"Sprachlos"
von Jimaine
...noch mit einem Auge weinend nach
mehrmaligem Genuß (kann man das noch Genuß nennen oder fällt das unter
Masochismus?) von "Goodbye, Farewell and Amen". Gott, nach dem Ende
von DS9 seinerzeit war ich längst nicht so deprimiert...oder ich habe die
traumatische Erfahrung verdrängt. Jeder hat so sein Huhn.
Zehn
Seiten lang wußte ich nicht, in welche Richtung es gehen sollte. Ich zupfte
(mangels Blume) besagtem Huhn die Federn aus und murmelte 'Slash...kein
Slash...Slash...kein Slash...' bis das Huhn nackt (und schamvoll gackernd)
dastand und ich die letzte Bürzelfeder hochhielt mit den Worten, 'Kein Slash!'
Jemand
rufe einen Arzt!
Spoiler: Hauptsächlich "GFA",
aber auch Bezugnahme auf andere Folgen. Direkte Zitate aus
"Welcome to Korea" (Willkommen
in Korea), "Out of Sight, Out of Mind" (Vorsicht, meine
Augen) und "GFA". Die Dialoge
lassen im Deutschen manchmal etwas zu Wünschen übrig, aber
da ich nun Deutsch schreibe, gehe ich mit
der Synchro und mache nicht meine eigene
Übersetzung.
Rating: R (die Schlüsselszenen, auf die
ich mich beziehe, sind recht unschön)
Archiv: im Fanfiction Paradies und bei
T'Len & Lady Charena
Widmung:
Um R.E.M. zu misquoten, "This one goes out to the ones I love..."
Für Tierschutzaktivisten: Keine Hühner,
Hunde, Kakerlaken oder Eichhörnchen kamen beim
Entstehen dieser Story zu Schaden.
Disclaimer: Nichts gehört mir, leider
nicht, alles gehört 20th Century Fox. Mir gehört kein
einziges Feldbett, kein Skalpell, die Destille
nicht und schon gar nicht die Charaktere, *sigh*.
Ebenso wenig die Songtextpassagen von
Frank Sinatra, die ich ohne Erlaubnis verwendet habe,
aber mit keinerlei bösen oder
profitorientierten Absichten!
B.J.s POV...hauptsächlich weil ich einen
Schub San Francisco-Sehnsucht bekämpfen muß. Je, in
den Kopf dieses Mannes reinzukommen
(*wirklich* reinzukommen) war schwieriger, als ich
dachte. – Michaela, als nächstes kommt
was mit Trapper-Inhalt, versprochen.
************
Eigentlich war es doch nur eine weitere
Ansammlung Baracken und Schuppen fünf Meilen
westlich von Seoul. Für manche aber Alpha
und Omega zugleich. Hier hatte es begonnen und
hier schloß sich nach zwei langen Jahren
der Kreis wieder.
Mit einem gequälten Seufzer setzte er den
Kleidersack ab und schirmte mit der rechten Hand
seine Augen gegen die blendende Sonne ab,
blinzelte. Nicht daß er hinsehen mußte, um die
Umgebung zu beschreiben. Damals hatten
sich alle Details in sein Gedächtnis eingebrannt. Ob
sich die Leute, die an ihm vorbeieilten,
über den Mann wunderten, der mitten auf der
Durchfahrtsstraße stand und für einen
Moment der Grübelei riskierte, von einem Jeep überfahren
zu werden? Ob sie sich fragten, wer der
Mann in Turnschuhen Größe 46 und verwaschener
Armykleidung, an der keinerlei
Rangabzeichen zu sehen waren, wohl sein mochte und warum er
so verloren aussah? Ein letzter Blick in
die Runde, ein stilles Auf-Nimmerwiedersehen an Korea.
Zwei Jahre, in denen der Anblick von
verstaubtem Khaki so normal geworden war, daß ihn
andere Farben irritierten.
Zwei Jahre, in denen er sich angewöhnt
hatte, sein Essen schnell herunter zu schlingen, damit er
bloß nichts schmecken mußte.
Zwei Jahre, in denen das Geräusch von
Rotorblättern vertrauter geworden war als das Bimmeln
der Cable Cars daheim.
Zwei Jahre, in denen er nahezu verlernt
hatte zu weinen.
Ein zweijähriger Alptraum ging zu Ende.
So sehr er sich diesen Moment herbei
gesehnt hatte, mindestens einmal täglich und manchmal
auch öfters, er war plötzlicher gekommen
als er es für möglich gehalten hätte.
An jenem Morgen im Messezelt war die
Freude etwas Greifbares gewesen, hatte ihn alles andere
vergessen lassen. Im Nachhinein war ihm
fast, als hätte jemand anderes den Freudentanz
aufgeführt und den Marschbefehl
geschwenkt wie eine Nachricht von Gott höchstpersönlich.
Vorstellungen von all dem, was er zu
Hause machen würde, beherrschten sein Denken, er hatte
nicht einmal an die Personen gedacht, auf
die Potter sich bezog, als er ihn indirekt beschuldigte,
sie alle im Stich zu lassen.
Speziell diejenigen, die abwesend waren.
***"Aber
das ist doch unmöglich! Die schicken doch nicht einen meiner Chirurgen nach
Hause,
ohne es mir zu sagen! Das muß ein Irrtum sein, Hunnicutt."***
Klar, alles nur ein Irrtum, von Anfang
an. Der Krieg. Korea. Jeder Bogen Papier, durch den ein
unschuldiger junger Mann für den Dienst
in der Hölle verpflichtet wurde. Jede Nacht, in der er
vor Angst, Hitze oder Kälte nicht hatte
schlafen können, war ein Irrtum gewesen. Aber er hatte
es geschafft und würde einen Teufel tun,
dem geschenkten Gaul ins Maul zu schauen, sprich sich
eine Bestätigung vom I-Corps zu holen.
Erin sollte als Geburtstagsgeschenk ihren Daddy
bekommen.
***"Keiner
liebt Patzer dieser Art mehr als ich, aber das scheint mir unfair den anderen
gegenüber.
Viele von den Leuten sind schon doppelt so lange hier wie Sie!"***
Und viele waren nun, wo das Ende in
greifbare Nähe gerückt war, zerbrochen.
In Gedanken begrüßte er schon glückliche
Familien mit quirligen Kindern und redselige alte
Damen in seiner eigenen Praxis mit
Sprechstunden, in denen er alle Zeit der Welt hatte und sich
diese frei einteilen konnte. Niemand
hetzte ihn, keiner verlangte von ihm, Patienten dem Grad
ihrer Erkrankung nach zu behandeln und zu
entscheiden, wer gerettet werden konnte und wer
nicht.
Er spazierte mit Peg an seiner Seite
durch den Old Mill Park und sah zu, wie Erin mit dem Hund
über den Rasen rannte, den Eichhörnchen
hinterher, so schnell ihre kleinen Füße sie trugen.
Fröhlich lachend forderte sie ihren Dad
zum Mitmachen auf und Dad ließ sich nicht zweimal
bitten.
Oder er lenkte den Wagen hinauf zum Mount
Tamalpais, nur er und Peg, sie verbrachten einen
wunderbaren Sommertag im Grünen, mit
Picknick und allem, was dazugehörte, und blickten am
Ende zur nahen Küste hinunter. Hinüber
nach Stinson Beach, wo sie das Haus bauen würden.
