neu: Ein Cottage in Cornwall (Sherlock Holmes, pg)
Titel: Ein Cottage in Cornwall
Autor: Lady Charena
Fandom: Sherlock Holmes
Episode: The devil’s foot
Pairung: Holmes, Watson [H/W impl.]
Rating: pg, [slash, ER in der Vergangenheit impl.]
Beta: T'Len
Archiv: ja
Summe: Holmes und Watson setzen ihren Urlaub nach der Lösung des Falles in
Cornwall fort.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen
und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt
nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu
verletzen.
Shadows are falling and I'm running out of breath
Hold me in your thoughts, take me to your dreams
Touch me as I fall into view
When the winter comes keep the fires lit
And I will be right next to you
Keep me in your heart for awhile
Wir verbrachten einige ruhige - im Gegensatz zu den vergangenen sogar
ereignislose - Tage. Ich fand keinen Grund, mich darüber zu beklagen, da wir
endlich unseren so dramatisch unterbrochenen Urlaub fortsetzen konnten.
Auch wenn ich es ungern zugeben mochte, so schien doch die Lösung des
Geheimnisses um die Teufelsfußwurzel Holmes’ Lebensgeister mehr belebt zu
haben, als die vielgerühmte Meeresluft und das milde, aber kräftige Klima Cornwalls.
Lange Jahre an Holmes’ Seite hatten mich gelehrt, dass er überall eine
Möglichkeit fand, seinen ewig unruhigen Geist zu beschäftigen – doch ich hoffte
inbrünstig, dass sich keine weiteren Tragödien ereignen würden.
Zu behaupten, mir behage die Zeit fern des hektischen Großstadtlebens und der
aufreibenden Sorge um Patienten nicht, wäre eine Lüge gewesen.
Holmes’ Gesellschaft genügte mir vollauf und während seiner langen
Spaziergänge, sofern ich ihn nicht begleitete, fand ich Zerstreuung in der exzellent
ausgestatteten Bibliothek des Freundes, der mir sein Haus für unseren Urlaub
überlassen hatte.
So vermisste ich trotz der Abgeschiedenheit nicht die Gemeinschaft anderer
Menschen. Wenn vielleicht auch Mrs. Hudsons Kochkunst... In unserem Junggesellenhaushalt
fiel mir die Rolle des Kochs zu, und obwohl wir beide nicht sonderlich
anspruchsvoll waren, warf dies als einziges einen geringen Schatten über
unseren Aufenthalt. So kam eine Einladung ins Pfarrhaus, zu einem sonntäglichen
Mittagessen, nicht ungelegen.
Wir verzehrten mit Genuss ein vorzügliches Mahl und ließen auch dem Wein des
Vikars volle Ehre zukommen, doch herrschte eine leicht verlegene, angespannte
Atmosphäre, was nach dem, was wir hier erlebt und erfahren hatten, nicht weiter
verwunderte.
Holmes wich den Fragen des Vikars, ob er den ein Licht in die mysteriösen
Ereignisse hatte bringen können, mit gewohntem Aplomb aus, und es gelang ihm
dabei, die Sorge des Geistlichen zu besänftigen, dass tatsächlich satanische
Mächte am Werk gewesen waren. Weiter schien der Vikar nicht auf das Thema
eingehen zu wollen, vielleicht um seine eigene Verwicklung als Mitwisser der
Liebesbeziehung Sterndals nicht zu enthüllen. Er wusste nichts von Sterndals
Besuch in unserem Cottage; nichts von seinem Geständnis, dem wie von Holmes’
angeregt, die bereits zuvor geplante Abreise nach Zentralafrika gefolgt war.
Als wir langsam den Rückweg zu unserem Cottage antraten, kam ich nicht umhin,
die melancholische Stimmung zu bemerken, die sich über meinen Gefährten gelegt
hatte. Sein Schal verbarg das meiste seines Gesichts, doch ich war geübt darin,
seine Körperhaltung zu deuten und die Art, wie er seinen Spazierstock dazu
benutzte, Löcher in die lose Erde zu bohren, als wäre er auf der Suche nach
einem Schatz.
Ein kalter Wind, der vom Meer her aufkam, trieb unsere Schritte an und ich war
erleichtert, als wir das Haus erreichten. Während Holmes sich mit ironischem
Amüsement der Lektüre des neuesten Gemeindebriefes widmete, den uns der Vikar
mit auf den Weg gegeben hatte, brachte ich ein Feuer im Kamin in Gang und
wärmte meine klammen Hände darüber.
