Bis dass der Tod euch scheidet
T’Len
2008
Fandom: Mit Herz und Handschellen
Charaktere: Leo Kraft
Kategorie:
PG, POV
Feedback: tlen11@freenet.de
Summe: Leo zerstört den letzten Beweis seiner Liebe zu Thorsten.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu verletzen. Vielen Dank an Lady Charena fürs Beta.
Er zog den Ring vom Finger.
Langsam, Millimeter für Millimeter. Fast spürte er den Schmerz, der auf seiner
Seele brannte, auch körperlich. So als würde ihm der ganze Finger amputiert.
Bis dass der Tod euch
scheidet, dachte er bitter. Nicht der Tod hatte sie geschieden, sondern das
Leben. Sein Leben, dessen Geschäft der Tod war und das Thorsten nicht mehr
akzeptieren konnte.
Er fragte sich, ob er im
Laufe der Jahre zu viele Tote gesehen hatte und zu viele Arten des gewaltsamen
Todes, dass ihm der Gedanke ans Sterben, auch an sein eigenes, nicht mehr
erschrecken konnte. Nein, entschied er, das stimmte nicht. Jeder Tote war einer
zu viel. Hinter jedem Opfer stand ein Leben, das zu früh beendet worden war,
und meist auch eine Familie, die durch das Verbrechen in große Trauer gestürzt
wurde. Er konnte die Toten nicht wieder lebendig machen, aber er konnte ihre
Mörder ihrer gerechten Strafe zuführen und er konnte verhindern, dass sie
weiter mordeten. Jedes Mal, wenn er vor einer Leiche stand, schwor er ihr und
sich, alles dafür zu tun, den Mord aufzuklären, den Täter zu finden und die
Gesellschaft vor weiteren Untaten zu schützen. Warum konnte Thorsten nicht
verstehen, wie wichtig das alles für ihn war?
Bis dass der Tod euch
scheidet.
Aber er war nie leichtsinnig
gewesen. Er wusste um die Risiken seines Berufes. Er war nie ohne Schutzweste
in einen potentiell gefährlichen Einsatz gegangen, nie ohne Rückendeckung.
Thorsten konnte ihn nicht vorwerfen, leichtfertig sein Leben aufs Spiel zu
setzen. Wenn er ein Risiko einging, dann war das wohl kalkuliert. Natürlich
blieb ein Restrisiko. Aber war nicht das ganze Leben im Endeffekt ein Risiko?
Ob ihn nun eine Kugel traf oder ihm ein Dachziegel auf dem Kopf fiel oder ihn
ein Auto erfasste. Eine Garantie gab es für nichts.
Bis dass der Tod euch
scheidet.
Er hielt den Ring ins Licht,
drehte ihn zwischen den Fingern, blickte ihn nachdenklich an. Er war schlicht,
einfach. Ohne Anfang und ohne Ende. Ein Symbol für die Unendlichkeit. Die
Unendlichkeit ihrer Liebe. So hatte er es zumindest empfunden, damals als sie
sich während eines Italienurlaubs spontan die Ringe kauften und gegenseitig
ansteckten, als sie sich in der ewigen Stadt ewige Liebe versprachen.
Bis dass der Tod euch
scheidet.
Er fragte sich, ob sie ihre
Partnerschaft in Deutschland hätten eintragen lassen sollen, es offiziell
machen. Wäre Thorsten dann nicht so einfach gegangen? Aber wahrscheinlich wäre
es nicht mal das Papier und die Tinte der Heiratsurkunde wert gewesen.
Bis dass der Tod euch
scheidet.
Er ballte die Faust um den
Ring, als wollte er ihn mit purer Muskelkraft zerquetschen. Er merkte, wie
seine Trauer in Wut umschlug. Er war nicht erst seit gestern bei der Polizei.
Thorsten hatte das immer gewusst. Warum hatte es ihn damals nicht gestört, als
sie zum ersten Mal darüber sprachen zusammen zu leben, als sie schließlich
dieses Haus mieteten, als sie es gemeinsam einrichteten, als ihr Nest, als ihr
beider Zuhause, das es für den Rest ihres Lebens sein sollte.
Bis dass der Tod euch
scheidet.
Er fragte sich, ob Thorsten
ihn wirklich geliebt hatte? Seiner Meinung nach hieß einen Menschen lieben, ihn
so zu akzeptieren wie er war, mit all seinen Schwächen und Fehlern, und nicht,
zu versuchen, ihn zu ändern. Vor allem aber hieß es, die Dinge, die dem anderen
wichtig waren, zu achten. Nicht jeder konnte als Cellist die Welt mit
schöngeistiger Musik beglücken. Es musste auch Leute geben, die wie er, die
Drecksarbeit erledigten, sich mit der schmutzigen Seite der menschlichen
Gesellschaft befassten. Warum ging das nicht in Thorstens verdammten Schädel?
Bis dass der Tod euch
scheidet.
Hatte er etwa je etwas gegen
Thorstens Beruf gesagt, wenn er wochenlang auf Konzertreise war und Leo sich
nach ihm sehnte, weil er sich in dem großen Haus schrecklich einsam und allein
gefühlt hatte? Hatte er je verlangt, Thorsten möge nur noch Engagements in
München annehmen, weil er sich nicht mal für einen Tag von ihm trennen wollte?
Nein, hatte er nicht. Obwohl er genau wusste, dass mehr als ein Musiker im
Orchester ebenfalls schwul war und Interesse an Thorsten haben mochte. Hatte er
ihm eine Szene gemacht, wenn er mal wieder jungen Musikern Nachhilfe gab und
dieser ihn gerade anhimmelte, wie damals dieser Laszlo? Nein, hatte er nicht.
Weil er akzeptierte, dass die Musik ein genauso wichtiger Bestandteil in
Thorstens Leben war, wie er selbst. Und weil er ihn liebte... geliebt hatte.
Bis dass der Tod euch
scheidet.
Er fragte sich, ob es
leichter für ihn gewesen wäre, wenn Thorsten ihn wegen einem anderen Mann
verlassen hätte? Hätte er dann um ihn gekämpft, statt stumm und bewegungslos
zuzusehen, wie der Mensch, mit dem er den Rest seines Lebens hatte verbringen
wollen, aus seinem Haus und damit seinem Leben verschwand?
Bis dass der Tod euch
scheidet.
Doch Thorsten hatte ihn vor
eine Wahl gestellt, die nicht fair war. Eine Wahl, die er nicht treffen konnte,
bei der er so und so nur verlieren würde.
Er öffnete den
Toilettendeckel und warf den Ring hinein. Einen Moment starte er ihn an, wie er
sich im trüben Wasser drehte. Dann klappte er den Deckel entschlossen zu und
drückte die Spülung.
Bis dass der Tod euch
scheidet.
Ende