Umgeben von Frieden genossen sie
gemeinsam den Sonnenuntergang.
Nein, viel besser noch, das Haus war
sogar schon gebaut, er konnte es genau sehen. Erin spielte
im Garten und brachte Waggle bei,
Stöckchen zu apportieren, während er mit Peg lange
Strandspaziergänge unternahm.
Die Pazifikküste würde zukünftig das Ende
seiner Welt darstellen, er würde nie wieder an das
denken, was jenseits des Wassers lag.
Schöne, heile Welt.
***"Ich
kann kein Krankenhaus führen ohne Chirurgen! Was haben Sie gedacht, wer für
Sie
einspringt?"***
Ein Ersatz würde sich schon finden, ganz
sicher. Wie so vieles – wie alles – in diesem Krieg war
auch er zweifellos ersetzlich. Chirurg
oder Jeepbatterie, war doch egal, man benötigte nur ein
anderes Formular. Captain B.J. Hunnicutt
würde die Ehre der finalen Runde an jemand anderen
abtreten und nach Hause fahren, und
keiner würde ihn vermissen.
Die kleine Stimme in seinem Hinterkopf
war ungehört verhallt. (Und was ist mit Hawkeye?) Statt
dessen hatte er Erins Babyfotos
herumgezeigt und erfreut die Glückwünsche und Zurufe zur
Kenntnis genommen, mit denen man ihm zu
seiner bevorstehenden Heimreise gratulierte. (Und
was wirst du Hawkeye sagen? Hawkeye, der
in Tokio sitzt, weil er ein Leben zuviel hat
verlöschen sehen...) Er hatte sein
Gewissen mit Absicht ignoriert und nur die Glückwünsche
hören wollen, hauptsächlich um Potters
Worte Lügen zu strafen, ihm zu zeigen, daß niemand
etwas dagegen hatte, daß er heimfuhr.
Denn schließlich *verdiente* er es auch, verdammt noch
mal!
Prompt hatte Artilleriebeschuß die Freude
getrübt, an Erins zweitem Geburtstag zusammen mit ihr
die Kerzen ausblasen zu können, aber
erloschen war sie nicht. Er würde diesen zweiten
Geburtstag seines kleinen Mädchens feiern
wie seinen eigenen. Erst wenn er sie im Arm hielt und
das strahlende Gesichtchen sah, würde das
alles hier für ihn enden. Erst dann konnte der
Heilungsprozeß beginnen. Für sich selbst
sah er gute Chancen auf eine vollständige Genesung,
doch was einige seiner Mitmenschen
betraf...
Father Mulcahy mußte er einen erheblichen
Verlust der Hörfähigkeit mit Tendenz zur völligen
Taubheit diagnostizieren und viele der
Flüchtlinge, die sich seit Wochen im Lager aufhielten, hatte
es böse erwischt. Stunden waren
vergangen, bevor ihm der nächste persönliche Gedanke
vergönnt war.
Und der hatte einem weiteren Verwundeten
gegolten.
Hawkeye.
Sein zweiter 4. Juli in Korea war ihm wie
gestern vorgekommen...und die Erinnerung daran
gleichzeitig so verschwommen wie ein
Fiebertraum. Ein Tag am Strand, Volleyball,
Muschelsuchen, Hotdogs und ausgelassenes
Planschen in der Brandung; der Krieg war
meilenweit entfernt gewesen. Kein
Feuerwerk für sie, danke, davon hatten sie an den restlichen
364 Tagen des Jahres schon genug. Sie
hatten einfach nur den wunderschönen Tag genossen,
hatten beinahe vergessen können, daß
nicht der Pazifik sondern das Gelbe Meer ihre Füße
umspülte.
Wenn er zu Hause gewesen wäre, hätte er
diesen Feiertag mit Sicherheit kaum anders verbracht.
Die Rückfahrt mal ausgenommen.
Wie alle anderen im Bus hatte er um sein
Leben gebangt, hatte bei jedem zitternden Atemzug
befürchtet, die Chinesen würden sie
entdecken und alles wäre vorbei. Zwei Dutzend klopfender
Herzen...wenn die Spähtrupps das nicht
hörten, dann auf jeden Fall das Baby.
Das Schreien und Weinen, genau wie Erin
in den ersten Wochen zu Hause... Gott, wie gut er sich
daran erinnerte, an diese schlaflosen
Nächte, die Wanderungen durchs Haus, auf und ab, auf und
ab, ständig Schlaflieder singend, bis
sich die Kleine beruhigte. Irgendwann hatte dann wieder
Stille geherrscht und die geplagten
Eltern hatten aufatmen können.
Die gleiche Stille, die auch die Insassen
des Busses hatte aufatmen lassen. Nur war Erins
lautstarkes Schluchzen niemals so abrupt
verstummt wie das des Babys an jenem Abend.
Als er Hawkeyes Stimme hörte, die heiser und
mit unterschwelliger Panik fragte, "Was haben Sie
getan?" hatte er im ersten Moment
gar nicht realisiert, daß das Baby aufgehört hatte zu weinen.
Jeder hatte einen Moment gebraucht, die
plötzlich eingetretene Stille als solche wahrzunehmen.
Vielleicht war er auch schon etwas zu
betrunken gewesen, immerhin hatten sie die Flasche munter
kreisen lassen.
Doch als er sich umdrehte und Hawkeyes
Gesicht sah, hatte er nicht aufstehen und zur hintersten
Sitzbank blicken müssen, um zu wissen,
was passiert war.
Lediglich Hawkeye wußte es nicht mehr.
Wie verzweifelt mußte eine Mutter sein,
um so etwas zu tun...oder ein Vater? Und wo mochte
B.J. Hunnicutts letzte Grenze sein?
Manche Dinge wollte niemand über sich wissen.
Wegen Hawkeye war er also nach Tokio geflogen,
weil er ihn ein letztes Mal sehen und sich
verabschieden wollte. Toller Plan. Nur
hatte er ihn nicht umsetzen können und es war keiner der
Fälle von 'Der Gedanke allein zählt'
gewesen.
Er hatte versagt, punktum. Versagt. Daran
ließ sich nichts beschönigen.
Von irgendwo hörte er aus einem
Lautsprecher eine schmerzhaft vertraute Melodie scheppern,
verzerrt und blechern, als wäre das Lied
kriegsmüde wie alles und jeder hier. Frank Sinatra sang
'Just
One of Those Things'.
Genau. Krieg in Korea...auch nur eines
von 'jenen' Dingen...
Abschied nehmen (die Unfähigkeit,
Abschied zu nehmen)...nur eines von 'jenen' Dingen.
Oh Gott, so viele Lieder, die er nie
wieder hören wollte, wenn er zu Hause war. Zu viele
Melodien, zu denen er einst gerne getanzt
hatte, in den Armen ein Mädchen, später dann Peggy,
und sich keine Gedanken um den Rest der
Welt gemacht hatte.
Sinatra würde ihn immer auf die Straßen
von Tokio transportieren, zurück in warme,
sakébenebelte Nächte voll buntem Neonlicht,
genauso wie die sanften Klänge von 'Sentimental
Journey' in den OP...und er würde
automatisch auf seine Hände schauen, die jedoch nicht in
blutverschmierten Latexhandschuhen
stecken würden.
