand wieder auf. Er konnte genauso gut wieder
an die Arbeit gehen. Vielleicht war es die ungewohnte Umgebung. Seit drei
Wochen war er nun schon an Bord des Schiffes...
Während
er sich ankleidete wanderten seine Gedanken in die nahe Vergangenheit. Durch
die Evakuierung Vulkans war er nach Tullion gekommen. Durch Zufall hatte er
erfahren, dass auf einer der Raumstationen der Flotte Computerspezialisten
gesucht wurden. Er bewarb sich und erhielt schon nach wenigen Tagen eine
Zusage. Einige Monate lang hatte er auf der Station gearbeitet. Dann war einer
der dort häufig anwesenden Raumschiffcaptains auf ihn aufmerksam geworden. Er
hatte ihn angesprochen, weil er in seinem Computerteam noch Verstärkung
brauchen konnte.
Sevrin
hatte zunächst gezögert, doch das All übte eine seltsame Faszination auf ihn
aus. Schließlich sagte er zu. Nun war er hier. Er wunderte sich zwar, dass er
als Zivilist an Bord eines Starfleetschiffes arbeiten konnte, doch er machte
sich auch nicht zu viele Gedanken darüber. Von der Mannschaft hielt er sich
weitgehend fern. Er spürte die Feindseligkeit, mit der die Menschen ihm
begegneten. Sie erschien ihm seltsam vertraut.
„Sevrin,
melden Sie sich in der Computerstation.“
Noch
bevor er antworten konnte, wurde das Interkom abgeschaltet.
Seine
Verblüffung äußerte sich lediglich in einer gehobenen Augenbraue. Dann verließ
er seine Kabine und machte sich auf den Weg.
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„Ich
soll Sie nach Camelon bringen.“
„Camelon?“
Sevrin musterte den Captain mit milder Verwunderung.
Simon
Perkins fühlte sich unter dem Blick des Vulkaniers unbehaglich. Die
unerschütterliche Ruhe und die nie versagende Selbstbeherrschung des Mannes
machten in nervös.
Er
mochte Vulkanier nicht. Doch Kommodore Boydan hatte ihm keine Wahl gelassen. Er
hatte den Auftrag bekommen, Sevrin auf Herz und Nieren zu testen.
Der
Vulkanier war einer der Besten Computerspezialisten, die es gab. Doch er schien
sich seiner Fähigkeiten selbst nicht bewusst zu sein. Er schaffte es, Aufgaben
in einer Zeit zu lösen, von der andere nur träumen konnten. Und er besaß ein
Wissen, dass über seinen Beruf weit hinausging. Er, Perkins, hatte ihn
beobachtet und die Daten an Boydan übersandt. Nun hatte er die Order bekommen,
ihn nach Camelon zu bringen. Dort gab es einen Außenposten der
Starfleet-Akademie.
Vielleicht
brauchten die dort einen Computerspezialisten. Ihm war es egal. Er war nur
froh, den Vulkanier los zu sein.
„Ja,
Camelon. Das Starfleethauptquartier schickt Ihnen diese Daten. Nutzen Sie die
Zeit, um sich zu informieren. Wir werden in zwei Stunden den inneren
Sicherheitsring um Camelon passieren.“
Captain Perkins reichte Sevrin eine Datendiskette
und verließ dann fast fluchtartig den Raum.
Sevrin
betrachtete einen Moment die Diskette. Dann setzte er sich an eine der Konsolen
und öffnete die Datei.
Eine
halbe Stunde später lehnte er sich nachdenklich zurück.
Ein
gewisser Captain Blight hatte ihn als Spezialisten für ein Team von
Geheimagenten angefordert, die, getarnt als Lehrkräfte der Akademie, von
Camelon aus agierten. Seine Aufgabe würde es sein, gemeinsam mit Blight und
Si’jsk, dem zweiten Leiter der Gruppe, die einzelnen Teams von Camelon aus zu
koordinieren. Er würde die gesammelten Daten katalogisieren, mit anderen Daten
vergleichen und auswerten.
