Titel: Alternativen
Autor: Lady Charena
Fandom: Kung Fu - Im Zeichen des Drachen
Paarung: Peter, Annie, Caine
Rating: Gen, POV
Beta: T'Len
Archiv: ja
Summe/Hintergrund: Peter erfährt etwas mehr über seine frühe Kindheit und sucht
Rat bei seiner Pflegemutter.
Eine Story (nach "Caine und die Herausforderung / Challenge" – in dieser
Folge rang Peter seinem Vater das Versprechen ab, ihm mehr von Laura zu
erzählen) die ziemlich am Beginn der Serie spielt.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen
und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern (Warner, Michael Sloan). Eine
Kennzeichnung unterbleibt nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder
diese Inhaberrechte zu verletzen.
"Peter!" Annie Blaisdell strahlte ihren Pflegesohn an und umarmte ihn.
Wie so oft hatte sie die Türe bereits geöffnet, noch bevor Peter den Schlüssel
aus der Tasche holen konnte. "Ich dachte schon, du hättest unsere
Verabredung vergessen."
"Mom, es tut mir leid das ich zu spät komme." Vorsichtig drückte Peter
die zierliche, kleine Frau an sich. "Aber Paps und ich..." Er brach
verlegen ab. Es war alles andere als einfach, plötzlich zwei Familien unter
einen Hut bekommen zu müssen. Er betrachtete das ihm lächelnd zugewandte
Gesicht und versuchte aus der Miene seiner Pflegemutter zu lesen, ob sie von
ihm enttäuscht war.
"Unsinn, natürlich bin ich nicht enttäuscht." Annie lachte, als sie sich
das verblüffte Gesicht ihres Sohnes vorstellte und hakte sich bei ihm unter, um
ihn ins Wohnzimmer zu führen. "Ich verstehe, dass du jetzt so oft wie
möglich mit deinem Vater zusammen sein möchtest."
Peter seufzte, als er auf dem Sofa Platz nahm. "Ich wüsste wirklich gerne,
wie du das machst", meinte er. "Wieso wusstest du, dass ich es bin?
Ich dachte nur mein Vater liest die Gedanken anderer Menschen." Geistesabwesend
rieb er seinen Oberarm, wo ihn der Shuriken getroffen hatten, die
glücklicherweise unbedeutende Wunde ein Mahner an die Ereignisse der
vergangenen Tage.
Annie lachte und setzte sich in ihren Lieblingssessel beim Kamin. "Peter,
ich bin blind, nicht taub", erinnerte sie ihn liebevoll. "Außerdem
ist dein neuer Wagen unüberhörbar."
Eine leichte Röte erschien auf Peters Wangen. Vielleicht sollte er froh sein,
dass sie den Sportwagen nicht sehen konnte, sonst würde sie sich nur um ihn
Sorgen machen. Doch nach dem Überfall von Tans Leuten war sein altes Auto nur
noch Schrott und der Stealth, der aus einer Versteigerung konfiszierter Wagen
stammte, günstig gewesen. Außerdem kam er gut bei den Frauen an. Und seit mit
Tyler Schluss war...
Annie erzählte von Carolyns Flitterwochen und dem Einrichten des Hauses, in dem
das neugebackene Ehepaar wohnte. Doch Peters eher einsilbige Antworten
verrieten ihr, dass etwas anderes - oder besser gesagt jemand anderes - die
Gedanken ihres Sohnes beschäftigte. Und zu erraten, wer dieser jemand war,
erwies sich alles andere als schwierig. Sie schwieg einen Moment.
"Möchtest du darüber sprechen?", fragte sie dann ruhig.
Peter sah auf. "Mom?"
"Dir geht doch etwas im Kopf herum." Sie klopfte auf die breite Armlehne
ihres Sessels und Peter stand auf und setzte sich zu ihr, wie er es als
schlaksiger Teenager getan hatte. "Und wenn ich mich nicht völlig irre,
hat es etwas mit deinem Vater zu tun - mit deinem richtigen Vater."
Peter beugte sich vor, um sie auf die Wange zu küssen, dann legte er einen Arm
um ihre Schulter. "Du bist wirklich unglaublich", sagte er.