Das Gespräch im Pfarrhaus hatte meine Gedanken zu jenen verhängnisvollen
Ereignissen zurückgelenkt und ich fand mich selbst dabei, in die Flammen zu
starren, und zu sinnieren.
Der Rauch der Droge hatte mich während Holmes waghalsigem Selbstversuch weniger
beeinträchtigt, abgesehen von einem hartnäckigen Kratzen im Hals. Holmes hatte
mich die Tür öffnen lassen und der von dort kommende Luftzug wehte den Rauch
direkt in sein Gesicht, wobei ich nicht sicher war, dass er in diesem
Augenblick – in dem er alles seiner Neugier unterordnete – dies auch bedacht
hatte. Oder zeugte es von Vorbedacht? Wollte er erreichen, dass einer von uns
genug bei Sinnen blieb, um uns bei Gefahr in Sicherheit zu bringen? Falls so,
dann hatte uns das wohl das Leben gerettet. Obwohl ich nicht viel mehr dazu
beitrug, als Holmes’ unter die Arme zu greifen und ihn ins Freie zu zerren.
Wo er sich aus meinem Griff befreite und blindlings weglief, gehetzt von
Dämonen, die nur er sehen konnte. Ein wenig benommen von der Droge benötigte
ich einen Moment, um mich zu orientieren und ihn einzuholen. Ich fand Holmes
schließlich bei einem der Gräber, schreiend vor Angst als ich ihn berührte,
bevor ich zu ihm durchdringen konnte.
Später an jenem Tag, als ich mich versichert hatte, dass unsere Gesundheit
keinen bleibenden Schaden davongetragen zu haben schien, versuchte ich heraus
zu finden, welchem Horror Holmes unter dem Einfluss der Droge begegnet war. Es
musste grauenvoll gewesen sein. Ich hatte ihn noch nie so erlebt. So...
fassungslos. Fast emotional, als er meine Wange berührte, um sich zu
versichern, dass ich real war und unversehrt.
Ich hatte meinen Platz in einem der bequemen Sessel nahe der Feuerstelle gefunden.
Holmes saß auf der breiten, gepolsterten Fensterbank, eine Decke um seine
Schultern geschlungen, sichtlich in Gedanken verloren. Er hatte sich nicht von
der Stelle gerührt, als ich ihm eine Tasse Tee anbot, nur stumm den Kopf
geschüttelt. Trotzdem stellte ich sie auf dem kleinen Tischchen neben meiner
eigenen bereit, in der Hoffnung, dies würde ihn dazu veranlassen, sich baldigst
zu mir zu gesellen.
„Was hast du gesehen, Holmes?“ Als er den Blick abwandte und aus dem Fenster in
die endlose Weite des nahen Meeres starrte, wusste ich, dass ich auf der
richtigen Spur war. Mein Gefühl hatte mich nicht getäuscht. „Ich würde nicht
fragen, wenn...“
„Ich habe nichts gesehen“, unterbrach mich Holmes. Seine Stimme, leise und rau,
zeugte davon, wie viel Rauch er eingeatmet hatte.
Ich spürte ein ähnliches Kratzen in meiner eigenen Kehle, doch ich war nicht
völlig sicher, dass es nur von Trockenheit herrührte. Ich schenkte mir Tee
nach, füllte auch die zweite Tasse. „Trink’ etwas“, sagte ich und schob sie vorsichtig
in seine Richtung. „Tee mit Honig besänftigt die gereizten Atemwege.“
Er sah mich an. Vielleicht hatte ich ihn damit überrascht, dass ich nicht
weiter bohrte, sondern seine Weigerung zu sprechen so einfach akzeptierte. Aber
ich hatte vor langer Zeit gelernt, dass er ein Mann war, der sein Herz nicht
auf der Zunge trug und ich konnte ihn nicht dazu zwingen, seine Gedanken mit
mir zu teilen, ohne dabei das Vertrauen zwischen uns zu verletzen. Also zügelte
ich meine Neugierde und besänftigte meine Unruhe damit, den heißen Tee langsam
zu trinken.
Mehr noch... der Arzt in mir mahnte, den Grund für unseren Urlaub in diesen
Gefilden zu bedenken, und erinnerte mich an Holmes’ ohnehin angeschlagene
Gesundheit. An die rastlosen Nächte, in denen ich seine Schritte in dem Zimmer
neben meinem hören konnte. An die oft innerhalb von Sekunden umschlagende
Gemütslage meines Freunde von depressiv und melancholisch zu enthusiastisch und
mitreißend, was ich in direkten Zusammenhang mit dem sinkenden Pegel des
Kokainfläschchens bringen musste – auch wenn ich an dieses seelische
Ungleichgewicht Holmes’ gewöhnt war, es beunruhigte mich doch, da es keinem
äußeren Einfluss mehr zu unterliegen schien.
