Titel:
Broken down
Autor: Lady Charena
Fandom: Kung Fu - TLC
Paarung: Caine, Peter
Rating: Gen, POV
Summe/Hintergrund: Nach Caines
sechsmonatiger Abwesenheit ist die Kommunikation zwischen Vater und Sohn nach
wie vor gestört. Gleicher Ausgangspunkt wie bei „How to let go“, aber anderes
Handling.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser
Fan-Story verwendeten geschützten Namen und Figuren liegen bei den jeweiligen
Inhabern (Warner, Michael Sloan). Eine Kennzeichnung unterbleibt nicht in der
Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu verletzen. Songtext „Broken down“ von
Sevendust.
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It takes time
To heal the wound I've made along the way
If I'm blind
Open my eyes 'cause I need to see again
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„Ist es so besser, mein Sohn?“
Peter war uncharakteristisch still, während ich seinen Arm verbunden
habe. Jetzt dreht er die Hand hin und her, bewegt ein paar Mal prüfend seine
Finger, ballt sie zur Faust. Ich lasse ihn los, im gleichen Moment, als er
seinen Arm zurückzieht. Die Wunde ist tief, doch das Messer verletzte
glücklicherweise weder Knochen noch Sehnen. Ich hebe Peters Jacke auf, die er
achtlos fallen ließ und berühre den Schnitt im Ärmel, entsetzt über die Größe
der Blutflecken auf dem dunklen Stoff.
Ich wünschte... ich wünschte, Peter würde nicht so viele Risiken
bei seiner Arbeit eingehen. ‚Ich bin ein Polizist. Das ist, was ich mache. Das
ist, was ich bin.’ Ah, er wird niemals erfahren, dass mir diese Worte den Atem
stocken ließen. Ich hatte gehofft... doch wie töricht und selbstsüchtig mir
diese Hoffnung nun vorkommt. Peter ist anders als ich. Für mich gab es nie
einen anderen Weg, als Shaolin. Und obwohl Peter sein Erbe nicht verleugnen
kann, ist er doch von dem Leben geprägt worden, das er während unserer Trennung
führte. Es ist Paul Blaisdell gewesen, der ihn auf diesen Weg geführt hat und
es fällt mir schwer, ihm dafür zu danken.
Ich war bei ihm im Krankenhaus, meine persönlichen Gefühle
gegenüber diesem Mann spielen keine Rolle – besonders nicht, wenn die Schuld
für seine Verletzungen bei mir zu suchen ist. Ich habe die Bedrohung durch die
Chi’Ru unterschätzt, sie selbstgefällig für besiegt erklärt, nachdem Everett
Cooper in Sicherheit war. Und dann die größte Sünde von allen – nicht da zu
sein, als die Gefahr zurückkehrte. Getreu meinem Versprechen blieb ich in der
Nähe – auch wenn mir jetzt bewusst ist, dass Peter es damals nicht hörte oder
verstand, als ich mich von ihm verabschiedete. Doch ich war nicht nahe genug,
um den Tod all dieser Menschen zu verhindern. Auch der Überfall auf Paul
Blaisdell und meinen Sohn war bereits geschehen, als ich die Stadt erreichte.
Es war Annie, die mir berichtete, dass Peter sehr großes Glück hatte, er erlitt
nicht mehr als ein paar Prellungen und Schnittwunden als der Wagen sich
überschlug. Paul dagegen wurde aus dem Fahrzeug geschleudert und danach von dem
Mann, dessen plötzliches Auftauchen auf der Fahrbahn das Ausweichmanöver
notwendig gemacht hatte, angegriffen. Als Peter ihn erreichte, waren die Chi’Ru
bereits wieder verschwunden, Schatten gleich. Und Annie war es auch, die mir
von Peters Zusammenbruch am Bett seines Pflegevaters erzählte. Zum ersten Mal
war ich dankbar für ihre Blindheit, die sie daran hinderte, meine Reaktion zu
sehen...
