Penance:
Ianto Jones doesn’t live here anymore
(begonnen Mai 2012, weitergeschrieben 2018)
LadyCharena (Februar/Oktober 2018)
Charaktere: Jack Harkness, Ianto Jones, Toshiko Sato
Pairing: [Ianto/Lisa]
Rating: A/U, pre-series, pg16, Canon-Charaktertod
Worte: 2288
Summe: Wie geht es mit Ianto weiter, nachdem er
aufgeflogen ist und Lisa tot?
Warnung: Darstellung eines Selbstmordes
Fortsetzung zu: „Undercover Jones“, „Like Rats in his
Stomach“, „Wer ist Ianto
Jones?“ Part 1 bis 6, „Der Anfang vom Ende“ Teil 1+2, „It‘s
all over but the crying...“ und „Owner of a lonely heart“.
Disclaimer: Die Rechte der in dieser Fan-Story verwendeten geschützten Namen
und Figuren liegen bei den jeweiligen Inhabern. Eine Kennzeichnung unterbleibt
nicht in der Absicht, damit Geld zu verdienen oder diese Inhaberrechte zu
verletzen.
„Hat er etwas gesagt?“ Jack trat neben Tosh und sah
durch das einseitig verspiegelte Glas.
Man konnte durch es in den anderen Raum sehen, aber von innen nicht nach
draußen. Eigentlich handelte es sich um ein Verhörzimmer – genau wie es die
Polizei benutzte – aber Owen hatte den in den letzten Jahren ungenutzt
gebliebenen Raum jetzt für sich in Beschlag genommen.
Nun, streng genommen hatte er den Tisch, der sich darin befand und zwei
wacklige Stühle in eine Ecke geschoben und dafür ein Campingbett aufgestellt.
(Das, wie Jack aus eigener Erfahrung wusste, bequemer war, als es aussah.) Ein
Instrumententisch mit Schublade aus der Krankenstation diente als Stellplatz
für eine Schreibtischlampe, die sonst ihr Dasein an Owens Arbeitsplatz
fristete. Ihr Licht war milder als das der Neonröhren an der Decke. Der Arzt
hatte beschlossen, dass es nicht sicher genug war, Ianto
wieder in das Zimmer zu bringen, indem er vorher untergebracht gewesen war. Und
natürlich konnten sie ihn nicht einfach in seine Wohnung bringen.
Am Fußende des Bettes stand ein Tablett mit einem Kaffeebecher und einem Teller
mit zwei dreieckigen Scheiben Toast und etwas, das nach angetrocknetem Rührei
aussah. Am Kopfende befand sich ein Kissen mit Union-Jack-Aufdruck, das einzig
bunte in dem ansonsten tristen Raum.
Dazwischen saß Ianto. Aufrecht, die Schultern starr,
die Beine mit aneinander gedrückten Knien gerade nebeneinander
gestellt. Den Kopf gesenkt, den Blick offenbar fest auf die in seinem
Schoß ineinander verschränkten Hände gerichtet, wirkte er wie ein Mann, der auf
etwas Unvermeidbares wartete.
„Kein Wort zu mir und soweit ich weiß, auch nichts zu Owen.“ Tosh seufzte. „Er hat noch keinen Bissen gegessen und ich
denke nicht, dass er sich auch nur einmal bewegt hat, seit er hier ist. Er
sitzt nur da.“ Sie sah ihren Boss an. „Ich wünschte, wir könnten etwas für ihn
tun.“
„Nur warten.“ Jack musterte den jungen Waliser, der zu einer Statue erstarrt
schien. „Tosh, ich weiß, dass wir alle in den letzten
Tagen etwas zu wenig Schlaf bekommen haben, aber…“
„…jemand sollte ihn im Auge behalten?“, beendete die Computertechnikerin seinen
Satz. „Owen hat sich ein paar Stunden in seinem Büro aufs Ohr gelegt. Wenn er
wach ist, kann ich etwas Schlaf auf der Couch nachholen. Es ist nicht das erste
Mal, Jack. Aber solange Suzie in London ist, heißt das, du musst dich um alle
Rift-Alarme selbst und vor allem alleine kümmern.“
Jack warf ihr einen amüsierten Blick und ein halbes Grinsen zu. „Es ist nicht
das erste Mal, Tosh“, entgegnete er, bevor er wieder
ernst wurde. „Hat Suzie sich schon gemeldet?“
„Kurz nachdem du los bist.“ Tosh verschränkte die
Arme vor der Brust und unterdrückte ein Erschauern.