Er wusste nicht, um was für Daten es sich handeln
mochte, doch die Aufgabe faszinierte ihn.
Si’jsk...
Der Name weckte Erinnerungen in ihm, die er längst verdrängt zu haben glaubte.
Ein Kind. Sein Kind. Der Junge war immer rebellisch und eigensinnig gewesen.
Sevrin versuchte sich, an seine eigene Kindheit zu erinnern, doch da war
nichts. Er fragte sich wieder einmal, was geschehen war. Was ihm die Erinnerungen
genommen hatte. Sevrin stand entschlossen auf. Dies konnte nicht sein Sohn
sein.
Si’jsk war tot.
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Sternzeit
4712,4: Camelon
„Was
ist eigentlich in dich gefahren?“
„Was
meinst du damit, Si’jsk?“
Si’jsk
musterte seinen Bruder. Er wich ihm aus, das spürte er genau.
„Ich
frage mich, wie lange du noch das Benehmen deiner Frau dulden willst. Sie tritt
deine Würde mit Füssen und scheint es zu genießen, dich vor allen lächerlich zu
machen. Und alles was du tust, ist zu schweigen und es zu dulden. Ich glaube
kaum, dass dir verborgen bleibt, wo und mit wem sie die Nächte verbringt!“
In
Sarduks Wange zuckte ein Muskel, doch sonst konnte ihm Si’jsk keine Reaktion
anmerken.
„Du
hast also auch schon ihre Bekanntschaft gemacht?“
Der
bittere Unterton ließ Si’jsk vermuten, dass die Eskapaden seiner Partnerin
nicht spurlos an Sarduk vorbeigingen. Was war nur los mit ihm? Zunächst hatte
es so ausgesehen, als wäre er überglücklich darüber, T’Ric wiederzusehen. Sie
hatte ihm einen Arbeitsplatz in der Klinik angeboten. Und als sie seine
Partnerin kennen lernte, hatte sie sich sichtlich zusammengenommen und hatte
akzeptiert, dass er für sie unerreichbar geworden war. Was erwartete er noch?
Und dann das Benehmen seiner Partnerin. Si’jsk schüttelte den Kopf.
„Sie
hat versucht, mich zu verführen. Aber ich kann dir versichern, dass ich an ihr
kein Interesse habe. Sie ist deine Partnerin.“
„Das
wundert mich. Deinem Ruf zufolge, bist du nicht gerade wählerisch in der Wahl
deiner wechselnden Geliebten.“
Si’jsk zuckte nur mit den Schultern. Er hatte für
keine der Frauen etwas empfunden.
„Irgendwie
muss ich versuchen, dem Druck des Pon farr standzuhalten. Da ich weiß, dass die
Drogen nicht sehr lange helfen, habe ich mich für diesen Weg entschieden. Und
da das Vertrauen, dass ich meiner ehemaligen Bindungspartnerin geschenkt habe,
mir beinahe das Leben gekostet hat, denke ich nicht daran, mich erneut zu
binden. Es bleibt mir also keine andere Wahl.“
Seine
Antwort überraschte Sarduk sichtlich. Er hatte nicht mit einem solchen
Pragmatismus gerechnet.
„Was
ist nun mit T’San. Wirst du sie zurechtweisen?“
„Es
ist meine Angelegenheit. Zudem verlassen wir Camelon sobald wie möglich.“
Si’jsk
stutzte. Was sollte das nun wieder.
„Darf
ich den Grund dafür erfahren?“
„Nein.“
Sarduk
wandte sich ab. Das Gespräch war für ihn beendet.
„Wenn
du nicht gedenkst, etwas zu unternehmen, werde ich es tun. Als dein Bruder habe
ich nach vulkanischem Recht und Tradition die Aufgabe, an deiner statt dafür zu
sorgen, dass sich deinen Partnerin angemessen verhält.“
Sarduk
drehte sich um und funkelte ihn wütend an.