Seine Hände würden sauber sein, der
einzige Blickfang ein Schimmer von Gold an seinem linken
Ringfinger.
In den Jackentaschen
ballte er die Hände zu Fäusten und schluckte weitere Tränen hinunter.
Kein 'My Blue Heaven' mehr für ihn, kein
langsam getanzter 'Tennessee Waltz' mit Peg. Der ach-
so beliebte 'Chattanooga Choo-Choo' rief
die gleiche Reaktion hervor wie Nägel auf einer
Schiefertafel. Und selbst klassische
Musik trug nun auf immer das Stigma "Korea", denn alles,
Wasser wie edler Wein, würde durch Mozart
und Rachmaninoff hindurch schmecken wie
selbstgebrannter Gin aus verstaubten
Gläsern.
'So
goodbye, dear, goodbye and amen
Here's
hopin' we'll meet now and then.
It was
great fun, but it was just one
Of
those things...'
Wenn er doch bloß den Mut gehabt hätte, Hawkeye die Wahrheit zu sagen. Direkt zu sein,
anstatt Fakten (*Ich fahre nach Hause*) hinter Wünschen (*Auf die Laufkundschaft würde ich
gerne verzichten, um nach Hause zu kommen*) zu verschleiern. Irgendwann kommen wir doch
bestimmt alle nach Hause, eine rhetorische Maske für eine Tatsache, die er seinem Freund nicht
zumuten wollte. Hawk...der so verloren ausgesehen hatte in dem zellenartigen Raum mit
vergitterten Fenstern, der nur ein Sinnbild war für das eigentliche Gefängnis, dem Hawkeye nicht
entfliehen konnte: seinem Ich.
Jenes Ich war ihm ohne Vorwarnung ins
Gesicht explodiert.
Waren es seine Worte gewesen, die
diese...Rage in Hawkeye zum Vorschein brachten? Diesen
beängstigenden, zusammenhanglosen
Redeschwall ohne Punkt und Komma. Dabei hatte er doch
nur von Erin geredet und für gewöhnlich
tolerierte es Hawk, wenn er über sein kleines Mädchen
sprach. Gut, es trat immer ein seltsamer
Ausdruck in die blauen Augen, wie der Schatten eines
uralten Schmerzes, der einen Weg zurück
in die Gegenwart suchte, aber Hawk hatte sich stets
mit ihm gefreut. Über Erins erste
Schritte, ihre ersten Worte...
Manchmal hatte er sich schon gefragt, ob
diese Freude echt war oder ob Hawk lediglich gute
Miene zu einem für ihn unerträglichen
Spiel machte.
Im letzteren Fall hätte er, B.J.
Hunnicutt, Ehemann und stolzer Vater, aufhören sollen, den Mann
mit einem Leben außerhalb von Korea zu
belästigen, das er niemals haben würde.
Denn, und das hatte er mit brutaler
Klarheit erkannt, als er Hawk auf dem Bett in Sid Freedmans
Klinik sitzen sah, Hawkeye Pierce würde
Korea nie verlassen, egal wohin er nach Kriegsende
ging.
Er hatte in der Tür gestanden, stumm und
sprachlos wie noch nie.
Nein, das stimmte nicht ganz.
'It
seemed we stood and talked like this before
We
looked at each other in the same way then
But I
can't remember where or when.'
Trotz der drückenden Sommerhitze lief ihm
ein Schauer über den Rücken. Sinatra hatte unrecht.
Er wußte haargenau, wo und wann. Wie
könnte er es auch vergessen?
Vor zwei Jahren war es ihm schon einmal
so ergangen, genau hier an diesem Ort. Kimpo Airfield,
offizielle Armykennung K-14, als er zum
ersten Mal koreanischen Boden betrat und von einem
kleinen bebrillten Corporal, den er
sofort ins Herz schloß, empfangen wurde. Und wenig später
zum ersten Mal in diese blauen Augen
blickte, die für ihn zum Inbegriff des Krieges werden
sollten. Damals hatte er noch nicht
verstanden, was er da sah, aber es hatte ihm die Sprache
verschlagen.
Das war das erste Mal gewesen.
Das zweite Mal dann, als weiße Bandagen
jene Augen verdeckten und er sich trotz der
Hoffnung, daß alles gut ausgehen würde,
bei dem Wunsch ertappt hatte, Hawkeye möge auf
immer blind bleiben. Es wäre für ihn das
Beste gewesen. Wenn er nie wieder den Kontrast von
rotem Blut auf weißen Kitteln hätte sehen
müssen...oder den Schmerz in den weitaufgerissenen
Augen von jungen Männern, die nicht
wußten, womit sie solch ein Leid verdient hatten.
Damals wie heute war ihm Hawks andauernde
Stärke trotz seiner Verwundung ein Rätsel
gewesen. Egal wo der Schaden lag, ob es
die Augen waren oder der Verstand, Hawkeye
machte weiter. Hawkeye hielt durch, ging
seinen Weg – wenngleich ohne Garantie bezüglich
Richtung und Ziel. Woher nahm der Mann
nur die Kraft, für sich und für alle anderen, die sich bei
ihm anlehnten?
'Dancing in the dark
Until
the tune ends we're
Dancing
in the dark
And it
soon ends...'
Blaue Augen waren nicht erblindet, hatten
weiterhin alle Schrecken im Detail wahrnehmen
können.
Seufzend kickte er einen Stein beiseite
und hatte ihn im nächsten Augenblick bereits wieder
vergessen, hörte nicht einmal, wie er
gegen die Wellblechwand des Offiziersclubs knallte. Hier
hatten sie vor zwei Jahren ihren ersten gemeinsamen
Drink genommen und Hawkeye hatte ihm
die inoffizielle Willkommensrede
gehalten.
***"Pierce,
so ganz komme ich bei allem leider noch nicht mit –"
"Hawkeye.
Nie von mir durcheinanderbringen lassen, Captain."
"B.J.."
"Das
erste, was Sie hier lernen müssen, B.J., ist, daß Wahnsinn nicht schlimmer ist
als eine
normale
Erkältung."***
Für die Dauer der ersten holperigen
Jeepfahrt hatte er noch befürchtet, Hawkeye, mit seiner
Ruhe und dem abgebrühten Sarkasmus, hätte
alle Antworten auf diese 'Erkältung', und der
Gedanke, genauso zu werden, hatte ihm
Angst gemacht.
Bis er erleichtert feststellen konnte,
daß Hawk genauso verwirrt war wie er...jedoch einfach nur
diese Verwirrung besser akzeptiert hatte.
In dem Moment, als ihm klar wurde, wie
viel ihm dieser Mann bedeutete, hätten Worte sowieso
nicht ausgereicht.
***Langsam ließ sich Hawkeye auf das Bett in der Postoperativen sinken, unfähig, die
Leute zu sehen, die ihm auf die Schulter klopften. Nur an ihren Stimmen konnte er sie
erkennen.
"B.J.?"
"Ja?"
"Besuch'
mich nur ein paar hundert Mal, okay?"
Und
er verließ den Raum, bevor es ihm einfallen konnte, das letzte freie Bett zu
beziehen.
Bis
Freitag allein mit Frank Burns im Sumpf zu leben schien ihm wenig erquickend,
aber es
würde
ihm nie einfallen, Hawk das zu sagen.***
Genauso wenig wie als ihm klar wurde, daß
er ihn vielleicht nie wiedersehen würde.
