"Eulogy"
von Jimaine
Die Muse, die für "Good Enough"
verantwortlich ist, ließ mich nicht mehr los, nachdem die Story fertig war,
verdammt.
Das kleine Biest bestand auf weiteren
POVs…hier sind zwei mehr und vielleicht folgen noch weitere.
Pairing: Trapper/Hawk, B.J./Hawk
impliziert
Kategorie: Angst, deathfic, daher
Warnung!
Archiv: im Fanfiction Paradies und meinem
Sumpf bei http://tostwins.slashcity.net/jimaine.htm
Disclaimer: Mir gehören weder M*A*S*H
noch die Charaktere und ich verdiene nichts an ihrem Gebrauch. Und die Rechnung
für die Beerdigung schicke ich an 20th Century Fox.
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Nach der Hälfte des dritten Absatzes sehe
ich hoch und suche den Blickkontakt mit den versammelten Trauergästen. Ich brauche
nicht aufs Blatt zu schauen, die Worte kenne ich auswendig.
Die vielen schockierten Gesichter – mein
Mann Jeff, Klinger und Soon-Lee, Radar, der neben den Potters sitzt und stumme
Tränen vergießt, Peggy Hunnicutt mit je einem Arm um ihre beiden Kinder, und
all die anderen, die heute hergekommen sind und es immer noch nicht fassen
können – verschwimmen zu einem einzigen, die universelle Blässe ein scharfer
Kontrast zu dem Schwarz der Kleidung.
Zu meiner Linken ergreift nun B.J. das
Wort, erzählt von Hawkeyes (denn wir kannten Ben niemals, den Mann, der
gestorben ist) Hingabe als Arzt und den Leben, die er gerettet hat. Von den
vielen kleinen Eigenheiten, die einen gleichzeitig belustigen und zur Weißglut
treiben konnten. Seine Stimme ist so brüchig, daß die kleinste Pause oder ein
ablenkendes Schniefen aus der ersten Bank sie zerbrechen lassen würde. Sollte
er anhalten, weiß ich, daß er nicht wieder anfangen könnte.
Ich strecke die Hand aus und drücke sanft
seinen Arm, gebe ihm etwas von der Kraft, die Korea ihm entzogen und mir
gegeben hat; der Effekt ist hörbar, er bringt die Worte hervor, ohne an ihnen
zu ersticken.
Eine Bewegung im hinteren Teil der
Kapelle zieht meine Aufmerksamkeit auf sich, und ich kneife die Augen zusammen,
sehe genauer hin....etwas mißtrauisch, etwas hoffnungsvoll...also, wenn das
nicht...
Aber das kann nicht sein. An die Wand
neben dem Ausgang gelehnt, verbleibt der Mann in den Schatten, ist quasi kaum
von ihnen zu unterscheiden, so als habe er Angst, sich zu uns in die Gegenwart
vorzuwagen.
Er ist dünner als ich ihn in Erinnerung
habe, die angegrauten blonden Locken erlauben es ihm, mit dem grauen Steinwerk
zu verschmelzen, und für eine Sekunde kann ich *fast* glauben, seine Augen zu
sehen. Vertraute Augen, trauernde Augen, die einst das Herz einer
Krankenschwester mit einem einzigen Blick zum Schmelzen brachten, aber jetzt
unnatürlich hart sind und ein Bedauern ausdrücken, für das es keine Worte gibt.
Und soviel ich weiß hat er eine Menge mehr zu bedauern als die meisten anderen
hier.
Mit angehaltenem Atem schließe ich meine
Finger enger um die getackerten Papierbögen und hoffe, daß dadurch meine
Konzentration zurückkommt.
Nein, er kann es einfach nicht sein.
Wer sollte ihn kontaktiert haben? Wer
hätte gewußt, wie seiner habhaft zu werden ist? Radar? Mulcahy? Vermutlich.
Ich blinzele, um klarer sehen zu können,
schaue noch mal hin, doch er ist zwischen zwei Silben verschwunden, noch bevor
B.J. am Seitenende ankommt. Er ist fort und ich bin wieder an der Reihe.
Vielleicht war er's gar nicht, vielleicht
war es nur das flackernde Kerzenlicht. Allerdings, wenn er es wüßte, wäre er
sicherlich gekommen. Also vielleicht war er es und –
"Margaret."
Erschrocken fahre ich zusammen, räuspere
mich. Genug der Visionen von Dingen, die gewesen sind.
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Nie hätte ich gedacht, daß Sprechen mir
je so schwerfallen könnte. Nur weil ich die letzten drei Tage und Nächte mit
Üben verbracht habe, kann ich die Zeilen nun vortragen, ohne daß meine Stimme allzu
oft zu versagen droht. Und wenn ich nicht übte, dann habe ich geweint. Man
sollte meinen, daß mittlerweile keine Tränen mehr vorhanden sind, aber dennoch
spüre ich, wie sie sich hinter meinen Augen aufstauen. Es kostet mich jedes
Bißchen an Kraft, mich nicht gehenzulassen.
Am Ende eines jeden Satzes sehe ich Peg
an, suche und finde den Mut zum Weitermachen.