„Ich
sagte bereits, dass es dich nichts angeht.“
„So?“
„Halte
dich da raus, Si’jsk. Du weißt nicht, worauf du dich...“
Sarduk
brach ab. Es schien, als hätte er schon zu viel gesagt.
„Worauf
lasse ich mich denn ein, Sarduk? Womit setzt sie dich unter Druck?“
Der
entsetzte Blick seines Bruders, sagt Si’jsk, dass er richtig vermutet hatte.
Nun, da er das Tor geöffnet hatte, ging er auch hindurch.
„Womit
hat sie dir gedroht, wenn du denn Kontakt mit Gordon oder mir nicht abbrichst?
Geht es um Sorel? Oder um etwas anderes?“
Die
Fragen prasselten wie Hagelkörner auf Sarduk ein. Schließlich hob er den Blick
und sah seinen Bruder an. Si’jsk konnte eine Furcht in seinen Augen erkennen, die
im Sorgen machte. So kannte er seinen Bruder nicht. Er hatte sich nur selten
untergeordnet, war nie einer Diskussion oder einem Streit ausgewichen. Immer
hatte er seine Position zu verteidigen gewusst. Was war geschehen?
Er
trat auf ihn zu und schüttelte ihn.
„Verdammt,
Sarduk! Sag mir was los ist, damit ich dir helfen kann. Wir sind Brüder. Du
solltest mir vertrauen, anstatt mich wie einen Feind zu behandeln.“
Sarduk
ließ den Kopf hängen. Si’jsk musste sich anstrengen, um seine leisen Worte zu
hören.
„Sie...
Sie ist zu Dingen fähig, denen ich nichts entgegensetzen kann. Sie nutzt meine
telepatischen Fähigkeiten, um anderen zu schaden.“
Er
hob den Kopf und sah Si’jsk an. In seinen Worten schwang deutlich seine
Hoffnungslosigkeit mit.
„Glaubst
du wirklich, ich habe mir ihr Verhalten zu Beginn gefallen lassen? Ich habe sie
zurechtgewiesen, das kannst du mir glauben. Als sie nicht aufhörte, wollte ich
mich von ihr trennen. Sie hat es nicht zugelassen. Sie hat schnell gelernt,
meine mentale Kraft anzuzapfen, so dass ich ihr inzwischen ausgeliefert bin.
Und wenn ich nicht tue, was sie fordert...“
Er
wandte sich ab. „Sie ist fähig mit ihrer Telepathie zu töten. Ich habe es
erlebt. Und ich weiß nicht, was sie Sorel oder T’Ric antut, wenn ich nicht...“
Si’jsk
schwieg überrascht. Damit hatte er nicht gerechnet. Doch Sarduk hatte auch
seine Macht unterschätzt.
„Sie
besitzt die gleichen Fähigkeiten, wie sie die Sandlords hatten. Ich weiß nicht,
woher sie die Kenntnisse hat, aber sie nutzt sie aus, um andere zu manipulieren.
Ich habe erst nach der Bindung gemerkt, welche Macht sie hat.“ Sarduk sprach
tonlos, so als hätte er keine Kraft mehr, weiterzumachen.
Si’jsk
straffte die Schultern und fasste einen Entschluss.
„Sarduk.
Was auch immer geschieht: Bleib mit Sorel hier in der Klinik.“
Sarduk
drehte sich um.
„Si‘jsk, nein. Ich bitte dich. Mische dich nicht ein. Sie ist fähig
dir oder deinen Gefährten etwas anzutun. Ich möchte nicht, dass euch etwas
geschieht. Ich habe gelernt, damit zu leben. Bitte Si’jsk.“
Doch
Si’jsk schüttelte nur den Kopf und ging.
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Er
fand T’San auf Anhieb. Wie so oft verbrachte sie die Abende in einer der Bars.
Er trat auf sie zu. Ihr Begleiter musterte ihn unwillig, doch sie ignorierte
ihn.
„Si’jsk!