Daß er ihn sogar mit großer
Wahrscheinlichkeit nie wiedersehen würde.
Er würde gleich in sein Flugzeug steigen und
in den nächsten zwölf Stunden mußte dann Jacobson
aus Tokio ankommen. B.J. Hunnicutt
verzichtete auf die zweifelhafte Ehre, im 4077th M*A*S*H
zu sein, wenn die Zelte abgebrochen
wurden und verpackt wurden für den nächsten Krieg. Bald
würde er Khaki und Dogtags ablegen und
das 'Captain' vor seinem Namen gegen ein
permanentes 'Dr.' eintauschen.
Vielleicht würden ihm die passenden
Abschiedsworte einfallen, wenn er nicht mehr auf eine
Zukunft zu rannte, die man für zwei Jahre
auf Eis gelegt hatte, sondern diese Zukunft endlich
lebte. Einen Ozean von hier entfernt.
Eines wußte er: er würde niemals wieder
Erin weinen hören können, ohne eine Gänsehaut zu
bekommen.
Oh, Hawkeye...erst hatte es den Anschein
gehabt, er könnte die Erfahrung wegstecken, doch
war schnell deutlich geworden, daß der
entscheidende lose Faden gezogen worden war und das
selbstgestrickte Abbild seiner Selbst –
geschaffen in den langen Stunden der Langeweile
zwischen Panik, Betrunkenheit und
Überarbeitung – sich unaufhaltsam auflöste.
An dem Tag, als Hawkeye im OP
durchdrehte, hatte er nichts sagen können, hatte keine Zeit
gehabt, sich zu verabschieden, bevor die
MP den mit Beruhigungsmitteln vollgepumpten
Chirurgen aus dem Raum zerrte, denn er
hatte ja für zwei arbeiten müssen. Bei der Rückkehr in
den Sumpf war Hawkeye fortgewesen, war
nach Tokio abtransportiert worden.
Trotz der unglaublichen Erschöpfung hatte
er in jener Nacht nicht schlafen können. Etwas hatte
gefehlt.
Die Nacht darauf war ebenfalls schlaflos
verlaufen. Ebenso wie die dritte und vierte.
Erst am Telefon hatte er ihn dann wieder
gesprochen.
Da hatte er sich auch noch an die
Illusion geklammert, daß er etwas zu Hawkeyes Genesung
beitragen könne, sofern er die Gelegenheit
zu einem persönlichen Gespräch bekäme, von Freund
zu Freund. Diese Gelegenheit bot sich
jedoch nicht, es blieb bei einigen wenigen Telefonaten.
Sidney hatte darum gebeten, den Kontakt
minimal zu halten, damit er sich Hawkeye ohne
Ablenkungen von außen widmen könne. Davon
abgesehen...Potter hätte einem Besuch niemals
zugestimmt und er war klug genug gewesen,
nicht danach zu fragen. Der Colonel hatte bereits
genug Sorgen, da wäre ein Chirurg – von
denen er eh schon zuwenig hatte – der für einen Tag
nach Tokio verschwinden wollte, der
Tropfen gewesen, der das Faß zum Überlaufen brachte.
Um so größer war seine Überraschung
gewesen, als Potter ihm nach einigen Bieren und dem
Vergleich ihrer 'Was wir tun werden, wenn
wir zu Hause sind'-Listen vorschlug, am nächsten Tag
nach Tokio zu fliegen. Morgens hin,
mittags wieder zurück, für einen halben Tag könnten Charles
und er das Fort halten.
***"Fortschritte
haben wir gemacht, aber wir sind noch nicht durch."
"Soll
ich ihm sagen, daß ich nach Hause fahre, oder würde ihn das umhauen?"
"Gute
Frage." Sidney seufzte und drehte sich dann zur Tür hin, hob die Hand zum
Klopfen.
"Am besten du improvisierst einfach."***
Die Begrüßung war kühl ausgefallen...ganz
wie beim allerersten Mal hatte sich Hawkeyes
Begeisterung über seinen Anblick extrem
in Grenzen gehalten und er hatte sich mehr denn je
gewünscht, Gedanken lesen zu können. Da
war immer ein Bereich in Hawkeye gewesen, aus
dem er partout nicht schlau wurde, den
Hawkeye vor ihm abschirmte und verteidigte, wenn nötig
mit einer neuen, nervigen Angewohnheit,
und es war wohl dieser Bereich, der verhindert hatte,
daß sie einander wirklich verstanden.
Noch mehr als er sich wünschte zu wissen,
was Hawkeye dachte, war zu wissen, was Hawkeye
über ihn dachte. Die Wahrheit. Nicht das,
was letztendlich zu Worten wurde, sondern das, was in
seinen Augen zu lesen war.
Nein, verstanden hatten sie einander nie. Das Beste, was sie erreicht hatten, war Akzeptanz,
Neutralität unter einer imaginären weißen Fahne, und das war schwierig genug gewesen, hatte sie
einiges an Schmerz und Tränen gekostet.
In jenem Moment, wo er Hawkeye gegenüber
stand und Sidney sich unter einem Vorwand
entfernte, hatte er deutlich gespürt, daß
die Distanz zwischen ihnen größer war als je zuvor. Nicht
einmal mehr ein Händeschütteln. Der Mann
in Pyjama und blauem Bademantel (_Falsche
Farbe_,
hatte sein
Unterbewußtsein protestiert) war praktisch ein Fremder gewesen.
Irgendwer – ein Philosoph, Dichter,
Politiker oder vielleicht auch nur ein Pragmatiker wie Sidney
Freedman – hatte mal gesagt, daß das, was
den Menschen am schnellsten verrät, seine Furcht
sei.
Und darin, in diesem einen Wort, ließ
sich sein momentaner Gefühlszustand zusammenfassen.
Nie zuvor hatte er solche Furcht vor
einem einzigen Wort empfunden. Er hatte es immer
irgendwie über die Lippen gebracht.
Irgendwie. Das 'Auf Wiedersehen' am Ende eines Besuchs
bei guten Freunden, das 'Mach's gut' nach
einem Abend im Restaurant und Kino, der Auszug aus
dem Elternhaus, die Abschiedsworte an die
Kameraden am Ende des Studiums.
Selbst beim Abschied von Peg war er nicht
so...gelähmt gewesen.
Wenn er 'Goodbye' sagte, bedeutete das,
daß alles vorbei war. Wirklich vorbei war. Nicht nur
offiziell, auf dem Papier und unterschrieben
von einem Haufen Generäle und Diplomaten, sondern
auch *in* ihm. Das eigentliche Ende war
ein Wort, das er nicht aussprechen konnte.
Was war schlimmer, der Schmerz des
bevorstehenden Abschieds (den er nicht vollziehen konnte,
so sehr er es wollte) oder die
Erkenntnis, daß er nach zwei Jahren des ständigen Hoffens auf ein
baldiges Ende seiner Wanderung in diesem
finsteren Tal nicht *wollte*, daß es vorbei war?
War er jetzt komplett verrückt geworden?
Es sollte ihm doch ein Leichtes sein, Korea mit einem raschen 'Bye' hinter sich zu lassen. Zwei
Jahre sollten ausreichend Motivation sein, all die Erinnerungen, die man ihnen aufgezwungen hatte
und der er sich nie würde entledigen können.