Sie war froh, dass sie Suzie nicht hatte begleiten müssen. Offenbar hatte UNIT
das schlimmste bereits beseitigt, als ihre Kollegin dort ankam, aber der
Gedanke daran, was in der UNIT Forschungseinrichtung passiert war… Nein, der
Gedanke daran, es wieder mit UNIT zu tun zu haben… Es war einfacher, hier von
ihrem Schreibtisch aus, hinter einem Computerbildschirm, sicher im Hub. Iantos Geschichte weckte Erinnerungen an ihre eigene
Gefangenschaft bei UNIT, aber im Gegensatz zu Ianto
hatte sie wenigstens gewusst, warum man sie dort einsperrte. Aber genau wie der
Waliser hatte auch sie nur versucht, einem geliebten Menschen zu helfen.
„Sie hat alles im Griff. Heute Abend schickt sie den ersten LKW mit mehreren
Containern los. Später heute Nacht bauen wir zusammen mit einem UNIT-Techniker
eine Datenverbindung zu unseren Servern auf, damit alle elektronischen Daten
übertragen werden können.“
Jack sah sie überrascht an. „Eine Verbindung zu unseren Servern?“
Tosh lächelte. „Keine Sorge, es ist eine sichere
Verbindung. Und sollten sie versuchen, herum zu schnüffeln, wo sie nichts zu
suchen haben, werden sie eine böse Überraschung erleben.“
Jack legte den Arm um ihre Schultern, drückte sie. „Ich verlasse mich ganz auf
dich.“ Er räusperte sich. „Ich weiß, ich sollte selbst in London sein, aber ich
fürchte, ich bin dort weder erwünscht, noch sicher, dass ich mich beherrschen
kann, wenn ich Kona noch einmal sehe.“
„Dann wird dich das hier auch nicht gerade freuen.“ Tosh
tippte einen seitlich vom Beobachtungsfenster angebrachten Monitor an und der
bisher dunkle Bildschirm füllte sich mit mehreren Fenstern. Eines davon zeigte
die steigenden und fallenden Linien des Riftüberwachungsprogrammes.
Über ein anderes lief ein Nachrichten-Ticker, Zeilen an Text, die der Computer
nach Stichworten durchsuchte und sie alarmierte, sollte etwas Interessantes
auftauchen. Aber etwas anderes erregte Jacks Aufmerksamkeit. Wortlos
vergrößerte Tosh das Videofenster, bis es fast die
Hälfte des Bildschirms ausfüllte. Die Aufnahme war grau, etwas grobkörnig, aber
klar erkennbar.
Jack fluchte. „Was will der
hier? Und woher weiß er überhaupt, wo wir sind?“
„UNIT weiß, wo der Hub ist, Jack. Er wird irgendjemanden gefragt haben.“ Tosh schloss das Videofenster. „Er ist heute
morgen gegen halb sieben in Mermaid Quay
aufgetaucht, hat sich etwa eine halbe Stunde lang herumgetrieben, hat versucht
durch die Fenster ins Touristeninformationsbüro zu sehen und ist schließlich
wieder gegangen.“ Sie sah ihren Boss an. „Ich denke, er versucht Ianto zu finden.“
„Aus ärztlichem Verantwortungsgefühl?“, fragte Jack, nicht mit Sarkasmus
sparend. „Oder um sich zu vergewissern, dass wir ihnen die Drecksarbeit
abnehmen? Denkst du, sie wollen Ianto Jones frei
herumlaufen sehen, als lebenden Beweis ihrer unglaublichen Dämlichkeit?“
Tosh verschränkte die Arme vor der Brust. Sie blickte
nachdenklich auf die reglose Gestalt auf dem Bett. „Ich glaube, sie sind an dem
interessiert, was in seinem Kopf ist.“
„Das war, was ich meinte“, erwiderte Jack.
„Nein, ich meine, wortwörtlich: es ist oder es war etwas in seinem Kopf. Owen
hat verschiedene Scanns gemacht, während du in London
warst.“ Tosh öffnete ein neues Bildschirmfenster und
rief die Aufnahmen auf, die Owen von Iantos Gehirn
gemacht hatte. Selbst für medizinische Laien war erkennbar, dass sich da drei
Umrisse zeigten, die eindeutig nicht in ein menschliches Gehirn gehörten.
„Implantate?“, fragte Jack.
„Owen denkt so. Genau kann er es nur sagen, wenn er Iantos
Kopf aufmacht und nachsieht – seine Worte.“ Tosh
wandte sich ihrem Boss zu. „Das Beste kommt noch. Er denkt, es war ursprünglich
ein Implantat und irgendetwas hat dazu geführt, dass auseinandergebrochen ist.