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If I can feel again
Will you tell me now
Or wait til I'm broken down again
Save me now
I'm broken
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„Viel besser. Danke, Paps.“
Peters Stimme holt mich aus meinen Gedanken. Ich warte darauf,
dass er mehr sagt – dass er mir erklärt, wie es dazu kommt, dass er um zwei Uhr
morgens mit einer Stichwunde im rechten Arm in meiner Tür steht. Aber Peter
schweigt. Statt dessen entfernt er sich von mir; geht zu der Plattform, auf der
ich geschlafen hatte, als seine Unruhe mich erreichte. Ein Seufzen
unterdrückend, trete ich hinter meinen Arbeitstisch und räume die Utensilien
weg, die ich benutzt habe, um Peters Wunde zu reinigen. Es sind nicht viele.
Die meisten Dinge aus meiner Apotheke im Kwoon befinden sich noch in Lo Sis
Obhut. Es hatte sich rasch in der Gemeinde herumgesprochen, wo ich zu finden
war – woran, wie ich vermute, Lo Si nicht ganz unbeteiligt ist – und die ersten
meiner Patienten hatten sich bei mir eingefunden, darauf vertrauend, dass ich
sie wie zuvor weiter behandle. Niemand stört sich daran, dass die Räume spärlich
eingerichtet sind. Zumindest hatte ich einen Tag Zeit, den gröbsten Schmutz zu
entfernen. Die Hartnäckigkeit, mit der die Farbspritzer auf dem Boden meinen
Reinigungsversuchen trotzten, lässt mich darauf schließen, dass die
abgebrochene Renovierung der Wohnung schon einige Zeit zurück liegt. Die
vielen, ineinander verschachelten Räume bieten mehr Platz, als ich jemals zuvor
bewohnt – oder gar benötigt – habe. Ich weiß nicht, wem das Gebäude gehört,
doch es war Lo Si, der mir die Adresse nannte und sagte, ich könne die Räume
nutzen, so lange ich es wünsche. Ich zog es vor, nicht zu fragen, wieso er sich
so sicher war, dass ich bleiben würde. Vielleicht weiß er mehr über meine
Zukunft, als ich wissen möchte.
„Du hältst nicht viel von Möbeln, was? Willst du ernsthaft darauf
schlafen?“
Ich hebe den Kopf und sehe zu meinem Sohn hinüber. Peter ist es
gelungen, aus der geflochtenen Matte, welche die Plattform bedeckt, einen
Bambusstreifen zu ziehen. Gedankenverloren spielen seine Finger damit. Ich
denke nicht, dass es Sinn macht ihm zu sagen, dass ich in meinem Leben oftmals
unter weitaus unbequemeren Umständen geschlafen habe. Im Freien, bei Regen oder
Schnee – solche Dinge spielen keine Rolle für mich. Und dieses Thema würde
unsicheres Gelände zwischen uns berühren, die fünfzehn Jahre meiner
Wanderschaft. Ich weiß, dass mein Sohn viele Fragen hat, die diese Jahre
betreffen und ihm meine bisherigen Antworten nicht genügen. Er versteht nicht,
dass es leere, bedeutungslose Jahre waren, in denen ich mich in meinem Schmerz
blind treiben ließ; anderen Menschen begegnete, nur um sie irgendwann wieder zu
verlassen ohne ein Teil ihres Lebens geworden zu sein. Ich hatte meinen Weg
verloren, weil mir meine eigene Existenz gleichgültig geworden war. Die Suche
nach dem Thronfolger und die Hoffnung darauf, die Ehre meiner Familie
wiederherstellen zu können – es war eine Bürde, die auf meinen Schultern lag,
weitergegeben von meinem Vater an mich. Etwas das ich tun musste, damit – wenn
mit meinem Tod der Name unserer Familie erlöschen würde – man sich zumindest
ehrenvoll an uns erinnern konnte. Es gab nichts anderes, das ich der Welt hätte
hinterlassen können.
Ungeduldig dreht Peter sich zu mir um. „Jetzt frag’ schon!“ Sein
Ton enthüllt die Wut, die ich schon die ganze Zeit in ihm spüre.