'Hallo' war einfach gewesen.
***"Verheiratet?"
"Hmm."
"Ist
Ihre Frau auch hier?"
"Nein,
ich wollte mich erstmal allein umsehen. Sind Sie verheiratet?"
"Ich? Nein." Das typische Hawkeye-Halblächeln, die Art, wie er den Blick abwandte und
mit den Schultern zuckte...die Frage förmlich abschüttelte wie ein nasser Hund das
Wasser. "Da müßte mich erstmal jemand schwängern."
Damit
waren die Fronten abgesteckt gewesen, sie hatten gewußt, wo sie standen.***
Nur das 'Goodbye' blieb ihm im Hals
stecken und dort steckte es immer noch.
Was sagte man in einem solchen Moment,
wenn alle Entscheidungen gefallen schienen und nichts
von dem, was er sagen konnte, in der Lage
war, der Tatsache ihren Stachel zu nehmen? Er durfte
nach Hause und Hawkeye...Hawkeye saß im
fernen Tokio auf einem Feldbett in einem engen
Raum, umgeben von Leuten, die sich für
Präsident Truman oder General MacArthur hielten. Seit
nunmehr zwei Wochen, während Leute
starben, denen er hätte helfen können. Daß er selbst Hilfe
am nötigsten hatte, ignorierte er in typischer
Hawkeye-Manier.
Warum hatte er ihm nicht sagen können,
daß er ohne ihn verloren gewesen wäre, vom ersten Tag
an, und daß es ihm leid tat, daß er nun
ging? Ihn zurückließ...nein, *ver*ließ.
Natürlich könnte er daran etwas ändern,
wenn er wollte, könnte auf dem Weg über Tokio noch
mal bei Hawkeye vorbeischauen und den
Abschied nachholen. Aber seine Reiseroute verlief über
Okinawa und Honolulu, er kam nicht einmal
in die Nähe der japanischen Hauptinsel.
Alle Weichen waren gestellt, alle Fehler waren
gemacht, es gab kein Zurück. Nur Bedauern.
***"Was
meinst du mit 'nach Hause kommen'?"***
Hatte er etwa geglaubt, Hawkeye belügen
zu können? In den zwei Jahren des Zusammenlebens
hatte er ihm noch nie etwas vormachen
können, Hawk hatte ihn immer lesen können wie ein
offenes Buch.
***"Weißt du, daß Erin zwei Jahre alt wird? Als ich sie zum letzten Mal sah, konnte sie
noch nicht mal mit ihrer Hand meinen Finger umfassen."***
Finger waren zwischen ihnen nicht nötig
gewesen, Worte hatten stets ausgereicht, um sich
gegenseitig ruhigzustellen. Die richtigen
Worte brachten ein Herz zum Schlagen, die falschen
packten und zerdrückten es.
Und noch während er die Worte aussprach,
hatte er die kaum sichtbare Regung in Hawks
Gesicht registriert (registriert, nicht
gesehen!), die signalisierte, daß Hawk es zuließ.
Daß er die Wahrheit kannte, die Lüge
erkannte, und sich ergab.
***"Sie
trug Babystiefelchen, die in ein Schnapsglas reingehen."
Ein
Schatten legte sich über das müde, maskengleiche Gesicht. "Ich trag' noch
die Stiefel,
die
ich trug, als ich hier ankam."
Ein
Wort zuviel. Wie üblich aus seinem Mund, nicht aus Hawks. Hawk würde eher
schweigen
als zuviel zu sagen und mit einer unüberlegten Bemerkung jemand anderen zu
verletzen.
Ganz der Arzt, seinem Eid treu.
"Na
jedenfalls vermisse ich sie", versuchte er, den gespannten Moment zu
entschärfen –
nicht
daß es noch möglich war, genauso wenig wie er damals seinen Faustschlag hatte
zurücknehmen
können oder die haßerfüllten Worte über Trapper John – und fuhr mit
einem
Schulterzucken fort, "obwohl das einzige, woran ich mich erinnern kann,
ihr
zahnloses
Grinsen ist."
Und
wie aus einer ausgiebig geschüttelten und ohne Vorwarnung entkorkten
Champagnerflasche
brach es aus Hawkeye heraus.***
Definitiv zuviel. Er hätte doch besser
ohne Abschiedsambitionen seine Sachen packen und
verschwinden sollen. So hatte er alles
nur noch schlimmer gemacht. Das getan, was ein Arzt nie
tun sollte.
***"Jaja, genau das ist es. Zahnloses Grinsen, Finger, Babyschuhe im Schnapsglas...das
liegt alles auf einer Linie. Du hättest ja auch sagen können Zwirnsfaden, Zahnbürsten,
Kaugummi unterm Kinosessel. Ich hab' mal einen unter meinem Sitz gefunden, im Rialto in
Kennebunkport..."***
Und so weiter und so fort. Eine typische
Hawkeye-Arie, in der Worte und Sätze sich so
unwillkürlich aneinanderfügten wie die
Gedanken, aus denen sie entstanden. Hawkeye sprach,
wie er dachte, und verband die
unwahrscheinlichsten Themen auf aberwitzige Art und Weise.
Keinesfalls um damit Humor zu beweisen.
Hawkeye meinte jedes Wort bitterernst. Diese Reden
waren die Momente, in denen Hawkeye am
allerwenigsten scherzte, nur konnte nicht jeder mit
seiner Ausdrucksweise etwas anfangen.
B.J. hatte es gelernt und somit betroffen
geschwiegen, während Hawkeye wie ein eingesperrtes
Tier auf und ab ging und in seinen
Ausführungen immer lauter wurde. Anklagte... Schuld
zuwies.... Was hätte er da noch tun
sollen? In die Enge getriebene verwundete Tiere waren
bekanntlich die gefährlichsten, und er
bezweifelte, daß es bei einem eingesperrten verwundeten
Falken anders war.
Das letzte, was er in Hawkeyes Augen
gesehen hatte, war Wut gewesen, und die Erinnerung
brachte die Tränen zurück. Wahrlich ein
wunderbarer letzter Anblick...
Er war in seiner Rat- und Sprachlosigkeit
aufgestanden und hatte nach Sidney gerufen, der
draußen auf dem Gang gewartet hatte, fast
als hätte er eine solche Entwicklung vorausgeahnt.
Verstand Sidney die heikle Beziehung
zwischen den beiden Männern vielleicht besser als sie
selbst es taten?
Nun, wie auch immer, Dr. Hunnicutt hatte
seine fünf Minuten bekommen und versagt.
Aber sollte ein Freund nicht nach bestem
Können dafür sorgen, daß es dem anderen gut ging,
ganz gleich was er dafür tun mußte? Ohne
Hawkeye wäre alles anders gewesen. *Er* wäre
anders gewesen.
Er hatte es ihm nie gesagt und würde
jetzt wohl nie eine weitere Gelegenheit bekommen, aber
Hawkeye hatte ihm so vieles gegeben und
nie etwas verlangt...und was hatte er im Gegenzug für
Hawkeye getan? War da irgend etwas? Es
mußte etwas geben...
Hawkeye vor seinen Augen zerbrechen zu
sehen ließ ihn glauben, versagt zu haben, als Freund
wie als Arzt und auch als Mensch, und er
fühlte sich mitverantwortlich für seinen Zustand.
