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Bittersüße Erinnerungen ~
K/S,
PG-13, First Time
Meine 2. Antwort auf T'Lens Challenge:
Verwendet folgende Wörter: "Zitroneneis mit Schlagsahne, Trikorder,
Turnschuhe, Schachfigur, Eisenbahn"
Kirk trauert um seinen Bruder Sam. Aber da scheint noch mehr zu sein, das ihn
belastet.
Spielt nach "Operation Annihilate!"
"Jim? Admiral Nogura will dich
sprechen."
Kirk seufzte leise. "Bitte Mom. Wimmele
ihn ab. Ich will nicht mit ihm sprechen. Weder mit ihm, noch mit irgend
jemandem sonst von Starfleet."
Winona Kirk musterte ihren Sohn besorgt. Jim
hatte etwas durcheinander gewirkt, als er vor zwei Tagen unvermittelt auf der
Farm aufgetaucht war. Aber er hatte noch kein Wort darüber verloren, was
*wirklich* mit ihm los war. Sicher - Sams Tod ging nicht spurlos an ihm vorbei.
An keinem von ihnen. Aber sie kannte ihren Sohn gut genug um zu wissen, dass da
noch sehr viel mehr geschehen sein musste, als er erzählt hatte.
Doch vorerst wartete am Komgerät noch ein
anderes Problem
Sie nickte, wenn auch etwas unwillig und
schob ihre eigene Trauer für den Moment beiseite.
"Okay. Und was soll ich ihm erzählen?
Er weiß ja offensichtlich, dass du hier bist."
Kirk winkte ungeduldig ab. "Was du
willst. Sag ihm, ich sei kurz aufgetaucht und schon wieder abgereist."
Sein Blick verfinsterte sich und er zog die
Brauen zusammen. "Ich will einfach nur meine Ruhe. Und vor allem will ich
keinen dieser Lamettaträger sehen!"
Er lief an ihr vorbei und die Treppe
hinunter. Sie hörte das Klappern der Fliegentür. Wieder hatte er nicht
gefrühstückt. Mit einem resignierten Kopfschütteln kehrte sie zum Komgerät
zurück.
"Admiral Nogura. Mein Sohn war bis vor
Kurzem noch hier, aber er ist inzwischen mit unbekanntem Ziel abgereist.
Möchten Sie ihm eine Nachricht hinterlassen?"
Sie musterte den älteren Mann und
unterdrückte ein Lächeln, als dieser unwillig die Stirn runzelte.
"Das ist mal wieder typisch Kirk!"
murmelte er halblaut, um sich dann wieder Winona zuzuwenden.
"Ich bedauere den Tod ihres Sohnes Sam,
Mrs. Kirk."
Er machte eine kurze Pause, wohl um nicht zu
aufdringlich zu wirken. Er erschien ihr dennoch so.
"Es ist wirklich wichtig, dass sich
Captain Kirk innerhalb der nächsten drei Tage bei mir meldet! Sagen Sie ihm das
bitte, falls er unverhofft bei Ihnen auftaucht. Admiral Nogura Ende."
Sie nickte stumm und deaktivierte das
Komgerät. Dann lehnte sie sich müde im Stuhl zurück und rieb sich über die
Augen. Sam... Es war seltsam zu wissen, dass sie ihren ältesten Sohn nie
wiedersehen würde. Sie hatte sich noch immer nicht an den Gedanken gewöhnt,
dass er nicht mehr lebte. Doch Trauer... Ja, sie hatte geweint, als sie davon
erfahren hatte. Jim hatte ihr noch von Deneva aus per Subraum eine Nachricht
geschickt und gefragt, ob sie sich um Peter kümmern würde.
Dann, vor zwei Wochen war ihr Enkel von zwei
Starfleetoffizieren zu ihr gebracht worden. Sie hatte mit ihm gesprochen, hatte
versucht, ihn aus seinem Schock zu lösen. Es war ihr nicht gelungen.
Schließlich hatte Lirien, eine Schwester Aurelans, vorgeschlagen, er solle bis
zum Schulbeginn bei ihr bleiben. Sie war Psychologin und würde sich um ihn
kümmern.
Winona hatte selbst schon daran gedacht, sie
darum zu bitten und war erleichtert gewesen, als auch Peter damit einverstanden
war, einige Zeit bei seiner Tante zu wohnen.
Das Wiehern eines Pferdes und die üblichen
fröhlichen Rufe der draußen arbeitenden Cowboys riefen sie in die Gegenwart
zurück. Sie war kein Mensch, der dazu neigte sich irgendwo zu verkriechen!
Etwas harte, körperliche Arbeit würde ihr sicher gut tun. Entschlossen stand
sie auf und griff nach ihrem Cowboyhut. Dann trat sie in die helle Morgensonne
hinaus und ging zum Corral, wo bereits eines der Jungtiere auf sein
Dressurtraining wartete.
~ * ~
Spock und McCoy hielten auf einem Hügel den
gemieteten Bodenwagen an und sahen schweigend hinunter auf das Bild, das sich
ihnen bot.
Das Kirk'sche Anwesen war überraschend groß.
Kirks Mutter hatte nach dem Tod ihres Mannes ihren Traum erfüllt und die Farm
zu einem Gestüt ausgebaut. Es war unübersehbar: soweit das Auge reichte,
breiteten sich Pferdekoppeln über die sanften Hügel aus.
Die Hauptgebäude mit dem Wohnhaus, den
Ställen und Lagerhäusern lagen eingebettet in einer sanften Mulde - sie Tal zu
nennen war eher übertrieben - durch die praktischerweise ein kleiner Bach floss.
Einige Cowboys trainierten ihre Pferde auf
einem der Sandplätze oder arbeiteten bei den Ställen. Eine Frau bemühte sich in
einem hoch umzäunten Reitplatz ein störrisches Jungtier unter ihre Kontrolle zu
bringen.
McCoy deutete mit einem Kopfnicken auf sie.
"Das ist Winona Kirk, Jims Mutter. Ich
habe mal ein Hologramm von ihr gesehen."
Spock nickte nur und fuhr weiter.
Kaum jemand beachtete sie, als sie einige
Minuten später vor dem Hauptgebäude hielten, ausstiegen und sich suchend
umsahen.
Ein Cowboy, der gerade aus dem Haus kam,
erbarmte sich ihrer.
"Kann ich Ihnen helfen?" fragte er
eher unfreundlich. Sein Blick wanderte abschätzig und desinteressiert über die
blau-schwarzen Uniformen der beiden Männer.
McCoy ließ sich davon nicht beeindrucken. Er
setzte sein freundlichstes Lächeln auf.
"Vielleicht. Wir suchen Jim Kirk. Ist
er hier?"
Der Cowboy zuckte nur mit den Schultern.
"Keine Ahnung. Ich habe ihn schon seit längerem nicht gesehen. Ich habe zu
tun." Er tippte sich an die Hutkrempe und ließ die beiden stehen.
Spock nickte zu Kirks Mutter hinüber.
"Wir sollten sie fragen. Sie wird wohl am ehesten wissen, ob ihr Sohn hier
ist."