Es erstaunt mich, dich hier zu sehen.“
„Ich
habe dich gesucht, T'San.“
„So?
Und worum geht es?“
„Errätst
du es nicht?“ Es fiel ihm nicht schwer, ihr aufgrund seines unterschwelligen
Pon farrs entsprechende Hinweise zu übermitteln. Sie reagierte sofort und trat
näher an ihn heran.
„Hey,
du bist eigentlich mit mir hier, T’San!“ Ihrem Begleiter war es zu viel
geworden, und er versuchte sich dazwischen zu drängeln. T’San schob ihn mit
einer unwilligen Bewegung zur Seite als würde sie eine lästige Fliege
verscheuchen.
„Ach
verschwinde.“
Dann
lehnte sie sich an Si’jsk und ließ die Hand über seinen Brustkorb wandern.
Si’jsk musste sich zusammennehmen, um sie nicht von sich zu stoßen. Sie widerte
ihn an.
„Du
hast mich also gesucht. Der Bruder meines Gemahls. Wie interessant.“ Sie nippte
an ihrem Drink und bot dann ihm das Glas an.
Si’jsk
kannte die Bedeutung dieser Geste: Sie bot sich ihm als Geliebte dar. Er nahm
das Glas und hob es an die Lippen als es ihm plötzlich aus der Hand geschlagen
wurde.
Überrascht
fuhr er herum und tadelte sich wegen seiner Unachtsamkeit.
„Das
hätte ich nicht von dir erwartet, Si’jsk. Dass du einem kurzen Vergnügen nicht
abgeneigt bist, ist bekannt, aber dass du dich nicht schämst, die Frau deines
Bruders zu verführen...“
Blight
stand vor ihm. Musterte ihn mit einer
Mischung aus Wut und Abscheu.
„Blight.
Ich glaube nicht, dass Sie das hier etwas angeht.“ Er blieb äußerlich ruhig,
während er T’San demonstrativ den Arm um die Taille legte. Sie schmiegte sich
aufreizend an ihn. Blights Blick wanderte von einem zum anderen.
Er
war sichtlich entsetzt und verriet Si’jsk dadurch mehr, als ihm bewusst war.
Si’jsk
stöhnte lautlos. Blight hatte durchaus Recht. Doch jetzt war nicht der
Zeitpunkt, um ihm zu erklären, was vor sich ging. Oder noch etwas anderes zu klären,
was zwischen ihnen noch unausgesprochen und Si’jsk alles andere als
gleichgültig war.
„Du
Mistkerl.“ Mit einem letzten abfälligen Blick drehte sich Blight um und verließ
die Bar.
Es
war totenstill im Raum. Si’jsk seufzte unhörbar. Darauf hätte er verzichten
können.
„Folge
mir nach einigen Minuten“, raunte er T’San auf vulkanisch zu, dann stürmte er
hinter Blight aus der Bar. Es gab Dinge, die durften nicht aufgeschoben werden.
Er
hörte noch, wie einige der Kadetten lachten und das allgemeine Stimmengemurmel
wieder einsetzte.
„Blight,
warten Sie.“
Er
folgte seinem Captain und Freund.
Als
er ihn schließlich eingeholt hatte, griff er nach seinem Arm und drehte ihn zu
sich herum.
Blight
riss sich los.
„Lassen
Sie mich los, Sie widerlicher...“
„Kevin,
verdammt noch mal. Ich habe nicht viel Zeit. Bitte hör‘ mir zu. Bitte!“
Sichtlich
widerwillig gab Blight seine Gegenwehr auf. Den plötzlichen Wechsel zum ‚Du‘
nahm er kaum wahr.
„Ich
muss Sarduk helfen, T’San eine Lehre zu erteilen. Sie zerstört das Leben meines
Bruders und seines Sohnes. Das kann ich nicht dulden. Sie traut mir nicht. Dies
eben in der Bar war der einzige Weg, der mir auf die Schnelle einfiel, um ihr
Vertrauen zu gewinnen. Ich muss sie an einen Ort locken, an dem keine Menschen
in der Nähe sind. Verstehst du?“
Blight sah in fragend an. Dann nickte er zögernd.