Konnte ein Mann sich noch schlechter
fühlen?
***"Geh',
worauf wartest du noch?"
War
das ein 'Hau ab' oder ein 'Ich sage zwar, du sollst gehen, aber wenn du
wirklich mein
Freund
bist, bleibst du trotzdem und läßt dich nicht von mir einschüchtern'?
Ein
'Geh' bitte, ich kann's nicht ertragen, daß du mich so siehst' oder ein
einfaches 'Halt
mich
fest, sei wenigstens einmal derjenige, der mich festhält, anstatt umgekehrt'?
Zögernd
wich er zurück, kleine Schritte rückwärts, bis er im Türrahmen stand. Die
Klinke
war
zu solide für seine zitternde Hand, seine Finger drohten, an ihr abzurutschen.
"Ich...ich
weiß nicht." Ein hilfesuchender Blick in Sidneys Richtung, der
erwartungsgemäß
unbeantwortet
blieb. Dies mußte er allein durchziehen. Oder auch nicht. "Ich dachte nur,
wir
hätten uns noch was zu sagen, bevor ich endgültig abhaue."***
So wie 'Goodbye'...wieder nur eine
Andeutung des unaussprechlichen Wortes.
***"Sag's
mir das nächste Mal, wenn wir uns sehen. Ich werd' nicht für immer hier sein,
das
garantiere ich dir."
Entweder
seine Knie gaben zuerst nach oder seine Stimme. Vor Hawkeyes anklagendem
Blick
würde jeder davonlaufen.
"Ja",
preßte er hervor und nickte. "Naja...bis dann."***
_Bis dann..._ Mit jenen zwei Worten hatte er die Tür geschlossen. Ohne 'Goodbye'.
Ohne 'das Ende'.
Auf dem Weg den Gang hinunter hatten sich seine Schritte beschleunigt. Kaum im Freien, hatte er
in seiner Hast mehrere Weißkittel angerempelt und noch wie er quer über das Klinikgelände dem
Ausgang entgegenstrebte, war er förmlich gerannt, auch wenn er nicht mehr gesehen hatte, wo er
hintrat. Seine Augen waren blind vor Tränen gewesen und er hatte sich prompt verlaufen. Alles
hatte gleich ausgesehen, Straßen, Schilder und Menschen, nichts hatte er wiedererkannt. Oder
wiedererkennen wollen. Nur per Rikscha hatte er wieder zurück zum Flughafen zurückgefunden
und wie durch ein Wunder den Flieger erwischt, der ihn zum letzten Mal nach Korea
transportierte.
Weg...nur weg von allem.
Die vergangene Stunde war wie im
Zeitraffer verlaufen. Klinger, der seinen Transport arrangierte,
Potter, der ihn im Telegrammstil
verabschiedete, die Personen, die er auf seinem Sprint zum
Sumpf hastig umarmte. Ein Lebwohl an
Father Mulcahy und Margaret Houlihan. Plötzlich waren
von fast zwei Jahren (zweiundzwanzig
Monaten, zwei Wochen und drei Tagen) nur fünf Minuten
übrig gewesen, seine Lebenszeit (dieses andere
Leben, diese schizophrene Existenz, die er
gehaßt wie geliebt hatte) war in fünf
Minuten komprimiert worden.
Noch wie er versuchte, Hawk einige Zeilen
zu schreiben und sich gleichzeitig anzuziehen, hatte
der Hubschrauberpilot für ihn seine
verstreuten Habseligkeiten in den Koffer gestopft. Kleidung,
Bilder, Kleinkram... Sorgfalt war
unwichtig, Hauptsache, der Großteil kam mit, und wenn nicht,
war das auch nicht schlimm, denn er
wollte möglichst wenige Souvenirs an diesen Irrsinn
mitnehmen.
'Hawkeye...' Weiter war er nicht
gekommen. Der Bogen Papier war leer geblieben.
Und mit einem Mal war da Charles gewesen,
der eine kurze Auszeit von seiner Begeisterung
über seine zukünftige Position als Chef
der Thoraxchirurgie am Boston Mercy Hospital nahm und
sich darüber beschwerte, wie es ihm
einfallen könnte, sich nicht zu verabschieden. Immerhin
hätten sie lange auf engstem Raum
zusammen gelebt und – sichtlich widerstrebend hatten diese
Worte Winchesters Mund verlassen – da
entwickele man schließlich eine gewisse Bindung. Nicht
daß das auf seine Eminenz Charles Emerson
Winchester III zuträfe, aber schon allein aus simpler
Höflichkeit hätte er ja mal...
Der flüchtende Kollege hatte weggehört,
mit allen Sinnen abgeblockt, was er nicht
hören/fühlen/denken wollte, und den
Protestierenden zu einem perforierten Dickdarm auf der
Intensiven geschickt.
Bindung.
Ausgerechnet Charles hatte sich zur
Stimme seines schlechten Gewissens außerhalb seines
Kopfes aufgespielt. Ausgerechnet Charles.
Er hätte sehr gut ohne seine Belehrungen auskommen
können. Aber seltsamerweise nahm er es
ihm weniger übel als es bei einem anderen der Fall
gewesen wäre, zum Beispiel Potter oder
Margaret.
Margaret, die er beauftragt hatte, mit Hawkeye
zu reden, eine Vertretung, für die er sich fast
schämte. Als ob sie auch nur einen
Bruchteil dessen sagen könnte, was ihm auf der Seele lastete
und vergeblich einen Weg nach draußen
suchte. All das, was ihn in Tokio hatte verstummen
lassen, als er in der Tür stand —
_Bis
dann..._
— und diese schloß.
Mit dem Flugzeug nach Okinawa und von
dort aus mit dem Schiff über Guam nach Honolulu.
Wenn er erstmal dort war, trennten ihn
nur noch drei Flugstunden von den beiden Menschen, die
er über alles liebte. In einer Woche
würde er bei ihnen sein. Nichts desto trotz, das Echo von
Charles' Worten hallte immer noch durch
seinen Kopf.
War es Abschied oder Flucht?
Sich Staub aus den Augen wischend atmete
er tief durch und nahm dann wieder seinen
Kleidersack auf. Zeit, die Anker zu
lichten, die letzten Bindungen zu lösen. An Korea, an die
Angst...und an Hawkeye Pierce, der alle
diese Dinge in sich vereinte.
Niemand konnte das für ihn tun, ihm diese
Entscheidung abnehmen.
Das Lied hatte gewechselt. Neuer Text,
alte Gefühle. Sie hatten es oft im OP gespielt, wie
zahllose ähnliche Lieder, um die
Patienten zu beruhigen, ihnen etwas von ihrer Angst zu nehmen.
'I've
got you under my skin
I've
got you deep in the heart of me
So
deep in my heart that you're really a part of me.
I've
got you under my skin.'
Der Frieden stand kurz bevor, alle
Verträge waren fertig zur Unterschrift, und dann würde
Hawkeye direkt von Tokio aus nach
Crabapple Cove geschickt werden. Begebe dich nach
Hause, gehe nicht über Korea, wirf keinen
weiteren Blick auf verwundete Kinder.
Oder tote Babies, umgebracht von den
eigenen Eltern
Er wünschte ihm dieses Glück, zumindest
ein kleines Stückchen davon.