„Was möchtest du, dass ich frage?“ Bewusst halte ich meine Stimme
ruhig – obwohl ihn das unbegreiflicherweise noch mehr zu verärgern scheint.
„Na, was passiert ist. Warum ich mitten in der Nacht hier
auftauche, damit du mich verbindest. Wenigstens das muss dich doch
interessieren!“
Meinen Blick auf den nun makellosen Arbeitstisch gerichtet, zucke
ich mit den Schultern. „Es ist an dir, zu entscheiden, ob und wann du mir davon
berichtest, wie du verletzt wurdest. Für die... Behandlung... deiner Wunde ist
es... bedeutungslos.“
„Natürlich... du musst ja an so was gewöhnt sein. Mein Vater, der
große Heiler.“ Sein Ton ist ätzend. „Komm’ nach Chinatown, frag nach Caine – er
wird dir helfen.“
Ich sehe auf und beobachte, wie er mit wütenden, fahrigen
Bewegungen sein Hemd überstreift und sich nach seiner Jacke umsieht. Sie liegt
neben mir auf dem Tisch. Um sie zu holen, muss er zu mir kommen. Peter zögert.
Er hebt die Hand, fährt sich damit durch sein Haar, das in meiner Abwesenheit
länger geworden ist. Es ist nicht die einzige körperliche Veränderung, die mir
auffällt. Peter ist dünner geworden, seine Bewegungen, seine Gesten sind von
einer unterschwelligen Nervosität gekennzeichnet. Und er ist nicht in der Lage,
mir in die Augen zu sehen. Ich warte.
„Ich... ich habe Kelly nach Hause gebracht, das war alles. Es
hatte nichts mit meiner Arbeit zu tun, okay? Kelly übernachtet nicht besonders
gerne in einer Wohnung, in der man sie überfallen, betäubt und entführt hat.
Das Auftauchen mysteriöser Schattenmörder bekommt einer Beziehung nämlich nicht
so gut. Nicht, dass du davon eine Ahnung hättest.“ Er seufzt und verschränkt
die Arme vor der Brust. „Ich habe sie nach Hause gefahren und in ihre Wohnung
begleitet und als ich wieder in mein Auto steigen wollte, tauchte ein Typ mit
einem Messer auf. Vielleicht wollte er den Wagen klauen, vielleicht war er
einfach nur scharf auf meine Brieftasche. Die Straßen sind voll von Junkies.“
Vorsichtig berührt er die bandagierte Stelle. „Ich hatte meine Waffe nicht dabei,
sonst...“ Er bricht ab. Vielleicht aus Furcht vor meiner Reaktion – vielleicht
aber auch, weil er sich mit diesem Gedanken selbst schockiert hat.
Es ist nicht leicht, darauf zu antworten. Und es ist fast
unmöglich, Peter eine Antwort zu geben, die er nicht als Kritik auffassen wird.
Ich kann seine Vorwürfe nicht vergessen, nicht wie er zu mir sagte, er könne
mein Urteil über ihn, über das, was er tut, in meinen Augen lesen.
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If I bleed
My lies won't fill the emptiness inside
I just need
For something real to open up my mind
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Aber mein Schweigen dauert zu lange für meinen ungeduldigen Sohn.
Und wie so oft zuvor, interpretiert er es falsch.
„Du... du verstehst das einfach nicht, Vater. Ich bin Polizist.
Ich... ich brauche eine Waffe.“
Dieser Gedanke erfüllt mich mit Trauer. Als Kind habe ich ihn
gelehrt, dass er vor allem Mitgefühl braucht im Umgang mit seinen Mitmenschen.
Aber glaube ich selbst noch daran? Es ist meine Pflicht, für die zu sorgen, die
meine Hilfe suchen, ebenso für die, die sie nicht wollen oder nicht darum
bitten können. Eine Pflicht, die ich erfülle. Ein Shaolin dient allen Menschen,
ohne Ansehen der Person, ohne zu urteilen – ohne Rücksicht auf persönliche
Belange und sogar im Angesicht von Beeinträchtigungen der eigenen Person. Mein
Leben lang habe ich mich an diese Grundsätze gehalten. Ich habe gegeben, was
ich konnte, jedem der darum bat. Warum kann ich Peter nicht geben, was er
braucht? Seit er wieder bei mir ist, habe ich seine Bedürfnisse über die aller
anderen gestellt – seine Ängste, seinen Schmerz, seine Freude, seine
Sehnsüchte... alles war mir wichtiger, als die Gefühle jeder anderen Person,
einschließlich meiner selbst.