„Hilfst
du mir?“
„Was
soll ich tun?“
„Such
Gordon und bring sie dazu so schnell wie möglich zu Sarduk und Sorel in die
Klinik zu gehen. Sie muss unter allen Umständen in der Nähe sein und sich
bereit halten, mit Sarduk eine Mentalverschmelzung einzugehen. Hast du mich
verstanden?“
„Was
ist eine...“
„Gordon
weiß Bescheid, wenn du ihr diese Worte ausrichtest. Du hast zehn Minuten Zeit.
Und jetzt geh!.“
Blight
wollte sich abwenden, doch Si‘jsk hielt ihn noch einmal zurück.
Der
Blick der klaren grünen Augen fesselte ihn und er wagte kaum zu atmen, als sich
Si’jsk näher zu ihm beugte.
Warme,
feste Lippen berührten kurz seine Stirn, suchten dann seinen Mund.
„Sie
bedeutet mir nichts“, murmelte Si’jsk, bevor er sich den Wunsch erfüllte und
Blight innig küsste.
Dann ließ er ihn los und war im nächsten Augenblick
im Dunkel der Nacht verschwunden.
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„Wo
warst du so lange? Ich habe auf dich gewartet.“
T’San
kam ihm bereits entgegen, als er sich wieder der Bar näherte. Er hoffte, dass
sie nichts mitbekommen hatte.
„Ich
musste für ein Ablenkungsmanöver sorgen. Jetzt sind wird ungestört.“
„Wer
war er?“
Si’jsk
hob eine Braue und zuckte demonstrativ
mit den Schultern.
„Ein
Kollege aus der Akademie. Er hatte sich wohl Hoffnungen gemacht.“
T’San
lachte. Ein seltsam abgehacktes Geräusch. Sie drängte sich an Si’jsk und küsste
ihn aufreizend.
Er
machte sich sanft los und legte den Arm um ihre Schulter.
„Nicht
hier, ich weiß einen besseren Ort, wo wir ungestört sind.“
„Ist
es weit? Ich bin neugierig auf dich.“
Er
musste ein Schaudern unterdrücken. Sie war ekelhaft.
„Nein,
nur ein kurzer Weg. Komm.“
Er
nahm ihre Hand und führte sie zu einer kleinen Schutzhütte, die am Rand des Sees
aufgebaut worden war. Es war kalt und er spürte, dass keine Menschen in der
Nähe waren.
Dann
drehte er sich zu ihr um. Es schien in dieser Nacht kein Mond, doch das
spärliche Licht der Sterne genügten ihm, um sie erkennen zu können. Sie strich
mit den Händen über seine Schultern und schmiegte sich an ihn, doch er schob
sie angeekelt von sich.
„Hör
auf, T’San. Ich bin nicht deswegen hier.“
Sie hob überrascht den Kopf. „Nein. Aber ich
dachte...“
„Was?
Dass du auch mit mir deine Spielchen treiben kannst. Du täuschst dich.“
Ein
wütendes Glitzern trat in ihre Augen. Sie trat wieder näher und öffnete ihre
mentalen Schilde.
Si’jsk
spürte, dass sie ihn mit einem Echo seines Pon farr überrumpeln wollte.
Menschen nahmen die unterschwelligen Spannungen nicht wahr, die von ihm
ausgingen. Sie als Vulkanierin spürte sie sehr wohl. Sie beabsichtigte offenbar
diese zu verstärken, so dass seine Selbstbeherrschung zusammenbrach.
Doch
Si’jsk hatte so etwas erwartet. Er hatte genug Erfahrung mit Frauen gesammelt,
um ihr etwas vorspielen zu können. Er ging scheinbar auf ihren Versuch ein.
T’San, die sich schon als die Gewinnerin sah, senkte ihre Schilde noch mehr.