McCoy grinste schief. "Logisch. Da
hätte ich auch drauf kommen können."
Spock hob lediglich eine Braue und verkniff
sich eine spitze Bemerkung.
~ * ~
Auch Winona Kirk beachtete sie zunächst
nicht, als sie an der Umzäunung stehen blieben. Doch dann siegte die stille
Hartnäckigkeit der beiden. Sie parierte ihr Pferd vor ihnen durch.
Mit einer nachlässigen Geste schob sie ihren
Cowboyhut zurück, stütze sich mit einer Hand am Sattel ab und musterte die
Besucher.
"Wenn Sie meinen Sohn suchen, muss ich
Sie enttäuschen. Er ist nicht hier", sagte sie abweisend und wollte schon
wieder anreiten.
"Wir wissen, dass er hier ist, Mrs.
Kirk." McCoy konnte sehr hartnäckig sein, wenn er wollte.
Etwas in seiner Stimme ließ sie innehalten.
Sie sah noch einmal genauer hin. Dann seufzte sie leise, als ihr dämmerte *wer*
da vor ihr stand. Das waren nicht irgendwelche Offiziere aus Noguras Stab.
Zudem gab es nicht viele vulkanische Offiziere in der Flotte, wie sie wusste.
"McCoy und Spock von der Enterprise,
richtig? Jim bat mich, ihm alles und jeden vom Hals zu halten, der mit
Starfleet zu tun hat. Ich schätze aber, Sie kommen als Freunde?"
McCoy nickte. "Ja. Jim hätte schon vor
einer Woche wieder seinen Dienst antreten müssen. Der Tod seines Bruders hatte
ihn härter getroffen, als er es während der folgenden Missionen gezeigt hatte.
Deshalb hat das Oberkommando wohl ein Auge zugedrückt, als er seinen Landurlaub
überzog.
Doch als er sich auch auf eine direkte
Anfrage hin nicht gemeldet hat, wurde ich informiert. Sie wollten wissen, ob er
Anzeichen von psychischer Instabilität gezeigt hat. Falls das zutrifft, müsste
er in Behandlung - und ist vermutlich sein Kommando los. Wenn er sich nicht
binnen dreier Tagen bei Nogura meldet, ebenfalls. Davor möchten wir ihn
bewahren."
McCoy trat noch etwas dichter an den Corral
heran. "Bitte,
Mrs. Kirk. Wir sind hier als seine
Freunde. Was auch immer mit ihm los ist... wir möchten ihm helfen."
Sie musterte die beiden Männer ein drittes
Mal. Besonders Spocks gleichzeitig verschlossener und bittender
Gesichtsausdruck überzeugte sie davon, dass da wohl noch mehr unter der
Oberfläche schlummerte.
Sie nickte und entschied sich, die Bitte
ihres Sohnes zu ignorieren.
"Er ist heute Morgen ausgeritten. Ich
weiß nicht, wo er ist. Aber ich schätze, er kommt am Abend wieder. So wie in
den letzten Tagen."
"Danke, Mrs. Kirk." McCoy war
sichtlich erleichtert.
"Ach, schon gut", winkte sie ab.
"Ich hoffe, Sie können ihm wirklich helfen. Er wirkt, als würde er vor
etwas davonlaufen. Vielleicht kommt er zur Vernunft, wenn Sie beide mit ihm
reden."
Sie deutete auf eines der Gebäude. Die
beiden Flügeltüren standen weit offen und gewährten freie Sicht auf eine modern
eingerichtete Werkstatt.
"Warten Sie am besten im Haus. Aber
vorher sollten Sie den Wagen rüber zur Werkstatt fahren. Dort fällt er weniger
auf und Jim wird nicht gleich misstrauisch, wenn er ihn sieht. Sonst bringt er
es noch fertig und verschwindet tatsächlich von hier. Er ist zurzeit
unberechenbar."
McCoy betrachtete sie ernst. "Was mit
Sam passiert ist... Es tut mir sehr leid, Mrs. Kirk."
Sie nickte und ein trauriger Ausdruck
huschte über ihre Züge. "Danke. Es ist nicht leicht, sich an den Gedanken
zu gewöhnen. Aber das Leben muß weiter gehen. Schon wegen Peter. Sie waren es,
der ihm das Leben rettete, nicht wahr?"
"Ja. Spock hat dabei aber auch keine
unwesentliche Rolle gespielt."
Hellbraune Augen, die denen ihres Sohnes
glichen, fixierten den Vulkanier. "Ich danke auch Ihnen, Mr. Spock. Jim
hat mir unter anderem erzählt, dass Sie beinahe erblindet wären."
Spock nahm ihre Worte mit einem Kopfnicken
entgegen. "Ich trauere mit Ihnen."
"Wo ist Peter jetzt?" McCoy wollte
die Gelegenheit nutzen, auch nach Jims Neffen zu sehen. Die Ereignisse auf
Deneva waren an dem Jungen nicht spurlos vorbeigegangen.
"Er ist bei seiner Tante Lirien, einer
Schwester Aurelans. Sie ist Psychologin und kümmert sich um ihn, bis er das
Schlimmste überwunden hat. Danach will er herkommen und im Ort zur Schule
gehen."
"Und wie geht es ihm?"
"Er verdrängt noch, was geschehen ist.
Seine Tante und ich sind übereingekommen, ihm noch etwas Zeit zu lassen.
Körperlich hat er alles gut überstanden, so die Aussage seiner Ärzte."
McCoy atmete erleichtert auf. "Dann ist
er ja in besten Händen."
Winona richtete sich im Sattel auf.
"Ja. Aber jetzt verstecken Sie lieber den Wagen, bevor Jim ihn noch
sieht."
Sie war schon merklich freundlicher
geworden.
"Das mache ich am Besten gleich."
McCoy nickte ihr zu und kehrte zum Wagen zurück.
Spock blieb stehen. Sein Blick wanderte über
die Koppeln und blieb schließlich an einer kleinen, etwas weiter entfernten
Baumgruppe hängen. Er kniff die Augen zusammen, als er dort etwas im
Sonnenlicht aufblitzen sah. Doch die Entfernung war selbst für seine Augen zu
groß, um zu erkennen, was die Reflexion verursachte.
Winona war seinem Blick gefolgt. Sie
lächelte unmerklich.
Etwas in Spocks Haltung sagte ihr, dass er
es vorziehen würde, zunächst allein mit Jim zu sprechen. Sie kannte ihren Sohn
gut genug um zu wissen, dass er jetzt einen Freund brauchte. Und Spock schien
genau das für ihn zu sein.
Er war genau so, wie sie ihn sich anhand von
Jims Briefen und Erzählungen vorgestellt hatte. Berichte, in denen der
Vulkanier häufiger und detaillierter als alle anderen beschrieben wurde. Er
schien in Jims Leben eine große Rolle zu spielen.
Sie traf eine Entscheidung.
"Dort drüben ist ein altes Baumhaus.
Jim und Sam haben dort als Kinder oft gespielt. Jetzt ist es verlassen und halb
verfallen. Niemand kümmert sich mehr darum."