„Du brauchst keine Waffe, Peter. Alles was du brauchst im Umgang
mit anderen... ist in dir.“
Spott zeigt sich in seinem Gesicht. „Richtig, Vater. Ich werde das
beim nächsten Mal sicher berücksichtigen, wenn mir wieder mal ein Junkie ein
Loch in den Bauch schießt.“
Ich weiß nicht, was heftiger schmerzt – seine Respektlosigkeit
oder die Erinnerung, die seine bitteren Worte heraufbeschwören. Es ist noch
nicht so lange her, dass ich in einem Krankenzimmer stand und nicht wusste, ob
mein Sohn seine Schussverletzungen überleben würde. Blindlings greife ich nach
der Tischkante um Halt an der Realität zu finden, schiebe die Qual dieser
ungewissen Stunden von mir, verbanne sie in die Tiefen meines Bewusstseins, aus
dem sie gekommen ist.
Etwas davon muss sich in meinem Gesicht gezeigt haben, denn als
ich die Augen öffne, steht Peter dicht bei mir. Er zögert, berührt dann meinen
Arm. Sein Blick ist weit und verletzlich, eher voll Schreck als Wut, wie noch
Momente zuvor. „Es tut mir leid, das wollte ich nicht. Ich wollte nicht...
verdammt, Paps...“
Er blickt weg von mir, auf meine Hände. Ich folge seinen Augen und
lockere meinen Klammergriff um die Tischkante, falte meine Finger. Vor allem,
um mich zurück zu halten, ihn zu berühren, wie ich es in der Vergangenheit
getan habe, um seine Verwirrung zu lindern. Es ist ein seltsamer Gedanke, das
eigene Kind so fremd zu sehen.
Peter zieht seine Hand zurück. „Es ist spät, ich sollte gehen und
dich in Ruhe lassen.“ Aber er bleibt neben mir stehen.
„Peter... warum bist du Polizist geworden?“ Die Frage ist über
meine Lippen, bevor ich mir dessen ganz bewusst bin. Ich dachte bisher, ich
kenne die Antwort darauf – weil Peter schon immer so war, weil es immer sein
heftigster Wunsch war, die zu schützen, die sich nicht selbst schützen konnten.
Aber was ich wirklich fragen möchte, ist – bist du Polizist geworden, weil Paul
dir ein besserer Vater gewesen ist als ich es war? Weil du in seine Fußstapfen
treten wolltest?
Ich wage nicht, ihn anzusehen, aber sein Schweigen sagt mir, dass
ich ihn überrascht habe.
„Ummm... ich... das ist nicht einfach so zu beantworten.“ Peter
greift nach seiner Jacke, spielt damit, legt sie zurück, als wäre er bei etwas
Unrechtem ertappt worden. „Ich glaube, es war das nächste, das ich mir vorstellen
konnte, das... das was am nächsten kam, Shaolin zu sein. Ich wusste, dass ich
niemals Shaolin sein werde, schon lange vor der Zerstörung des Tempels. Du hast
immer versucht, mir klar zu machen, was es bedeutet, ein Caine zu sein. Aber du
hast nie verstanden, wie sehr mir das Angst machte, ich würde niemals deine
Erwartungen erfüllen können. Und genau das habe ich ja auch nicht getan. Ich
war niemals gut genug. Du hast nichts gesagt, aber ich hörte es bei anderen.
Einmal... einmal sagte einer der Lehrer zu mir, dass... dass für den Sohn von
Kwai Chang Caine auch das allergrößte Bemühen zu wenig sei. Das habe ich nie
vergessen. Und da warst du, als überlebensgroßes Vorbild...“
Er schweigt einen Moment, bewegt sich unruhig neben mir. Seine
Schulter streift meine – und er weicht zurück, als habe er sich an mir
verbrannt.