Si’jsk
nutzte die Gelegenheit und knüpfte eine lose mentale Brücke. Dann stieß er sie
abermals von sich. Er lachte kalt.
Sie
war von seiner Selbstbeherrschung überrascht und taumelte zurück.
„Vergiss
es, T’San. Du hast einen Gegner gefunden, der dir ebenbürtig ist.“
Langsam
dämmerte es ihr, dass Si’jsk sie aus einem anderen Grund als vermutet aus der
Bar gelockt hatte.
„Was
willst du von mir.“
„Den
Schwur, dich angemessen zu verhalten, und Sarduk und Sorel freizugeben.“
Sie
lachte abermals. „Ich denke nicht daran. Sarduk ist als Heiler angesehen und
geachtet. Er ist gut in seinem Beruf. Das bringt ihm viel Anerkennung ein. Und
auch mir. Sein Talent ermöglicht es mir,
in gesellschaftliche Kreise aufzusteigen, die ich anders nie erreichen
würde. Und du verlangst von mir, dies freiwillig aufzugeben. Niemals.“
Sie
warf den Kopf zurück und starrte ihn herausfordernd an.
„Wie
du willst.“
Er
trat einen Schritt zurück. Dann senkte er plötzlich seine Schilde und brach in
ihr Bewusstsein ein.
T’San
starrte ihn verblüfft an, dann begriff sie, was er plante. Sie hob die Hände zu
den Schläfen und versuchte aus Sarduks Geist die Kraft zu holen, die sie
brauchte um Si’jsk abzuwehren.
Doch
sie hatte nicht damit gerechnet, dass Gordon bei ihm war. Sie spürte, dass
diese Frau ihn zu einer Mentalverschmelzung gezwungen hatte. Jetzt blockte sie
alle Verbindungen, die sie, T’San, zu ihrem Partner aufzubauen versuchte,
gnadenlos ab.
Entsetzt
ließ sie die Hände sinken. Ihre eigenen mentalen Fähigkeiten waren bei weitem
nicht groß genug, um die Macht der Sandlords voll auszunutzen. Sie hatte als
Jugendliche einige alte Aufzeichnungen gefunden und sie studiert. Doch sie
begriff schnell, dass sie den Psi-Quotienten eines Heilers brauchte um die
Dinge verwirklichen zu können, die sie rein theoretisch erlernt hatte. Sarduk
bot ihr unwissentlich diese Gelegenheit. Doch jetzt war sie an jemanden
geraten, der die gleiche Macht und das gleiche Wissen besaß. Mit einem
Unterschied: Si’jsk brauchte niemanden, der ihm die mentale Kraft dazu gab – er
besaß sie selbst im gleichen Übermaß wie Sarduk.
Sie
taumelte zurück und brach in die Knie, als ihr dies bewusst wurde.
Si’jsk
verzog das Gesicht zu einem grimmigen Lächeln. „Gib Sarduk und Sorel frei.“
„Den
Balg kannst du haben, doch Sarduk gebe ich niemals frei. Eher zerstöre ich ihn.
Er weiß, dass ich fähig bin ihn mental so zu verletzen, dass es seinen Beruf
nie wieder wird ausüben können.“
Sie
glaubte einen letzten Triumph errungen zu haben. Nein. Sie würde Sarduk niemals
freigeben. Sorel war ihr dagegen gleichgültig.
Um
ihren guten Willen zu beweisen, löste sie das feine mentale Band, dass alle
vulkanische Eltern mit ihren Kindern bis zu einem bestimmten Alter verband.
Gordon
musste es gespürt haben, denn Si’jsk nahm undeutlich wahr, dass die Ärztin den
Jungen mit in die Mentalverschmelzung einbezog. Doch da er alles nur durch T’Sans
Bewusstsein hindurch wahrnahm, traute er ihr nicht ganz. Sie konnte es ihm auch
nur vorgespielt haben.
Doch das ließ er sie nicht wissen.
„Und
jetzt Sarduk!“
„Nein.“
Sie
warf sich auf ihn und versuchte sein Gesicht mit den Händen zu erreichen.