Langsam sah Spock zu ihr auf. Verstehen
blitzte in den dunklen Augen auf, als sich ihre Blicke trafen. Dann ging er
entschlossen los.
~ * ~
Als McCoy zurückkehrte, war Spock bereits
hinter einer Wegbiegung verschwunden.
Etwas verwirrt sah er sich um.
"Wo ist Mr. Spock geblieben?"
wandte er sich an Winona.
Sie zuckte mit den Schultern. "Er
wollte sich etwas umsehen. Vielleicht auch nur die Beine vertreten."
McCoy grinste. "Typisch Spock. Immer
neugierig und darauf aus, Neues zu entdecken. Selbst wenn er einmal seinen
Tricorder nicht bei sich hat. Na, er wird sich schon nicht verlaufen."
Mit dem Daumen deutete er über seine Schulter
hinweg zum Haus.
"Darf ich drinnen warten?"
"Ja. Es ist offen. In der Küche finden
sie Getränke und Obst. Bedienen Sie sich."
Erleichtert darüber, dass der Arzt ihre
oberflächliche Ausrede geschluckt hatte, sah sie ihm nach. Etwas sagte ihr,
dass es besser war, wenn Spock und Jim ungestört miteinander reden konnten.
~ * ~
Spock schritt schnell aus und so dauerte es
nur eine halbe Stunde, bis er die kleine Baumgruppe erreichte.
In dem wirklich schon halb verfallenen
Baumhaus, geborgen in einer weitausladenden Baumkrone mehrere Meter über dem
Boden, regte sich nichts. Dennoch ging er langsam näher und stieg schließlich
die morsche Leiter hinauf. Die Sprossen knarrten bedenklich.
Das Geräusch musste Kirk aufmerksam gemacht
haben.
"Ich habe doch gesagt, dass ich allein
sein will", knurrte er unfreundlich ohne sich umzudrehen.
"Ich weiß."
Spock trat leise ein. Durch einige Löcher im
Holzboden konnte er die Wiese unter sich sehen. Er hoffte, dass das morsche
Holz sein Gewicht trug.
Aufmerksam betrachtete er seinen Freund.
Kirk kniete vor einer geöffneten Kiste und
schien damit beschäftigt gewesen zu sein, deren Inhalt durchzusehen. Spock
erhaschte einen Blick auf einige Gegenstände, Bücher und Papiere.
Der dreiwöchige Landurlaub unter der Sonne Iowas
schien Kirk gut getan zu haben. Er war leicht gebräunt und sein Haar, länger
und blonder als sonst, fiel ihm noch zerzauster als üblich ins Gesicht. Er
hatte sichtlich abgenommen, wie Spock unschwer in der knappen Kleidung - eine
abgeschnittene Jeans und ein Paar abgetragene Turnschuhe war alles, was er trug
- erkennen konnte.
Langsam setzte sich Kirk auf seine Fersen
zurück. Er sah Spock nicht an.
"Hat das Oberkommando Sie auf mich
angesetzt?" Es klang bitter und hart.
Spock schüttelte den Kopf. Instinktiv wollte
er eine Hand ausstrecken, eine der zerzausten Strähnen glatt streichen, die
verspannten Schultern massieren. Unsicher, wie Kirk auf eine solche Berührung
von ihm reagieren würde, tat er es nicht.
"Nein. Ich bin als Freund hier. Mit
McCoy. Er wartet auf der Farm. Nogura hat ihn kontaktiert, als Sie nicht aufs
Schiff zurückgekehrt sind. Sie werden das Kommando verlieren, wenn Sie sich
nicht melden, Jim."
"Gehen Sie zu McCoy und verschwinden
Sie! Ich will nichts mehr von der Flotte wissen. Von niemandem dort, auch nicht
von Euch beiden!"
"Ich glaube Ihnen nicht, Jim."
Jetzt drehte sich Kirk um. "Ach
nein?" fragte er mit ätzendem Sarkasmus. "Warum nicht? Weil es nicht
logisch ist?"
Er stand auf und trat an eines der Fenster
heran.
Erst jetzt bemerkte Spock, dass die
einstigen Glasscheiben teilweise zerbrochen waren und sich in den Scherben, die
noch im Rahmen steckten, die Sonne spiegelte. Das war also die Ursache der
Reflexionen gewesen, die ihn hergeleitet hatten - zusammen mit etwas, das McCoy
als Stimme im Hinterkopf bezeichnen würde. Intuition? Wahrscheinlich, auch wenn
er es nicht gerne eingestand als Vulkanier auf dieser Basis zu handeln.
Leise stand er auf und stellte sich hinter
Kirk. Nahe genug, um in dessen aus Trotz, Trauer und hilfloser Wut selbst
errichteten Schutzwall einzudringen.
Kirk musste es gespürt haben. Unwillkürlich
versteifte er sich und Spock beobachtete fasziniert, wie sich einige
Nackenhärchen aufstellten.
"Ich bin als Freund gekommen."
Kirk sagte nichts, starrte weiterhin stumm
aus dem Fenster. Irgendwann stütze er sich mit einem ausgestreckten Arm an der
Wand daneben ab und lehnte den Kopf gegen den Arm.
"Wir waren oft hier, Sam und ich."
Spock sah an Kirk vorbei. Mit seinen
schärferen Augen betrachtete er das Treiben auf der Farm, das für Kirk sicher
nur zu erahnen war.
"Er hat Ihnen viel bedeutet." Es
war keine Frage, doch Kirk nickte trotzdem.
"Ja. Er war mein Bruder. Wissen Sie,
was es heißt, einen Bruder zu verlieren?" Er stieß sich vom Fenster ab und
ging an Spock vorbei zum Ausgang.
"Wohl kaum", fügte er bitter
hinzu, als er keine Antwort bekam. "Es ist ja auch nicht logisch zu
trauern."
"Sie irren sich, Jim. Es ist logisch,
Trauer zuzulassen. Und ich weiß, was es heißt, einen Bruder zu verlieren."
Kirk blieb stehen und drehte sich um.
Sichtlich überrascht musterte er seinen vulkanischen Freund. Sah ihn zum ersten
Mal bewusst an.
Spock musste sich zwingen, nicht vor dem
durchdringenden Blick zurückzuweichen. Etwas Kaltes, Fremdes glitzerte in den
Augen seines Captains und Freundes. Er glaubte schon, Kirk würde nachfragen,
doch dann wandte sich der Mensch brüsk ab und senkte den Blick. Die Schultern
sackten herab und er machte sich wortlos daran an der morschen Leiter hinunter
zu klettern.
Spock folgte ihm schweigend. Er achtete
darauf, die Sprossen nicht zu ruckartig mit seinem Gewicht zu belasten. Dennoch
schaffte er es nur bis zur Hälfte, bevor ihn ein verdächtiges Knacken vor dem
bevorstehenden Fall warnte. Spock federte instinktiv zurück und versuchte
kontrolliert zu springen, als die Leiter unter seinem Gewicht zusammenbrach. Er
schaffte es nicht ganz.
"Spock!"