„Als ich im Waisenhaus war, suchte ich nach jemand, der mir sagen
konnte, was ich jetzt tun solle. Es war, als wäre ich in einer fremden Welt
gelandet, deren Spielregeln ich nicht kannte. Ich war anders als die Kinder
dort – und es hatte nichts damit zu tun, dass ich keine Haare hatte. Da war nur
niemand. Ich... ich musste mich anpassen, ich musste vergessen, was du mir
beigebracht hattest, damit ich in dieser neuen Welt irgendwie überleben
konnte.“
Es fällt mir schwer, seine Worte anzuhören. Mein Herz will bluten
für die Schmerzen, durch die er gehen musste – wegen eines racheblinden
Mannes... und wegen meines Stolzes, für den ich den ultimativen Preis bezahlen
musste.
„Als Paul nach PineRidge kam, da war es mir völlig egal, dass er
Polizist war. Als er mir vorschlug, bei seiner Familie zu leben... ich war
fünfzehn, es klang besser, als im Waisenhaus zu bleiben, bis ich volljährig
war. Paul schien in Ordnung zu sein und Annie... sie hat mich von Anfang an wie
ihr eigenes Kind behandelt. Auf jeden Fall war es nicht so, dass Paul irgendwie
versuchte, mich zu beeinflussen. Er erzählte nie besonders viel von seiner
Arbeit, aber das hat mich nur neugieriger gemacht. Ich dachte, Polizist zu sein
wäre ein Weg, den Menschen zu helfen, so wie du den Menschen geholfen hattest.
Ich wollte... ich wollte so sein wie du, zumindest soweit ich das konnte. Um
irgendeinen Sinn darin zu finden, warum ich das Feuer überlebt hatte, und du nicht.“
Endlich drehe ich den Kopf, sehe ihn an, versuche in seinen Zügen
zu lesen. Es ist nicht allein das matte Licht der wenigen, weit verstreuten
Kerzen, das es mir schwer macht. Peter hat sich von mir zurückgezogen. Ich
strecke die Hand nach ihm aus, streife mit den Fingerspitzen den Verband,
dessen Umrisse unter dem dünnen Stoff seines Hemdes deutlich zu erkennen sind.
„So etwas passiert, Paps. Ich hatte Glück.“
„Ja“, erwidere ich leise. Aber wie oft wird dieses Glück anhalten?
„Ich hatte Glück, weil ich damit zu meinem Vater kommen konnte.“
Peter lächelt, zuckt mit den Schultern. Er weiß nicht, wie falsch
seine Worte sind – und wie rein seine Absicht dahinter. Also erwidere ich sein
Lächeln. Vielleicht nur aus Angst, ihn zu enttäuschen. Peter hat davon
gesprochen, dass er glaubt, meine Erwartungen nicht erfüllen zu können. Doch
wie kann ich ihn verstehen machen, dass er sich irrt, dass er mir so viel mehr
gegeben hat, als ich jemals hätte erwarten können? Oder wie soll ich zu ihm von
der Angst sprechen, die ich seit dem Moment hege, als ihn mir seine Mutter zum
ersten Mal in die Arme legte? Der Angst, als Vater zu versagen, ihn zu
enttäuschen, nicht für ihn da zu sein wenn er mich brauche, wie ich mich von
meinem Vater im Stich gelassen gefühlt hatte?
„Warum bist du weggegangen?“ Seine Stimme ist so leise, dass ich
ihn fast nicht verstehe. „Es war doch alles... in Ordnung. Ich dachte... du
hättest akzeptiert, dass ich anders bin als du, dass ich mein Leben nach
anderen Regeln lebe – oder dich zumindest daran gewöhnt. Nach der Sache mit
Jake... nachdem ich endlich über die Eifersucht weg war, dachte ich, du würdest
dich darüber freuen, dass ich wieder dein Schüler bin, zumindest was Kung Fu
angeht. Es gab doch Momente, in denen wir uns so nahe waren, wie früher –
vielleicht sogar näher. Das habe ich mir doch nicht alles nur eingebildet, weil
ich es mir so sehr wünschte.“
„Nein. Wir sind uns näher gekommen.“ Ich versuche seinem Blick
stand zu halten, aber es fällt mir unerwartet schwer. Was er von mir wissen
will... wie soll ich ihm etwas erklären, dass ich selbst kaum begreife?