Es war nicht ein Mangel an anregenden Fällen, der die Melancholie der monotonen
Langweiligkeit hervorrief. Nein, selbst mitten im vollsten Einsatz seines
brillanten Geistes konnte ich den Umschwung seiner Gemütslage so deutlich
erkennen wie einen plötzlichen Regenschauer an einem sonnig-heiteren Sommertag.
Beunruhigt über die Wendung, die meine Gedanken genommen hatten, bemühte ich
mich um eine Abwechslung. Ich wandte mich um und fragte Holmes, ob er auch eine
Tasse Tee begrüßen würde.
Das Brummen, das ich als Antwort erhielt, deutete ich als Zustimmung. Holmes
hatte, während meine Gedanken auf Wanderschaft gingen, den Gemeindebrief zur
Seite gelegt und sich in ein Buch vertieft.
Die Zubereitung von Tee beherrschte ich glücklicherweise seit meiner Zeit als
Student und so fand ich mich in dieser Disziplin leicht zurecht. Als ich die
Teeblätter in den Kehrrichteimer kippte, fiel mir unter den Eierschalen und dem
fettigen Papier, in dem der Speck, den ich uns zum Frühstück gebraten hatte,
vom Schlachter eingewickelt worden war, ein schmales, schwarzes Etui auf. Ich
nahm es heraus. Es war das abgenutzte Lederetui, in dem Holmes die Spritze und
eine schmale Phiole mit Kokainlösung aufzubewahren pflegte, wenn wir unterwegs
waren.
Das war überraschend. Mehr als das. Ich wusste nicht, was ich davon halten
sollte. Weder die Spritze, noch die Phiole fanden sich zwischen dem Unrat,
jedoch die säuberlich zusammengerollte Aderpresse. Sollte Holmes tatsächlich
beschlossen haben, sein unheilvolles Laster aufzugeben? Ich hoffte sehr, dass
dies der Fall war. Er kannte meine Bedenken und meine Abneigung gegen den
Missbrauch, den er mit dem Kokain und seinem Körper trieb – tatsächlich hätten
wir darüber bereits am Tag unserer Ankunft ein Gespräch geführt, als ich die
Spritze auf dem Tisch liegen sah - hätte uns der Willkommensbesuch des Vikars
nicht unterbrochen.
So unbegründet es vielleicht auch sein mochte, mein Herz war um einen gewissen
Grad leichter, als ich mit dem Tee zurückkehrte.
Das große Schlafgemach des Cottage war irgendwann im Laufe seiner Geschichte in
zwei einzelne Räume aufgeteilt worden. Die Zwischenwand war offensichtlich aus
minderwertigem Material hergestellt, denn ich konnte jeden Laut aus dem
Nebenzimmer hören.
Offenbar hatte der Besuch im Pfarrhaus nicht nur bei mir Erinnerungen
wachgerufen.
Holmes’ unruhiger Schlaf und die daraus resultierende Schlaflosigkeit auf
meiner Seite, standen nicht für eine erholsame Nacht Pate.
Als ich mich endlich seligem Schlummer entgegen sinken spürte, holte mich ein
Aufschrei aus dem Raum neben meinem zurück in die Gegenwart. Noch bevor ich
völlig wach war, fand ich mich neben Holmes’ Bett kniend wieder, eine Hand auf
seiner Schulter, um ihn wach zu rütteln.
Unbewusst, wie ich es innerhalb scheinbarer Sekunden geschafft hatte, die Kerze
auf meinem Nachttisch zu entzünden, mich aus den schweren Decken zu wickeln,
die wie Mumienbandagen um meine Beine lagen, die Verbindungstür zwischen den
beiden Räumen zu öffnen und im Flackern der Kerze den Weg zu Holmes’ Bett zu
finden, ohne über etwas zu stolpern und wachsspritzend auf dem Boden
aufzuschlagen.
Holmes’ verzerrte Züge, die eng zusammengezogenen Brauen und der Schweiß auf
seiner Stirn überzeugten mich davon, dass er an einer Nachtmär litt, die ihn
fest in den Klauen hatte. Er wand sich hin und her und versuchte meine Hand
abzuschütteln, die er in seinem unbewussten Zustand offenbar als weitere
Bedrohung wahrnahm.