Sofort war Kirk bei ihm, als er ziemlich
unzeremoniell zu Boden fiel. Er wartete, bis sich Spock aufsetzte.
"Sind Sie verletzt?"
Spock nickte leicht und tastete über seinen
Knöchel, der bereits anzuschwellen begann.
"Vermutlich gebrochen."
"Können Sie laufen? Wohl eher nicht,
hm?"
Kirk sprang auf und verschwand zwischen den
Bäumen um gleich darauf mit seinem Pferd zurückzukommen. Er hatte das Tier,
einen der Zuchthengste der Farm, hinter den Bäumen angebunden, damit es von der
Farm aus nicht gesehen wurde und seinen Aufenthaltsort nicht verriet.
Spock musterte kurz das im Abendlicht
blauschwarz schimmernde Fell des kräftigen Tieres. Es trug keinen Sattel.
"Ich kann nicht reiten."
Kirk grinste. "Ich weiß. Kein Problem,
Spock. Sie fallen schon nicht runter."
Spock warf ihm einen zweifelnden Blick zu.
Kirk schien wie verändert. Nichts mehr
erinnerte an den in Bitterkeit und Trauer gefangenen Mann, dem er vor einigen
Minuten begegnet war.
Vorsichtig, um ihm nicht unnötig weh zu tun,
half Kirk seinem Ersten Offizier aufzustehen. Er legte ihm einen Arm um die
Taille und pfiff dann kurz und scharf durch die Zähne.
Sofort reagierte der Hengst und stellte sich
dicht neben die beiden Männer.
"Ein Glück, dass es der rechte Fuß ist,
der verletzt ist. Stoßen Sie sich mit links ab, springen sie am Pferd hoch,
stützen sie sich mit den Armen auf und schwingen Sie das rechte Bein über den
Rücken. Ich helfe Ihnen dabei.
Keine Sorge wegen des Pferdes. Enigma ist
gut trainiert und wird stehenbleiben."
Spock tat, wie ihm geheißen. Ein kurzer
Schwung, etwas *handfeste* Nachhilfe von Kirk an seinem verlängerten Rücken -
was einen angenehmen Schauer durch seinen Körper jagte - und Spock saß oben.
Mit einer skeptisch gehobenen Braue sah er
auf das unruhig tänzelnde Pferd hinab und klammert sich unwillkürlich mit den
Beinen fest.
Kirk grinste. "Halten Sie die Beine
ruhig. Enigma reagiert sehr sensibel auf Schenkelhilfen."
Dann, mit der Leichtigkeit langer Übung, saß
er hinter ihm auf und nahm sofort die Zügel kurz, als der Hengst unwillkürlich,
wegen des ungewohnt hohen Gewichts der zwei Männer, zur Seite auswich.
Einen Arm um die schmale Taille des
Vulkaniers gelegt, ritt er an.
"Sie können sich in der Mähne
festhalten, wenn Sie wollen, Spock. Und versuchen Sie locker zu bleiben, vor
allem in der Hüfte. Nicht verkrampfen. Gehen Sie einfach mit den Bewegungen
mit."
Spock tat sein Bestes. Aber die unmittelbare
Nähe des Mannes hinter ihm, die schwankenden Bewegungen des Pferdes unter ihm,
der deutlich pochende Schmerz in seinem verletzten Fuß und der Arm, der ihn
festhielt, machten es ihm nicht gerade leicht, sich zu entspannen.
Um sich abzulenken, versuchte er ein
Gespräch zu beginnen. "Ist *Enigma* nicht ein seltsamer Name für ein
Pferd?"
Kirk lächelte verlegen. Irgendwie hatte er
geahnt, dass Spock danach fragen würde.
"Eigentlich nicht. Ich gab ihm den
Namen, kurz nachdem ich das Kommando über die Enterprise erhalten hatte. Er
erschien mir passend, zumal er mich mit seinem schwarzen Fell und seiner
kraftvollen Eleganz an jemanden erinnerte."
Kirk spürte deutlich Spocks Anspannung.
Ebenso wie das Pferd. Der Hengst warf den Kopf zurück und schnaubte unwillig.
Er war es nicht gewohnt, einen so unerfahrenen Reiter zu tragen. Die
Zuchtpferde waren sehr wertvoll und so durfte niemand auf ihnen reiten außer
Winona, Jim und die besten Cowboys.
Ich muss schneller reiten, um Enigma
abzulenken. Halten Sie sich fest und gehen Sie in den Bewegungen mit."
Spock nickte nur. Er spürte, wie sich Kirks
Griff um seine Taille verstärkte, bis er fest gegen den menschlichen Körper
gepresst wurde. Dann beugte sich Kirk leicht vor und veränderte die Position
seiner Schenkel.
Sofort wurde der Hengst schneller und
verfiel in einen langsamen, wiegenden Galopp. Spock empfand es als weitaus
einfacher, diesen weichen Wellenbewegungen zu folgen. Schnell passte er sich
dem Rhythmus an.
Kirks leises Lachen an seinem Ohr sandte erneut
Schauer durch seinen Körper.
"Wusste ich es doch, dass Sie der
geborene Reiter sind, Spock."
Spock beschloss den Moment zu genießen. Er
schloss die Augen und ließ sich einfach von den Bewegungen und der Präsenz des
Mannes hinter sich davontragen.
Es war unlogisch, so zu empfinden. Und
dennoch wollte er nicht leugnen dass es angenehm war, den kühleren Körper des
Menschen so nah zu fühlen.
Unwillkürlich nahmen seine telepatischen
Sinne die noch immer präsente Verbitterung Kirks wahr. Er trauerte um seinen
Bruder. Aber da war noch mehr, was ihn belastete, wie es schien.
~ * ~
Viel zu schnell waren Sie am Farmhaus
angekommen, wo sie bereits von McCoy und Winona erwartet wurden.
Kirk nickte ihnen knapp zu.
"Bones, hilf mir bitte mit Spock. Er
ist verletzt."
Kirk zeigte Spock, wie er das Bein über den
Rücken des Pferdes schwingen und dann langsam herunterrutschen sollte. Mit
einem festen Griff an den Hüften bremste er ihn.
Spock zuckte kurz zusammen, als er
unwillkürlich sein verletztes Bein belastete. Sofort verstärkte sich Kirks
Griff.
"Geht es?"
Der Vulkanier nickte, verwirrt über die
Intensität der Schmerzen.
Er versuchte sich nicht zu schwer auf Kirk
zu stützen, als dieser ihm ins Haus half.
"Lassen Sie mal sehen", brummte
McCoy und zog ihm behutsam den Stiefel aus, nachdem Kirk ihn auf eines der
Sofas im Wohnraum hatte Platz nehmen lassen.
Er blinzelte zu Spock hinauf.
"Wie haben Sie das denn geschafft?
Sieht nach multiplen Brüchen des Sprunggelenks und mindestens einem gerissenem
Band aus. Nur gut, dass ich wenigstens meinen Scanner dabei habe."
Er zückte seinen Diagnosescanner, den er
praktisch immer bei sich trug, und ließ ihn über die sich bereits grünlich
verfärbende Schwellung gleiten.
