Beginnings
T’Len
2007
Fandom: Inspektor Jury
Charaktere: Richard/Melrose
Kategorie:
PG-15, m/m-slash, ft
Hinweis:
Spielt nach „Inspektor Jury schläft außer Haus“
Feedback:
tlen11@freenet.de
Summe: Nach ihrer ersten gemeinsam verbrachten Nacht erfährt Jury einiges über
Plants Vergangenheit.
Disclaimer:
Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen und Figuren
liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt nicht in der
Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu verletzen. Vielen
Dank an Lady Charena fürs Beta.
Melrose Plant stand am weit geöffneten Schlafzimmerfenster
und rauchte.
Draußen wirbelten leichte Schneeflocken vorbei. Kälte drang
in den Raum. Doch ihn schien das nicht weiter zu stören.
Richard Jury zog die Decke fester um sich. Er hätte jetzt
auch gern geraucht, doch er fühlte sich zu angenehm ermattet, als dass er sich
dazu aufraffen konnte - und wollte - aufzustehen und nach seinen Zigaretten zu
suchen.
Er musterte Melrose’ Gestalt. Sein Blick glitt dem
muskulösen Rücken herab und blieb schließlich auf dem Hinterteil kleben. Jury
lächelte, als er daran dachte, wie er vor wenigen Minuten in ihm gekommen war.
Sie hatten es beide genossen, da war er sich sicher.
Doch nun wirkte Melrose’ Gestalt angespannt und abwehrend.
Er würde es doch nicht bereits bereuen?
Dabei war die Initiative für ihr Zusammensein doch von ihm
ausgegangen.
Melrose hatte ihm, nachdem der Fall gelöst war, zu einem
letzten, gemeinsamen Abendessen eingeladen, das Wundersamerweise ohne Agathas
scheinbar allgegenwärtige Person stattfand. Später saßen sie bei Port und
Zigarren am Kamin zusammen, unterhielten sich über den Fall und plauderten über
Gott und die Welt. Obwohl Jury Melrose Plant erst einige Tage kannte, hatte
sich zwischen ihnen rasch eine freundschaftliche Vertrautheit entwickelt, so
als wären sie alte Bekannte. Vielleicht waren sie einfach verwandte Seelen. Den
Ex-Lord schien ein Hauch von Einsamkeit und Melancholie zu umgeben, genau so,
wie Jury sich oft fühlte, wenn er am späten Abend nach der Arbeit in seine
kleine Wohnung in Islington zurückkehrte. Vielleicht war Plant der Beweis, dass
Geld allein eben doch nicht so glücklich machte, wie viele Leute immer dachten.
Es war kurz vor Mitternacht, als sich Richard schließlich
eher unwillig und mit Hinweis darauf, er müsse ja noch zu Fuß ins Dorf zurück,
erhob.
„Bleiben Sie doch heute Nacht hier. Ich habe wahrlich genug
Räume“, bot ihm daraufhin Melrose an und deutete mit einer weit ausladenden
Geste um sich. „Ruthven kann schnell ein Gästezimmer herrichten.“
„Bitte wecken Sie Ihren Butler nicht meinetwegen wieder
auf“, erwiderte Richard, denn Melrose hatte Ruthven schon vor einer guten Stunde
mit dem Hinweis, sie könnten sich für den Rest des Abends selbst behelfen, eine
gute Nacht gewünscht.
Plant lächelte und seine smaragdgrünen Augen funkelten so
stark, dass Jury sich fragte, ob der andere sich eigentlich deren fast
hypnotisierender Wirkung bewusst war. Die Frauen mussten ihn in Scharen zu
Füßen liegen und das nicht nur wegen Geld und Titeln.
„Ich wüsste, wie wir Ruthven nicht behelligen müssen und Sie
trotzdem hier übernachten können“, sagte er strahlend. “Sie kommen einfach mit
in mein Bett.“
Richard hatte sich diese Einladung nicht zweimal sagen
lassen.
Kaum hatte sich die Tür von Melrose’ Schlafzimmer hinter
ihnen geschlossen, waren sie übereinander hergefallen, wie zwei Verhungernde
über ein Festbuffet.
Richard liebte Frauen, ja er verehrte sie, ihr sanftes
Wesen, ihre Schönheit. Er begehrte ihre weichen, anschmiegsamen Körper. Er war
gern mit ihnen zusammen. Er mochte es, einer Frau den Hof zu machen, sie zu
verwöhnen und zu erobern. Leider waren seine bisherigen Beziehungen wenig
erfolgversprechend verlaufen. Die Frauen, die er in seinem Beruf kennen lernte,
waren meist entweder Täterin oder Opfer. Und Freizeit hatte er kaum.