Ob und wie schwer sein Gehirn geschädigt ist, kann er noch nicht sagen.“
Jack starrte die grauen Umrisse so konzentriert an, dass sie schließlich zu
Schlieren verschwammen und er ein paar Mal zwinkern musste, bis wieder alles im
Fokus war. „Das war nicht UNIT. Das waren die Cybermen“,
meinte er nach einer Weile. „Das ist schon in London passiert, vor der Invasion
der Daleks. Es ist die erste Stufe des Upgrades.“
„Des Upgrades?“, wiederholte Tosh. „Du meinst, wie
Computercode, der ein Programm so abändert, dass man ein Update aufspielen
kann?“
„Kein Gehirn übersteht ohne Vorbereitung, aus einem Kopf gerissen und in einen
Metallkörper verpflanzt zu werden“, erwiderte Jack grimmig. Er legte
entschuldigend die Hand auf Toshs Schulter, als sie
bei dieser Beschreibung unwillkürlich schauderte. „Wir hatten unglaubliches
Glück, dass der Doctor hier war, Tosh.
Ich glaube nicht, dass es außer der Erde einen anderen Planeten gibt, der eine
Invasion der Cybermen überstanden hat, ohne komplett
vernichtet zu werden.“
„Ich denke, ich gehe erst einmal Kaffee aufsetzen“, brach Tosh
nach einigen Minuten das Schweigen. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr.
„Ich gebe Owen noch eine Stunde.“
„Danke, Tosh. Ich bleibe solange hier und halte ein
Auge auf Ianto.“ Jack verschränkte die Arme vor dem
Brustkorb und musterte die Gestalt auf dem Bett. Der junge Mann hatte sich
scheinbar keinen Millimeter bewegt.
„Willst du versuchen, mit ihm zu sprechen?“, fragte Tosh
leise. Sie musterte Jacks Profil. „Er scheint dir zu
vertrauen.“
Jack schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Es gibt dieses Sprichwort über den
Boten, der schlechte Nachrichten überbringt. Und ich denke, ich habe Ianto genug schlechte Nachrichten überbracht.“ Er sah sie
an. „Falls ich später nicht hier bin, kannst du Owen von mir ausrichten, dass
er ihm schonend beibringt, was er in seinem Kopf hat? Er soll zusehen, ob er
herausfindet, wie genau das Implantat sich auf Ianto
ausgewirkt hat. Vielleicht findet er etwas, dass
hilft in den Aufzeichnungen von UNIT. Und vor allem müssen wir sicher sein, ob
es tatsächlich tot ist oder nur so tut.“
„Aber es gibt jetzt doch keinen Cyberman mehr auf der
Erde und keine aktive Cybermen-Technologie. Das
Implantat kann keine Verbindung herstellen“, wandte Tosh
ein. „Ohne Sender kein Empfänger.“
„Das hoffe ich.“ Jack richtete den Blick wieder auf den bewegungslosen Waliser.
„Aber wir wussten auch nichts von diesem einen. Von… Lisa.“ Er hob die
Schultern. „Wenn UNIT die Daten übertragen hat, kannst du ihnen ein Geschenk
von uns schicken? Einen netten, kleinen Virus, der sicherstellt, dass sie
nichts zurückbehalten?“
Toshs Augen funkelten. „Oh, mach dir da mal keine
Sorgen, ich habe etwas ganz besonderes in petto, das
ich auf ihre Datenbanken loslassen werde…“
„Danke, Tosh.“
Aber in Jacks Stimme lag etwas, das ihr sagte, dass seine Gedanken ganz
woanders waren. Also ließ sie ihn allein damit.
- # - # -
Jack musterte den Waliser. „Du wolltest mich sprechen“, versuchte er ein
Gespräch in Gang zu bringen. Immerhin hatte Ianto
über Tosh ausrichten lassen, dass er mit ihm sprechen
müsse. Jack war gerade von einem Riftalarm
zurückgekehrt und machte sich direkt auf den Weg.
„Was passiert jetzt mit mir?“, fragte Ianto. Seine
Stimme war heiser, kaum mehr als ein Flüstern.
„Darüber brauchst du dir jetzt keine Sorgen machen.“ Hätte er etwas noch
belangloseres von sich geben können? Aber Jack hatte keine bessere Antwort.