Spock, der sich wieder unter Kontrolle
hatte, ließ die Untersuchung scheinbar gleichmütig über sich ergehen. Doch
seine Sinne, durch den Ritt noch immer aufgewühlt, nahmen auch die notwenigen
Berührungen des Arztes stärker als sonst üblich wahr.
Um sich abzulenken, sah er sich in dem
gemütlichen Wohnraum um.
Mehrere Sessel und zwei Sofas standen um
einen kleinen Tisch herum gruppiert in einer Ecke des Raumes.
Eine Wand wurde von einem großen offenen
Kamin dominiert. Wegen der sommerlich warmen Temperaturen war er momentan
ungenutzt.
Drei zwischen hohen Bücherregalen fast
versteckte, teils geschlossene Türen führten zu anderen Räumen bzw. zu einem
Vorraum, in dem sich die Treppe zum Obergeschoß befand. An der vierten Seite
gaben große Fenster den Blick auf die Ställe und einen Teil der Koppeln frei.
Ein dicker, farbenfroher Teppich lag auf dem Boden und mehrere Zimmerpflanzen
vervollständigten das Bild.
"Wie vermutet... mehrere kleine Brüche
und ein gerissenes Band. Wir müssen zurück aufs Schiff um die Verletzungen zu
behandeln. Wie haben Sie das den geschafft? Sie sind doch sonst nicht
tollpatschig?"
"Er ist von einer morschen Leiter
gestürzt."
Kirk klang desinteressiert. Er hatte eine
Karaffe mit Wasser und Gläser geholt und bot jetzt beiden davon an. Froh, etwas
zu haben, woran er sich festhalten konnte, wich er Spocks fragendem Blick aus.
Sams Tod hatte zu viel in ihm aufgewühlt,
dem er sich einfach nicht stellen wollte. Vor allem nicht Spock gegenüber.
Warum hatte dieser auch ausgerechnet herkommen müssen?
McCoy nahm eines der mit Wasser gefüllten
Gläser. Sein Blick wanderte von Kirk zu Spock und wieder zurück. Bevor er etwas
sagen konnte, hielt ihm Winona ein gut bestücktes Medokit unter die Nase.
"Doc? Ich habe einige medizinische
Geräte zur Wundversorgung hier. Vielleicht ist etwas dabei, um die Verletzungen
zu behandeln."
McCoy warf einen prüfenden Blick hinein und
nickte anerkennend.
"Das wurde von jemandem
zusammengestellt, der etwas von Medizin versteht", brummte er. Dann lud er
einen Injektor und verabreichte Spock ein mildes Betäubungsmittel.
Er warf dem schweigenden Vulkanier einen
wissenden Blick zu.
"Ich weiß, Sie mögen das Zeug nicht und
ich weiß auch warum. Sie werden aber nicht drum herum kommen. Die Behandlung
mit dem Geweberegenerator ist fast unerträglich - sogar für einen Vulkanier.
Und sie sollten sich besser hinlegen."
McCoy warf Winona einen fragenden Blick zu
und sie nickte. "Ich habe oben zwei Gästezimmer vorbereitet."
Kirk war bereits wieder dabei, Spock beim
Aufstehen zu helfen. Gemeinsam mit McCoy brachten sie ihn nach oben.
Eher nebenbei registrierte Kirk, dass Spock
direkt neben seinem eigenen Zimmer untergebracht worden war. Er warf seiner
Mutter einen fragenden Blick zu, den diese jedoch geflissentlich ignorierte.
Sie halfen Spock sich hinzulegen und ließen ihn dann mit McCoy allein.
~ * ~
"Dann wollen wir mal."
McCoy überprüfte noch einmal mit dem Scanner
Spocks Verletzung und begann dann mit der Behandlung.
Sich auf eine Meditationsformel
konzentrierend, ließ Spock die wirklich schmerzhafte Prozedur schweigend über
sich ergehen.
Er war insgeheim froh darüber, nicht sofort
wieder auf das Schiff zurück zu müssen. War es doch schon schwer genug gewesen,
McCoy davon zu überzeugen, dass er ihn bei seinem geplanten Besuch begleiten
musste. Aber Spock war sich sicher, das Kirk ihn jetzt brauchte. Seine Logik
wehrte sich zwar dagegen, aber er hatte Kirks Sehnsucht nach ihm gespürt. Er
hatte ihn mit seinen mentalen Sinnen wahrgenommen, obwohl es keine Verbindung
zwischen ihnen gab. Oder etwa doch? Spock war sich da nicht mehr so sicher.
"Das haben Sie wunderbar hinbekommen,
Spock. Wieso klettern Sie auch auf morschen Leitern herum?"
"Ich bin Captain Kirk gefolgt."
"Ach?" McCoy justierte den
Regenerator neu und machte dann weiter. Spock biss unwillkürlich die Zähne
zusammen, als greller Schmerz durch die schon gereizten Nerven schoß.
"Und warum klettert Jim auf morschen
Leitern herum?"
"Erinnerungen."
"An Sam?"
"Ja." Spock stützte sich unruhig
auf den Ellenbogen auf und sah an sich herab zu McCoy, der noch immer mit dem
Knöchel beschäftigt war.
"Wie lange brauchen Sie noch
dafür?"
"Ich bin fast fertig. Wie geht's Ihrem
Magen?"
Spock ließ sich langsam zurücksinken. Es war
kein Geheimnis, dass ihm von den Betäubungsmitteln übel wurde. Nicht selten
musste er sich deswegen übergeben. Etwas, das er hasste.
Und jetzt, da McCoy es erwähnt hatte, konnte
er die steigende Übelkeit nicht länger ignorieren.
Die zusammengepressten Lippen und eine
fahle, leicht graue Blässe sagten McCoy genug.
"Kommen Sie. Sie können den Fuß wieder
belasten, wenn Sie vorsichtig sind. Nebenan ist ein Badezimmer."
So schnell es ging, brachte er ihn hinüber
und wartete dann, bis Spock wieder erschien. Er stützte den leicht schwankenden
Vulkanier auf dem Rückweg zum Bett.
"Legen Sie sich wieder hin. Ich bringe
Ihnen noch etwas zu trinken. Sie sollten versuchen zu schlafen und ich versuche
in der Zwischenzeit herauszufinden, was mit Jim los ist."
Spock nickte stumm und tat, wie ihm
geheißen. Sein ganzes Bein schmerzte von der Behandlung und es kostete ihn
einige Mühe, sich nichts anmerken zu lassen.
Nachdem McCoy gegangen war schloss Spock die
Augen und konzentrierte sich auf eine leichte Heiltrance.
Leise Schritte weckten ihn einige Minuten
später.
"Hier. Ich bringe Ihnen was zu trinken
und etwas Obst."
Kirk stellte ein Tablett neben ihm ab und
ließ sich auf die Bettkante sinken.
Langsam öffnete Spock die Augen und sah ihn
an.
Kirk wirkte müde und erschöpft. Dunkle
Schatten lagen unter seinen Augen, die Wangen wirkten eingefallen und blass.