Er hatte früh gemerkt, dass Männer für ihn genauso
interessant waren. Sie boten den Vorteil, dass er sich kaum um langwierige
Eroberung bemühen und vor allem sich nicht zurückhalten musste. Einen kräftigen
Männerkörper unter sich zu spüren, erregte ihn ebenso wie weibliche Kurven.
Aber bei Männern konnte er seiner Leidenschaft, die er im Alltag stets sorgfältig
unter Kontrolle hielt, endlich einmal freien Lauf lassen. Sie erwarteten keine
Blumen und keine Versprechungen, die man doch nicht würde einhalten können. Man
hatte seinen Spaß und ging wieder getrennter Wege. Normalerweise zumindest.
Doch er spürte, dass es mit Melrose womöglich anders war.
Plant schloss das Fenster und drückte seine Zigarre in einem
Aschenbecher, der auf der Kommode daneben stand, aus.
„Ich bin ein Bastard“, sagte er plötzlich. Seine Stimme
klang seltsam belegt.
Jury zuckte zusammen. Also doch. Melrose hatte Gewissenbisse
wegen ihrem Sex. Machte er sich Vorwürfe, weil er Jury ermuntert hatte? Dachte
er vielleicht, er habe ihn gegen seinen Willen verführt?
„Es gibt keinen Grund zu bereuen, was wir...“, begann
Richard seinen Versuch, eventuelle Gewissensbisse zu zerstreuen.
Doch Melrose unterbrach ihn. „Ich meine das nicht im
übertragenen Sinne. Du hast mich gefragt, warum ich meine Titel abgelegt habe.
Deshalb. Ich bin ein Bastard.“
„Lord Ardry war also nicht...?“
„...mein Vater“, beendete Melrose den Satz.
„Ich schätze, es laufen so einige Adlige rum, die ihren
Titel so gesehen nicht verdient haben“, erwiderte Jury. Wenn Melrose offiziell
als Lord Ardry, Earl of Caverness und was sonst noch alles anerkannt war und das
war offensichtlich der Fall gewesen, so schien es eigentlich keinen Grund zu
geben, auf die Titel zu verzichten. Zumal ja niemand anders darauf Anspruch
erhob.
„Oh, ich bin sicher, das Oberhaus wäre seit Jahrhunderten
halb leer, wenn alle mit fragwürdiger Abstammung auf ihre Titel verzichten
würden“, antwortete Melrose zynisch. Er gestikulierte um sich. „Ich weiß, ich
bin inkonsequent. Wenn ich der Meinung bin, mir stünden die Titel nicht zu,
sollte ich auch auf Geld und Besitz verzichten. Nenn mich zu faul oder zu
bequem dazu.“
Er lachte bitter auf. „Er war der beste Freund meines
Vaters. Sie haben alles geteilt: Die Leidenschaft für die Jagd, das Angeln...
meine Mutter.“
Für einen Augenblick schwiegen sie. Jury, weil er nicht
wusste, was er sagen sollte, Plant, weil er über seine nächsten Worte
nachzudenken schien. „Oh, sie hat ihm nicht die Schuld gegeben. Nahm alles auf
sich. Aber ich bin sicher, er hat sie verführt, hat ausgenutzt, dass mein Vater
sie im Laufe der Jahre immer mehr vernachlässigte.“
Melrose setzte sich auf die Bettkante. “Ich habe meinen
Vater vergöttert, wollte so sein wie er, aber konnte es nicht. Seine Interessen
waren nie die meinigen. Und da war immer eine Distanz zwischen uns, egal, wie
sehr ich mich auch bemühte. Ich frage mich, ob er es ahnte oder gar wusste und
nur schwieg, um einen Skandal zu vermeiden.“
„Wie hast du es erfahren?“, fragte Richard leise.
„Meine Mutter schrieb mir einem Brief, kurz bevor sie starb.