Er
hatte damit gerechnet und wich aus, so dass sie an ihm vorbeistolperte. Ihre
fehlten die Reflexe eines Kämpfers, die ihm schon mehrmals das Leben gerettet
hatten. So war es für ihn ein leichtes, sie so festzuhalten, dass sie sich
nicht mehr bewegen konnte.
„Lass
mich los. Du tust mir weh.“
„Das
ist durchaus meine Absicht.“ Er verstärkte seinen Griff noch und sie stöhnte
auf.
Er
spürte, dass er ihr bald die Knochen brechen würde. Es war ihm egal. Er senkte
abermals seine Schilde und ließ sie seine brodelnde Wut spüren.
„Noch
einmal: Gib ihn frei.“
Sie
versuchte, sich aus seinem Griff zu winden.
„Nein.
Niemals.“
Sie
wandte all ihr Wissen an, um ihn telepathisch zu erreichen, doch sie konnte
gegen seine Macht nichts ausrichten. Für einen Moment schien sie sich
geschlagen zu geben. Doch dann richtete sie ihre Wut gegen Sarduk. Das
Partnerschaftsband, das sie mit ihm verband, konnte von Gordon nicht geschützt
werden. Sie riss mit aller Wut und Verzweiflung, die sie empfand an den
Verbindungspunkten. Sie konnte spüren, dass Sarduk aufschrie und zusammenbrach.
Er war noch immer geschwächt, so dass er sich nicht wirklich gegen sie wehren
konnte, als sie ihm eine mentale Wunde nach der anderen zufügte. Er würde als
Wahnsinniger zurückbleiben, wenn sie mit ihm fertig war.
Doch
sie hatte nicht damit gerechnet, dass Si’jsk ebenso grausam sein konnte. Er
brach durch den Rest der mentalen Schilde, die sie noch aufrechterhalten hatte
und begann mit eiskalter Berechnung wichtige Knotenpunkte ihrer mentalen
Bewusstseinsebenen zu zerfetzen. Er wusste genau, worauf es ankam. Sie spürte,
wie sie jede Kontrolle über sich verlor, bis ihr Bewusstsein in einem Strudel
aus Agonie versank. Dann brach sie zusammen.
Si’jsk
ließ sie los und taumelte zurück. Er hoffte nur, dass er schnell genug gewesen
war und dass Sarduks Verletzungen nicht so schwer waren, dass Gordon noch etwas
für ihn tun konnte.
„Si’jsk!
Was zum ...“
„Verschwinde!
Sofort!“
Blight
wich erschrocken zurück. So hatte er Si’jsk noch nie erlebt. Der Vulkanier
bebte am ganzen Körper und ein dünner Blutfaden rann aus seinem Mundwinkel. Vor
ihm lag T’San – bewusstlos. Sie schien kaum noch zu atmen.
Er
begriff gar nichts mehr und blieb wie erstarrt stehen.
„Verdammt
Kevin. Du verstehst nicht. Verschwinde, bevor T’San dich umbringt.“
Si’jsk
stieß Blight zur Seite, doch er war nicht schnell genug gewesen. Er sah, wie
Blight die Augen aufriss. Der Mensch taumelte und brach in die Knie.
Si’jsk
wirbelte herum und richtete seine Konzentration wieder auf T’San. Sie kauerte
auf Händen und Knien, doch ihr Blick war auf Blight gerichtet, der schreiend
die Hände zum Kopf hob.
Si’jsk
hatte keine Ahnung, welche Auswirkungen T’Sans Macht auf das ungeschützte
Bewusstsein eines Menschen haben konnte. Er wollte es auch nicht herausfinden.
Wieder senkte er seine Schilde und versuchte T’San zu erreichen, doch dann nahm
er plötzlich nichts mehr wahr. Sie war fort.
Er
schüttelte den Kopf um klarer sehen zu können.
T’San
lag vor ihm. Sie war zusammengebrochen. Vorsichtig beugte er sich über sie und
suchte nach einem Puls. Doch da war nichts mehr.