„Warum bist du dann weggegangen? Warum diese sechs Monate
irgendwo, anstatt bei mir? Und du wärst vermutlicht jetzt noch nicht einmal
hier, wenn nicht die Chi’Ru in der Stadt aufgetaucht wären.“
Ich...
„Was habe ich falsch gemacht?“
Ich weiß nicht, wie...
„Verdammt, Paps – sprich mit mir!“ Seine Hände umschließen meine
Oberarme, drehen mich ihm zu, so dass wir uns von Angesicht zu Angesicht
gegenüber stehen.
„Du hast nichts falsch gemacht, Peter.“ Selbst in meinen Ohren
klingt meine Stimme fremd und rau. „Der Fehler liegt bei mir.“
Langsam lässt er mich los. „Welcher Fehler?“, fragt Peter
verwirrt. „Du machst nie Fehler.“
Ich schüttele den Kopf. „Als ich dich wiedergefunden hatte... ich
ignorierte die Tatsache, dass du ein eigenes Leben hattest, eine neue Familie,
Freunde, Kollegen – Menschen, die dich lieben, sich um dich sorgen, dich
schätzen – die einen Platz in deinem Herzen haben. Es war einfacher so...
einfacher, als zu denken, du... du würdest mich nicht mehr brauchen. Ich war
für dich nicht mehr als eine Erinnerung, die Erinnerung eines Kindes. Du
wolltest, dass ich wieder der Vater aus deiner Kindheit war. Aber das konnte
ich nicht mehr sein. Ich bin nicht mehr der selbe Mann wie damals, Peter.
Dieser Mann ist im Feuer des Tempels gestorben.“
Für einen Augenblick kehre ich an diesen Ort, in diesen Moment
zurück – spüre die Flammen, die nach mir lecken, die Hitze, werde fast vom Raum
erstickt, während ich panisch in den Trümmern nach meinem Kind suche... Dann
dränge ich die Erinnerung zurück. Nur mein Herz rast weiter und wie damals
füllt die Bitterkeit des Versagens meinen Mund.
„Also gab ich mich mit dem Platz zufrieden, den du mir in deinem
Leben zugewiesen hast. Ich versuchte, wieder dein Vater zu sein. Aber wenn ich
dir helfen wollte, wenn ich dich schützen wollte, empfandest du es als Gängelei
– du fühltest dich eingeengt und wurdest wütend. Aber das ist der einzige Weg,
den ich sah, für dich da zu sein – dir nahe zu sein. Doch offenbar brauchtest
du diese Art von Vater nicht. Ich versuchte mich zu ändern. Wenn ich schon
nicht dein Vater sein konnte, so wollte ich zumindest wieder dein Lehrer sein.