Nett nicht?“, fragte er bitter. „Ich habe sie so geliebt und dann erfahre ich,
das alles, was ich von ihr dachte, eine einzige große Lüge ist, dass ich selbst
eine einzige große Lüge bin, ja mein ganzes Leben auch. Aber sie stiehlt sich
einfach davon. Ich war nicht wütend auf sie, weil sie mich und meinen Vater
betrogen hatte, ich war wütend, weil sie sich nicht diesem Betrug stellte. Ich
wollte, dass sie mir Rechenschaft ablegte. Doch sie starb einfach.“ Erneut
lachte er bitter auf. „Gott, ich hoffte sogar, sie würde mir sagen, er habe sie
vergewaltigt. Lieber der Sohn eines Verbrechers als einer Betrügerin sein.“
Wieder schwiegen sie. Richard versuchte sich in Melrose’
hineinzuversetzen. Zu erfahren, dass man sein ganzes Leben lang belogen worden
war, dass man gar nicht der war, der man glaubte zu sein, musste bitter sein.
Kein Wunder, dass er versucht hatte zumindest teilweise die Verbindung zu
seiner Vergangenheit zu kappen.
„Manchmal frage ich mich, ob ich mich deshalb Männern
zugewandt habe, weil ich Angst habe, alle Frauen würden sich als verräterische
Schlange entpuppen.“
Jury hatte sich mittlerweile aufgesetzt. „Die Wissenschaft
geht davon aus, dass homosexuelle Neigungen angeboren sind“, sagte er.
Melrose schüttelte den Kopf. „Das meine ich nicht. Ich mag
Frauen durchaus, auch sexuell meine ich. Früher habe ich jede mit meiner Mutter
verglichen. In ihrer Schönheit, doch keine kam in meinen Augen je an sie heran.
Heute würde ich es im Charakter tun und doch keiner trauen.“
Er leichtes Lächeln erschien um seinen Mund. „Wenn Agatha
wüsste, dass ihre Sorge, jemand könnte ihr Ardry End und den Titel
wegschnappen, so was von unbegründet ist.“
Er sah Richard bittend an. “Niemand weiß, warum ich meine
Titel abgelegt habe, also bitte behalte es für dich.. Ich weiß, dass alle
darüber spekulieren. Agatha ist sicher der Meinung, ich hätte es nur getan, um
sie zu ärgern. Manche denken doch glatt, ich will ins Unterhaus. Kannst du dir
mich in der Politik vorstellen?“
Melrose wurde wieder ernst. Seine grünen Augen blickten
Richard traurig an. “Ich schätze, ich bin das, was man ein Beziehungswrack
nennt.“
„Da sind wir schon zwei.“ Einem plötzlichen Impuls folgend
schlang Jury seine Arme um Melrose’ Brust und legte seinen Kopf an seine
Schulter. “Mein Vater fiel in Deutschland. Meine Mutter starb beim letzten Bombenangriff
auf London. Das Bild, wie sie da lag unter den Trümmern, so friedlich, als
schliefe sie, und ihre weiße Hand ragte heraus, werde ich nie vergessen.“
„Für mich war sie der wunderbarste, liebevollste Mensch auf Erden“, fuhr er fort. „Ich weiß, dass ich sie in meiner Erinnerung idealisiert habe. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich jede Frau zumindest unterbewusst mit ihr vergleiche. Ganz zu schweigen davon, dass ich mich seitdem nach etwas sehne, was ich doch nicht finde: Eine wahre Familie.“
„Wir sind schon ein Paar, was?“, sagte Melrose leise.
„Ja.“
Erneut schwiegen sie. Einträchtig, vertraut, harmonisch.
„Ich muss morgen nach London zurück“, sagte Richard
widerwillig nach einer Weile.
“Natürlich“, erwiderte Melrose. „Ich habe nichts anderes erwartet.“
Er drehte sich um. „Sehen wir uns wieder?“
Richard nickte. „Ich würde mich freuen, aber ich kann dir
nichts versprechen... ich meine...“ Er hoffte, dass Melrose verstand. Irgendwie
hatte er plötzlich das Gefühl, dass Plant all seiner emotionalen Probleme zum
Trotz jemand war, der sich tief im Inneren seines Herzens nach einer
dauerhaften Beziehung sehnte. Er tat das ja eigentlich auch und das Geschlecht
eines potentiellen Partners war ihm egal, nur zweifelte er, dass er wirklich bereit
für eine feste Bindung war. Von den Schwierigkeiten, die sein Beruf und ihre
räumliche Entfernung mit sich brachte ganz zu schweigen.
„Keine Bange, das letzte, was ich will, sind irgendwelche
Verpflichtungen bis ans Ende unserer Tage“, erwiderte Melrose leichthin.
„Freunde?“
Richard nickte. “Freunde.“
Ende
Fortsetzung: Endings