„Ich
musste eingreifen.“
Si’jsk
richtete sich auf und musterte Zebron, der mit einem Handphaser vor ihm stand.
„Gordon
hat mich hergeschickt. Sie meinte, dass Sie vielleicht Hilfe brauchen könnten.“
Er
warf einen fast beiläufigen Blick auf die Vulkanierin.
„Weshalb
ist sie tot? Ich habe sie lediglich betäubt.“ Er hob seinen Phaser, der
tatsächlich auf Betäubung justiert war.
Si’jsk
zuckte mit den Schultern. „Sie wollte töten. Vermutlich hat sich ihre eigene
Macht durch die Phaserenergie gegen sie gerichtet.“
Er eilte zu Blight. Der Captain lag zusammengekrümmt
am Boden und atmete keuchend.
„Si’jsk.....
was um alles..... in der Welt war....... das?“
Si’jsk
konnte ihn kaum hören. Blut rauschte in seinen Ohren.
„Darf
ich vorstellen: T’San. Die ehemalige Partnerin meines Bruders und eine Adeptin
der Sandlords.“
Blight
richtete sich mühsam auf. Si’jsk half ihm behutsam sich aufzusetzen, zog ihn
dann sanft an sich.
„Kevin.
Ich muss wissen, ob sie dir einen Schaden zufügen konnte. Dazu muss ich
allerdings einen mentalen Kontakt zu dir herbeiführen. Nach dem Angriff gerade
eben kann dies durchaus schmerzhaft für dich sein. Es ist jedoch sehr wichtig.“
Er
sah Blight fragend an.
Als
dieser zögernd nickte, tastete er vorsichtig mit den Fingerspitzen über das
Gesicht des Menschen.
Blight
spürte, wie der Vulkanier sich sanft in seinem Bewusstsein vorantastete. Er bot
ihm eine Art Gegenleistung, indem er seine Erinnerungen für den Menschen öffnete.
Blight konnte nicht wiederstehen und sah genauer hin. Er konnte Szenen und
Erlebnisse aus Si’jsk Leben wahrnehmen, die ihn plötzlich den Vulkanier in
einem völlig anderen Licht sehen ließen. Plötzlich war er froh, dass sie
Freunde waren. Denn es wäre furchtbar, ihn zum Feind zu haben.
Und
er konnte spüren, wie sehr sich Si’jsk zu ihm hingezogen fühlte. Gedanken und
Empfindungen perlten durch das Bewusstsein des Vulkaniers, die ihm selbst noch
immer neu und fremd erschienen. Aber längst nicht mehr so erschreckend fremd,
wie noch vor einigen Tagen. Nun, sie hatten viel Zeit...
Doch
es gab etwas, was er jetzt schon tun konnte und auch wollte:
Instinktiv
suchte er die Lippen des anderen und sie küssten sich. Es war eine zärtliche,
sanfte Berührung. Beide waren noch scheu und wollten jetzt, da sie sich über
ihre Gefühle begannen sicherer zu werden, nichts übereilen.
Schließlich
zog sich Si’jsk zurück.
„Du
bist erstaunlich wiederstandsfähig.“
Blight grinste schief. „Ich war schon immer für
meinen Dickkopf bekannt.“
Si’jsk
lachte leise. Etwas, das Blight noch nie von ihm gehört hatte. Es klang fast
menschlich.
„Wie
auch immer. Außer einige Tage heftige Kopfschmerzen und Übelkeit wirst du
vermutlich keine Folgen davontragen. Ich konnte zumindest keine Verletzungen
feststellen. Du solltest aber trotzdem sofort in die Klinik gehen und dich von
Dr. Gordon untersuchen lassen.“
Blight
nickte. „Du wirst es kaum glauben, aber genau das habe ich auch vor. Und da du
mich begleiten wirst, hast du genug Zeit, mir zu erklären, was um alles in der
Welt hier vorgefallen ist.“
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Ende
Teil 10