"Es tut mir leid, dass Sie sich wegen
mir verletzt haben. Schon wieder."
Kirk nickte mit dem Kopf zu dem etwas höher
gelagerten Fuß, vermied aber Spocks Blick. Doch die letzten Worte hatten ihn
hellhörig werden lassen.
Intuitiv griff er nach Kirks Hand.
"Was ist es wirklich, was sie so
beschäftigt, Jim?" fragte er leise.
Kirk starrte auf die verschlungenen Finger.
Wortlos sprang er auf und riß seine Hand aus dem lockeren Griff. Sein Blick
huschte zu Spock, dann drehte er sich um und stürmte aus dem Raum.
Spock ließ sich mit einem leisen Seufzen
zurücksinken.
Er war sich nicht sicher, was der wirkliche
Grund für Kirks *Flucht* war? War es *nur* Sams Tod, was ihn so beschäftigte?
Oder steckte mehr dahinter? Etwa das, was er schon seit längerem insgeheim
vermutete: das Kirk mehr für ihn empfand?
Er wünschte sich, er würde die Menschen und
insbesondere Kirk, besser verstehen.
Weiter darüber nachgrübelnd, schlief er ein.
~ * ~
Einige Stunden später erwachte Spock
ruckartig und setzte sich im Bett auf. Es war bereits Nacht und einen Moment
lang wusste er nicht, wo er war. Dann kehrte die Erinnerung zurück.
Ein leises Stöhnen und unruhig gemurmelte
Worte aus dem Nebenraum ließen ihn aufhorchen. Er erinnerte sich, im Schlaf
seinen Namen gehört zu haben. Jemand hatte nach ihm gerufen.
Vorsichtig, um seinen noch immer leicht
schmerzenden Fuß nicht zu sehr zu belasten, stand er auf und verließ sein
Zimmer.
Die Geräusche waren aus Kirks Zimmer
gekommen...
Leise öffnete er die Tür und trat ein.
Helles Mondlicht fiel durch das offene Fenster auf Kirk, der sich unruhig in
seinem Bett herumwälzte. Er hatte die Decke von sich gestrampelt und ein dünner
Schweißfilm ließ seine nackte Haut glänzen.
Spock verharrte reglos, unsicher was er tun
sollte.
Wieder rief Kirk seinen Namen und instinktiv
eilte Spock an das Bett und ließ sich auf die Kante sinken. Er griff nach den
sich unruhig bewegenden Händen und hielt sie fest.
"Jim? Ich bin hier."
Kirk versteifte sich und schlug die Augen
auf. Verwirrt starrte er in das vom Mondlicht beleuchtete Gesicht seines Ersten
Offiziers.
"Spock, was... " Schlagartig
kehrte die Erinnerung zurück und er drehte sich zur Wand, fort von Spock.
"Sie haben geträumt, Jim. Ich hörte
meinen Namen, deshalb kam ich herein."
Er erhielt keine Antwort. Zögernd stand er
auf und wandte sich zum Gehen.
Kirks leise Stimme ließ ihn verharren.
"Bitte... bleiben Sie. Ich will jetzt nicht allein sein."
Langsam kehrte er zum Bett zurück, in dem
Kirk bereits dichter an die Wand heran gerutscht war. Spock sah auf ihn hinab,
unsicher, ob er der wortlosen Bitte folgen sollte.
Kirk begann leicht zu zittern. Es konnte
nicht an der, für Menschen warmen Nachtluft liegen. Entschlossen, alles auf
eine Karte zu setzen, folgte Spock seiner Intuition. Er zog seine Uniform aus
und legte sich neben Kirk.
Lange lagen sie so da, schweigend und
reglos.
Irgendwann drehte sich Kirk zu ihm um. Er
drückte sein Gesicht in die Halsbeuge, umarmte fast scheu den schlanken Körper
und schlief schließlich mit einem leisen Seufzen ein.
Spock ließ es einfach geschehen. Er spürte,
Kirk brauchte ihn jetzt. Brauchte die Sicherheit, die der Vulkanier ihm bot.
Es erstaunte ihn, wie selbstverständlich er
diese körperliche Nähe zulassen konnte; als wie angenehm er sie empfand. Noch
mehr als bei dem gemeinsamen Ritt zurück zur Farm. Als Vulkanier sollte er
eigentlich nicht so empfinden und tat es dennoch, begrüßte es sogar.
Doch er wollte jetzt nicht darüber nachdenken.
Dafür würde später Zeit genug sein.
Mit diesem Gedanken schlief auch er ein.
~ * ~
Eine kühle Windböe weckte Spock.
Er lag allein in Kirks Bett und die jetzt
merklich kühle Nachtluft ließ ihn zittern. Die inzwischen zugezogenen Vorhänge
blähten sich lautlos im Nachtwind, der durch das noch immer offene Fenster
hereinwehte.
Fröstelnd stand Spock auf, um das Fenster zu
schließen. Erst als er davor stand bemerkte er, dass es sich in Wirklichkeit um
eine Tür handelte, die auf die ums Haus laufende Veranda führte.
Er kehrte ins Zimmer zurück, legte sich eine
Decke um die Schultern und trat dann hinaus.
Wolken zogen, vom böigen Wind getrieben über
den Himmel und verdeckten immer wieder den Mond. Trotzdem sah Spock die helle
Gestalt seines Freundes an der Brüstung stehen. Leise ging er zu ihm, bis er so
nahe bei ihm stand, dass sich ihre Körper unmerklich berührten.
Kirk lehnte sich leicht an ihn, hob einen
Arm und deutete auf den, von einem Wetterleuchten erhellten Horizont.
"Da drüben ist ein Gewitter. Deshalb
der Wind."
"Ja."
Langsam drehte sich Kirk um und betrachtete
Spock.
"Warum bist du gekommen?" fragte
er schließlich leise, als er keine Antworten auf seine stummen Fragen in den
ruhigen Zügen finden konnte.
"Du hast nach mir gerufen."
Kirk schüttelte unwillig den Kopf.
"Nein. Ich meine nicht diese Alpträume. Warum bist du hergekommen, auf die
Farm?"
"Du hast nach mir gerufen, Jim."
Spock sah an ihm vorbei auf das Wetterleuchten.
Leise fuhr er fort. "Zwischen uns
besteht mehr, als wir bisher wussten. Mehr, als wir vielleicht jetzt schon
wissen. Du hast unbewusst nach mir gerufen und ich folgte deinem Ruf."
Er suchte Kirks Blick und senkte dann den
Kopf, bis sich ihre Lippen sanft zu einem zärtlichen Kuß berührten. Langsam, um
den eigenartigen Zauber nicht zu zerstören der begann sie einzuweben, zog er
ihn an sich. Hielt den Menschen einfach nur fest, bis er spürte, dass sich
dieser entspannte.
Irgendwo in seinem Bewusstsein flüsterte
eine Stimme, dass es Wahnsinn war, was er hier tat. Doch Spock wollte nicht
vernünftig oder logisch sein. Seine Intuition ließ es nicht zu. Und dieses eine
Mal wollte er ihr nachgeben.