Das Gebäude neben dem Offiziersclub mußte
die Verwaltung sein. Besser er meldete sich dort,
wenn er seinen Flug erwischen wollte;
Klinger hatte ihn zwar vormerken lassen, doch bestand die
Möglichkeit, daß sein Sitz an jemand
anderen ging, falls er ihn nicht rechtzeitig in Anspruch nahm.
'...in
spite of a warning voice that comes in the night
And
repeats repeats in my ear:
Don't
you know, you fool, you never can win,
Use
you mentality, wake up to reality...'
Die Furcht vor dem Leben, zu dem er
zurückkehren würde, war um nichts geringer als die Furcht
vor dem Loslassen.
Er hatte sich von Hawkeye mitreißen
lassen, doch niemals seine Ruhe verloren, eine Ruhe, die,
wie er wußte, Hawk bisweilen extrem
verunsicherte. Daran konnte er aber nichts ändern, es war
einfach seine Art.
Genauso wie seine Bindung an seine
Familie. Das war nicht etwas, das er einfach hatte abstellen
können. Korea hatte seiner Persönlichkeit
einige Grauschatten verpaßt, aber nichtsdestotrotz war
er der gleiche, der vor zwei Jahren hier
gelandet war.
Er hatte es geschafft, er selbst zu bleiben
und nicht notgedrungen jemand anderes zu werden.
So wie Hawkeye, der sich gleich einem
Chamäleon der Situation angepaßt hatte...und
irgendwann so sehr mit dem Hintergrund
verschmolzen war, daß er seine eigenen Konturen nicht
mehr erkennen konnte.
Aber, so fragte er sich, sollte er sich
etwa dafür entschuldigen, daß er so war, wie er war? Und
daß er so bleiben wollte? Daß er zwar
unter Korea litt, es aber niemals in seine Seele gelassen
hatte? Nein, dazu sah er keinen Grund.
Er hatte seine Ruhe bewahrt.
Um die Hawkeye ihn beneidete. Daher hatte
er irgendwann versucht, nicht zuviel von Peg zu
reden, aber es war ihm nicht gelungen.
Sie war einfach allgegenwärtig gewesen.
Morgens wie abends hatte sein erster und
letzter Gedanke ihr gegolten...und wenn die
Erschöpfung im OP ihn fast
zusammenklappen ließ, hatte er geglaubt, ihre Hand auf der Schulter
zu spüren, und so die Kraft für eine
weitere Stunde gefunden, die Rettung eines weiteren Lebens.
Zwischendurch, es mußte so nach einem
halben Jahr gewesen sein, hatte es eine Zeit gegeben, in
der er ihr auch gedanklich fern gewesen
war. Die neue Umgebung hatte gewisse Änderungen in
seinem Verhalten und Denken erfordert,
aber als ganze Tage vergingen, ohne daß er an seine
Familie dachte, hatte er die Notbremse
gezogen. Noch mehr Anpassung hätte seine Fähigkeiten
überstiegen und wer sich daran störte,
hatte damit leben müssen.
Würde man ihn fragen, könnte er nicht
sagen, was ihn davor bewahrt hatte, in diesem Land,
dieser Hölle für Ärzte und Heiler, die
nicht durch Fegefeuer gequält wurden, sondern durch
übermäßige Konfrontation mit Zerstörung,
den gleichen Pfad zu beschreiten wie Benjamin
Franklin Pierce. War es allein die
Gewißheit gewesen, daß es ein Paradies für ihn gab, in das er
zurückkehren konnte? Es mochte zwar 5428
Meilen entfernt sein, aber es existierte.
Oder war es die Gesellschaft eines Mannes
gewesen, der nichts Vergleichbares hatte, und er sich
somit tagtäglich beglückwünschen konnte,
daß es ihm trotz der Trennung noch vergleichsweise
gut ging? Paradiesisch gut? Nein, das
ganz bestimmt nicht.
Eine solche Denkweise wies er von sich,
so niederträchtig konnte niemand sein, am
allerwenigsten er.
Trotzdem war er derjenige gewesen, der die
Kontrolle verloren und seinen Schmerz an Hawkeye
und der Destille ausgelassen hatte. Ein
Brief, und mit der Ruhe war es vorbei gewesen, sie hatte
sich in Scherben und einem blauen Auge
aufgelöst.
Danach war vieles anders gewesen.
Was sich nicht geändert hatte war sein
Wunsch, Hawkeye möge irgendwann etwas finden, das
dem nahe kam, was Peggy und Erin für ihn
darstellten. Den Halt und die Liebe einer Familie, all
das, was ein Freund nicht geben konnte.
Ein schwaches Lächeln umspielte seine
Lippen, unsichtbar unter dem Schnurrbart, und war im
nächsten Moment bereits wieder
verschwunden. Wem machte er denn etwas vor? Manche
Männer hatten hier im Land der
Morgenstille im Schatten des 38. Breitengrades ihr Leben
verloren, andere ihre Arme und Beine oder
ihren Verstand, und wenige Glückliche lediglich ihre
Jungfräulichkeit.
Hawkeye hatte viel mehr verloren. Etwas,
das zu verlieren für jemanden, der nichts so dringend
brauchte wie die Nähe zu einem anderen
Menschen, noch grausamer war als der Verlust seines
Lebens. Nämlich die Fähigkeit, wirkliche
Nähe zuzulassen und dauerhafte Bindungen einzugehen.
Korea hatte das für immer und ewig
unmöglich gemacht.
Hoffentlich konnte Sidney Hawkeye helfen.
Wenn schon der sich anbahnende Frieden nicht von
Dauer sein würde und nicht für alle Welt
galt – Kriege würde es immer wieder geben, Korea war
garantiert nicht der letzte – dann
wenigstens für den einen Menschen, der ihn am meisten
brauchte.
'You
get all, buy a piece of the peace,
Big or
small, buy a piece of the peace,
Seven
times before you bought the bonds we sold,
Victory
isn't free, so trade it in for your gold.
This
is it, buy a piece of the peace,
Do
your bit, buy a piece of the peace...'
Er hatte getan, was er konnte, und für
den Frieden hatte es nicht gereicht. Freundschaft war eben
manchmal nicht genug.
Die Tränen, die über sein Gesicht
rollten, als die Maschine in Richtung Startbahn rollte, waren
Tränen der Vergangenheit. Sie hatten zwei
Jahre gebraucht, um an die Oberfläche zu dringen.
Annyonghi kyeseyo. Komawoyo.
Auf Wiedersehen. Danke.
**************
Langsam senkte sich der
Evakuierungshubschrauber dem Boden entgegen, setzte einige Meter
vom Seeufer entfernt auf.
Das also war der neue Standort der
4077th. Wenn er richtig verstanden hatte, war ein durch
Brandbomben ausgelöster Großbrand in den
Hügeln der Grund für den Umzug gewesen. Schön,
da konnte er sich gleich am Auspacken und
Aufbauen beteiligen, denn so wie es schien, stand
erst das halbe Camp und die Leute waren
viel zu beschäftigt, um seine Ankunft zu registrieren.
Der Hubschrauber war nur ein weiterer
Hubschrauber, der Verletzte brachte.
Und den neuen/alten Chirurgen.