"Das weiß ich", entgegnete Annie lächelnd. "Dann habe ich also recht?"
Sie fand seine Hand und drückte sie. "Erzähl' es mir. Geht es ihm gut?
Paul hat mir erzählt, dass dieser Tan zurückgekommen ist und deinen Vater zu
einem Kampf herausforderte."
Der junge Cop seufzte. "Ja, Paps geht's gut. Denke ich. Es ist schwer bei
ihm zu sagen, wie es ihm geht. Er spricht über so was nicht... ich meine, über
seine Gefühle. Ich habe keine Ahnung, ob er erleichtert ist, dass es endlich
vorbei ist. Oder ob..." Oder ob er sogar froh ist, dass Tan tot ist? Nein,
das wohl nicht. Da war kein Triumph, keine Erleichterung - nur Scham im Gesicht
seines Vaters gewesen, als er sich von Tans Leiche abwandte.
"Peter, ich bin deinem Vater nur einmal begegnet", erwiderte Annie nachdenklich.
"Aber ich glaube, dass er unsicher ist, wie er mit dir umgehen soll. Ihr
wart so lange getrennt." Sie sah zu ihm auf. "Ich verstehe das sehr
gut, weißt du. Als du zu uns gekommen bist, wussten wir auch nicht so recht,
wie wir mit dir umgehen sollten. Was dich kränken oder sogar verletzen würde
oder wie wir dein Vertrauen gewinnen konnten, war schwierig heraus zu finden.
Es ist völlig normal, dass ihr euch fremd geworden seid, aber als er bei
Carolyns Hochzeitsfeier über dich sprach, da war so viel Wärme und Liebe in seiner
Stimme... Peter, du musst ihm - und dir - einfach mehr Zeit geben." Sie
schwieg einen Moment. "Und was ist es sonst noch?" Sie spürte, wie
Peter neben ihr überrascht zusammenzuckte.
"Woher.... wieso... denkst du, dass da noch etwas ist?", fragte er nach
einer Weile.
"Ich kenne dich, Peter", erwiderte Annie schlicht. Als er aufstand und
sich aus ihrem Griff löste, ließ sie ihn gehen. Innerliche Unruhe zwang Peter
immer zu Bewegung. Sie hörte ihn vor dem Kamin auf und ab gehen und fasste sich
in Geduld.
"Ich... ich habe meinen Vater endlich dazu bekommen, mir etwas mehr über
meine... meine leibliche Mutter zu erzählen. Und über die Zeit, als ich noch
sehr klein war. Über ihren Tod will er immer noch nicht sprechen, aber... aber
das verstehe ich. Ich weiß selbst nicht, ob ich darüber reden will." Peter
fuhr sich durch die Haare und kehrte zu Annies Sessel zurück. Er stürzte sich
mit beiden Händen auf der Rückenlehne ab. Annie griff nach oben und umfasste
sein Handgelenk. Die Berührung wirkte beruhigend. Peter holte tief Luft.
"Kurz nach dem Tod meiner Mutter wollte mein Vater mich weggeben",
sagte er schließlich.
"Weggeben?", wiederholte Annie. "Nein, Peter, das glaube ich
nicht! Sicher hast du ihn falsch verstanden."
"Er hat aber zumindest darüber nachgedacht!" Die alte Bitterkeit des verlassenen
Kindes lag in Peters Stimme. "Nach dem Tod meiner Mutter wollten mich
meine Großeltern zu sich nehmen. Sie dachten, mein Vater könne nicht richtig
für mich sorgen. Und außerdem...", er zuckte mit den Schultern,
"...sie waren wohl auch nicht besonders glücklich über die Wahl ihrer
Tochter gewesen. Auf jeden Fall schalteten sie die Jugendfürsorge ein und
wollten mich mitnehmen." Er drückte Annies Hand, setzte sich dann wieder
auf das Sofa, ihr gegenüber. "Und mein Vater dachte tatsächlich darüber
nach, ihnen nachzugeben!"
Annie faltete die Hände in ihrem Schoss. "Aber er hat dich nicht weggegeben",
erinnerte sie ihn. "Ich finde es sehr mutig von ihm, dass er dir das
erzählt hat." Sie lächelte. "Denn so wie ich dich kenne, hast du ihm
keine Gelegenheit zu einer Erklärung gegeben, nicht wahr?"