Kirk riß ihn aus seinen Gedanken.
"Du hast einen Bruder verloren?"
fragte er leise.
Der plötzliche Gedankensprung erstaunte
Spock, aber er ging nicht darauf ein. Er konnte wahrnehmen, wie aufgewühlt Kirk
war und dass ihm unzählige unzusammenhängende Gedanken im Kopf herumschwirrten.
Langsam nickte er. "Sybok. Ein Sohn meines
Vaters aus dessen erster Ehe mit einer Prinzessin. Die Bindung zwischen ihnen
wurde getrennt, als sie sich für das Amt einer Priesterin entschied. Sybok
verließ Vulkan, als ich noch ein Kind war und bis heute ist ungewiss, wo er
sich aufhält, oder ob er noch lebt."
Kirk nickte langsam. "Vermisst du
ihn?"
"Manchmal. Er war mir in vielem ein
Vorbild, auch wenn Sarek das nicht gern gesehen hatte, da Syboks Ansichten
nicht unbedingt der vulkanischen Norm entsprachen. Das war auch letztendlich
der Grund, warum er ging."
"Dann weißt du also, was es heißt,
einen Bruder zu verlieren." Kirk schwieg lange Zeit und Spock glaubte
schon, er würde nicht weitersprechen. Dann jedoch begann Kirk mit leiser Stimme
zu erzählen.
"Ich habe Sam immer bewundert. Er war
einige Jahre älter als ich und Daddys Liebling. Irgendwie schaffte er es, im
Gegensatz zu mir, es Dad immer Recht zu machen. Manchmal beneidete ich ihn
darum, denn ich war immer der böse kleine Bruder, der alles falsch macht.
Trotzdem verstand ich mich mit Sam sehr gut
und wir verbrachten wunderbare Sommer in dem Baumhaus. Es waren so wunderschöne
Jahre mit ihm, auch wenn es Dad uns nicht immer leicht machte, da er Sam mir
vorzog und deshalb Eifersucht und Zwietracht säte. Ich beneidete ihn um die
Gunst, in der er bei Dad stand.
Was mir Sam allerdings stets verschwiegen
hatte, war, dass er unter dem Druck litt, den Dad auf ihn ausübte. Er wollte
immer Wissenschaftler werden. Ein Posten in der Sternenflotte reizte ihn nicht,
obwohl es das war, was Dad für ihn vorgesehen hatte. Erst als ich anfing, mich
dafür zu interessieren, ließ der Druck auf Sam nach. Doch der Disput zwischen
beiden war schon zu groß geworden, als dass sie sich noch hätten aussöhnen
können. Und dann starb Dad bei einer Mission."
Kirks Stimme war immer leiser geworden, bis
sie schließlich ganz erstarb, als er sich in den Erinnerungen verlor.
"Diese Kiste im Baumhaus. Was enthält
sie?"
Kirk seufzte leise und schmiegte sich enger
an Spock heran. Der warme Körper erschien ihm wie ein Zufluchtsort. Kühle
Nachtluft strich über sie hinweg und er spürte, wie Spock leicht zitterte.
"Komm, lass uns wieder hineingehen. Du
frierst."
Schweigend kehrten sie ins Bett zurück und
Spock ließ zu, dass sich Kirk eng an ihn schmiegte bevor er die Decke über sie
beide zog.
Er spürte Kirks kühlen Atem an seinem Hals
und den langsamen Herzschlag an seiner Brust.
Plötzlich atmete Kirk tief ein und ein
Schauer lief durch seinen Körper. Spock zog ihn noch etwas enger an sich und
küsste sanft die blonden Locken.
"Sam hat immer alles, was ihm wichtig
war in der Kiste aufgehoben. Es war seine Schatztruhe, wie er immer sagte. Ich
wollte sie durchsehen, um..."
Langsam hob er den Kopf und sah in das
völlig offene Gesicht seines Freundes. Seines Freundes? Oder war da mehr? Warum
ließ Spock diese Nähe zu? Warum suchte er, Kirk, danach und nahm sie als so
selbstverständlich hin?
Er wusste, dass er die Antwort kannte, doch
er konnte sie nicht akzeptieren. Noch nicht.
Nachdenklich verfolgte er eine der schrägen
Brauen mit einer Fingerkuppe, formte dann die Kontur eines Ohres nach.
"Ich weiß nicht, warum mir plötzlich
diese Kiste einfiel. Er hatte sie im Baumhaus versteckt. Sie war dicht in eine
Isolierfolie verpackt gewesen, so dass Regen und Sonne ihr nichts hatten
anhaben können. Alles ist noch so, wie es war, als er sie zum letzte Mal
geöffnet hatte."
Kirk verstummte und starrte Spock blicklos
an, in den Gedanken und Erinnerungen einer anderen Zeit gefangen.
"Es war am Abend nach Dads offizieller
Beerdigung gewesen. Sam war irgendwann verschwunden gewesen und Mom bat mich,
ihn zu suchen. Ich ahnte, dass er zum Baumhaus gelaufen war und fand ihn
schließlich auch dort.
Sam saß vor der Kiste. Er hatte wohl
irgendwas hineingetan. Als er mich hörte, klappte er sie zu.
Ich bat ihn, mit zum Haus zu kommen, weil
Mom sich um ihn sorgte. Er sah mich zuerst nur stumm an. Dann deutete er auf
die Kiste.
>Lass die Finger davon, Jimmy<, sagte
er. >Da drin ist meine Kindheit. Sie ist heute zu Ende gegangen und ich
werde endlich tun können, was ich schon immer hatte tun wollen.<
Zwei Tage später ging er und begann sein
Studium als Wissenschaftler. Noch bevor er seinen Abschluss gemacht hatte,
heiratete er Aurelan und dann gingen sie gemeinsam nach Deneva."
Spock streichelte beruhigend über Kirks
Rücken.
"Wirst du sie Peter geben?"
"Ja. Ich denke schon. Aber erst möchte
ich sie noch einmal durchsehen. Sie enthält so viel von Sam."
Er setzte sich unruhig auf.
"Sam hatte seine alte Eisenbahn drin
aufbewahrt. Sie hatte einmal Dad gehört, der sie von seinem Vater bekommen
hatte. Ich habe keine Ahnung, ob sie überhaupt noch funktioniert."
Mit den Fingerkuppen zeichnete er
nachdenkliche Kreise auf Spocks, noch mit dem schwarzen Thermoshirt bekleideten
Oberkörper.
"Wusstest du, dass er Eis mochte?
Zitroneneis mit Schlagsahne war seine Lieblingskombination. Hast du das schon
mal probiert?"
Spock schüttelte leicht den Kopf.
"Nein. Ich habe noch nie Eis gegessen."
Kirk lächelte wehmütig und zeichnete die
Konturen der sinnlichen Lippen nach.
"Du solltest es wirklich probieren. Ich
werde Mom bitten, morgen welches zu machen. Sie macht himmlisches Zitroneneis.
Bitter und süß zugleich. Bitter, weil sie auch immer die Schale mitverwendet.