Das Gesamtbild blieb immer das gleiche, es
änderte sich nichts, auch nicht durch den kleinen See
und die Schar quakender Enten – es war
immer noch Korea, die Front war immer noch wenige
Meilen entfernt und in dem Zelt mit dem
großen roten Kreuz auf dem Dach lagen immer noch
verletzte und sterbende Menschen.
Leidende Menschen, die der Grund für den seltsam leeren
Ausdruck waren, der immer noch auf allen
Gesichtern stand.
Auch auf dem seinen.
Wie er es fertigbrachte, seine Beine
hinaus zu schwingen, wußte er nicht. Er war der Meinung,
nicht aus eigener Kraft stehen zu können.
In einer finalen Geste der Resignation warf er seinen
Kleidersack in den Staub und sah sich um.
Colonel Potter nahm ihn in Empfang, sein
schmales, wettergegerbtes Gesicht verschlossen und
blaß vor Erschöpfung. Er brauchte keine
Worte zu hören, um zu wissen, wie leid es Potter tat,
daß man ihn auf halbem Weg nach Hause
festgehalten und für die Abschiedsvorstellung zurück in
die 4077th geschickt hatte, denn
schließlich bedauerte er den älteren Mann in gleichem Maße.
Für den Berufssoldaten Sherman Potter,
der seine Karriere bei der Kavallerie begonnen hatte,
war es nun schon der dritte Krieg, aber
an das zermürbende Warten auf das Ende gewöhnte man
sich wohl nie.
Genauso wie Dr. Hunnicutt, der gerade
seine Assistenzzeit beendet hatte, einer wenig
aufregenden aber friedlichen Zukunft in
einer privaten Praxis entgegensah und niemals erwartet
hatte, statt dessen blutige
Skalpellschlachten im fernen Korea zu schlagen, hatte auch Potter
gewiß nicht geahnt, nach zwei Jahren
hinter einem Tokioter Schreibtisch nach Korea versetzt zu
werden und dort in den letzten 18 Monaten
vor seiner Pensionierung noch mal alles leisten zu
müssen.
Dennoch waren sie hier, alle beide, immer
noch. Und wo er lediglich eine bleierne Müdigkeit
verspürte, wirkte der Colonel
ausgebrannt. Nur Jahrzehnte der Routine und militärischen Disziplin
schienen ihn noch aufrecht zu halten.
"Bis Guam bin ich gekommen",
ließ er seinen Nun-wieder-Vorgesetzten wissen und reichte einem
Gefreiten sein Gepäck. "Ab da alle
Flüge gestrichen, nichts ging, weder raus, noch rein." Er
konnte die Bitterkeit unmöglich aus
seiner Stimme verbannen. "Da sitz' ich in so einem schäbigen
Offiziersclub, kommt ein Kerl auf mich zu
und sagt, 'Sind Sie Hunnicutt, der Arzt?' Das klang für
mich gar nicht gut, also sag' ich, 'Nein,
ich bin Hunnicutt, der Kaplan.' Dann sagte er, 'Gut,
Priester, dann fang mal an, um Wunder zu
beten, denn du fliegst zurück nach Korea, um zu
operieren.'" Mit nichts, aber
absolut *nichts* hatte er das verdient! Vielleicht hätte er versuchen
sollen zu flüchten. Als blinder Passagier
wäre er schon irgendwie nach San Francisco gelangt.
Warum hatte man ihn zurückgeholt? Er
machte ja nicht den Colonel persönlich für sein Unglück
verantwortlich und jetzt, da er hier war,
war jegliche Klage zwecklos. Es war sinnlos, Tränen zu
vergießen.
Potter hielt es offenbar trotzdem für
nötig, sich zu entschuldigen, und sein Lächeln war sehr
forciert, vielleicht weil er dankbar war,
daß die Beschwerde zumindest in eine Spur Humor
eingewickelt abgeladen wurde.
Während der kleinen Entschuldigungsrede
nahm er eine Bewegung rechts hinter sich wahr, fast in
seinem toten Winkel, gerade noch
sichtbar. Etwas in seinem Hals zog sich zusammen. Wieso
*er*? Wieso nicht Jacobson? Es sollte
Jacobson sein...
Langsam kam die vertraute Gestalt näher,
bewegte sich in dem typischen, leicht gebückten Gang,
die Schultern hochgezogen und den Kopf
gesenkt wie ein Hund im Dauerregen. Die in den
Taschen vergrabenen Hände rundeten das Bild
ab.
Widerstrebend wandte er den Kopf. Wieso,
*wieso* nicht Jacobson?
Der nächste Schritt brachte Hawkeye an
seine Seite. Vom Regen in die Traufe.
Fort war der blaue Bademantel, nur die
Augen waren dieselben. Unverheilte Wunden, aus denen
der Schmerz floß, ungebremst, und niemand
konnte den geeigneten Druckverband anlegen. Diese
Art von Verletzung mußte bluten, bis der
Schmerz gerann.
"Hey", begrüßte er ihn lahm.
"Du siehst viel besser aus als beim letzten Mal. Wie geht's dir?"
Kaum hatte die Frage seinen Mund
verlassen, da bereute er sie schon.
Ohne nennenswerte Gefühlsregung
antwortete Hawkeye, "Allerbestens." Was das genaue
Gegenteil bedeutete. Ihm war, als würde
Hawk auf etwas warten. Oder auch nicht. Nein, es sah
nicht so aus als würde er tatsächlich
etwas erwarten.
In diesem Moment wünschte er sich nichts
sehnlicher, als daß Hawkeye ihn geschlagen,
beschimpft oder angeschrieen hätte, auf
irgend eine Weise die Beherrschung verloren hätte. So
wie er einst im umgekehrten Fall. Warum
war es nicht möglich, daß dieser Mann nur einmal, nur
dies eine Mal, etwas weniger...'Hawkeye'
war? Und mit etwas anderem, etwas Menschlicherem
reagierte als dieser stoischen, abartigen
Ruhe.
Ruhe war ihm vertraut, aber diese Ruhe
war eine andere. Als wäre Benjamin Franklin Pierce
schon jenseits von Schmerz und nichts
könne ihn mehr verletzen, nicht Kugeln und am
allerwenigsten Worte. Denn er hatte schon
alles gefühlt und gehört – was sollte da noch sein?
Den Atem anhaltend suchte er nach der passenden
Entschuldigung, versuchte, das Richtige zu
tun. Doch wer tat schon jemals das
Richtige? Das schlechte Gewissen meldete sich zu Wort,
ohne daß er Einfluß nehmen konnte, mußte
etwas loswerden, bevor Hawkeye das Thema
anschneiden konnte. "Tja, ich wollte
dir noch einen Brief schreiben, als ich wegfuhr, aber ich hatte
keine Zeit mehr."
Keine Kugel hätte schmerzhafter sein
können als die Nonchalance von Hawkeyes Antwort.
Blaue Augen (_My Blue Heaven_, hörte er Sinatra singen) richteten sich auf ihn,
nur kurz, dann
schweifte der durchdringende Blick wieder
ab, gab ihn frei. "Ich wußte gar nicht, daß du weg
warst. Ich dachte, du wärst im
Bad..."
Damit wandte sich Hawk ab und ging neben
ihnen her, als wäre es die natürlichste Sache der
Welt, als wäre nichts gewesen.
Und er fand keine Worte.
Aller guten Dinge waren schließlich drei.
FINIS