Peter sah verlegen zu Boden. "Äh... nein", gestand er ein.
"Ich... hätte ihm wohl zuhören sollen, oder?"
"Ja, das hättest du", stimmte Annie ihm zu. "Peter..." Sie
beugte sich vor. "Dein Vater hätte dich nicht weggegeben. Denk' nur an all
die Jahre, die er nach dir gesucht hat. Aber ich glaube, dass er zu diesem
Zeitpunkt vor zwei Alternativen stand: alleine für dich zu sorgen oder dich in
die Obhut deiner Großeltern zu geben. Es ist nicht leicht, ein Kind alleine
großzuziehen. Oder wenn man eine blinde Mutter ist", fügte sie
nachdenklich hinzu. "Lass' mich dir etwas erzählen. Als Carolyn geboren
wurde, stellte mir das Fürsorgeamt eine Pflegerin zur Seite, weil man mir nicht
zutraute, für mein Kind zu sorgen. Außerdem kam regelmäßig jemand vorbei, um alles
zu überprüfen. Für Paul war diese Regelung ganz in Ordnung, damals war er noch
nicht bei der Polizei und kam oft wochen- oder monatelang nicht nach Hause.
Aber mir gefiel diese Überwachung nicht. Also musste ich mir eine Alternative
einfallen lassen. Und diese Alternative hieß Linda, eine junge Frau, die mir
jeden Tag für ein paar Stunden im Haushalt zur Hand ging. Ich überredete Paul
bei seinem nächsten Urlaub, sie anzustellen und konnte die Fürsorgestelle überzeugen,
dass ich die Pflegerin nicht mehr brauchte. Auf diese Weise waren wir alle
zufrieden gestellt und Linda kam weiter zu uns, sogar als Kelly alt genug war,
um in die Schule zu gehen. Sie zog aus der Stadt weg, vielleicht zwei Jahre
bevor du zu uns kamst." Sie schwieg kurz. "Dein Vater wollte das
beste für dich, selbst wenn das bedeutet hätte, dich der Obhut deiner
Großeltern zu überlassen. Und er fand eine dritte Möglichkeit."
"Und entschied sich statt dessen, mit mir in den Shaolintempel zu ziehen",
sagte Peter nach einer Weile.
"Und hat es dir dort nicht gefallen?"
"Doch... natürlich. Es war immer jemand da, egal ob zum Spielen oder...
zum Sprechen. Ich hatte Freunde und das Lernen machte Spaß, auch wenn die
vielen Regeln ziemlich nervten. Aber mein Vater war da. Es war... einfach mein
Zuhause." Bei den letzten Worten sank Peters Stimme fast zu einem
Flüstern. Er hob den Kopf. "Mom, bist du böse, wenn ich..."
"...wenn du jetzt gleich zu deinem Vater gehst und dich mit ihm aussprichst?"
Annie lächelte und streckte die Hand nach ihm aus. Als Peter aufstand und zu
ihr trat, drückte sie seinen Arm. "Es ist schon in Ordnung, geh' nur. Ihr
beide habt viel nachzuholen." Sie seufzte. "Und ich werde auch Paul
erklären, warum du heute schon wieder nicht zum Familien-Abendessen da
bist." Sie lachte, wusste das Peter jetzt eine schuldbewusste Miene zog.
"Na geh' schon, er versteht es schon. Und vergiss' nicht, dass wir dich
alle sehr lieben."
Peter beugte sich zu ihr herunter und umarmte sie. "Danke", sagte er leise
und küsste sie auf die Wange. "Du bist die beste Mutter, die man sich
wünschen kann. Und sag Paul, ich hole mir meine Standpauke morgen früh im
Revier ab."
Er richtete sich auf und ein paar Augenblicke später hörte Annie die Haustür
ins Schloss fallen, dann den Motor des Stealth aufbrausen. Kopfschüttelnd stand
sie auf, um Peters Teller vom Esstisch zu räumen. Vielleicht wäre es keine
schlechte Idee, Caine einmal zum Familienessen einzuladen. Es war doch wirklich
an der Zeit, dass sie Peters Vater näher kennen lernten...
Ende