Mein Inneres verkrampft sich zu einem
Gordischen Knoten, ich muß die Worte förmlich herauswürgen. Über Hawkeye zu
sprechen, ist ebenso schmerzhaft wie ihn zu kennen.
Wenn auch längst nicht so schmerzhaft und
zerstörerisch wie ihn zu lieben.
Im nächsten Absatz geht es um Hawkeyes
sanftes Wesen, die verletzliche Seite seines Ichs, die er beharrlich vom Rest
der Welt unter vielen Schichten Sarkasmus und Witz verbarg.
Jene Seite von ihm, die sich nach
Zuneigung zu menschlicher Nähe sehnte, und reichlich davon bekam, nur nicht von
der richtigen Sorte und gewiß nicht in ausreichender Menge, um das Ausmaß an
Leid auszugleichen, dem er ausgesetzt war.
Manchmal war ich mir nicht sicher, ob ich
das Richtige tat (ob wir es taten).
Jetzt habe ich auf jeden Fall meine
Zweifel.
Margaret scheint zu spüren, daß ich an
Schwung verliere und legt eine Hand auf meinen Arm; die leichte Berührung ist
all die Ermutigung, die ich brauche.
Worte sind einfach nicht dafür
geschaffen, Hawkeye zu beschreiben, können nicht mehr als eine grobe Skizze des
Äußeren liefern, ganz zu schweigen von dem Labyrinth im Inneren.
Ich bin unendlich dankbar dafür, daß mir
die Qual erspart bleibt, mein eigenes Gesicht zu sehen. Aber wie ich den Blick
über die Menge gleiten lasse, bekomme ich plötzlich einen verdammt guten
Eindruck, wie es aussehen muß.
Ich kann ihn deutlich sehen, dort hinten
im Stehraum, nicht Teil dieser Versammlung, sondern einer anderen, mehr
körperlosen...nicht wirklich von dieser Welt. Wie ein Schatten der
Vergangenheit, wie Hawkeye selbst, versucht er, unsichtbar zu bleiben.
Nicht für mich. Er zieht meinen Blick auf
sich, auf sein Gesicht, und ich erkenne den wohlbekannten, lähmenden Schmerz
des absoluten Verlustes.
Kalte Augen begegnen den meinen, bringen
mich fast zum Schweigen.
Die versteinerte Miene spiegelt meine
Gefühle in jedem Detail wieder.
Wer ist er?
Er schaut mich an als würde er mich kennen,
und ich habe das Gefühl als würde ich ihn auch kennen. Doch kann ich mit dem
Gesicht keinen Namen verbinden. Sein Mund wird zu einer dünnen Linie, die
Muskeln in Kiefer und Hals arbeiten; es ist offensichtlich, daß er Worte
herunterschluckt, die mit denen, die gerade über meine Lippen kommen, identisch
sind.
Habe ich etwas gesagt, woran er Anstoß
nimmt? Denn ich bin mir sicher, daß ich nichts *getan* habe.
Wer ist er und was war seine Beziehung zu
Hawkeye...oder Ben?
Dieses Gefühl, das ich bei ihm habe,
seine Gestalt...ihr Umriß ähnelt der Leere, die ich tief in Hawkeyes Innerem
fand und, wenn er es zuließ, die Ränder mit meinen Fingerspitzen erforschte,
ganz vorsichtig, um mich nicht an den scharfen Kanten zu schneiden.
Vielleicht irre ich mich.
Mein räumliches Sehvermögen hat in den
letzten zwei Jahren nachgelassen und außerhalb eines OP war ich noch nie
besonders gut im Zusammensetzen von Puzzles. Abgesehen davon scheinen mir die
Ränder dieses Mannes eh zu ausgefranst als daß er noch irgendwo hineinpassen
könnte. Trotz der stummen Wut, die er auf mich richtet, fühle ich das Mitleid
in mir aufsteigen
Wer ist er...?
Zeit scheint stillzustehen während dieser
Sekunden der wortlosen Kommunikation, bei der wir beide gleichzeitig sprechen
und zuhören. Bevor ich es mir bewußt bin, sehe ich genauer hin. Ich bin
festentschlossen, mir sein Gesicht einzuprägen, herauszufinden, wer er ist.
Zunächst aber muß ich meinen Blick wieder
dem Manuskript zuwenden und den Absatz beenden, wenn auch nur stockend. Noch
ein zitternder Seufzer und meine Pflicht und Schuldigkeit ist getan. Jetzt
zurück zu dem mysteriösen Fremden...
Die Stelle, an der er stand, ist leer,
nicht mal ein Schatten ist noch zu sehen. Er ist fort, ist zwischen zwei
Atemzügen und einem Herzschlag hinausgeschlüpft, zurück in die Vergangenheit.
Wo immer er ist, er ist Hawkeye
vermutlich näher als es sich irgend jemand von uns hier nur erhoffen kann.
Warum redet Margaret nicht weiter?
"Margaret", flüstere ich.
Sie räuspert sich, bricht den Bann.
Die Zeit bewegt sich wieder vorwärts.
FINIS