Aber du wolltest meinen Rat nicht, meine Lehren. Wieder fühltest du dich
überwacht und eingeschränkt und alles, was ich tat oder sagte, empfandest du
als Kritik an deinem Lebensstil.“
Ich hole tief Luft. „Offensichtlich war in deinem Leben kein Platz
mehr für mich. Du brauchtest mich nicht mehr. Aber ich konnte auch nicht
einfach gehen. Nicht, nachdem ich erfahren hatte, dass Sing Ling hier lebt, das
es eine Möglichkeit geben würde, den Namen unserer Familie reinzuwaschen. Es
war das einzige, was ich dir geben konnte. Dein Erbe. Deine Herkunft. Eine
Familie. Wurzeln. Das war es, was du als Kind am meisten wolltest und das, was
ich dir damals nicht geben konnte. Es war... wie ich dachte... die einzige
Verpflichtung, die ich dir gegenüber noch hatte. Und nachdem ich sie erfüllt
hätte, wäre ich frei zu gehen, und dich deiner Familie und deinem Leben zu
überlassen.“
Als ich die Hand an seine Wange lege, zuckt er nicht zurück – wie
damals, als ich ging. Er wird niemals wissen, wie diese instinktive Geste mich
verletzte... Ich zwinge mich dazu, weiter zu sprechen. „Dann geschah alles so
schnell. Ich wurde als Sing Lings Beschützer akzeptiert, genau wie du. Wir
konnten die Attentäter aufhalten, David Chows Verrat aufklären und Cheryl auf
der Thronfeier davon abhalten, Sing Ling zu töten. Ich... nein, wir hatten
erreicht, dass die Schande von unserem Familiennamen genommen wurde. Ich war
frei. Es war eine so... qualvolle Freiheit, ich wollte sie nicht. Aber ich sah
noch immer keine andere Möglichkeit, als zu gehen. Zumindest konnte ich dieses
Mal die Gewissheit mitnehmen, dass du... nicht länger ein unmöglicher Traum
warst.“
„Das... das wusste ich nicht.“
Peters Verwirrung ist fast mit Händen greifbar. Aber ich kann auch
spüren, dass seine Wut sich gelegt hat und die Erleichterung, die ich empfinde,
lässt mich fast schwindlig werden. Aber was wird nun?
Peter löst sich von mir, geht ein paar Schritte weg. In der Mitte
des Raumes bleibt er stehen, dreht sich zu mir um. „Du hast gesagt, es war ein
Fehler. Dann weißt du jetzt also, dass du dich geirrt hast? Dass ich dich
brauche? Dass ich dich brauche, vielleicht noch viel mehr, als ich das als Kind
getan habe?“
„Ja, Peter.“ Ich zögere, unsicher ob ich ihm folgen soll. Dann
fällt mein Blick auf seine Jacke und ich habe einen Vorwand, um zu ihm zu
gehen. Ich gehe zu ihm, lege ihm die Jacke über die Schultern, verweile,
streiche den Kragen glatt. „Ich wusste es schon, bevor ich zurückgekommen bin.“
Ungläubigkeit scheint in seinen Augen. „Und trotzdem wärst du
nicht gekommen, wenn nicht die Chi’Ru aufgetaucht wären?“
„Peter... es ist ein großer Unterschied zwischen Wissen und
Handeln. Und abgesehen von der Beziehung zwischen uns beiden... ich weiß noch
immer nicht, wo mein Platz ist.“ Ich habe vielleicht vergessen, was es
bedeutet, an einem Ort Zuhause zu sein. Vielleicht war ich zu lange unterwegs.
„Mein Herz und meine Sinne haben ihre Mitte verloren.“
„Ich will, dass dein Platz hier ist. Bei mir. Du hast von meiner
Familie gesprochen, von meinen Freunden. Aber niemand konnte dich jemals
ersetzen. Du bist mein Vater. Ich brauche dich, um ganz zu sein.“
Ich lasse meine Hände auf seine Schultern gleiten. „Peter...“
„Du hast mir versprochen, dass ich nie mehr allein sein werde. War
das eine Lüge? Etwas, um mich ruhig zu stellen?“
„Nein, Peter.“ Ich halte ihn fest, als er sich von mir abwenden
will. „Hör’ mir zu. Ich habe dich nicht belogen. Du bist nicht allein. Für mich
bist du das Licht. Du hast meinem Leben Sinn und Ziel geschenkt. Du bist ein
Teil von mir. Auf ewig.“
Er schüttelt meine Hände ab. „Ich hoffe, du erinnerst dich daran,
wenn du das nächste Mal daran denkst, zu gehen.“ Peters Wut ist zurück. „Ich
muss gehen.“ Er lässt mich stehen und öffnet die Fenstertüren zum Balkon.
„Ich... ich komm’ wieder vorbei.“ Damit verschwindet er in die Nacht.
Ich bin allein. Ruhe kehrt zurück in meine Räume, nicht jedoch in
mein Herz. Vielleicht gibt es noch eine Chance für uns.
Ende
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It takes
time
Breaking down
I'm breaking down
If I can feel again
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