Schließlich richtete ich mich auf, legte beide Hände fest auf seine Schultern
und drückte seinen Oberkörper hart zurück. Dabei beugte ich mich vor, auch wenn
meine Nase schmerzvoll mit seiner Wange kollidierte, um direkt in sein Ohr zu
sprechen – meine Stimme so ruhig und autoritär, wie ich es unter diesen
Umständen mustern konnte: „Holmes!“
Eine bange Sekunde lang wehrte er sich weiterhin gegen die unsichtbaren Albträumgestalten,
die ihn zu hetzen schienen – dann plötzlich schlug er die Augen auf und starrte
mich an. Sein Blick verlor nach wenigen Momenten die glasige Starre des
Träumens und gewann geistige Klarheit zurück, als er mich erkannte. Sein Kopf
sank zurück in das schweißgetränkte Kissen, und während seine Züge weicher
wurden, schlossen sich seine Lider. Ein erschöpfter Ausdruck legte sich über
sein Gesicht, während sich sein Körper allmählich entspannte.
Ich löste meinen Griff um seine Schultern, als deutlich wurde, dass der Bann
des Albtraumes gebrochen war und berührte seine Stirn mit dem Handrücken. Er
zuckte leicht zurück, vielleicht noch unter dem Eindruck des Albdrucks;
vielleicht aus seiner normalen Abneigung gegenüber Berührungen. Doch mein
Verlangen trug lediglich medizinischer Sorge Ausdruck... Seine Haut glühte,
selbst wenn ich die nächtliche Kühle und damit verbundene Auskühlung meiner
eigenen Hand in Betracht zog.
„Du leidest an einem leichten Fieber“, informierte ich ihn leise. „Ich werde dir
etwas dagegen geben.“
Zuerst glaubte ich, er wäre wieder in Schlummer gesunken, doch dann nickte
Holmes. Ein kaum wahrnehmbares Neigen des Kopfes.
Ich verließ den Raum für einen Augenblick, um meine Arzttasche aus meinem
Schlafzimmer zu holen und ein Glas Wasser aus der Küche. Zurück in Holmes
Quartier, drehte ich die Petroleumlampe auf dem Tisch auf, entzündete sie, dann
öffnete ich meine Tasche, die ich auf einen nahen Stuhl stellte und holte die
Phiole mit Chinin heraus.
Eine angemessene Dosis löste sich langsam im Wasser auf, trübte es und ich
hielt meinen Blick auf die herumwirbelnden Partikel gerichtet, während ich die
Medizin verrührte. Als sie bereitet war, wandte ich mich wieder dem Bett zu.
Holmes hatte die schwere Oberdecke von sich gestoßen. Unter dem dünneren Laken
sah ich, dass sich sein Brustkorb schneller hob und senkte als im Schlaf. Ich
schloss daraus, dass er noch immer wach war und die Nachwirkungen der Nachtmär
spürte. Daher fügte ich der Mixtur noch Baldrianextrakt hinzu, was der
Flüssigkeit eine wenig ansehnliche Braunfärbung verlieh und wie ich befürchten
musste, auch den Geschmack nicht verbesserte.
Als ich mit dem Glasrand Holmes auf dem Laken ruhenden Handrücken berührte,
öffnete er die Augen. Sein Blick ruhte einen Moment voll Abscheu auf dem
Gebräu, das ich ihm anbot, doch dann nahm er es mit einem Ausdruck von
Resignation entgegen und leerte das Glas in mehreren großen Schlucken.
Ich nahm ihm das Glas ab, löschte die Petroleumlampe, ließ jedoch meine Kerze
auf dem Nachttisch brennen und setzte mich auf den Stuhl, von dem ich meine
Tasche genommen und den ich nahe ans Bett gezogen hatte. Nichts lag mir ferner,
als den Eindruck einer überbesorgten Kinderfrau zu erwecken, doch ich hatte
schon so manche Nachtwache am Bett Fremder gehalten, es würde mir nichts
ausmachen, dies zu tun, um den Schlaf eines Freundes zu erleichtern.
Doch noch bevor ich es mir so angenehm wie möglich einrichten konnte, sah mich
Holmes stumm an, dann auf die leere Hälfte des Bettes. Und so seltsam es auch
klingen mochte, ich war in diesem Moment dazu in der Lage, seine Gedanken zu
erraten.
Ich verbrachte die Nacht an seiner Seite, seinen hageren Körper an meinem
spürend, unsere Wärme teilend, wie in den stürmischen, unbedachten Nächten
unserer Jugend.
Ende