Er hörte Ianto einatmen. Sah wie er seine Lippen
befeuchtete, bevor er weitersprach. „Nach den Torchwood-Statuten…
wird Verrat mit dem Tod bestraft. Ohne Ausnahme.“
„Oh, die Statuten, diese alte Geschichte“, entgegnete Jack wegwerfend. „Darum
kümmert sich heute doch niemand mehr, typisch viktorianisch-morbid. Obwohl das
ziemlich wilde Zeiten waren… Nichts ist aufregender als das Verbotene.“ Er
verschränkte die Arme hinter dem Nacken. „Woher weißt du von der Torchwood-Charta? Yvonne hat doch nicht etwa jeden neuen
Rekruten den alten Schinken lesen lassen, oder?“
„Eine Kopie hing in dem Raum im Archiv, in den dem ich gearbeitet habe.“ Zum
ersten Mal seit Jack das Zimmer betreten hatte, hob Ianto
den Kopf.
„Huh. Man sollte denken, sie hätten interessantere Dinge, die man dort an die
Wände hängen kann. Sie hat mich übrigens nie in ihre Schatzkammer rein
gelassen.“
Ianto sah ihn verständnislos an. „Die Statuten wurden
nie widerrufen. Alle Torchwood-Agenten schwören einen
Eid darauf.“
„Also ich nicht. An dem Tag muss ich etwas Wichtigeres zu tun gehabt haben“,
entgegnete Jack trocken. „Im Übrigen mache ich meine eigenen Regeln.“
„Aber… I-Ich bin ein Verräter. Um Lisa zu retten, habe ich Torchwood
verraten.“
„Du wurdest dazu gezwungen. Ich sehe das als extrem mildernde Umstände an.“
Jack trat zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ianto,
ich sehe keinen Grund, dich dafür zu bestrafen, was Kona
getan hat. Alles was passiert ist, liegt in seiner Verantwortung, nicht in
deiner. Und Ianto, es tut mir wirklich leid wegen
Lisa.“ Es klang unzulänglich, aber was konnte er sagen, dass es nicht war…
Der Waliser reagierte nicht, sah wieder auf den Boden.
„Du musst hungrig sein. Ich weiß, ich bin hungrig.“ Es war nicht besonders
elegant, aber Jack wollte dieses Thema nicht weiter vertiefen. Was erwartete Ianto? Standrechtliche Exekution? „Warum versuche ich
nicht, etwas zu Essen für uns zu finden. Du ruhst dich solange aus und wir
können uns später in aller Ruhe weiter unterhalten.“ Er interpretierte Iantos Schweigen als Zustimmung und nahm seinen Mantel vom
Bett. „Es dauert nicht lange.“
Um diese Uhrzeit war die Auswahl nicht besonders groß gewesen, und Jack hatte
sich daran erinnert, was Owen darüber sagte, dass Ianto
magenschonend essen sollte. Damit waren Pizza oder ein Kebab, die an jeder Ecke
zu bekommen waren, außen vor.
Schließlich fand er einen Imbisswagen und konnte die Besitzerin, die gerade
geschlossen hatte, die Tür noch einmal zu öffnen und ihm Cornish
Pasties zu verkaufen. Halbmondförmige Teigtaschen,
gefüllt mit Käse, Kartoffeln und anderem Gemüse.
Es war das einzige, was sie noch an Essbarem übrig hatte
und Jack legte ein großzügiges Trinkgeld für ihre Mühe auf den Kaufpreis drauf.
Er nahm den Karton mit den Pasties und eine
Papiertüte mit zwei Flaschen Ginger-Ale und machte sich auf den Rückweg, gerade
als es anfing, zu nieseln.
Zehn Minuten später war er zurück im Hub und schüttelte die Nässe von seinem
Mantel.
„Ianto, ich bin zurück…“ Jack stoppte, als er die Tür
öffnete, zunächst nur einen Spalt. Der Raum war dunkel. Wenn Ianto schlief, würde er ihn in Ruhe lassen. Das Essen
konnte warten, der junge Waliser brauchte Schlaf im Moment mehr.
Dann traf ihn der Geruch. Stechend. Metallisch. Allzu vertraut… Jack bemerkte
kaum, dass er das Essen fallen ließ, als er die Tür ganz aufstieß und nach dem
Lichtschalter tastete.
Ianto lag quer über dem Bett, sein Kopf zur Seite
gesackt, abgewandt von der Tür. Seine Hand baumelte über die Bettkante, die
Finger zur Handinnenfläche gewandt. Darunter, auf dem Boden, lag Jacks Webley. Die Wand hinter dem Bett zeigte Blutspritzer, das
Kopfkissen war mit dunklen Flecken getränkt.
Jack machte noch einen Schritt auf das Bett zu und blieb dann stehen. Selbst
von hier aus konnte er das schwarzumrandete Einschussloch an Iantos Stirn sehen. Und dass er nichts mehr für den jungen
Waliser tun konnte.