Der Geschmack ist einzigartig. Sie kann ja Süßstoff anstatt Zucker nehmen, dann
macht es dir nichts aus. Und die Sahne darf sie nicht vergessen... die mochte
Sam so gern. Sie muss ganz süß sein. Nur so mochte er es. Das bittere Eis und
süße Sahne. O Gott. Ich werde diese Eis immer mit Sam in Verbindung bringen. Bitter
und süß wie die Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit."
Stumme Tränen glitzerten auf Kirks Wangen,
als er, noch in der Erinnerung gefangen, diese endlich loslassen konnte.
Spock setzte sich ebenfalls auf und zog
seinen lautlos weinenden Freund in die Arme. Er spürte, wie sich der Mensch an
ihn drängte und die Arme fest um ihn schlang, als wollte er ihn nie wieder
gehen lassen.
Beruhigend streichelte er über Schultern und
Rücken, murmelte leise vulkanische Koseworte in die blonden Locken. Instinktiv
wusste er, dass Kirk den Sinn der gutturalen Silben verstehen würde.
Irgendwann hob Kirk den Kopf und sah ihn aus
tränenverschleierten Augen an. "Warum bist du hier? Jetzt. Hier in meinem
Bett. Weil du es willst, oder weil ich es will?"
Spock zögerte nicht. "Weil wir beide es
gleichermaßen wollen."
Wieder küsste er die kühlen Lippen, strich
nur sanft mit seinem geschlossenen Mund darüber. Er wusste, dass Kirk nicht
unerfahren war, doch er wollte ihm Zeit lassen.
"Weil es das ist, was dich mehr als
alles andere ängstigt."
"Sex mit dir zu haben?" Kirk sah
ihn erstaunt an.
Er war noch erstaunter, als Spock plötzlich
lächelte. Der unerwartete, sanfte Ausdruck in den sonst so beherrschten Zügen
ließ eine tiefe Sehnsucht in ihm entstehen.
"Nein Jim." Spock war ganz
unvermittelt wieder ernst. "Du weißt was ich meine. Sag es mir."
Unwillig den Kopf schüttelnd riss sich Kirk
los und wich zurück.
"NEIN!"
Spock dachte nicht daran, ihn so einfach
wieder gehen zu lassen.
"Du musst es aussprechen, Jim. Du wirst
dein Schiff nicht mehr kommandieren können, wenn du dich dieser Angst nicht
stellst. Du musst dich ihr stellen, um sie überwinden zu können."
Kirk wandte sich ab, das Gesicht in den
Händen vergraben.
Spock wartete einen Moment, dann stand er
auf.
"Ich will nicht, dass du dein Schiff
verlierst, Jim. Deshalb werde ich gehen."
"NEIN!" Blitzschnell war Kirk aus
dem Bett gesprungen und klammerte sich nun an Spock.
Der Vulkanier blieb reglos stehen. Er
wusste, er durfte nicht nachgeben. Er konnte Kirk nur eine Hand reichen, den
Abgrund musste er selbst überwinden.
"Sprich es aus, Jim."
Spock spürte, wie sich der kühle Körper
versteifte.
Kirk atmete tief durch, dann hob er den Kopf
und suchte Spocks Blick. Er konnte ihn in der Dunkelheit der Nacht kaum sehen
und dennoch schien es ihm, als würden diese Augen leuchten.
"Du bist mein Freund. Der Gedanke, dich
Tag für Tag wie eine Schachfigur herumzukommandieren... es wird immer schwerer
für mich, dir Befehle zu erteilen. Ich will das nicht länger."
"Du hast keine andere Wahl: du bist der
Captain, ich bin dein untergeordneter Offizier. Aber es ist das, was ich will.
Ich befolge deine Befehle, weil ich mich
dafür entschieden habe, unter deinem Kommando zu stehen. Ich akzeptiere deine
Entscheidungen, weil ich dir vertraue. Weil ich weiß, dass du ein
hervorragender Captain bist. Vergiß das nie, Jim."
Er legte in einer beruhigenden Geste die
Arme um ihn.
"Das ist noch nicht alles, Jim. Du
verbirgst noch mehr in dir. Ich kann es spüren. Nenn mir den tatsächlichen
Grund für deine Ängste."
Kirk drückte die Stirn gegen Spocks
Schulter. Es dauerte lange, bis er die Kraft fand, auszusprechen, was er bisher
nichteinmal sich selbst gegenüber gewagt hatte einzugestehen.
"Starfleet hat mir schon so viele
genommen, die ich geliebt habe... zuerst meinen Vater, Gary, jetzt Sam.
Ich habe Angst, dich auch zu verlieren. Ich
habe Angst, das es *mein* Befehl ist, der dir den Tod bringt. Du bist zu
wichtig für mich, um dich dieser Gefahr auszusetzen."
Bei den nächsten Worten sah er Spock fest in
die Augen.
"Ich liebe dich."
Kirks Erleichterung darüber, diese
Empfingungen endlich ausgesprochen zu haben, flutete durch Spocks Bewusstsein.
Endlich! Endlich hatten sich seine Wünsche
erfüllt und auch Kirk hatte erkannt, wieviel mehr als *nur* Freundschaft sie
verband.
Spock öffnete seine mentalen Barrieren weit
um auch Kirk wissen zu lassen, wie viel er für ihn empfand, als er ihn fest an
sich zog und leidenschaftlich zu küssen begann.
~ * ~
Sehr viel später, als sie erschöpft und entspannt
eng aneinander geschmiegt im Bett lagen, brach die Wolkendecke auf und die
ersten Strahlen der aufgehenden Sonne strichen durch den Raum. Sie badeten die
beiden Liebenden in goldenem Licht.
"Ich weiß nicht, ob ich wieder an Bord
zurückkehren und dort weitermachen kann, wo wir aufgehört haben."
Kirk strich die zerzausten Strähnen der
seidigen schwarzen Haare glatt.
"Wir werden nicht dort weitermachen, wo
wir aufgehört haben. Zwischen uns hat sich vieles geändert und es gibt vieles,
worüber wir uns noch klar werden müssen. Doch ich bin immer noch dein Erster
Offizier, Jim", erinnerte ihn Spock, während er die goldüberhauchten
Schultern streichelte.
"Und du wirst weiterhin die Kraft
haben, mich zu kommandieren. Auch wenn es um gefährliche Situationen geht."
Die absolute Überzeugung, die aus Spocks
Worten sprach, erfasste auch Kirk. Er lächelte und räkelte sich entspannt um
dann noch enger an Spock heranzurücken.
"Ja. Du hast Recht, Spock. Nur in einem
Punkt habe ich keine Lust, dir Befehle zu geben."
Er präsentierte Spock sein verführerischstes
Lächeln, als seine Hand unter der Decke auf Wanderschaft ging.
Spock hielt ihn fest. "Das würde ich
dir in diesem Zusammenhang auch nicht raten", murmelte er gespielt streng.
Dann drehte er den lachenden Kirk auf den Bauch und begann ihm zu beweisen,
dass er gar nicht daran dachte, sich ihm *immer* und in *allen* Bereichen
unterzuordnen.
~~ *
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